1WK Kleine Geschichte eines Waffenstillstands
#2
Die politischen Abläufe mögen soweit ganz gut wiedergegeben sein, allerdings zwei Punkte sind etwas problematisch bzw. oberflächlich:

1.) die genannte Leinster sank zwar nach einem U-Boot-Angriff, allerdings waren von mehr als 700 Opfern (manche reden auch "nur" von mehr als 500 Opfern) rund die Hälfte Militärangehörige. Ergo: Rein nach militärischen Gesichtspunkten darf ein solches Schiff, wenn Truppen transportiert werden, durchaus angegriffen werden. Allerdings wusste der deutsche Kommandant dies nicht, da das Schiff nicht als Truppentransporter fuhr und als solcher nicht gekennzeichnet war, d. h. aus seiner Sicht griff er also einen kleineren Passagierdampfer an (die Leinster hatte nicht einmal 10% der Vermessung der Lusitania), was die Sachlage aber natürlich nicht besser macht. Einen Beschuss von Rettungsbooten etc. kann man nicht nachweisen. Gleichwohl starben natürlich auch zahlreiche Zivilisten und die wahllose und warnungslose Torpedierung von Schiffen in einem uneingeschränkten U-Boot-Krieg muss immer ein Kritikansatzpunkt sein. Zugleich muss erwähnt werden, dass der U-Boot-Krieg im Oktober 1918 schon sehr rückläufig war, leider gab es aber dann die genannten, opferreichen Versenkungen dennoch.

2.) die Ebert-Aussage zu den "von niemandem übertroffen(en)" Truppen bzw. dass der "Dolchstoß" damit mitgeboren worden sein soll, ist so historisch nicht ganz haltbar. Zwar hat Ebert dies gesagt, aber in den Wirren des Rückzuges des Heeres - und wohl auch dem Umstand geschuldet, dass Ebert ein Sozialdemokrat war - ging das dann weitgehend unter. Die Dolchstoßlegende wurde erst richtig und medienwirksam "geboren", als am 18. November 1919 Hindenburg (und übrigens nicht Ludendorff) im Reichstag Rede und Antwort über die Ursachen der Niederlage im Weltkrieg stehen musste und wortwörtlich sagte, dass die "deutsche Armee von hinten erdolcht wurde". Von da an, nachdem die "Legende von Tannenberg" das gesagt hatte, stürzten sich rechte bzw. demokratiefeindliche Kreise auf diese Aussage, die dann zu einer frühen, aber massiven Bürde der neuen Republik wurde.

Wo ich gerade etwas nachforsche, ist diese Behauptung über die Tötung von 100 Offizieren in (Rückzugs-)Lagern durch die eigenen (deutschen) Soldaten im Oktober 1918. Das kannte ich so nicht und da mache ich mich mal schlau.

Schneemann
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RE: 1WK Kleine Geschichte eines Waffenstillstands - von Schneemann - 12.05.2023, 06:44

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