Großbritannien
Das Vereinigte Königreich wird weiterhin von einer schweren, mehrschichtigen Krise beeinträchtigt und es ist gegenwärtig auch noch nicht abzusehen, wann diese enden wird.

Ich will nun nicht alles auf den Brexit schieben (deswegen habe ich es auch nicht in den betr. Brexit-Strang gepostet), auch wenn dieser sicherlich vieles massiv mit beeinflusst hat und seine Hauptproponenten derzeit wohlweislich im Splitterschutz sind, denn es fallen hier mehrere Faktoren zusammen, so u. a.: Brexit, Regierungskrisen, Covid-19, Ukrainekrieg, Inflation, explodierende Lebenshaltungskosten, Erosion des NHS, Personalmangel, Streiks und Versorgungsengpässe - ja selbst der Mangel an Halbleitern spielt mit hinein. Besser wird dadurch, dass man verschiedene Ursachen benennen kann, allerdings nichts.

Zur Versorgungslage:
Zitat:Supermarket foods that have more than doubled in price over last year - see full list [...]

The cost of some everyday groceries has more than doubled over the last year according to the latest findings from the Which? food and drink inflation tracker. In February, Which? analysed inflation on more than 25,000 food and drink products at eight major supermarkets which included Aldi, Asda, Lidl, Morrisons, Ocado, Sainsbury’s, Tesco and Waitrose. [...]

The tracker found that in February, the annual inflation of popular food and drink was at 16.5% across all eight retailers. Specifically, trackers found that budget item prices had increased by 22.9%, own-brand by 19.7%, premium brands by 13.8% and branded product prices rose by 13.3%.
https://www.mirror.co.uk/money/supermark...e-29514559

Zur Krise beim NHS:
Zitat:A growing backlog of care in England [...]

High waits for treatment are not new. Prior to the pandemic in February 2020 there were already 4.43 million people on a waiting list for care. [...] The latest figures for January 2023 show: around 7.21 million people waiting for treatment. [...] A median waiting time for treatment of 14.6 weeks – significantly higher than the pre-Covid median wait of 8.4 weeks in January 2020. [...] The waiting list is a visible backlog, but what we refer to as the growing 'hidden backlog' remains an unknown for the health service. [...]

Patients are waiting longer for emergency care [...]

At the start of the pandemic, A&E attendance decreased significantly which led to performance improvements. However, since lockdown eased demand has steadily risen, reducing performance against targets.

These pressures on emergency care persist into 2023, despite small improvements in certain areas. Demand for care across all A&E departments slightly decreased in February 2023, with total A&E attendances decreasing to 1.91 million, down from 1.96 million in January 2023. 71.5% of people attending A&E were seen within 4 hours, which remains below the new NHS target of 76%. [...] The number of patients waiting over 12 hours for an emergency admission in February 2023 is still over 2.1 times higher than the one seen in February 2022 (16,404), and 22 times as high as it was in February 2020 (1,621).
https://www.bma.org.uk/advice-and-suppor...a-analysis

Ähnlich wie in Deutschland, gibt/gab es auch in Großbritannien einen Energiepreisdeckel. Und dort wird er noch mehr benötigt als bei uns, denn auf der Insel sind die Preissteigerungen eminent hoch (obwohl man selbst in der Nordsee mitfördert)...
Zitat:Cost of living insights: Energy [...]

Gas and electricity prices continue to rise rapidly compared with last year, and more than half (53%) of adults in Great Britain are reporting using less fuel in their homes because of the rising cost of living.

Electricity prices in the UK rose by 66.7% and gas prices by 129.4% in the 12 months to February 2023, and were some of the main drivers of the annual inflation rate. [...] As energy prices continue to rise, around half (49%) of adults who pay energy bills said they found it very or somewhat difficult to afford them.
https://www.ons.gov.uk/economy/inflation...ion%20rate.

Ferner (Meldung von Februar):
Zitat:Heizen oder essen? Die britische Mittelklasse leidet unter explodierenden Energie- und Lebensmittelkosten

In Grossbritannien suchen immer mehr Leute Zuflucht in geheizten Gemeindezentren und sind auf gespendete Lebensmittel angewiesen. Viele von ihnen hätten zuvor nie Hilfe benötigt, doch nun werde das Geld knapp, erzählt der Grossbritannien-Korrespondent Niklaus Nuspliger.

Im Altersturnen im Morningside Community Centre in Ostlondon scheint die Stimmung gut. Doch nicht alle Teilnehmenden sind nur fürs Turnen da. Viele suchen im Gemeindezentrum Zuflucht vor der Kälte. Denn Heizen ist aufgrund der steigenden Energiepreise teuer geworden. Für manche haben sich die Preise verzehnfacht. Das können sich viele schlicht nicht mehr leisten. Deshalb öffnet das Zentrum seine geheizten Räume für alle. Ähnlich ist es bei der sogenannten «food bank» des Gemeindezentrums. Die Inflation hat die Lebensmittelpreise in die Höhe getrieben. Darum stehen plötzlich auch Menschen für Gratis-Lebensmittel an, die eigentlich eine Arbeitsstelle haben und zuvor nie Hilfe brauchten.

In der neuen Folge von «NZZ Akzent» spricht der Grossbritannien-Korrespondent Niklaus Nuspliger über seinen Besuch bei gemeinnützigen Organisationen, die Bedürftige unterstützen, und erzählt, dass sie vom Staat nur wenig Hilfe erwarten können – denn ihm fehlen selbst die Mittel.
https://www.nzz.ch/podcast/krise-in-engl...ld.1725222

Anm.: Die NZZ redet sich hier etwas heraus: Dem britischen Staat fehlen die Mittel nicht unbedingt, man bzw. die konservative Regierung um Truss hat sich schließlich erst im Herbst letzten Jahres massive Steuererleichterungen für Spitzenverdiener (über 150.000 Pfund im Jahr) und Banken "gegönnt" - was dann allerdings das Ende von Truss' Regierung einläutete. Und nebenbei will man aktuell die Verteidigungsausgaben verdoppeln. Nun, knapp ist das Geld also offenbar doch nicht, selbst wenn das BIP (wie vermutet) in diesem Jahr um 1% schrumpfen sollte.

Eine Ende der Krise ist also, wie gesagt, noch nicht abzusehen. Und es muss damit gerechnet werden, dass sich die soziale Schere in Großbritannien weiterhin öffnet, mit allen Konsequenzen. Und wenn es stimmt, was die Financial Times im Januar vermeldete, dann wird diese Krise, die mit dem Brexit losgetreten wurde, aber sich jetzt eben durch andere Einflüsse multipliziert, das Vereinigte Königreich noch lange beschäftigen...

Schneemann
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