02.10.2022, 03:38
(02.10.2022, 02:39)KheibarShekan schrieb: Ich verstehe sowieso nicht, was mit den russischen Artillerie- und Raketenkräften los ist. Die müssten doch eigentlich in der Lage sein mit konventionellen Mitteln jede größere Stadt in Reichweite kontaktlos in Schutt und Asche zu legen. Wurde diese Fähigkeit abgerüstet? Wie kann es sein, dass die ukrainische Flugabwehr nach 6 Monaten noch quasi voll funktionsfähig ist? Genauso wenig ist erklärbar, dass man sich derart überlegen gefühlt hat, dass man da ohne entsprechende "Vorarbeit" in Unterzahl rein ist? Das ist doch insgesamt eher eine Art militärischer Suizid als sinnvolle Planung. Einen begrenzten Atomschlag oder Zerstörung von aktiven Reaktoren halte ich inzwischen für nicht so unwahrscheinlich, denn wer entsprechende suizidale Tendenzen zeigt, aber nicht verlieren darf, dem verbleiben nicht so viele Optionen, um aus der Nummer nicht als alleiniger Verlierer herauszukommen.
Städte sind riesig. Ohne Atomwaffen braucht man tausende Tonnen Sprengstoff um eine Stadt planmäßig in Schutt und Asche zu legen. Hamburg 1943 - es waren tagelange Bombardements mit 34,000 Toten insgesamt. Aber die Stadt funktionierte weiter, Rüstung konnte weiter produziert werden etc... Städte sind so enorm widerstandsfähig. Und Russland hat nicht die Möglichkeiten wie die USAF um eine Stadt komplett konventionell in Schutt und Asche zu legen, ohne Artillerie. Artillerie ist außerdem enorm ressourcenintensiv - man braucht das Geschützt und jede Menge Sprengstoff um eine Granate um ca. 40 Kilometer, bei den Russen eher 30 Km weit zu schießen. Und die müssen alle an die Front transportiert werden, und dann will man eher denjenigen abschießen der zurückschießen kann.
Die Flugabwehr der Ukraine ist noch funktionsfähig aus mMn drei Gründen:
1. Die auf Überlebensfähigkeit ausgelegte Konstruktion. Hochbeweglich, vernetzt etc...
2. Ungenügende Aufklärungsmöglichkeiten. Russland hat wiederholt bewiesen wie mangelhaft seine Gefechtsfeldaufklärung ist. Wenn man das S300 und die BUK nicht spotten kann, dann kann man die auch nicht bekämpfen. Es fehlt an einsatzfähigen Satelliten, es fehlt an Drohnen, es fehlt an SEAD Flugzeugen, es fehlt an Gefechtsfeldüberwachung. Schau dir mal das Inventar der USAF für diese Aufgaben an; die haben an die 100 Flugzeuge alleine nur für AWACS, AEW, AGS, ISTAR, ELINT, SIGINT etc... Dazu noch aus dem National Reconaissance Office sicherlich mehr als 30 Satelliten, und dann noch mehr als 30 Global Hawk Drohnen und 50 M9 Reaper. Und weitere Geheimprojekte. Dagegen weist die russische Luftwaffe nur 15 AWACS / AEWs aus, und nur 6!, ja sechs, Tu-214 in einer Aufklärerversion aus. Und 30 Drohnen.
Ihre Raumfahrtkapazitäten sind auch nicht auf einer Stufe, quantitativ und vor allem qualitativ, nicht mit den Amis.
3. Effektoren. Mit was soll man denn schießen? KH-28, veraltet, wahrscheinlich auch nicht einsatzfähig. KH-31, wird verwendet zurzeit. Aber da fehlt natürlich wieder Punkt 1 und 2 in der Gleichung.
Die Operation wurde ja wahrscheinlich nicht von der Armee geplant sondern vom Geheimdienst. Der Geheimdienst ist es worauf Putin sich stützt. Darauf und sein Netzwerk aus loyalen und gekauften Gefolgsleuten die die wichtigsten Posten innerhalb der Sicherheitsarchitektur innehaben. Silowiki, genannt.
Putin vertraut nicht der Armee, sondern nur einer kleinen Gruppe von Leuten deren Gefolgschaft er sich sicher ist. Nur sind das keine ausgebildeten Generäle. Shoigu ist Bauingenieur vom Beruf, seinen Rang als Armeegeneral hat er sich nicht durch seine operativen Fähigkeiten erworben...
Die Invasion wurde in kleinstem Kreis geplant, gestützt auf Fehlannahmen und Fehlkalkulationen; namentlich dass die Ukraine keinen Widerstand leisten wird und die Truppe ein nahezu unverteidigtes Kiew einnehmen werden kann. 150,000 Mann als Drohkulisse und wenn das nicht zieht, ein schneller Vormarsch. Wahrscheinlich hat da jemand einfach eine Karte genommen und einen Pfeil über die Landstraßen gelegt. Der Armee wurde gesagt sie solle sich zum Manöver bereithalten und das war es. Planung wird in Russland sowieso übergeordneten Stellen überlassen. Und dann gibt es halt schief.
Das ist die Frage ob er einen Atomschlag will oder nicht. Egal of 5 KT oder 500 KT, ein Atomschlag gegen eine Kriegspartei wäre eine absolute Nachkriegszäsur. Wahrscheinlich das eines der destabilisierenden Ereignisse der modernen Geschichte. Ein Atomschlag würde alles ändern. Zunächst müssten Staaten wie Indien, China und auch Westafrika deutlich Farbe bekennen. Ein Atomschlag kann so nicht hingenommen und ignoriert werden. Alleine der Druck aus China könnte schon zu viel werden. Natürlich wird die westliche Reaktion nicht ausbleiben. Wahrscheinlich ein totales Handelsembargo auf fast alles, Ziel der Politik wird es dann sein in Russland einen Regimewechsel zu ermöglichen. Die Ukraine würde jeden militärischen Wunsch erfüllt bekommen und evtl. wird die NATO einen Luftschlag gegen russische Truppen in der Ukraine verüben, als Warnung. Und ich denke dass dann einige Menschen kalte Füße bekommen würden in Moskau.
Russland könnte aus der Nummer rauskommen. Rückzug aus den Gebieten die es seit dem 24.02.22 erobert hat, im Gegenzug für die Krim. Das Ziel der Ukraine den Status Quo 2014 herzustellen ist illusorisch und nicht realisierbar. Man muss gucken dass man die möglichst wichtigsten Ziele erreicht. Distanz nach Kiew, Kontrolle des Donbass, kein Brückenkopf am Dniepr auf den Weg nach Odessa.
Ob Putin darauskommt ist eine andere Frage. Russland wird auch ohne ihn weiterexistieren. Schlussendlich wird er gesichstswahrend wohl kaum darauskommen.