Großbritannien
Ich denke, die hier auflaufenden Probleme sind nicht mehr nur alleine mit dem Brexit erklärbar (wenngleich es sicherlich auch übergreifende Einflüsse gibt), insofern stelle ich es nicht in den Brexit-Strang im Spekulationenbereich, sondern hier ins Landesdossier. Generell scheint das Vereinigte Königreich in eine seiner schlimmsten Rezessionen seit der frühen Thatcher-Zeit hineinzurutschen...
Zitat:Johnsons fatales Erbe

Der britische Patient

Rekordinflation, ein marodes Gesundheitssystem und jede Menge Arbeitskämpfe - die künftige britische Premierministerin Truss hat von ihrem Vorgänger Johnson etliche Baustellen geerbt. Klar ist: Sie anzugehen, wird teuer. [...]

Großbritannien leidet unter der höchsten Inflation innerhalb der G7-Industriestaaten, im Juli waren es 10,1 Prozent - der höchste Wert seit 40 Jahren, mit Prognose in Richtung 20 Prozent. Die Labour-Opposition spricht angesichts steigender Preise von einem nationalen Notstand. Der Chef der Bank of England, Andrew Bailey, warnt, das Land könnte in die längste Rezession seit der globalen Finanzkrise rutschen. [...]

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass die stark gestiegenen Preise für Gas und Strom schon jetzt knapp die Hälfte der Menschen in Großbritannien finanziell an ihre Grenzen bringt. 45 Prozent der Befragten geben an, sie könnten sich den ab Oktober geltenden Energie-Preisdeckel, der für einen durchschnittlichen Haushalt auf umgerechnet rund 4100 Euro jährlich gestiegen ist, nicht mehr leisten. Fast 20 Prozent erklären, dass sie inzwischen Mahlzeiten auslassen. Verbraucherschutzexperte Martin Lewis verwies in der BBC darauf, dass die ab Oktober geltende Preisdeckelung für Energiekosten 37 Prozent der staatlichen Rente ausmache; bei Sozialhilfeempfängern sei es sogar ein noch größerer Teil des ihnen zur Verfügung stehenden Geldes. Alarmismus? Den Vorwurf wies Lewis von sich: "Ich sage: Das ist eine Katastrophe, einfach weil es eine ist. Schlichtweg unbezahlbar." [...]

Während die Inflationsrate und die Preise steigen, stiegen die Löhne nicht im gleichen Maße mit, beklagen die Gewerkschaften. Großbritannien schlittert in einen Streik-Herbst. Seit Monaten schwelen Arbeitskämpfe in den unterschiedlichsten Branchen." Angemessene Bezahlung, und zwar jetzt", fordern streikende Hafenarbeiter am größten Überseehafen in Felixstowe ebenso wie die Müllabfuhr in Edinburgh, wo während des berühmten Kulturfestivals im August Ratten zwischen verrottenden Müllbergen durch die Stadt liefen. Immer wieder kommt es zu Arbeitsniederlegungen bei der Post, tagelang liegt das Land wegen wiederkehrender Bahnstreiks lahm. [...]

Ein besonderer Schmerzpunkt ist der Gesundheitsdienst NHS. Gesundheitsminister Steve Barclay wurde jüngst während eines Interviews auf offener Straße von einer Passantin beschimpft, weil Krankenwagen wegen überfüllter Kliniken oft stundenlang warten müssen, bis sie Patienten einliefern können: "Menschen mussten sterben und Sie haben nichts getan!", wurde er angeherrscht. Und nicht nur bei Notfällen gibt es gefährliche Verzögerungen. Landesweit warten fast sieben Millionen Menschen auf sogenannte "nicht dringende" Behandlungen, wie Hüftoperationen, aber auch Krebstherapien verzögern sich. Darüber hinaus fehlen 100.000 Pflegekräfte in Kliniken und mehr als 4000 Allgemeinmediziner - unter anderem Folge des Brexits. [...]

Und was den schwelenden Streit mit der Europäischen Union wegen der ungeklärten Brexit-Probleme rund um das Nordirland-Protokoll angeht, muss die Regierung auch zeitnah entscheiden, ob die derzeitige Situation günstig ist, um einen Handelskrieg mit der EU zu riskieren.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa...n-101.html

Schneemann
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