Bürgerkrieg in Syrien
#10
Schneemann:

Zitat:Also die Zahl der Syrer an sich dürfte abgesunken sein. Es gibt zwar keine sicheren Erhebungen (wie auch), aber man schätzt grob, dass die Zahl der Bevölkerung in Syrien von ca. 21 Mio. zu Kriegsbeginn auf aktuell irgendwo zwischen 17 und 18 Mio. gesunken ist.

Die Zahl der Syrer in Syriern ist gesunken, die Zahl der Syrer insgesamt aber ist gestiegen. Es gibt heute mehr Syrer als vor dem Krieg - deshalb töten im Rahmen der kompensatorischen Sterblichkeit.

Es sind ja gerade mal ca. 500.000 bis 600.000 Menschen getötet worden. In Syrien selbst aber liegt die Fertilitätsrate trotz des Krieges aktuell immer noch bei knapp über 3 und bei den Flüchtlingen in den Lagern ist sie ebenfalls nirgends unter 2, eher im Bereich um die 2,5. Die syrische Bevölkerung wächst also.

Damit man sich dass etwas besser vorstellen kann und einen Vergleich hat:

Hier und heute kommen in Syrien auf 1000 Personen 24 Geburten. In Deutschland kommen hier und heute auf 1000 Personen nur 9,4 Geburten.

Oder um es noch mehr zu verdeutlichen:

2011 als der Krieg so richtig losging hatte Syrien ca 21 Millionen Einwohner. Heute beträgt die Einwohnerzahl ca. 17 Millionen wie von dir richtig angemerkt. Aber es haben 7 Millionen Syrer das Land verlassen. 21 - 7 = 14 ! und nicht 17. Dazu 0,5 Mio Tote - die Bevölkerung Syriens stieg also während des Krieges um 3,5 Millionen.

Es gibt also heute trotz des Krieges 3 Millionen Syrer mehr als bei Kriegsbeginn.

Zitat:Der Knackpunkt dürfte sein, dass ein Großteil jener, die geflohen sind, sich die Flucht leisten konnten oder zumindest vor dem Krieg zu den besser gestellten Personen gezählt werden können. D. h. der "brain drain" wird für das Land nicht von der Hand zu weisen sein.

Das hängt davon ab, von welcher Ethnie du sprichst. Die Nusairier sind im Vergleich beispielsweise wenig geflohen, da ist der Brain Drain sehr gering, ebenso bei den Kurden. Während die Sunnitischen Araber einen erheblichen Brain Drain hatten. Der Verlust der sunnitischen Eliten durch Flucht, Ermordung, sonstige Ausfälle wird nachhaltig die Macht der Nusairier in Syrien stabilisieren und ist meiner Meinung nach durchaus ein Grund für die jetzt zunehmende Stabilität des Regimes dort.

Zitat: Stellt man voran, dass das Land befriedet ist, was ich sehr skeptisch sehe, so wäre es angesichts der Verwüstungen schon schwierig genug, einen Wiederaufbau zu stemmen. Mit dem Verlust eines nicht unwichtigen Teils der Menschen stellt sich dies jedoch nochmals schwieriger dar.

Zerstörung im Krieg führt zu einer gleichmäßigeren Verteilung von Vermögen und ist volkswirtschaftlich gesehen insgesamt gut. The Great Equalizer heißt ein Buch zu diesem Thema. Ob ein Wideraufbau gelingt oder gar daraus eine wirtschaftliche Blütezeit entsteht hängt von diversen äußeren Rahmenbedingungen ab (also Sanktionen, Fremdmächten usw) und weniger von der Frage wieviel im Land zerstört wurde oder wieviele Menschen zur Verfügung stehen.

Die übrig gebliebenen Syrer konnten sich ja das Vermögen und das Land etc von 7 Millionen Flüchtlingen aneignen. Das hat die soziale Ungerechtigkeit in Syrien (trotz aller Korruption und Bevorteilung des Regimes) insgesamt im Vergleich zum Vorkriegszustand vermindert. Auch das wirkt systemstabilisierend und ist einer der Gründe warum Assad sich durchsetzen konnte.

Nehmen wir mal an, es wird nicht wieder von außen gezündelt (Biden, Golfaraber, Türken) und das Land erhält freien Handel und es werden keinerlei Sanktionen / Einschränkungen verhängt, würde in Syrien sehr sicher ein Wirtschaftswunder geschehen und ein immenser Aufstieg der syrischen Wirtschaft.

Zitat:Kurzum: Die in Trümmern liegenden Gebiete werden noch lange in Trümmern liegen. Und damit auch die Infrastruktur und die Versorgungswirtschaft, was zwangsläufig zu einer weiteren Abwanderung führen wird.

Der Schuldige daran wären dann primär wir, weil wir Syrien durch Sanktionen und Einschränkungen die Wirtschaft abwürgen. Wenn wir stattdessen dem Assad Regime freien Handel ohne jede Einschränkung ermöglichen würden, würde das nicht so laufen und dass wäre dann ein starker Anreiz zu bleiben bzw. zurück zu kehren.

An dieser Stelle sollte ich einfügen, dass dies Überlegungen frei von jeder moralisch/ethischen Beurteilung der ganzen Sache sind. Unabhängig davon also könnten wir durchaus die Weichen so stellen, dass Syrien erfolgreich wird.

Zitat:während die restlichen Landesteile entweder teils von ausländischen Mächten kontrolliert werden (ich denke auch an die Türkei im Norden), Wüsteneien sind oder ein Quasi-Somalia für irrlichternde Fundamentalisten-Milizen bilden.

Die Erwähnung von Wüsteneien ist hier recht gut: denn schon vor dem Krieg waren weite Teile des Landes einfach nur Wüsteneien. Diese Gebiete spielen einfach praktisch keine Rolle, sie sind irrelevant. Wenn man Syrien nachhaltig lösen wollte müsste man jetzt dem Assad Regime die Herrschaft zugestehen und es stabilisieren, indem man vor allem anderen die anderen ausländischen Mächte (durch Diplomatie etc) heraus drängt, damit Assad sich der irrlichternden Islamisten annehmen kann. Dann würde dort tatsächlich echter Frieden einkehren.

Da wir aber an unsere eigene Propaganda glauben, sehe ich für eine solche realistische und sinnvolle Lösung kaum Chancen.
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