Türkei
OT:
Zitat:Manche bedienen sich und leben ja gerne in Klischees. Aber dass es speziell den Kulturraum des Nahen Ostens auszeichnet, bei Schwierigkeiten im Inneren Bezüge zu äußeren Feinden herzuleiten, ist z.B. unter vergleichendem Blick auf europäische, nord- und südamerikanische Nationalisten nicht als Abgrenzungskriterium auszumachen. Vermeintlich "Schuld an der Misere" waren ja auch in Europa entweder die Juden, Türken, Muslime, Bänker, Chinesen, ...
Naja. Das ist so indessen nicht vergleichbar. Es gibt einen Unterschied. Die Versuchung, Probleme anderen Gruppen oder einer anderen Religion anzulasten, gibt es sicherlich in allen Kulturkreisen, nur bezieht sie sich im Westen auf das "Problem an der eigenen [inneren] Ecke", d. h. wenn man für irgendwelche Miseren (oder nur propagandistisch postulierte Miseren) einen Sündenbock benötigt/e, so war/ist es einer, der bereits im Land ist und dort lebt, egal ob nun Türken in Deutschland, Nordafrikaner in Frankreich, Kaukasier in Russland oder auch Schwarze in Italien (Flüchtlingsproblematik) oder auch etwa die Juden in der Nazizeit. D. h. es gibt/gab eine real "greifbare" Gruppe, die tatsaechlich im Lande lebt bzw. real existiert/e, die man für Vorurteile, Anfeindungen und Klischees "nutzen" kann und konnte.

Im Nahen Osten indessen ist dies nicht der Fall, bzw. zumeist nicht der Fall. Es werden nebulöse Gruppen "inszeniert", die [oftmals von außerhalb] für das Unheil verantwortlich sein sollen. Nur in seltenen Positionen werden wirklich Gruppen, bzw. "Ross und Reiter", benannt. Und dies ist a) das Erbe der zahllosen Autokraten, Diktatoren, etc., die auf Jahrzehnte hinaus den Nahen Osten beherrschten und die, sobald es innenpolitisch bei diesen rumort/e, auf ominöse Verbindungen im Ausland verwiesen, sowie b) der Einflussnahmen auf die Region, besonders im Kalten Krieg, durch die Weltmachtblöcke und ihre Pokerspiele. Das Ergebnis ist heute eine an Paranoia grenzende Veranlagung - selbst demokratisch legitimierter Herrscher und Regierungschefs -, die Schuld weiterhin im Ausland oder bei irgendwelchen schwammig umschriebenen Gruppierungen zu suchen.

Erdogan selbst hat vor nicht allzu langer Zeit sich entblödet, "Cliquen" im Ausland für die Proteste verantwortlich zu machen (!). Von Tunesien über Libyen bis Agypten suchten die Herrscher nach Ausflüchten/Ursachen im Ausland, als das Volk 2010/11 auf die Straße ging. Genauso der Iran: Die 2009er-Proteste nach den Wahlen wurden ebenso als vom Ausland organisiert bezeichnet. Kurz: Immer wieder das Ausland, Ausland, Ausland...

Schneemann.
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