29.05.2013, 12:37
Zitat: In Deutschland? Wie kommst du darauf?Ich versuche das mal für Nichtdeutsche zu erklären. Schau dir doch an was bei uns abgeht.
Wer will denn eine starke Bundeswehr / Rüstungsindustrie? Absolut niemand!
Das Groß der Bevölkerung interessiert sich nicht für Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Eine absolute Mehrheit des deutschen Volkes sieht die Bundeswehr (zurecht) als reine Geldvernichtungsveranstaltung und will am liebsten gar nie und auf keinen Fall irgendwas mit der Bundeswehr im Ausland machen (zu unrecht). Es gibt mE zwar auch eine relative Mehrheit im Hinblick darauf starke Streitkräfte zu unterhalten, diese konzentriert sich jedoch vor allem im Bereich des gemeinen Volkes und hat damit keine Stimme. Weil überkommener Nationalismus und Militarismus und so. Dementsprechend gering ist die Unterstützung / Wertschätzung / Begleitung unserer Streitkräfte durch die Medien. Die Medien haben sich extrem schwer getan mit einer Einsatznahen Berichterstattung und vieles ist da absolutes Stückwerk geblieben. Der Komplex Bundeswehr und erst recht die Rüstungsindustrie an und für sich bleiben den Medien komplett verschlossen. Es besteht hier einfach kein Interesse an einem breiteren gesellschaftlichen Diskurs. Sieht man wieder schön in der aktuellen Berichterstattung. Es werden die alten Kamellen von Vorgestern aufgewärmt und pflichtschuldig abgearbeitet. Mehr nicht. Die politische Debatte findet auf einem erschreckend niedrigen Niveau statt und die Sicherheitspolitiker aller Fraktionen sind in den Medien nur damit beschäftigt die Schuld von sich weg auf die anderen zu schieben. Die Medien machen da nur zu gerne mit, weil ihre eigene Kompetenz kaum über das Abschreiben von Wikipedia Artikel hinausreicht. Wirkliche Sicherheits- und Verteidigungsexperten sind in der Branche dünn gesät und haben es sehr schwer. Thomas Wiegold von Augengeradeaus.net ist da das unrühmliche Paradebeispiel. Beim Focus ist er gegangen weil sein Fachbereich nicht genügend Ressonanz erzeugt und einer Umbildung zum Opfer fiel. Die sonstigen Verdächtigen machen es keinesfalls besser.
Dementsprechend, wenn Bevölkerung und Medien ausfallen können die Politiker schalten und walten wie sie wollen. Und solange nicht zuviel in den Sand gesetzt wird passiert genau das. Es ist ein trauriger aber unumstößlicher Fakt in der bundesdeutschen Politik, das man mit Sciherheits- und Verteidigungspolitik keine Wähler gewinnen kann. Im Gegenteil, alles was über Abrüstung und Nichtbeteiligung hinausgeht schadet den Parteien effektiv - Ausnahme der rechte Unionsflügel der aber mittlerweile auch im Nichtwählernirwana verschwindet. Dementsprechend versucht sich der jeweilige Verteidigungsminister irgendwie durchzumogeln um nach außen hin gegenüber den Verbündeten halbwegs den Schein zu wahren. Nach innen hat keine Partei irgendwie Interesse darin das es irgendwie besser wird mit dem Laden (unwichtige Unionshinterbänkler ausgenommen). Dementsprechend macht die Union mit den Streitkräften was sie meint ganz besonders gut zu können. Wirtschafts- und Industriepolitik. Sehr erhellend sind dabei Firmensitze und Produktionsstätten namhafter Deutscher Rüstungsunternehmen. Vor allem die CSU und die Süd-CDU haben großes Interesse daran das diverse Firmen die Bundeswehr beliefern dürfen. Überspitzt gesagt darfst du da die Bundeswehr nicht als Streitkraft begreifen sondern eher als Werbe- und Ausstellungsplattform für deutsche Rüstungsprodukte. Es geht hier nicht ansatzweise um Wirtschaftlichkeit oder Militärische Verwendbarkeit. Es geht darum das die Arbeitsplätze in Manching, Donauwörth, Ottobrunn, Laupheim, Überlingen , Aschau, Augsburg, Friedrichshafen, Immenstaad, Oberkochen, Ulm, Unterschleißheim etc. etc. zu erhalten. Und das sind jetzt nur Standorte in Süddeutschland die mir so einfallen. Nicht die strukturell schwächsten Regionen im Lande aber die Unternehmen spülen natürlich Geld ohne Ende ins regionale Staatssäckel. Die Union wird unter keinen Umständen hergehen und eine Rüstungspolitik betreiben die in ihren Stammwählergebieten Arbeitsplätze kostet. Wozu auch wenn man die Bundeswehr nicht ordentlich im Inland einsetzen kann? /sarcasm
Bei der SPD sieht das Ganze etwas anders aus. Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist bei den Sozialdemokraten ein ziemliches rotes Tuch. Man hat als man an der Regierung war fleisig selber Krieg geführt und sich im Falle Afghanistan recht ordentlich die Finger verbrannt. Und das Kosovo Abendteuer hat gewaltig politisches Kapital im linken Spektrum gekostet. Im Anschluss dann hat man gute Erfahrungen gemacht aus dem Irak drausenzubleiben. Dementsprechend bezieht sich die Position der SPD genau darauf. Staatstragend wird das Afghanistantheater mitgetragen und sonst Bedenkenträger gespielt. An einer starken Bundeswehr hat man genausowenig Interesse wie an der Rüstungsindustrie. Genauer hat man an dem ganzen Themenkomplex absolut kein Interesse – von den ein, zwei üblichen Verteidigungsfetischisten mal abgesehen. Der Kanzlerkandidat will ja lieber die Kavallerie in die Schweiz schicken als die Panzer, recht viel mehr muss man von den Sozialdemokraten in dieser Frage nicht erwarten. Sollte es für Schwarz Gelb nicht reichen wird die SPD in der großen Koalition das Thema der Union überlassen. Heißt es bleibt alles so wie es ist.
Grüne und Linke können mit der Bundeswehr und erst recht mit der Rüstungsindustrie rein garnichts anfangen. Die Linken noch viel mehr als die Grünen, die führen schließlich Krieg, aber nur wenn sie an der Regierung sind weil nur dann ist Krieg gut und nicht böse. Für die Linken ist Krieg immer böse und alles was mit Krieg zu tun hat teuflisch und zu bekämpfen. In etwa auf diesem Niveau bewegt sich die politische Debatte links der Mitte. Die Grünen haben zwar noch den einen oder anderen halbwegs kompetenten Sicherheitspolitiker aber die haben keine Hausmacht. Die Bundeswehr kostet zu viel Geld und Einsätze bringen nichts – weiter geht der Gedanke da nicht.
Das dürfte übrigens auch ziemlich der Standpunkt der FDP sein. Unser derzeitiger Außenministerimitant zeichnet sich vor allem durch eine Politik der absoluten Deeskalation und militärischen Zurückhaltung aus. Mehr ist aus dieser Ecke nicht zu erwarten. Historisch betrachtet war Verteidigungspolitik nicht ein Ressort der FDP, auch wenn sie als Juniorpartner immer den Außenministerposten bekommen haben. Aus dieser Richtung ist also nicht zu erwarten.
Woher soll also etwas kommen? Bevölkerung, Medien und Politik haben null Interesse an einer starken, verwendungsfähigen Truppe. Rüstungspolitik ist Industriepolitik ist Arbeitsplatzsicherung. Mehr nicht.
Eigentlich müssten sich mal in der Generalität ein paar finden die Medienwirksam auf den Tisch hauen. Aber das ist natürlich absolut utopisch, schließlich zieht dann gleich wieder das Dritte Reich am Horizont auf.