30.01.2012, 22:45
Samun schrieb:.... Wie kann sich eine Gesellschaft dermaßen militarisieren ohne jemals Krieg selbst erlebt zu haben?das liegt wohl am Kriegserlebnis. Der deutsch-französosche Krieg von 1870/71 - also der dritte und letzte der Deutschen Einigungskriege - führte zu der von Bismarck betriebenen deutschen Reichsgründung, der Kaiserproklamation in Versailles, französischen Reparationen sowie der Eingliederung von Elsaß-Lothringen ins Deutsche Reich. Der Zerstörungen fanden in den Nachbarländern statt. Damit war der 70/71er Krieg für die Deutschen mit entsprechenden postiven Ergebnissen verbunden.
Er ist von den Siegern immer verklärt worden. Auf dieser Basis wurde Krieg als "postives Erlebnis" dargestellt, das in der Erwartungshaltung der Wiederholung zu den bekannten Bildern vom Beginn des ersten Weltkrieges führte.
Nach zwei verlorenen Kriegen (insbesondere nach den Zerstörungen von 1945 auf deutschem Boden) ist das "kollektive Erlebnis" in Deutschland genau anders herum. Krieg wird jetzt mit Zerstörung, Hunger, Chaos und Tod assoziiert.
Diese unterschiedliche Assoziierung von "Siegermächten" und "Verlieren" erklärt zum Teil auch die unterschiedliche Haltung etwa in den USA und in Europa allgemein und Deutschland speziell.
Die "verlorenen Kriege" der letzten Dekaden fanden für die USA immer ausserhalb des eigenen Territoriums statt. Vietnam hat zwar viele der dort kämpfenden Soldaten traumatisiert, was ja auch zu den bekannten Demonstrationen in den USA selbst führte - er ist aber für die Gesellschaft insgesamt ein "Bildschirmkrieg" geblieben. Insofern ist in der US-Gesellschaft ein gewisser Militarismus, eine Heroisierung des Militärs immer noch massiv vorhanden.
Das unterschiedliche "Erleben" - hier die unmittelbar traumatischen Erfahrungen der kämpfenden Truppe, dort die eher heroisierende Darstellung in "sauberen Nachrichtenbildern" von "eingebetteten Journalisten" einerseits und heroisierenden Spielfilmen andererseits (also der "saubere Bildschirmkrieg") führt ja auch zum Zerbrechen vieler Ehen von US-Soldaten, die mit dem unterschiedlichen Erleben nicht umgehen, dieses nicht miteinander bewältigen können.
Auch in Deutschland entwickelt sich der Auslands-Einsatz in Afghanistan möglicherweise zum Beziehungskiller. «Es gibt bei der Bundeswehr schon heute die höchsten Scheidungsraten aller vergleichbaren Gruppen»
Und was sich da "im Kleinen" abspielt ist "im Großen" eben auch so zu beobachten. Das "kollektive Erleben" der Siegermächte (vor allem, wenn der Krieg auf fremden Territorium stattfindet), und der Verlierer (vor allem wenn der Krieg zu massiven Zerstörungen und Verlusten unter der eigenen Zivilbevölkerung führt) ist unterschiedlich und dementsprechend ist die Projektion der Gesellschaft auf Militär und Krieg auch unterschiedlich.
