21.02.2011, 20:46
Schneemann schrieb:Zitat:Aber sie schlichtweg als rechtlose Steinzeitmenschen, Mafiosi und Verbrecher zu bezeichnen ist ziemlich dümmlich, weil man sie selbst mit erschaffen und gefördert hat. Zunächst gegen den Kommunismus, später gegen den schiitischen Islam. Bis zum 11.09.01 waren die Taliban noch als potentielle Geschäftspartner für Pipelineprojekte gern gesehene Gäste in Washington. ....
Die Taliban haben im Vgl. mit den Mudschahedin des sowjetischen Afghanistan-Kriegs keine gemeinsame zeitliche und örtliche Ausgangsbasis (und dennoch wird dieses Argument, besonders auch von den deutschen Linken, gerne angeführt), die Entstehung beider Bewegungen ist darüber hinaus verschieden und von unterschiedlichen Gründen geleitet. Meiner Mn. nach lässt sich hier kein roter Faden spannen. Ferner waren die ganzen Pipelineprojekte (Unocal, Delta, Bridas & Co.) schon in den 90ern passé. Bis zum 11. September waren die Taliban also schon lange keine Geschäftspartner mehr in den USA, genau genommen gab es ab 1997/98 keinerlei Kontakte mehr, vor allem weil auch die damalige Clinton-Regierung hier gegensteuerte.
Schneemann.
Die Russen haben nicht gegen die Taliban, sondern gegen die regionalen Warlords wie Massoud oder Hekmatyar gekämpft. Die Taliban waren damals noch eine unbedeutende Truppe. Herangezüchtet wurden sie natürlich zuallererst vom pakistanischen Geheimdienst, der sie mit Waffen, Geld und organisatorischer Hilfe unterstützte. Allerdings hat man die Taliban in den USA sehr wohl gefördert, weil sie Stabilität im Land versprachen und mit dem Iran im Konflikt lagen. Diese Unterstützung dürfte wahrscheinlich auf indirekten Weg über den pakistanischen Geheimdienst ISI erfolgt sein, der ohnehin bestrebt war, den Einfluß des Rivalen Iran zurückzudrängen. Es ist bezeichnend, daß der Iran den Amerikanern damals beim Einmarsch nach Afghanistan Unterstützung angeboten hatte, den beide, der Iran und die Taliban, sind sich im Grunde spinnefeind. Das liegt zum einen an den religiösen Differenzen. Der Iran unterstützt in erster Linie die schiitische Minderheit der Hazara in Aghanistan, die etwa 15 % der Bevölkerung ausmacht. Nach dem Abzug der Russen verfolgten die iranische Regierung das Ziel, die nichtpaschtunischen und persischsprachigen Minderheiten (etwa die Hälfte der aghanischen Bevölkerung spricht Dari, eine neupersische Schriftsprache) zu stärken und eine Iranfreundliche Regierung zu installieren. Die Paschtunen, welche die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung stellen und aus denen sich auch die Taliban rekrutieren, sind dagegen sunnitische Moslems, die wiederum von Saudi-Arabien und Pakistan unterstützt wurden. Bei ihrem Vormarsch im Bürgerkrieg gegen die Regierung Rabbani, die aus den Machtkämpfen der Warlords hervorgegangen war, bekämpften die Taliban die Hazara und deren militärische Organisation im Stile von religiös-ethnischen Säuberungen. Das brachte Aghanistan an den Rand eines offenen Krieges mit dem Iran, der nur knapp vermieden werden konnte. Der Sturz der Taliban bedeute dann für den Iran die Beseitigung eines ständigen Unruheherdes an seiner Ostgrenze.
Alles in allem muß man sagen, daß sich der andauernde Konflikt in Afghanistan zu großen Teilen aus der Unterstützung von ausländischen Interessengruppen speist. Das Gemengelage aus wechselnde Bündnissen und Machtkonstellationen und der sich überschneidenden Interessen zeigt noch einmal sehr deutlich, auf welche Weise der Einmarsch der USA dort eingegriffen hat und wie töricht er im Grunde war.