26.06.2010, 09:24
Quintus Fabius schrieb:Der Witz ist, daß Mc Chrystal rein vom Militärischen her hervorragende Arbeit geleistet hat. Ihm ist es mit US Truppen tatsächlich gelungen, die Taliban aus mehreren ihrer Hochburgen vollständig zu vertreiben bzw in etlichen ihrer Gebiete vollständig zu vernichten.
Das klingt jetzt aber eher an den Haaren herbei gezogen. Man liest eigentlich genau Gegenteiliges und gerade deshalb kam es offenbar im Kern auch zu den internen Zerwürfnissen und Schuldzuweisungen der Amerikaner in dessen Folge McChrystal seinen Hut nehmen durfte.
Zitat:Es gab nach den Kämpfen dort gar keine Taliban mehr, auch keine Untergetauchten.
"keine Untergetauchten"? Machst Du Scherze? Eine solche Aussage ist nicht erheb- bzw belegbar, noch würde sich jemand so zitieren lassen, der sich für qualifiziert hält die Lage beurteilen zu können. Sofern Amerikaner, Pakistaner oder Afghanen nach einer Offensive tatsächlich sich so geäussert haben sollten, dann ließe das hinichtlich der situational awareness tief blicken. Wohlwollend kann man solche Statements da eher noch als Propaganda auslegen.
Zitat:Dann aber übernahmen die Afghanischen Sicherheitskräfte und mit diesen kamen dann die Taliban wieder. Die ersten Vorauskommandos der Taliban waren dabei in den Reihen eben dieser Sicherheitskräfte.
Die Besetzung der gesäuberten Gebiete durch die Afghanischen Sicherheitskräfte war also sozusagen der ersten Schritt der Taliban das Verlorene Gebiet wieder zu besetzen.
Die Taliban brauchen eigentlich nicht in großem Stil in die afghanische Armee einsickern. Die ausländischen Truppen kontrollieren die Gebiete nach einer Offensive nicht. Daher können sie den Offensiven soweit begegnen wie sie Lust haben, da sie im Anschluss eh wieder die Kontrolle bekommen. Kundschafter und Informanten sitzen an allen Ecken, so dass sie auch schwer in die Falle zu locken sein dürften. Die Taliban wissen also meist sehr gut bescheid, wann die Luft rein ist. Sie brauchen weder die afghanische Armee, geschweige denn Drohnen oder Satelliten für diesen Zweck.
Das Problem der afghanischen Armee ist, dass ihr die militärische Fähigkeit, das Material und die Motivation fehlt, sich den Taliban zu stellen. Für die meisten "Soldaten" der afghanischen Armee ist das ein Job, wie jeder andere und nach zwei, drei Joints gibts auch keinen Grund mehr für irgendwas sein Leben zu riskieren.
Ein weiterer Grund warum sich die Taliban unter McChrystal weiter ausbreiten konnten, war sein fataler Ansatz, sich auf die Zentren zu konzentrieren und damit die Taliban in die Peripherie zu vertreiben. Das hat sogar recht gut funktioniert. Die größeren Städte sind kaum unter Taliban-Kontrolle und werden eher von von Raketenangriffen und Anschlägen heimgesucht, das Umland dagegen ist völlig verseucht. Davon hat man im Effekt absolut nichts und das lässt sich schon wie eine stillschweigende Verabredung auslegen, die beide Seiten subjektive Erfolge vorweisen lässt. Das ist pure Idiotie und planerische Unfähigkeit auf höchster militärischer Ebene auf Seiten der US Streitkräfte, nichts weiter. Die Taliban trauern McChrystal sicher nach. Davon bin ich fest überzeugt.
Zitat:So wie es aussieht sind die Afghanischen Sicherheitskräfte und insbesondere die Afghanische Armee viel weitgehender von den Taliban und anderen Widerstandskämpfern unterwandert als man bisher angenommen hat.
In einem Umfeld, in dem es den Menschen weitgehend gleichgültig ist, wessen Seite profitiert und solange man noch nebenbei ein paar Scheine extra verdienen kann, wäre das nicht überraschend, dort keine überzeugten Taliban-Jäger zu finden. Die afghanische Armee nimmt jeden, die Amerikaner selbst trainieren und bezahlen jeden.
Zitat:Es scheint auch so zu sein, daß die Taliban inzwischen in vielen Gebieten den größten Teil ihrer Waffen, ihrer Munition und ihres Nachschubs direkt von der Afghanischen Armee beziehen.
Naja, so schlau sind die Amerikaner auch, dass sie die afghanische Armee zunehmend auf Kalibern und Waffen trainieren, die für die Taliban (wie für den Krieg ansich, z.B. M4/M16) unbrauchbar sind.
Auf jedem bescheidenen Markt im Nahen und Mittleren Osten kann man heute komplette originale, amerikanische Ausrüstung kaufen. Von Kopf bis Fuß. Das Zeug kommt sowohl von korrupten regionalen Truppen, wie von den korrupten ausländischen Truppen.
An diesem Markt bedienen sich z.B. die Iraner und Iraker ganz gerne, um als vermeintliche Amerikaner aufzutreten. Für den Bedarf der Taliban ist das aber nicht relevant, qualitativ verwertbar oder quantitativ ausreichend. Die Taliban bedienen sich am internationalen Waffenmarkt und bezahlen dafür den üblichen Preis. Das wird aus Zentralasien und Pakistan auf dem Landweg importiert. Glaubst Du etwa, dass nur die US Amerikaner Schutzgelder bzw. Pauschalbeträge für Nachschub LKW aus Pakistan an regionale Kräfte zahlen?
Zitat:Das ganze ist also ein völlig sinnfreies Geschehen, da in Afghanistan außer den Taliban schlicht und einfach niemand da ist, der den Laden übernehmen kann.
Jepp. Die Militärs werden von Lobbyisten und dem Gegner zu einem Konflikt genötigt, den sie nicht beherrschen. Für das Land Afghanistan ist die Aktion da unten völlig sinnfrei. Außer den Taliban ist niemand da, der den Laden übernehmen will und kann. Die Taliban sind in der Lage die Peripherie zu konrollieren und A.stan kontrolliert man nunmal aus der selbiger. Kabul ist nicht Kairo. Die Taliban können die Peripherie selbst dann kontrollieren, während sie garnicht offensichtlich in Erscheinung treten. McChrsystal lehnt das völlig ab und konzentriert sich auf wenige Zentren. So führt man vielleicht symmetrischen Krieg gegen Staaten/Regierungen, aber doch nicht gegen die Taliban die selbst aus der Peripherie kommen. Wer so agiert, gesteht sich selbst ein, dass er diesen Konflikt verloren hat. Vermutlich stehen ihm auch weniger Mann zur Verfügung als den Taliban, um das Umland zu kontrollieren.