27.01.2010, 16:55
Erich schrieb:
Außerdem sollte es unser Interesse sein, zu verhindern, dass neue Terrororganisationen dort sich niederlassen können. Weil genauso wie wir global operieren, operieren auch Terroristen global, egal ob Mumbai, London, Madrid, Istanbul oder New York. Wir hatten nur Glück, dass bislang nicht Köln oder Berlin in der lange Kette aufgetaucht sind. Und wenn ein Jahr Präsenz deutscher Truppen irgendwo einen Anschlag um ein Jahr verzögert, so hat sich der Einsatz schon gelohnt. Weil bei jedem Terrorakt bei uns dürften wohl mehr Zivilisten sterben als in den acht Jahren Hindukusch-Einsatz Soldaten von uns starben.
Schneemann.
Zitat: Der Westen wollte immer nur "Al Kaida" stoppen - und das ist gelungen. Schon seit Jahren ist kein Al-Kaida Anschlag mehr von afghanischem Boden ausgegangen (da gehörten sowieso mehr Saudis als Afghanen zu den ausführenden Terroristen).Das kann man so einfach nicht behaupten. Zwar kann man, aufgrund der schwierigen Nachverfolgung, sagen, dass Afghanistan keine direkte Qaida-Basis mehr ist (insofern gibt es auch schon einen Erfolg von OEF), andererseits muss man aber auch sagen, dass a) das Land schnell wieder zur Basis werden würde, wenn die westlichen Truppen weg wären, und b) dass das Land sehr wohl noch Qaida-ähnliche Strukturen, sei es in den Stammesgebieten im Gebiet zu Pakistan oder im Süden des Landes, beherbergt. Das Problem dabei ist, dass man diese Strukturen nicht unbedingt unter dem netten Überbegriff „Qaida“ definieren muss, weil diese so zersplittert und unübersichtlich organisiert sind, was deine Ansicht stützen könnte, wohl aber könnte man sie sehr wohl noch als „Qaida“ ansehen, wenn man sich nicht nur auf diese enge Bin-Laden-Struktur konzentriert, sondern den Begriff etwas weiter fasst (was zwingend angebracht wäre).
Zitat: Ansonsten sollen die afghanischen Stämme sich selbst zusammen oder auseinander raufen. Diese innerafghanischen Querelen sind keine Angelegenheit, in die wir uns irgendwie einmischen müssten.Ich denke, dies tut man auch. Ziel ist, nicht (nur) ein „nation building“-Programm durchzuziehen (der Begriff ist auch recht angestaubt, ja deplatziert), sondern man will auch, dass sich die Afghanen selbst helfen können, dass sie sich selbst „zusammenraufen“ können. Bis zum St. Nimmerleinstag am Hindukusch Patrouille fahren will nämlich niemand. Nur bedingt dies wiederum einen etwas stärkeren Ansatz, mehr Willen, mehr Truppen, mehr Engagement bei der Ausbildung und auch bei der Bekämpfung der Insurgenten, damit sich die Afghanen in die Lage versetzen können, dieses Ziel auch zu erreichen. Mit guten Worten, sechs bayerischen Polizisten oder 50 Mio. Euro versickernden Fördergeldern wird dies nicht gelingen. Würde man jetzt dem Rat folgen, dass die Afghanen sich selbst zusammenraufen sollen, so würde Karzai vermutlich irgendwann das gleiche Schicksal wie Nadschibullah finden (oder er kann rechtzeitig flüchten) und das Land würde wieder im Bürgerkrieg versinken, bis sich eine starke Gruppe (was wieder die Taliban sein könnten) herausbilden und etablieren könnte, die vermutlich wieder einen Heimathafen für Terroristen aufmachen würde. Und irgendwann würde man vor dem gleichen Problem stehen wie 2001, nur dass dann über 1.000 westliche Soldaten und noch mehr afghanische Zivilisten umsonst gestorben sind. Deswegen darf man sich jetzt nicht zurückziehen, der Zeitpunkt ist noch zu früh, selbst 2015 wird noch arg eng werden.
Und wenn der Staat in einer "förderale Monarchie" mit faktisch selbstständigen Paschtunen, Usbeken, Tajiken, Hasara, Turkmenen ... und von mir aus einem Oberbürgermeister von Groß-Kabul aufgeht, juckt mich das auch nicht (und es sollte auch den Alliierten egal sein, wie die Afghanen ihren Staat ausgestalten).
Für ein "Nation Building" ist Afghanistan jedenfalls noch über Jahrzehnte hin nicht reif genug. Also sollten wir ein solches (nachträgliches) unrealistisches Kriegsziel auch gar nicht erst anstreben.
Zitat: Unser Interesse muss sein, den Krieg unserer Soldaten zu beenden. Wir sehen die Kriegsführung in Afghanistan eben gerade nicht als Selbstzweck.Wir, wir, wir. Entschuldige, aber wir sind AUCH in einem Bündnis, das uns selbst auch schon viel geholfen hat. Wir haben die „uneingeschränkte Solidarität“ verkündet und sind im Rahmen eines NATO-Beschlusses aufgrund eines de-facto-Kriegseinsatzes im Bündnisfall dort. Und wir können nicht einfach zu unseren Koalitionspartnern sagen, dass sie uns mal kreuzweise können und abziehen. Die Deutschen müssen nicht mal besonders vehement kämpfen, sie sitzen in einer noch recht ruhigen Ecke, nicht an einem „hot spot“. Wir haben angefangen, den „Acker“ zu bearbeiten, deshalb sollten wir ihn auch fertigbebauen und nicht, weil die Tomaten nicht gleich sprießen, alles verwildern lassen.
Außerdem sollte es unser Interesse sein, zu verhindern, dass neue Terrororganisationen dort sich niederlassen können. Weil genauso wie wir global operieren, operieren auch Terroristen global, egal ob Mumbai, London, Madrid, Istanbul oder New York. Wir hatten nur Glück, dass bislang nicht Köln oder Berlin in der lange Kette aufgetaucht sind. Und wenn ein Jahr Präsenz deutscher Truppen irgendwo einen Anschlag um ein Jahr verzögert, so hat sich der Einsatz schon gelohnt. Weil bei jedem Terrorakt bei uns dürften wohl mehr Zivilisten sterben als in den acht Jahren Hindukusch-Einsatz Soldaten von uns starben.
Schneemann.