07.12.2009, 23:12
Quintus Fabius schrieb:....Joschka äussert sich wohl ähnlich
Wir brauchen einen ganz neuen Krieg. Ganz von vorne.
Oder wir ziehen ab.
Es gibt nur diese beiden Möglichkeiten.
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Zitat:Joschka Fischer zu Afghanistanund damit sind wir vielleicht gar nicht mal so weit voneinander entfernt:
Wer abzieht, holt die Taliban heran
07.12.2009, 19:02
Eine Außenansicht von Joschka Fischer
Die Nato muss in Afghanistan bleiben - aber mit einer Strategie aufhören, die die gegnerischen Taliban jeden Tag nur stärker macht.
Es sieht nicht gut aus in Afghanistan. Die Taliban werden militärisch und politisch immer stärker, Präsident Karsai verliert wegen der grassierenden Korruption unter seiner Regierung und des offensichtlichen Wahlbetrugs weiter an Unterstützung in Bevölkerung und internationaler Öffentlichkeit. In den USA macht sich der Überdruss an dem Krieg in Afghanistan breit, und die europäischen Nato-Mitglieder würden ihre Soldaten lieber heute als morgen abziehen.
Der Westen scheint in dem Land am Hindukusch die Orientierung verloren zu haben - jenem "Friedhof der Imperien", wie es nach dem britischen Desaster im Januar 1842 genannt wurde, bei dem von 16.000 Mann nur ein Einziger überlebt hatte. Wofür kämpft die Nato eigentlich am Hindukusch?
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Ein Abzug würde nur bedeuten, die Konfrontationslinie zu verschieben, von Afghanistan näher an Europa.
Andererseits erweist sich die bisherige Strategie des Westens in Afghanistan ebenfalls als wenig erfolgreich. Sie macht die Taliban mit jedem Tag nur stärker. Was also tun?
Erstens klar das Ziel definieren: einen stabilen Status quo in Afghanistan, der verhindert, dass das Land erneut zum Schlachtfeld der regionalen Interessen und zur Basis von al-Qaida wird. Dieses Ziel wird ohne ausreichende militärische Präsenz sowie verbesserte und verstärkte Wiederaufbauleistungen nicht erreichbar sein.
Zweitens muss ein regionaler Konsens über die Zukunft Afghanistans erneuert werden, um so auch zu verhindern, dass der afghanische Krieg die Nuklearmacht Pakistan weiter destabilisiert. Dies setzt voraus, dass die Interessen Pakistans, Irans, aber auch Indiens, Saudi-Arabiens und vermutlich auch Chinas in einen solchen Konsens eingebunden werden.
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Drittens muss versucht werden, parallel all die Krisen in dieser Gegend einzudämmen und vielleicht sogar zu lösen: Nahost, Irak, Golf, Iran, Kaschmir. Dies ist eine Gleichung mit sehr vielen bekannten Unbekannten, aber wenn zumindest ihre teilweise Entschärfung nicht versucht wird, werden diese bekannten Unbekannten alle Teillösungen immer wieder in Frage stellen.
Die große Frage allerdings bleibt, ob die USA und ihre europäischen Verbündeten für ein solches Unterfangen noch die Kraft, die Ausdauer und den Weitblick haben. Man darf daran zweifeln. Die Alternative dazu wird eine ziemlich chaotische und gefährliche Zukunft in dieser weiten Krisenregion sein. Europa ist ihr direkter regionaler Nachbar.
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ich behaupte (und die vom Eurasischen Magazin wiedergegebenen Fakten bestätigen mich darin), dass die Strategie der militärischen Aufrüstung nur den Gegendruck erhöht - also eine Strategie ist, die es den so genannten Taliban erlaubt, stärker zu werden.
Denn was da unter "Taliban" läuft, sind vielfach einfach Mitglieder einheimischer Stämme, die Rache für Übergriffe der Alliierten auf eigene Stammesangehörige (Zivilisten) nehmen, und mit jedem militärischen Einsatz steigt die Zahl der Verluste unter diesen Zivilisten.
Wenn die einzige militärische Strategie dagegen ist, dann noch mehr drauf zu hauen (mag ja sein, dass ich das nicht verstehe) dann bleibt am Ende nur die Ausradierung ganzer Bevölkerungsteile.
Also müssen wir eine andere Strategie wählen, richtig, eine, die diese "Taliban" nicht noch stärker macht, die also keine Rachegelüste hervorruft.
Und diese Strategie kann politisch nur eine Stärkung der Stämme und Regionen, also eine Kantonisierung Afghanistans sein.
Lasst den Paschtunen ihr Paschtunistan,
lasst den Belutschen ihr Belutschistan,
lasst den Hazara, Tadjiken, den Turkmenen und Usbeken weitestgehende Freiheit in ihrem Gebiet,
unterstützt sie gemeinsam mit den Nachbarn beim Aufbau ziviler und funktionierender Verwaltungen,
und überlasst den Kampf gegen islamische Terroristen den heimischen Kräften
- das wird nach meiner Überzeugung nur der einzige Weg, die einzige Strategie sein!
Die Alternativen sind entweder wirklich "Friedhofsruhe", im wortwörtlichen Sinn des Wortes,
oder ein Abzug im Chaos.
Beide Alternativen können nicht im Interesse unserer Werte und unseres Engagements sein.