15.10.2009, 20:37
Zitat:Es ist deutlich zu beobachten, dass die Türkei sich in letzter Zeit verstärkt eigenen geopolitischen Interessen zuwendet und versucht, ihre Kontakte zu östlichen und südlichen Anrainern wieder zu verbessern. Vor allem auch der neue Außenminister Davutoğlu hat dies erkennen lassen, dass man die Türkei wieder in die Rolle einer Vormacht der Region, bzw. eines von allen anerkannten Verhandlungs- und Wortführers bringen will. Es ist ja nicht nur Syrien, auch z. B. nach Armenien hin hat man die Fühler ausgestreckt.
Was definierst du mit eigenen Interessen ? Eigene Interessen haben auch die Kemalisten vertreten, auch wenn diese mehr auf die Wahrung der Einheit der Nation beschränkt haben. Die Islamisten wollen dagegen expandieren d.h sie streben eine Führungsrolle der Türkei im Nahen Osten bzw. in der Islamischen Welt an.
Zitat:Dies kann einerseits schon eine Folge der ablehnenden Haltung der EU in punkto Mitgliedschaft sein. Aber ehrlich gesagt ist mir eine Türkei, die sich in ihrer Rolle als vorderasiatischer Nation findet und wohlfühlt und die gute Kontakte zu allen Anrainern hat, lieber, als eine Türkei, die mit verkappten Islamisten wie von der AKP in die EU drängt. Eine Vorzeigedemokratie wird die Türkei eh nie werden – auch wenn dies gewisse Kreise suggerieren –, insofern ist sie dort, in eben jener Richtung in die sie sich gerade orientiert, besser aufgehoben. Zumindest nimmt sie dann dort eine stabilisierende Funktion als Vormacht ein und bleibt der EU fern, weil sie anderweitig gebunden ist.
Ich gehe davon aus das eine Mitgliedschaft in der EU nie das Ziel der Regierung Erdogan war. Erdogan hat lediglich aus den Fehlern der Regierung Erbakan gelernt die ihre Islamisierungspolitik offen betrieben haben und damit den Militärs eine Rechtfertigung für einen Putsch gaben. In der Tatsache das die Türkei keine Vorzeigedemokratie werden wird stimme ich dir zu, weil die Grundwerte die eine Demokratie tragen in der türkischen gesselschaft relativ schwach veraankert sind.
Zitat:Dass der Deal mit Israel aufgekündigt wurde, ist zwar bitter, aber nicht wirklich erstaunlich. Ehrlich gesagt habe ich mich schon lange gefragt, ob man sich eigentlich in Israel darüber im Klaren ist, mit wem man anbandelt. Alleine der machohafte Show-Auftritt von Erdogan, der sich plötzlich zum Retter der Palästinenser aufschwingen wollte, während des Gaza-Krieges hätte einem ja die Augen öffnen müssen. Israel braucht die Türkei, die – wenn es darauf ankäme – nie an der Seite Israels gegen einen anderen Anrainer vorgehen würde, auch nicht wirklich. Es geht nämlich nicht darum, Scheinverbündete zu halten, sondern darum, sich auf die wesentlichen Unterstützer zu konzentrieren. Und dazu zählt die Türkei sicher nicht.
Die Partnerschaft hat meiner Meinung nach mehr einen Zweckmässigen Charakter, als das eine ernsthafte Freundschaft beider Staaten dahintersteckt. Politisch vorangetrieben wurde sie vor allem vom Militär, das an Technologietransferabkommen interessiert war und modernen Waffen die dem NATO-Standart entsprechen aber nicht die Abhängigkeit von europäischen oder amerikanischen Herstellern bedeuten. Ich persönlich sehe mich nicht als Freund von Israel, auf der anderen Seite lehne ich aus rein rationalen Gründen eine anti-israelische Politik der Türkei strikt ab. Meiner Meinung nach kann eine Entfernung vom Transatlantischen Konsens in der Nahostpolitik dazu führen das die Türkei stärker vom Westen isoliert wird und zunehmend als unzuverlässiger Verbündeter angesehen wird. Mit dem Blickpunkt auf Bruchzonnen wie die Ägäis oder Zypern würde es bedeuten das die Türkei es künftig schwerer hat in diesem Berreichen ihre Interessen zu wahren. Sollte die Türkei sich vom Westen abwenden, was in Zukunft möglich wäre, so bestünde die Gefahr das ein Konflikt in den Bruchzonnen zwangsläufig auch zu einer Konfrontation mit anderen Westmächten ausufern kann.