06.09.2009, 11:23
revan schrieb:Wie hunter1 auch sagt, töten ist die einzige Option eine andere gibt es nichtDas hab ich eben genau so nicht geschrieben. Das hast Du falsch verstanden. Ich schrieb:
hunter schrieb:Und wenn es zum Vernichten des Taliban-Wertesystems notwendig ist, alle Taliban zu töten, dann bin ich dafür, das zu tun.Das ist ein kleiner, aber entscheidender Unterschied. Es bedeutet nämlich, dass zuerst andere Möglichkeiten versucht werden sollen, allen voran diejenige des "Umerziehens".
Weiter unten habe ich dann zwar geschrieben, dass ich dieser besseren Möglichkeit kaum Chancen zugestehe. Aber deswegen ist diese Variante trotzdem besser. Schliesslich betreibt man damit Ursachen- und nicht Symptombekämpfung.
Was ich aber weiterhin betone und unterschreibe, ist meine Einstellung zum Wertesystem der Taliban: dieses muss aus der Welt verschwinden.
...Womit ich die Diskussion mit Erich weiterführen kann:
Erich schrieb:Da spricht jetzt der den westlichen Werten verbundene "Westler".Meine Ausbildung verbietet mir eigentlich, andere Kulturen aus einer ethnozentrischen Sicht zu beurteilen. Das ist aber quasi unmöglich. Daher: ja, hier spricht der Westler in mir. Und was bedeutet das? Es bedeutet, dass ich glücklicherweise in einem Wertesystem lebe, welches mir ein hohes Mass an individueller Freiheit ermöglicht. Ich halte dieses System nicht für vollendet. Es soll sich andauernd selbstkritisch betrachten und weiterentwickeln. Aber ich halte es für einem Wertesystem überlegen, welches ein solches Mass an Freiheit nicht zugesteht. Und das Wertesystem der Taliban ist ein solches, das die individuelle Freiheit krass, nach westlichem Verständnis sogar grotesk, beschneidet.
Erich schrieb:Aber - bist Du Dir sicher, dass das westliche Wertesystem in die afghanische Gesellschaft passt? Wird da mit der Inkulturation westlicher Werte nicht etwas "übergestülpt", etwas mit Gewalt aufgezwungen, was der dortigen Gesellschaft fremd istOb es passt oder nicht, sollen die Afghanen selber entscheiden. Und zwar alle. Das bedeutet, dass zuerst alle Afghanen, insbesondere die Afghaninnen, sich dazu eine eigene Meinung bilden müssen. Wenn das geschehen ist, können sie selber wählen, was sie wollen. Das funktioniert aber nur, wenn sie niemand von vorneherein zu etwas zwingt, was z.B. die Taliban tun. Ob den Afghanen momentan das westliche Wertesystem aufgezwungen wird, daran glaube ich nicht. Ich bin sicher, dass in Afghanistan nach wie vor die Scharia zum Einsatz kommt, auch wenn vielleicht keine Körperstrafe bei denen mehr angewandt wird, deren Bart zu kurz ist und die Musik hören. Es ist sicher ein Fernziel der westlichen Truppen bzw. Politiker, den Afghanen das westliche Wertesystem (die Einhaltung von dessen Menschenrechten) schmackhaft zu machen. Mit Zwang erreicht man aber wenig; Manipulation, Indoktrinierung, sprich "Umerziehung" helfen da mehr. Oder, um es nett auszudrücken: die Offerte einer Alternative zum Taliban-Wertesystem.
Erich schrieb:Ist das "paschtunische Wertesystem" nicht der Gesellschaft dort angemessener?Ich bin kein Experte für die paschtunische Kultur. Aber solange Frauen dort nicht dieselben Rechte haben wie Männer und keine Religionsfreiheit herrscht, sage ich: nein. Über den Rest des Wertesystems kann man getrost diskutieren.
Erich schrieb:Woher nehmen wir die Überheblichkeit, unsere Werte anderen Gesellschaften überzustülpen?Ist wohl ein universelles Problem. Woher nehmen die Taliban ihre Überheblichkeit, Andersdenkende zu bestrafen, zu töten? Woher nahmen die sich die Überheblichkeit, die Buddha-Statuen in Bamian zu vernichten? Wir sind sicher nicht besser, zugegeben, wenn wir jemandem etwas aufzwingen wollen. Vor nicht allzu langer Zeit waren unsere Gesetze wesentlich restriktiver, Andersdenkende wurden massiv verfolgt (z.B. Ketzer). Heute können wir sagen: wir hatten diese Zeit, aber wir haben sie für den Moment überwunden. Wir kennen nun eine andere - in meinen Augen bessere - Form, wie wir unsere Gesellschaft organisieren wollen. Ist es da wirklich überheblich, denjenigen, die diese Variante nicht kennen, diese vorzustellen? Werden die Afghanen übehaupt gezwungen, unser System zu übernehmen?
Erich schrieb:Der "Kampf um Herz und Hirn" muss mit kulturellen und nicht mit kriegerischen Mitteln geschehen. Dazu gehört Bildung, Medien (ob Print, Radio oder TV) genauso wie das Palaver beim Stammesältesten.Der Kampf wird ja auch nicht gegen die Leute geführt, die man für sich gewinnen will. Der Kampf wird gegen diejenigen geführt, die den Westen daran hindern wollen, dabei Erfolg zu haben (sprich: die Taliban). Diese Unterscheidung musst Du schon machen. Natürlich ist es dabei verheerend, wenn die NATO Zivilisten tötet. Aber grundsätzlich tut sie das ja nicht mit Absicht.
Erich schrieb:Und wenn sich - konkret - die Dorfbevölkerung aus festgefahrenen Tanklastern bedient, dann kann mit den Kisten auch kein Selbstmordanschlag auf die BW-Basis geführt werden. Ganz im Gegenteil - mit einem "Augenzwinkern" kann man wegschauen, und die eigenen Soldaten mit Landfahrzeugen oder Hubschraubern (wenn die nur da wären) hinter den flüchtenden Taliban herschicken.Solange keine Untersuchung stattgefunden hat, wer da nun genau gestorben ist, würde ich nicht von Dorfbewohnern oder Taliban sprechen. Auch wenn vermutlich von beiden welche darunter waren. Erst wenn man Genaues weiss, kann man dagegen losschiessen. Das Problem dabei ist halt, dass Krieg herrscht und die Ereignisse viel zu schnell nacheinander passieren. Das erschwert die Wahrheitsfindung stark. Die Taliban können die Geschichte so oder so zu ihren Gunsten ausschlachten: einerseits kann man (Falsch-?)Meldungen von unschuldigen Opfern in die Welt setzen, andererseits der NATO Dilettantismus nachsagen (nicht wegen der Art, wie die Tanker zerstört wurden, sondern weil man sich diese klauen liess).