24.08.2009, 22:41
Dank meines bescheuerten Uni-WLANs darf ich nun meinen Kommentar zu Schneemanns Post nochmal verfassen.
Also nochmal...
Interessante Gedanken Schneemann, aber etwas zu "praxisfern".
Die Stilisierung der MAD als Kerninhalt der Abschreckung als puren Dualismus zweier atomarer Vormächte hatte strukturell schon im Kalten Krieg einen mächtigen Knacks bekommen, insbesondere als die damals als irrational gefüchteten kommunistischen Chinesen die Atombombe erwarben. Dann kamen auch Franzosen mit ihrer eigenständigen force de frappe, die Briten und die Israelis hinzu.
Und die Abschreckung funktionierte dennoch weiter, weil die strategisch-strukturelle Ausrichtung eben nie diffus, sondern klaren Macht- und Konfliktstrukturen folgten und folgen. Auch ein nukleares Nordkorea oder die neuen Mächte Indien und Pakistan, auch ein Iran, agieren als nukleare Mächte nicht in einem diffusen globalen Rahmen, sondern haben als Regionalmächte eine klare Axiomatik, eine klare Konfliktmatrix, in der nicht jeder irgendwie diffus jeden abschreckt, sondern eben schon je nach Macht bestimmte, klare Konfliktstrukturen existieren, die auch in den Fällen regionaler Autoritärer Regime meistens bililateral, höchtens trilateral strukturiert sind. Daher hat das Argument von der verschwindenden Kraft der Abschreckung bei einer zunehmenden Anzahl der Mächte im Einzelfall nicht so viel Relevanz. Pakistan und Indien beziehen sich beispielsweise aufeinander, höchstens China spielt da noch eine Rolle. Nordkorea referiert mit seiner Abschreckung ganz deutlich auf die Allianz USA/Südkorea und auch ein Iran würde mit seinen Atomwaffen einen klassischen Dualismus mit der engen Allianz von USA und Israel ausfechten.
Daher gibt es im Rahmen der strategischen Studien auch beispielsweise in den USA durchaus die Meinung, dass auch gegenüber dem Iran Abschreckung funktionieren würde.
Was nun die 2-Niederlagen-Theorie angeht, so würde ich auch sie bestenfalls als radikalen, nicht wünschenswerten Extremfall sehen. Denn: Auch im Kalten Krieg existierte die Idee des limitierten konventionellen Krieges, der Fakten schafft und keinen Atomkrieg wert ist. Bei krasser konventioneller Asymmetrie drängt sich dieser Gedanke vielleicht auch auf, allerdings unterschätzt man hier die Dynamik von Konflikten. Letztlich läuft es auf die Risikobereitschaft der Akteure und der Bedeutung der jeweiligen Konfliktgegenstände heraus: Aber die Misachtung gewisser "Grenzen" kann in einer Sogwirkung durchaus eine nukleare Kettenreaktion in Kraft setzen, insbesondere wenn die nukleare Drohung und Abschreckung als klare Drohung besteht und dies absichtlich mit konventionellen Attacken missachtet wird. Sowas ist ein Hasardspiel auf allerhöchstem Niveau und mit potentiell allerschlimmsten Folgen. Ob ein konventionell stärkerer Gegner tatsächlich solch hohe Verluste und Opfer in Kauf nehmen will, halte ich für zweifelhaft, zumindest für abhängig vom Kontext. Denn für den konventionell unterlegenen Gegner geht es nicht um die Frage nach welchen der 2 Niederlagen er eingeht, sondern ab wann die eigene Niederlage so weit geht, dass ein "nihilistische Remis" als einziger Ausweg bleibt. Und das risiko solch einer ultimativen Option macht das alleinige Vertrauen auf die konventionelle Überlegenheit zum Spiel mit dem Teufel. Sowas kann man heute schon im Konflikt Pakistan-Indien erahnen. Ich jedenfalls würde solche Überlegungen wie die von Schneemann als Eintrittskarte zu atomaren Apokalypsen ansehen und als wenig durchdacht bzw. als höchst riskant.
Was Israel angeht:
Zum einen kenne ich Publikationen, die bezüglich des Jom-Kippur-Krieges ganz klar von absichtlich begrenzten Aktionen sprachen. Man war sich des israelischen Atomwaffenarsenals bewusst und hatte daher auch den Krieg als begrenzte und vor allem symbolische Aktion gedacht. Es ging um einen begrenzten Krieg mit begrenzten Zielen.
Das widerspricht insofern nicht meinen obigen Aussagen, als dass eine sehr begrenzte konventionelle Auseiandersetzung zwar möglich ist, aber auch ein Spiel mit dem Feuer, deutlich ersichtlich daran, dass Israel den Einsatz von Atomwaffen zumindest kurzzeitig erwogen haben soll. Aber wie gesagt, Ägypten zumindest plnate von Anfang an eine begrenzte Aktion mit klaren "Grenzen".
Von daher sind militärische Auseinandersetzungen durchaus möglich auch und trotz Atomwaffen, aber wie gesagt, es geht um das Einhalten bestimmter "Grenzen" und die waren auch 1973 fast erreicht.
Ansonsten kann und muss man feststellen, dass alle Auseinandersetzungen Israels "begrenzt" waren, sofern es sich um staatliche Akteure handelte. Der Krieg mit Syrien 1982 war ein Vakuumkrieg um Libanon, kein Fall für die nukleare defensive Abschreckung. Alle anderen Auseinandersetzungen waren asymmetrische Auseinandersetzungen gegen halbstaatliche Organisationen und mit Verlaub, gegen die hilft nummal keine nukleare Abschreckung, das sollte doch klar sein. Weder der Vietcong noch die Mudschahedin haben sich um die Atomwaffen der Supermächte geschert, schlicht, weil das nicht in das "Gebiet" der nuklearen Abschreckung fällt.
Ergo: Im Falle Israels hat die Abschreckung funktioniert und wird weiterhin funktionieren. Alles andere halte ich für kontextlos.
:roll:
Also nochmal...
Interessante Gedanken Schneemann, aber etwas zu "praxisfern".
Die Stilisierung der MAD als Kerninhalt der Abschreckung als puren Dualismus zweier atomarer Vormächte hatte strukturell schon im Kalten Krieg einen mächtigen Knacks bekommen, insbesondere als die damals als irrational gefüchteten kommunistischen Chinesen die Atombombe erwarben. Dann kamen auch Franzosen mit ihrer eigenständigen force de frappe, die Briten und die Israelis hinzu.
Und die Abschreckung funktionierte dennoch weiter, weil die strategisch-strukturelle Ausrichtung eben nie diffus, sondern klaren Macht- und Konfliktstrukturen folgten und folgen. Auch ein nukleares Nordkorea oder die neuen Mächte Indien und Pakistan, auch ein Iran, agieren als nukleare Mächte nicht in einem diffusen globalen Rahmen, sondern haben als Regionalmächte eine klare Axiomatik, eine klare Konfliktmatrix, in der nicht jeder irgendwie diffus jeden abschreckt, sondern eben schon je nach Macht bestimmte, klare Konfliktstrukturen existieren, die auch in den Fällen regionaler Autoritärer Regime meistens bililateral, höchtens trilateral strukturiert sind. Daher hat das Argument von der verschwindenden Kraft der Abschreckung bei einer zunehmenden Anzahl der Mächte im Einzelfall nicht so viel Relevanz. Pakistan und Indien beziehen sich beispielsweise aufeinander, höchstens China spielt da noch eine Rolle. Nordkorea referiert mit seiner Abschreckung ganz deutlich auf die Allianz USA/Südkorea und auch ein Iran würde mit seinen Atomwaffen einen klassischen Dualismus mit der engen Allianz von USA und Israel ausfechten.
Daher gibt es im Rahmen der strategischen Studien auch beispielsweise in den USA durchaus die Meinung, dass auch gegenüber dem Iran Abschreckung funktionieren würde.
Was nun die 2-Niederlagen-Theorie angeht, so würde ich auch sie bestenfalls als radikalen, nicht wünschenswerten Extremfall sehen. Denn: Auch im Kalten Krieg existierte die Idee des limitierten konventionellen Krieges, der Fakten schafft und keinen Atomkrieg wert ist. Bei krasser konventioneller Asymmetrie drängt sich dieser Gedanke vielleicht auch auf, allerdings unterschätzt man hier die Dynamik von Konflikten. Letztlich läuft es auf die Risikobereitschaft der Akteure und der Bedeutung der jeweiligen Konfliktgegenstände heraus: Aber die Misachtung gewisser "Grenzen" kann in einer Sogwirkung durchaus eine nukleare Kettenreaktion in Kraft setzen, insbesondere wenn die nukleare Drohung und Abschreckung als klare Drohung besteht und dies absichtlich mit konventionellen Attacken missachtet wird. Sowas ist ein Hasardspiel auf allerhöchstem Niveau und mit potentiell allerschlimmsten Folgen. Ob ein konventionell stärkerer Gegner tatsächlich solch hohe Verluste und Opfer in Kauf nehmen will, halte ich für zweifelhaft, zumindest für abhängig vom Kontext. Denn für den konventionell unterlegenen Gegner geht es nicht um die Frage nach welchen der 2 Niederlagen er eingeht, sondern ab wann die eigene Niederlage so weit geht, dass ein "nihilistische Remis" als einziger Ausweg bleibt. Und das risiko solch einer ultimativen Option macht das alleinige Vertrauen auf die konventionelle Überlegenheit zum Spiel mit dem Teufel. Sowas kann man heute schon im Konflikt Pakistan-Indien erahnen. Ich jedenfalls würde solche Überlegungen wie die von Schneemann als Eintrittskarte zu atomaren Apokalypsen ansehen und als wenig durchdacht bzw. als höchst riskant.
Was Israel angeht:
Zum einen kenne ich Publikationen, die bezüglich des Jom-Kippur-Krieges ganz klar von absichtlich begrenzten Aktionen sprachen. Man war sich des israelischen Atomwaffenarsenals bewusst und hatte daher auch den Krieg als begrenzte und vor allem symbolische Aktion gedacht. Es ging um einen begrenzten Krieg mit begrenzten Zielen.
Das widerspricht insofern nicht meinen obigen Aussagen, als dass eine sehr begrenzte konventionelle Auseiandersetzung zwar möglich ist, aber auch ein Spiel mit dem Feuer, deutlich ersichtlich daran, dass Israel den Einsatz von Atomwaffen zumindest kurzzeitig erwogen haben soll. Aber wie gesagt, Ägypten zumindest plnate von Anfang an eine begrenzte Aktion mit klaren "Grenzen".
Von daher sind militärische Auseinandersetzungen durchaus möglich auch und trotz Atomwaffen, aber wie gesagt, es geht um das Einhalten bestimmter "Grenzen" und die waren auch 1973 fast erreicht.
Ansonsten kann und muss man feststellen, dass alle Auseinandersetzungen Israels "begrenzt" waren, sofern es sich um staatliche Akteure handelte. Der Krieg mit Syrien 1982 war ein Vakuumkrieg um Libanon, kein Fall für die nukleare defensive Abschreckung. Alle anderen Auseinandersetzungen waren asymmetrische Auseinandersetzungen gegen halbstaatliche Organisationen und mit Verlaub, gegen die hilft nummal keine nukleare Abschreckung, das sollte doch klar sein. Weder der Vietcong noch die Mudschahedin haben sich um die Atomwaffen der Supermächte geschert, schlicht, weil das nicht in das "Gebiet" der nuklearen Abschreckung fällt.
Ergo: Im Falle Israels hat die Abschreckung funktioniert und wird weiterhin funktionieren. Alles andere halte ich für kontextlos.
:roll: