Israel-Palästina
@ Ingenieur

Deine Ausführungen sind sicherlich nicht falsch, aber du verkennst das Problem in meinen Augen. daher möchte ich kurz meinen Post nochnal erläutern: Es geht mir nicht um ein entweder-oder, um ein Angst-oder-Nicht-Angst. Angst ist menschlich, wie ich ausgeführt habe. Aber Angst ist eben oft ein irrationales Gefühl, ein schlechter Ratgeber in der Politik. Und Ängste werden eben kanalisiert in betimmte Denkweisen, in historisch fundierten Analogien, Motiven, Vergleichen, Mythen. Man nimmt die heutige Lage und denkt sich diese in den Feind- und Angstkategorien von 1950 oder gar von 1943. Aber das bringt nichts, im Gegenteil, man sorgt nur dafür die Konfliktlage weiter intensiv und verschärft bleibt.

Natürlich kann man aus einer leicht verengten israelischen Perspektive verzweifeln und auch hasserfüllt werden ob der ständigen Anfeindungen. Man verharrt aber nur dann in dieser Denkweise, wenn man sich nur auf die eigenen Erzählungen, die alten Denkmuster verläßt. Natürlich fühlt man sich unzwingelt und ewig angefeindet, wenn man "nur" die Geschichte des jüdischen Volks im Blick hat und dazu auch die jünsgte Geschichte mit hinzuzählt. Dann sieht man die Gegenwart nur als Fortsetzung der Geschichte an und dies erlaubt auch dem jüdischen Volk alles zu tun, was nötig ist, um sich endlich zu verteidigen und sich zu befreien von der ewigen Anfeindung bzw. zumindest die eigenen Bürger zu beschützen. Man kann natürlich so denken und dies ist letztlich kurz gefaßt auch das israelische Selbstbild und Selbstrechtfertigung, die hier im Forum Nightwatch und stark abgeschwächt und weit weniger ideologisch verhärtet auch Schneemann bringen. Aber das ist eben nur das Selbstbild, die Selbstbeschreibung. Diese hat natürlich eine gewisse Legitimation, weil sie nunmal historisch erzeugt wurde. Aber auch Ahmedinedschads Worte und Parolen, auch die Parolen der Hamas usw. sind aus solchen exklusiven Selbstbeschreibungen etstanden.

Man muss sie und darf sie kritisieren und ihre Problemhaftigkeit für den ganzen Konflikt anprangern.
Die Sicht, die du auch angeführt hast, bekommt nämlich eine erhebliche Relativierung und Kontextualisierung, wenn man sich eben die breite historische Faktenlage anschaut, wenn man realisiert, dass es nicht nur eine zionistische Nationalbewegung, sondern gleichzeitig auch eine arabische gab, die sich über Palästina in einen blutigen Streit verzettelten. Letztere hatte überdies durch den Kolonialismus und die osmanische Herrschaft ihre eigenen historischen Schwächen und Leitmotive. Man erkennt die geistige Bedingtheit und Enge der angeführten israelischen Sicht, wenn man eben erkennt, dass nicht nur andere handelten gegen einen selbst, sondern dass man auch selbst gegen die anderen handelte, dass man auch selbst den Konfliktzirkel immer wieder neu mit anwarf, nicht nur die anderen.
Diese Erkenntnis wäre viel wert, für die israelische Außen- und Innenpolitik. Aber eben aufgrund der dominierenden "Mythen und Ängste", deren Intensität und Ausrichtung, ist eine konstruktive Rolle Israels im Konfliktprozess eine seltene Angelegenheit gewesen. Und so sorgt man selbst letztlich fast wie in einer selbstbewahrheitenden Propeheziehung dafür, dass alle anderen gegen einen sind.

Politik darf man nunmal nicht allein aus historischen Mythologien und Änsgte bestehen, sondern auch mal aus Sachbezug. Und eben jetzt geht es um kleinere radikale, terroristische/Partisanengruppen. Es bringt wenig, wenn man diese in eine Anthologie der Feindschaft von Goliath bis Nasrallah einordnet, verkennt man doch dann die pragmatischen Politik- und Konflikteindämmungsmöglichkeiten.


Was deinen zweiten Einwurf angeht: Sicher, wenn man an der eigenen Macht und Position klebt, dann ist der Aufstieg des Irans ein Problem. Allerdings hat nunmal auch niemand die USA zur Hegemoniemacht des Nahen und Mittleren Ostens berufen. Sie kam uneingeladen und sie, der Westen und auch Israel müssen sich fragen, wie man welche Position zu welchem Preis man halten und einnehmen möchte. Wobei dieselbe Frage natürlich auch im Iran, aber auch in den arabischen Staaten gestellt werden muss. Da nun eine diplomatische und politische Abstimmung ohne all zu viel Reibereien zu finden trotz aller glorreichen und überzogenen Selbstbilder, Interessen und Aspirationen verdeutlicht im Ansatz wie komplex Politik eben ist...
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Israel-Palästina - von Helios - 23.05.2004, 14:06
RE: Israel-Palästina - von Quintus Fabius - 11.05.2021, 23:01
RE: Israel-Palästina - von Quintus Fabius - 12.05.2021, 10:55
RE: Israel-Palästina - von Quintus Fabius - 13.05.2021, 19:45
RE: Israel-Palästina - von Quintus Fabius - 15.05.2021, 15:36
RE: Israel-Palästina - von Schneemann - 07.08.2022, 08:44

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