Pakistan
@ Ingenieur

Die Lage ist etwas komplexer, als in den meisten Medien dargestellt wird. Überdies sind schwache Regierungen und beschränkte Autorität von Regierungsstellen auch kein Phänomen, was auf Pakistan beschränkt ist, sondern oft zu finden ist in vielen Ländern. Schaut man sich den Brookings Index für Failed States an, so liegt Pakistan um den 40. Platz herum; kein Grund für Entwarnung, aber eben auch kein Grund für Panik.
Das Verhältnis zwischen Islamisten und Armee/Geheimdiensten ist ein ganz besonderes, zwiespältiges. Wichtig ist aber eins und das ist sicher gewöhungsbedürftig aus westlicher Perspektive: Der Hauptfeind des Militärs ist und bleibt immer noch Indien, nicht die Taliban. Die pakistan. Armee ist im Swat-Tal mit ihren gut 12.000 Mann sehr unmotiviert und einer völlig falschen Strategie vorgegangen. Da sich der pakist. Generalstab eben auch heute noch viel mehr vor einer indischen Invasion fürchtet, denkt man in der Militörführung erst gar nicht daran, auch nur ansatzweise COIN-Einheiten und COIN-Kampfweisen in der Armee zu schulen. Sowas fehlt schlicht und ergreifend und bislang macht die pakistan. Armee bei ihrem Fokus auf Indien und große Schlachten wenig Anstalten, daran etwas zu ändern. Man geht viel mehr in bestimmte Gebiete, bombt, bombardiert und ist dann wieder weg. Und so können sich die Aufständischen im Untergrund natürlich behaupten.

Dennoch bleibt eine funktionsfähige Armee, wenn auch mit den falschen Prioritäten, dennoch bleiben Mittelschichten und in der Mehrheit moderate Moslems. In einigen Provinzen des Nordens haben sogar auch schon Stammesmilizen relativ erfolgreich gegen Taliban und taliban-artige Milizen gekämpft, nur davon hört oder liest man in Deutschland eben nicht so viel. Die Lage ist eben relativ diffus. Zudem muss man abwarten, wie sich die Lage im Swat-Tal weiter entwickelt...


@ Erich
Ich denke, du ziehst die Grenzlinie "falsch". Die Taliban, Leute wie Mehsud, Fazlullah sind keine klassischen konservativen Moslems. Sie sind vielmehr Neofundamentalisten, die einer nie dagewesen Reinform des Islams nachjagen und dabei auch vor lokaler Kultur und Stammesstrukturen keinen Respket haben. Es heißt ja gerade Taliban, Talibs, Koranschüler und nicht Malis, Stammesälteste. Es gibt durchaus auch Regionen und Bezirke, wo wie oben geschildert, lashkars, Stammesmilizen den Kampf gegen Aufständische aufgenommen haben. Die Nordwestprovinz als ganzes hat sich letztes Jahr auch eine säkular-nationale Partei, die Awami-National-Party als Regieurng gewählt.
Was wir sehen, sind radikale Bewegungen, zumeist aus jüngeren Leuten, die versuchen der Modernisierung im ihrem Lebensumfeld einen eigenen, islamistischen Stempel aufzudrücken - und diese Leute gibt es eben leider überall, auch in den modernen Gebieten Pakistans (man erinnere sich an die Moschee-Geschichte in Ismlamabad). Der Unterschied ist nur, dass diese radikale Minorität in den entwickelten Gebieten natürlich nur sehr viel schwieriger die Macht erringen kann, als in den traditionell "gesetzloseren" Gebieten der Stämme im Norden.
Letztlich sind das eben die Geburtsschmerzen der Transformation, des sozialen Wandels. Sowas gibt es überall und jedes Land muss da hindurch, egal wie.
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