04.01.2009, 15:12
Zunächst möchte ich in meiner Funktion als Co-Admin bekannt geben, dass die User Nightwatch und Seleukos aufgrund ihrer unsachlichen Diskussionsführung einen Hinweis erhalten. Wie schon weiter oben ausgeführt, ist dieses Forum nicht da, um mit Labels, Phrasen und ideologischen Zurechnungen um sich zu schmeißen oder gar Aufrufe irgendwelcher politischer Couleur zu tätigen, sondern um sachorientiert zu diskutieren.
Nun möchte ich inhaltlich einige Anmerkungen anbringen. Zusammengefasst würde ich die israelische Aktion folgendermaßen bewerten: Sie ist ein primär innenpolitisch motivierter Ausfall, dessen Zielsetzung einerseits ist, das Vertrauen in die Schlagkraft des israelischen Heeres unter der israelischen Bevölkerung wieder herzustellen, andererseits die politische Position der Regierungsparteien vor den kurz bevorstehenden Wahlen angesichts der jüngsten Raketenangriffen radikaler Palästinensergruppen zu stärken. Es geht also darum für die militärische Elite und die derzeitige politische Führungsriege der Regierung, Stärke nach innen zu demonstrieren und damit ihre eigenen (politischen und wahlstrategischen) Positionen zu verbessern. Die israelische Öffentlichkeit war über die jüngsten Raketenangriffe seitens der Palästinensergruppen in Gaza sehr verärgert und besorgt und der jetzige Schlag adressiert diese Ängste und Verärgerung. Letztlich ist diese erneute Eskalation daher von der internen israelischen politischen Logik her zu deuten und zu verstehen.
Für den Konflikt als solchen, als Gesamtzusammenhang, bedeutet diese erneute Eskalation eine weitere Stufe in der Eskalationsleiter der beidseitig verursachten Verschlimmerung des Konflikts. Wird diese Eskalations-Hausse (um mal Börsensprache zu verwenden) abebben, etwa durch einen Waffenstillstand zwischen einem „siegreichen“ Israel und einer „geschwächten“ Hamas, so wird sich an den grundlegenden strategischen und strukturellen Gegebenheiten des Konflikts nichts geändert haben. Schlimmstenfalls werden gar weitere Probleme geschaffen, die schon weitere, neue Eskalationsspiralen zukünftig erwarten lassen. Die Hamas wird kurzzeitig geschwächt sein in ihrer Fähigkeit, die israelischen Grenzregionen zu beschießen, auch wenn der Beschuss wohl kaum gänzlich gestoppt werden kann. Für diese paar Monate verminderten Raketenbeschuss wird man aber entsprechende zivile Opfer gezahlt haben, inklusive der Verschlimmerung der Lage in Gaza. Schlimmer ist noch, dass eine gewisse Schwächung der Zentralstrukturen der Hamas radikaleren und extremen Splittergruppen im Gazastreifen noch mehr Macht und Einfluss verschaffen wird. Im schlimmsten Fall werden solche radikaleren Gruppen auch innerhalb der Hamas in einer sich relativ schnell sich wieder konsolidierenden Hamasorganisation nun absolut die Oberhand gewinnen und eine erneuerte Hamas mit neuen fanatisierten und hasserfüllten Rekruten noch radikaler werden lassen. Langfristig bleibt daher die Sicherheit der israelischen Grenzregionen im Unklaren, auch droht in neuen Eskalationswellen mit noch radikaleren Organisationen und einer radikaleren Hamas eine Besetzung von Gaza durch Israel notwendig zu werden, wenn Israel seiner bisherigen Politik und Logik folgt.
Denn eins sollte sicher sein, der Raketenbeschuss wird wieder einsetzen. Einziges probates Mittel könnte da mittelfristig eine Teilbesetzung des Gazastreifens sein, aber auch dies sorgt für keine absolute Sicherheit für Sderot und Ashkalon und könnte in der Westbank auch zu erneuten Gewaltausbrüchen von Palästinensern führen.
Die Westbank könnte, je mehr zivile Opfer in Gaza zu beklagen sind, zu einem Folgeschaden dieses israelischen Angriffes werden. Es bleibt abzuwarten, ob angesichts einer klaren israelisch-paläst. Konfrontation in Gaza mit vielen Toten die Fatah ihre relativ proisraelische Politik wird halten können und wenn sie es doch versucht, wie lange sie die politische Führung in der Westbank wird halten können. Eine neue Intifada steht derzeit angesichts der weitgehenden Apathie der breiten paläst. Bevölkerung nicht zu erwarten, aber einerseits ist dies allemal möglich im Laufe einer weiteren Eskalation, andererseits können sich auch in der Westbank radikale Formationen organisieren, die es aus Solidarität den radikalen Gruppen in Gaza gleichtun und israelische Positionen mit selbstgebauten Raketen beschießen. Und dann weiten sich die Probleme für die israelische Führung nur weiter aus.
Alles in allem wird durch diese Aktion nur ein politischer Sieg an der Heimatfront erzielt, der Fortschritt im Konflikt mit den Palästinensern ist rein virtuell und kurzlebig, letztlich kontraproduktiv. Daher bleibt abzuwarten, ob Barak oder Livni den Wahlerfolg im Februar mit dieser Offensive nicht zu teuer erkauft haben und sie dann schon nach ein paar Monaten eben jenen teuer bezahlen müssen und vor denselben, vielleicht vor noch größeren Problemen stehen.
Daher: Die vermeintlich notwendige Stärke, die von einigen (Schneemann, Quintus) Usern gar gefordert hatte, führt nur zu einer Verhärtung des Konflikts und zu seiner Fortführung. Aus der internen Akteurslogik/Kollektivakteurslogik der israelischen Politik heraus mag es sicher geboten sein, Stärke zu zeigen. Denkt man klassisch-historisch und akteurszentriert limitiert, so muss auf die Aktion des einen die eigene, stärkere Reaktion führen. Dummerweise führt diese Denkweise aber gerade dahin, was hier oft beklagt wird: In die Unlösbarkeit. Es ist daher schlicht absurd, einerseits die Unlösbarkeit zu konstatieren und zu resignieren, andererseits aber dann für weitere, härtere Schläge zu optieren, denn genau mit diesen härteren Schlägen, immer wieder, immer neu, wird diese resignative Unlösbarkeit produziert, werden die Rahmenbedingungen für den Konflikt immer wieder so verschärft und gestaltet, dass die Gewalt-, Konflikt- und Eskalationsspirale immer von neuem anfangen kann und muss. Man sorgt also mit dieser Einstellung selbst nur für diese Unlösbarkeit, man produziert sie selbst. Sieht man das ganze daher strukturell, so sieht man, dass dieses Stärkezeigen nur dazu führt, dass auf der anderen Seite noch mehr Stärke gezeigt werden muss und soll. Schneemann hatte dies doch selbst konstatiert in seiner letzten Replik auf meinen letzten Post. Die Hamas musste auch innenpolitisch Stärke zeigen, denn zum einen hatte sich nichts zum besseren gewendet im Konflikt mit Israel (Gaza zum Freilichtgefängnis verkommen, weiterhin Okkupation der Westbank und weiterhin mehr Siedlungen) und dann stand es intern und von anderen Gruppen unter Druck. So antwortete dieses Stärkezeigen der Hamas auf vorherige Aktionen Israels (Blockade, Besetzung und Kolonisation Westbank) und nun antwortet eben auch Israel mit Stärke auf dieses Stärkezeigen der Hamas. Ein Teufelskreis eben, der durch beide Seiten am Leben erhalten wird. Dadurch aber lassen sich beide Seiten mal mehr, mal weniger von der Eskalationslogik ihrer eigenen Handlungslogiken lenken und tun nichts dafür, dass die konfliktantreibenden Rahmenbedingungen sich ändern.
Für den Konflikt aber bringt dieses Einschreiten aber nur mittelfristige Verschärfungen und genau deshalb halte ich von dieser Militäroffensive zu diesem Zeitpunkt nichts. Man schafft damit nur weiterhin die immer beklagte Unlösbarkeit des Konflikts, die aber real von beiden Seiten immer wieder neu produziert wird.
Daher: Israel hätte begrenzte Schläge durchführen müssen als Antwort auf die Raketenangriffen, wenn überhaupt. Meines Erachtens wäre das Ende der Blockade aber der beste Weg. Ein in Kollektivhaft genommener Gazastreifen, in dem durch die wirtschaftliche Blockade gerade der Mittelschicht und allen moderaten Palästinensern die Lebensgrundlage entzogen wird, ist ein Eigentor für Israel. Begrenzte Schläge gegen die Extremisten, aber vor allem eine schrittweise Aufhebung des Embargos wären die besten Möglichkeiten derzeit. Man muss den politischen Weg wieder einschlagen. Aber das geht nur über echte Maßnahmen. Hier sollte Israel einmal, den "Mut" zeigen, den es bei den militärischen Aktionen hat.
Überdies erachte ich das ganze Iran-Hamas-Achse Gerede auch für überzogen. Natürlich unterstützt der Iran die Hamas, aber diese Unterstützung bedeutet nicht, dass die Hamas eine Art sunnitische Pasdaran ist. Die Hamas hat ihre eigene Agenda. Langfristig müsste man versuchen, die Radikalen von der Mehrheit abzuspalten und sie zu einer veritablen politischen Partei zu machen. Aber das geht nur, wenn die ehemalige Okkupationsmacht Israel eine andere, eine hrlichere Politik betreibt in der Westbank und dem Gazastreifen. Solange weiterhin Sieldungen entstehen in der Westbank, solange Gaza weiterhin ein Freilichtgefängnis ist, wird kein paläst. Kämpfer ernsthaft Israel das Reden über Frieden abnehmen...
Nun möchte ich inhaltlich einige Anmerkungen anbringen. Zusammengefasst würde ich die israelische Aktion folgendermaßen bewerten: Sie ist ein primär innenpolitisch motivierter Ausfall, dessen Zielsetzung einerseits ist, das Vertrauen in die Schlagkraft des israelischen Heeres unter der israelischen Bevölkerung wieder herzustellen, andererseits die politische Position der Regierungsparteien vor den kurz bevorstehenden Wahlen angesichts der jüngsten Raketenangriffen radikaler Palästinensergruppen zu stärken. Es geht also darum für die militärische Elite und die derzeitige politische Führungsriege der Regierung, Stärke nach innen zu demonstrieren und damit ihre eigenen (politischen und wahlstrategischen) Positionen zu verbessern. Die israelische Öffentlichkeit war über die jüngsten Raketenangriffe seitens der Palästinensergruppen in Gaza sehr verärgert und besorgt und der jetzige Schlag adressiert diese Ängste und Verärgerung. Letztlich ist diese erneute Eskalation daher von der internen israelischen politischen Logik her zu deuten und zu verstehen.
Für den Konflikt als solchen, als Gesamtzusammenhang, bedeutet diese erneute Eskalation eine weitere Stufe in der Eskalationsleiter der beidseitig verursachten Verschlimmerung des Konflikts. Wird diese Eskalations-Hausse (um mal Börsensprache zu verwenden) abebben, etwa durch einen Waffenstillstand zwischen einem „siegreichen“ Israel und einer „geschwächten“ Hamas, so wird sich an den grundlegenden strategischen und strukturellen Gegebenheiten des Konflikts nichts geändert haben. Schlimmstenfalls werden gar weitere Probleme geschaffen, die schon weitere, neue Eskalationsspiralen zukünftig erwarten lassen. Die Hamas wird kurzzeitig geschwächt sein in ihrer Fähigkeit, die israelischen Grenzregionen zu beschießen, auch wenn der Beschuss wohl kaum gänzlich gestoppt werden kann. Für diese paar Monate verminderten Raketenbeschuss wird man aber entsprechende zivile Opfer gezahlt haben, inklusive der Verschlimmerung der Lage in Gaza. Schlimmer ist noch, dass eine gewisse Schwächung der Zentralstrukturen der Hamas radikaleren und extremen Splittergruppen im Gazastreifen noch mehr Macht und Einfluss verschaffen wird. Im schlimmsten Fall werden solche radikaleren Gruppen auch innerhalb der Hamas in einer sich relativ schnell sich wieder konsolidierenden Hamasorganisation nun absolut die Oberhand gewinnen und eine erneuerte Hamas mit neuen fanatisierten und hasserfüllten Rekruten noch radikaler werden lassen. Langfristig bleibt daher die Sicherheit der israelischen Grenzregionen im Unklaren, auch droht in neuen Eskalationswellen mit noch radikaleren Organisationen und einer radikaleren Hamas eine Besetzung von Gaza durch Israel notwendig zu werden, wenn Israel seiner bisherigen Politik und Logik folgt.
Denn eins sollte sicher sein, der Raketenbeschuss wird wieder einsetzen. Einziges probates Mittel könnte da mittelfristig eine Teilbesetzung des Gazastreifens sein, aber auch dies sorgt für keine absolute Sicherheit für Sderot und Ashkalon und könnte in der Westbank auch zu erneuten Gewaltausbrüchen von Palästinensern führen.
Die Westbank könnte, je mehr zivile Opfer in Gaza zu beklagen sind, zu einem Folgeschaden dieses israelischen Angriffes werden. Es bleibt abzuwarten, ob angesichts einer klaren israelisch-paläst. Konfrontation in Gaza mit vielen Toten die Fatah ihre relativ proisraelische Politik wird halten können und wenn sie es doch versucht, wie lange sie die politische Führung in der Westbank wird halten können. Eine neue Intifada steht derzeit angesichts der weitgehenden Apathie der breiten paläst. Bevölkerung nicht zu erwarten, aber einerseits ist dies allemal möglich im Laufe einer weiteren Eskalation, andererseits können sich auch in der Westbank radikale Formationen organisieren, die es aus Solidarität den radikalen Gruppen in Gaza gleichtun und israelische Positionen mit selbstgebauten Raketen beschießen. Und dann weiten sich die Probleme für die israelische Führung nur weiter aus.
Alles in allem wird durch diese Aktion nur ein politischer Sieg an der Heimatfront erzielt, der Fortschritt im Konflikt mit den Palästinensern ist rein virtuell und kurzlebig, letztlich kontraproduktiv. Daher bleibt abzuwarten, ob Barak oder Livni den Wahlerfolg im Februar mit dieser Offensive nicht zu teuer erkauft haben und sie dann schon nach ein paar Monaten eben jenen teuer bezahlen müssen und vor denselben, vielleicht vor noch größeren Problemen stehen.
Daher: Die vermeintlich notwendige Stärke, die von einigen (Schneemann, Quintus) Usern gar gefordert hatte, führt nur zu einer Verhärtung des Konflikts und zu seiner Fortführung. Aus der internen Akteurslogik/Kollektivakteurslogik der israelischen Politik heraus mag es sicher geboten sein, Stärke zu zeigen. Denkt man klassisch-historisch und akteurszentriert limitiert, so muss auf die Aktion des einen die eigene, stärkere Reaktion führen. Dummerweise führt diese Denkweise aber gerade dahin, was hier oft beklagt wird: In die Unlösbarkeit. Es ist daher schlicht absurd, einerseits die Unlösbarkeit zu konstatieren und zu resignieren, andererseits aber dann für weitere, härtere Schläge zu optieren, denn genau mit diesen härteren Schlägen, immer wieder, immer neu, wird diese resignative Unlösbarkeit produziert, werden die Rahmenbedingungen für den Konflikt immer wieder so verschärft und gestaltet, dass die Gewalt-, Konflikt- und Eskalationsspirale immer von neuem anfangen kann und muss. Man sorgt also mit dieser Einstellung selbst nur für diese Unlösbarkeit, man produziert sie selbst. Sieht man das ganze daher strukturell, so sieht man, dass dieses Stärkezeigen nur dazu führt, dass auf der anderen Seite noch mehr Stärke gezeigt werden muss und soll. Schneemann hatte dies doch selbst konstatiert in seiner letzten Replik auf meinen letzten Post. Die Hamas musste auch innenpolitisch Stärke zeigen, denn zum einen hatte sich nichts zum besseren gewendet im Konflikt mit Israel (Gaza zum Freilichtgefängnis verkommen, weiterhin Okkupation der Westbank und weiterhin mehr Siedlungen) und dann stand es intern und von anderen Gruppen unter Druck. So antwortete dieses Stärkezeigen der Hamas auf vorherige Aktionen Israels (Blockade, Besetzung und Kolonisation Westbank) und nun antwortet eben auch Israel mit Stärke auf dieses Stärkezeigen der Hamas. Ein Teufelskreis eben, der durch beide Seiten am Leben erhalten wird. Dadurch aber lassen sich beide Seiten mal mehr, mal weniger von der Eskalationslogik ihrer eigenen Handlungslogiken lenken und tun nichts dafür, dass die konfliktantreibenden Rahmenbedingungen sich ändern.
Für den Konflikt aber bringt dieses Einschreiten aber nur mittelfristige Verschärfungen und genau deshalb halte ich von dieser Militäroffensive zu diesem Zeitpunkt nichts. Man schafft damit nur weiterhin die immer beklagte Unlösbarkeit des Konflikts, die aber real von beiden Seiten immer wieder neu produziert wird.
Daher: Israel hätte begrenzte Schläge durchführen müssen als Antwort auf die Raketenangriffen, wenn überhaupt. Meines Erachtens wäre das Ende der Blockade aber der beste Weg. Ein in Kollektivhaft genommener Gazastreifen, in dem durch die wirtschaftliche Blockade gerade der Mittelschicht und allen moderaten Palästinensern die Lebensgrundlage entzogen wird, ist ein Eigentor für Israel. Begrenzte Schläge gegen die Extremisten, aber vor allem eine schrittweise Aufhebung des Embargos wären die besten Möglichkeiten derzeit. Man muss den politischen Weg wieder einschlagen. Aber das geht nur über echte Maßnahmen. Hier sollte Israel einmal, den "Mut" zeigen, den es bei den militärischen Aktionen hat.
Überdies erachte ich das ganze Iran-Hamas-Achse Gerede auch für überzogen. Natürlich unterstützt der Iran die Hamas, aber diese Unterstützung bedeutet nicht, dass die Hamas eine Art sunnitische Pasdaran ist. Die Hamas hat ihre eigene Agenda. Langfristig müsste man versuchen, die Radikalen von der Mehrheit abzuspalten und sie zu einer veritablen politischen Partei zu machen. Aber das geht nur, wenn die ehemalige Okkupationsmacht Israel eine andere, eine hrlichere Politik betreibt in der Westbank und dem Gazastreifen. Solange weiterhin Sieldungen entstehen in der Westbank, solange Gaza weiterhin ein Freilichtgefängnis ist, wird kein paläst. Kämpfer ernsthaft Israel das Reden über Frieden abnehmen...