14.07.2008, 01:51
So viel Polemik, Halbwissen und Unwahrheiten hätte ich wirklich nicht erwartet in diesem Forum, aber vielleicht bin ich etwas zu sehr Idealist ab und an und hab zu große Erwartungen an den hier vorgebrachten Argumentationen.
Moralisierende Argumenten im Stile Revans würde ich mir sowieso mal ersparen. Ich denke, solche Argumentationen kann und muss man sich ersparen. Kommentare und Einschätzungen, dass das einfach nur Abschaum sei, erübrigen sich und bringen keine sinnvolle Diskussion weiter. Es steht sicher außer Frage, dass solche Aktionen brutal sind und verabscheuungswürdig. Aber das gilt für viele Dinge, sicherlich auch für den Umstand, dass man einfach mal so eine Bombe auf ne Hochzeitsgesellschaft wirft oder dass man wie in Vietnam einfach mal so 2 Millionen Zivilisten abschlachet. Moralisierende Argumentationen haben das Problem, dass sie wie ein Boumerang auf einen zurückkommen, denn niemand hat eine weißte Weste. Der kluge Mensch weiß das. Man kann dann sicher so argumentieren wie Revan zuerst und sagen, dass das menschlicher Unrat sei. Andererseits muss man sich dann genauso wenig auch Jean Zieglers Schande verschließen, dass wir im Westen mit unserer Überfütterung und Rüstung für den Hunger und den Armut der Welt sorgen, dass wir (jetzt aktualisiere ich das Argument) für ein bissel Biosprit dafür sorgen, dass 100 Millionen neuerdings in Armut leben und sich kaum mehr Lebensmittel leisten können global. Nur der unwissende Mensch, der einäugig durch die Welt geht, wird nur herummoralisieren und solche instrumentalisierten Moralurteile verteilen. Schließlich machen sie nur deutlich, welche Scheuklappen dieser Mensch haben muss.
Wie gesagt, diese Taten sind verabscheuungswürdig. Aber das gilt leider für vieles und Unschuldige sterben zu Hauf. Der Tote wird dabei sich sicher nicht dafür interessieren, ob er versehentlich umgekommen ist oder absichtlich starb. Aber gut, selbst dieses Argument könnte man noch weiter ausbauen.
Nun mal weiter. Wenn man diesen Beitrag hier liest, merkt man schnell, in welch beengten Horizonten manchmal gedacht wird bei bestimmten Themen.
Wieso passiert etwas, wenn es dafür keinen Grund gibt? Selbst aus ner simplen eindimensionalen Logik macht so eine Aussage keinen Sinn. Natürlich gibt es Gründe für diese schlimmen Taten, genauso wie es Gründe dafür gab, dass die USA 2 Millionen Vietnamesen abgeschlachtet haben oder dass die Franzosen beim Völkermord in Ruanda im Hintergrund mitwirkten oder dafür, dass die Deutschen vor dem Ersten Weltkrieg Massaker an den Hereros durchgeführt haben usw. Es gibt immer Gründe, ob sie einem persönlich einleuchten oder sie nachvollziehen kann bzw. zumindest analysieren kann, das ist dann aber eine andere Frage. Es gibt sicher auch Leute, die nicht verstehen würden, wie du angesichts der Armut auf dieser Welt in den Urlaub fliegen könntest, aber das ist eben alles eine Frage der jeweiligen Werte und Grundsätze. Ich will damit nur deutlich machen, dass heutige westliche Denkmuster weder global universell sind (sind im Gegenteil in der Minderzahl), noch historisch immer so existierten. Selbst die Vorkämpfer für unsere westliche Zivilisation, die Revolutionäre des 18. und 19. jahrhunderts pflegten einge ganz andere Einstellung, zum Kampf und zum Tod im Kampf wie auch zum Begriff der Unschuldigen...
Nun mal zum Selbstmordattentat an und für sich.
Hier kommen die nächsten Legenden. Da wird mit purstem populistischen Halbwissen behauptet, sie seien "islamische" Aktionen bzw. Aktionsmuster. Auch da braucht man eben etwas Fachwissen: Die erste (moderne) Gruppe, die Selbstmordattentäter benutzte, waren die marxistisch-buddhistischen Tamilen auf Sri Lanka. Dort wurde diese Waffe, diese brutale Gewalttaktik als effektivste, weil hinterhältigste, weil entschlossenste Taktik terroristischer Anschläge "erfolgreich" erprobt.
Wieso nun plötzlich man vor allem im Nahen Osten man von ihr Gebraucht macht? Nun, auch hier kann man einiges, aber eben nicht alles mit der Religion erklären. Terrorismus ist eine asymmetrische Kriegsführung, d.h. man kämpft gegen einen konventionell (in Sachen Militär, Gefechtsformen etc.) überlegenen Gegner und wendet daher bestimmte, "hinterhältige" Strategien/Taktiken an, um die eigene Schwäche in Stärke zu verwandeln. Im Nahen Osten stand aber oftmals ein sehr starker Gegner (USA/UdSSR, Israel/ einheimische Diktaturen) relativ schwachen Widerstandsorganisationen entgegen. Daher brauchte man eben auch radikale Gegentaktiken. Und so nahm man sich die Tamilen als Beispiel und begann aus der eigenen strukturellen Schwäche heraus eben diese Taktik anzuwenden. Wichtig war dafür u.a. das historisch gewachsene schiitische Märtyrertum und einige findige radikale Geistliche, die aus dem im Islam verboteten Selbstmord dann den Märtyrertod zurechtzimmerten. Denn eigentlich ist im Islam wie im Katholizismus der Selbstmord verboten und solch ein Selbstmordanschlag ist ja auch nichts anderes als Selbstmord. Aber mit Verweis auf den dadurch geführten Kampf schafften einige radikale Geistliche daraus einen Märtyrertod zu machen, alles übrigens Entwicklungen der letzten 20/30 Jahre und absolut gar nichts, was mit dem Islam "an sich" zu tun hat. So viel dann auch wieder zu dieser dümmlich-übersimplen Vorstellung vom Kampf der Kulturen: Wie so oft ist der Hauptkampf in der jeweiligen Kultur selbst, zwischen den verschiedenen Interpretationen und Versionen zu sehen und zu erblicken. Dumm nur, wenn man als Westen da reingezogen wird, weil man ja weiter die Hegemonie über dieses Stückchen Weltregion halten will...
Bevor ich es vergesse: In Afrika gibt es übrigens auch viele Moslems, nur man "braucht" eben dort den Selbstmordanschlag nicht als Waffe/Taktik. Dort dominieren Partisanenkampf, Warlords, schwache Staaten. Selbstmordanschläge als Taktik werden da "funktional" gar nicht gebraucht, deshalb gibt es sie da nicht. Mit religion hat wie gezeigt das ganze eben nicht so viel zu tun. Der Selbstmordanschlag wurde das erste Mal von den Tamilen durchgeführt und dann als nutzbare und "gute Taktik" von immer mehr islamistischen und fundamentalistischen Gruppen für sich entdeckt, genutzt und "islamisiert".
Zur Motivlage der Gruppen und Täter sage ich später etwas, aber implizit habe ich ja schon deutlich gemacht, dass eine radikale Ideologie/Version von Religion und ein offener Konflikt Bedingung der Möglichkeit von Selbstmordanschlägen sind und eben vor allem auch ein starkes konventionelles Ungleichgewicht der Konfliktparteien...
Zur Funktionsweise und der Wirkweise des Terrorismus sollte im übrigen aber auch bald etwas auf Globaldefence von mir zu lesen, was eventuelle noch unklare Umstände erhellen sollte...
Moralisierende Argumenten im Stile Revans würde ich mir sowieso mal ersparen. Ich denke, solche Argumentationen kann und muss man sich ersparen. Kommentare und Einschätzungen, dass das einfach nur Abschaum sei, erübrigen sich und bringen keine sinnvolle Diskussion weiter. Es steht sicher außer Frage, dass solche Aktionen brutal sind und verabscheuungswürdig. Aber das gilt für viele Dinge, sicherlich auch für den Umstand, dass man einfach mal so eine Bombe auf ne Hochzeitsgesellschaft wirft oder dass man wie in Vietnam einfach mal so 2 Millionen Zivilisten abschlachet. Moralisierende Argumentationen haben das Problem, dass sie wie ein Boumerang auf einen zurückkommen, denn niemand hat eine weißte Weste. Der kluge Mensch weiß das. Man kann dann sicher so argumentieren wie Revan zuerst und sagen, dass das menschlicher Unrat sei. Andererseits muss man sich dann genauso wenig auch Jean Zieglers Schande verschließen, dass wir im Westen mit unserer Überfütterung und Rüstung für den Hunger und den Armut der Welt sorgen, dass wir (jetzt aktualisiere ich das Argument) für ein bissel Biosprit dafür sorgen, dass 100 Millionen neuerdings in Armut leben und sich kaum mehr Lebensmittel leisten können global. Nur der unwissende Mensch, der einäugig durch die Welt geht, wird nur herummoralisieren und solche instrumentalisierten Moralurteile verteilen. Schließlich machen sie nur deutlich, welche Scheuklappen dieser Mensch haben muss.
Wie gesagt, diese Taten sind verabscheuungswürdig. Aber das gilt leider für vieles und Unschuldige sterben zu Hauf. Der Tote wird dabei sich sicher nicht dafür interessieren, ob er versehentlich umgekommen ist oder absichtlich starb. Aber gut, selbst dieses Argument könnte man noch weiter ausbauen.
Zitat:Eben und genau das ist das. Es gibt keinen Grund sich auf einem Marktplatz, vor einer Schule oder sonst wo im öffentlichen Raum in die Luft zu jagen, vor allem wo es eine Anwesenheit vieler unbeteiligter gibt. Aber wie schon von verschiedenen AL Kaida Aktivisiten gesagt wurde, gibt es keine Zivilisten unter den Abweichlern (Schiiten), Zionisten (Juden) und Kreuzfahrern (wir).
Nun mal weiter. Wenn man diesen Beitrag hier liest, merkt man schnell, in welch beengten Horizonten manchmal gedacht wird bei bestimmten Themen.
Wieso passiert etwas, wenn es dafür keinen Grund gibt? Selbst aus ner simplen eindimensionalen Logik macht so eine Aussage keinen Sinn. Natürlich gibt es Gründe für diese schlimmen Taten, genauso wie es Gründe dafür gab, dass die USA 2 Millionen Vietnamesen abgeschlachtet haben oder dass die Franzosen beim Völkermord in Ruanda im Hintergrund mitwirkten oder dafür, dass die Deutschen vor dem Ersten Weltkrieg Massaker an den Hereros durchgeführt haben usw. Es gibt immer Gründe, ob sie einem persönlich einleuchten oder sie nachvollziehen kann bzw. zumindest analysieren kann, das ist dann aber eine andere Frage. Es gibt sicher auch Leute, die nicht verstehen würden, wie du angesichts der Armut auf dieser Welt in den Urlaub fliegen könntest, aber das ist eben alles eine Frage der jeweiligen Werte und Grundsätze. Ich will damit nur deutlich machen, dass heutige westliche Denkmuster weder global universell sind (sind im Gegenteil in der Minderzahl), noch historisch immer so existierten. Selbst die Vorkämpfer für unsere westliche Zivilisation, die Revolutionäre des 18. und 19. jahrhunderts pflegten einge ganz andere Einstellung, zum Kampf und zum Tod im Kampf wie auch zum Begriff der Unschuldigen...
Nun mal zum Selbstmordattentat an und für sich.
Hier kommen die nächsten Legenden. Da wird mit purstem populistischen Halbwissen behauptet, sie seien "islamische" Aktionen bzw. Aktionsmuster. Auch da braucht man eben etwas Fachwissen: Die erste (moderne) Gruppe, die Selbstmordattentäter benutzte, waren die marxistisch-buddhistischen Tamilen auf Sri Lanka. Dort wurde diese Waffe, diese brutale Gewalttaktik als effektivste, weil hinterhältigste, weil entschlossenste Taktik terroristischer Anschläge "erfolgreich" erprobt.
Wieso nun plötzlich man vor allem im Nahen Osten man von ihr Gebraucht macht? Nun, auch hier kann man einiges, aber eben nicht alles mit der Religion erklären. Terrorismus ist eine asymmetrische Kriegsführung, d.h. man kämpft gegen einen konventionell (in Sachen Militär, Gefechtsformen etc.) überlegenen Gegner und wendet daher bestimmte, "hinterhältige" Strategien/Taktiken an, um die eigene Schwäche in Stärke zu verwandeln. Im Nahen Osten stand aber oftmals ein sehr starker Gegner (USA/UdSSR, Israel/ einheimische Diktaturen) relativ schwachen Widerstandsorganisationen entgegen. Daher brauchte man eben auch radikale Gegentaktiken. Und so nahm man sich die Tamilen als Beispiel und begann aus der eigenen strukturellen Schwäche heraus eben diese Taktik anzuwenden. Wichtig war dafür u.a. das historisch gewachsene schiitische Märtyrertum und einige findige radikale Geistliche, die aus dem im Islam verboteten Selbstmord dann den Märtyrertod zurechtzimmerten. Denn eigentlich ist im Islam wie im Katholizismus der Selbstmord verboten und solch ein Selbstmordanschlag ist ja auch nichts anderes als Selbstmord. Aber mit Verweis auf den dadurch geführten Kampf schafften einige radikale Geistliche daraus einen Märtyrertod zu machen, alles übrigens Entwicklungen der letzten 20/30 Jahre und absolut gar nichts, was mit dem Islam "an sich" zu tun hat. So viel dann auch wieder zu dieser dümmlich-übersimplen Vorstellung vom Kampf der Kulturen: Wie so oft ist der Hauptkampf in der jeweiligen Kultur selbst, zwischen den verschiedenen Interpretationen und Versionen zu sehen und zu erblicken. Dumm nur, wenn man als Westen da reingezogen wird, weil man ja weiter die Hegemonie über dieses Stückchen Weltregion halten will...
Bevor ich es vergesse: In Afrika gibt es übrigens auch viele Moslems, nur man "braucht" eben dort den Selbstmordanschlag nicht als Waffe/Taktik. Dort dominieren Partisanenkampf, Warlords, schwache Staaten. Selbstmordanschläge als Taktik werden da "funktional" gar nicht gebraucht, deshalb gibt es sie da nicht. Mit religion hat wie gezeigt das ganze eben nicht so viel zu tun. Der Selbstmordanschlag wurde das erste Mal von den Tamilen durchgeführt und dann als nutzbare und "gute Taktik" von immer mehr islamistischen und fundamentalistischen Gruppen für sich entdeckt, genutzt und "islamisiert".
Zur Motivlage der Gruppen und Täter sage ich später etwas, aber implizit habe ich ja schon deutlich gemacht, dass eine radikale Ideologie/Version von Religion und ein offener Konflikt Bedingung der Möglichkeit von Selbstmordanschlägen sind und eben vor allem auch ein starkes konventionelles Ungleichgewicht der Konfliktparteien...
Zur Funktionsweise und der Wirkweise des Terrorismus sollte im übrigen aber auch bald etwas auf Globaldefence von mir zu lesen, was eventuelle noch unklare Umstände erhellen sollte...