Europäische Union
@Tiger - Deine Erwartungen oder auch Befürchtungen kann ich nachvollziehen, es wird sicher genug geben, die eine solche Stellung Europas (vielleicht sogar als Nachfolge von Großdeutschland unter deutscher Führung) auch wünschen.

Ich denke aber, das ist - unter Berücksichtigung der Enwicklung in anderen Weltregionen - nicht zu erwarten.
Russland, China, die ASEAN-Staaten und Australien, Indien, der Iran als regionales Zentrum, die arabischen und auch die zentralasiatischen türkischen Staaten, Brasilien mit seinen Nachbarn - ja sogar die afrikanischen Staaten entwickeln sich ebenfalls weiter und bilden immer mehr eigenständige politische Interessen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Europa oder eine andere Dritte Macht jemals wieder in die Situation kommen können, diese "Blöcke" zu isolieren und auszubeuten. Dazu ist die Entwicklung - auch durch die Globalisierung und die Ressourcen dieser Regionen - viel zu weit fortgeschritten.

Ich denke eher andersrum: wenn es uns nicht gelingt, auf europäischer Ebene immer intensiver zu kooperieren, dann werden die Einzelstaaten Europas eher zum Spielball anderer Mächte.
Die Kooperation Europas ist eine Notwendigkeit zur globalen Selbstbehauptung. Deshalb brauchen wir auch neue Spielregeln, damit Europa insgesamt handlungsfähig bleibt.
Dazu ist es aber auch erforderlich, die Akzeptanz der EU innerhalb der Union bei der Bevölkerung zu erhöhen. Europa braucht dafür mehr demokratische Legitimation - also eine Stärkung des Europischen Parlaments -, es muss weg von seinem "Bürokratenimage" und vor allem muss deutlich werden, dass Europa (zwar) aus einer Wirtschaftsgemeinschaft entstanden ist, die Strukturen aber der gesamten europäischen Bevölkerung dienen und nicht nur den Unternehmen.
Deshalb sind auch so Dinge wie eine gemeinsame Sozialcharta auf hohem Niveau von Bedeutung.
Wir haben europäische Werte, die uns von anderen Mächten - durchaus auch von befreundeten Mächten - unterscheiden. Diese europäischen Werte müssen deutlicher werden, sie sind wichtig für die europäische Identifikation als Wertegemeinschaft.

Wenn es uns aber gelingt, einen kooperativen und effektiven Arbeitsstil zu etablieren, dann wird die EU - das Potential ist vorhanden - unter den "Mächten" der Welt sicher eine der wichtigsten Mächte werden.
Möglicherweise (aber das ist wirklich schon hart am Rande von science fiction) kann Europa sogar aufgrund eines solchen Kooperationsmodells zu einer globalen Führungsmacht werden, im Gegensatz zu den klassischen Hegemonialmächten, die am Widerstand der "beherrschten" und an der Selbstüberschätzung der "Herrschenden" immer mehr zu scheiten scheinen.
Die klassische Hegemonialpolitik baut jedenfalls seit dem Ende der Kolonialmächte immer weiter ab. Nach dem letzten Weltkrieg hatten wir noch einen Höhepunkt - mit den USA und der UdSSR als den beiden globalen Gegenspielern - aber auch diese Zeit ist vorbei. Und seit dem Ende des "Kalten Krieges" (und dem damit verbundenen Wegfall der gemeinsamen Bedrohung) gehen auch die früheren Satelliten immer mehr dazu über, ihren eigenen Interessen die Priorität einzuräumen, was natürlich auch zur Schwächung der früheren globalen Führungsmächte beiträgt.

Was wir in Europa entwickeln ist eine "lenkende Führung durch Moderation", die alle Beteiligten abholt und zur möglichst großen gemeinsamen Willensbildung und Entscheidung führt. Das ist ein faszinierendes Modell und geradezu der klassische Gegensatz zur "Führung durch Unterordnung".
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