21.03.2008, 18:00
Hainan schrieb:.....Für einen Guten Morgen ist es zu spät, aber wenigsens ein "herzliches Grüß Gott)
Ich muß vornweg sagen, daß ich nur durch Zufall in diese Diskusion geraten bin und mich niemals sehr mit Politik beschäftigt habe. Also meine Gedankengänge sind die einer Touristin die mehrere Male und auch über einen längeren Zeitraum China bereist hat und dabei nicht von einer Sehenswürdigkeit zur anderen geschleust wurde, sondern ganz individuell im Land und bei den Menschen unterwegs war.
Leider gibt es nun einmal diese Sprachbarriere, so daß ein richtiges Gespräch nie zustande kam. ...
ich denke, dass gerade diese persönlichen Erfahrungen sehr wichtig sind und einen (wenn auch sehr sujektiven) Eindruck der "Stimmung" und "Gefühlslage" wiedergen können, mehr jedenfalls (dein letzter Satz mit dem Zitat belegt das) als die analytisch obersvierende Sicht von aussen.
Leider ist die Teilnahme von Vertretern aus dem Land selbst sehr rudimentär. Früher war "Edelweiss" im J-10 Thread aktiv, nach ein paar dummen Anmachen kommt er aber nicht mehr. Insofern sind wir auf möglichst "hautnahe" Erfahrungen von Touristen und Besuchern angewiesen.
Wie wichtig die sind zeigt ja auch dieser Thread. Obwohl zum Anfang der Tibet-Krise eine Menge an westlichen Touristen im Land war zeigen deren Videoaufnahmen und Berichte "lediglich" randalierende tibetische Jugendliche (ich denke an den oben verlinkten Video-Film eines australischen Besuchers) und kein schießwütiges Militär.
Dass die Staatsmacht nach Straßenschlachten mit Toten, Brandschatungen usw. erst einmal zu "harten Mitteln" greift, um "law and order" wieder herzustellen kennen wir ja auch im Westen. Dass eine kommunistisiche, auch ostasiatische Parteidiktatur da mit weniger Skrupel zuschlägt - noch dazu in der Gefahr, im Jahr der Olympiade "das Gesicht zu verlieren" - war zu erwarten.
Dazu ein interessanter Vergleich: XINHUA zitiert einen Chat der Tagesschau, der von der ARD auch im Internet eingestellt ist. Es ist interessant zu sehen, was XINHUA aus dem Chat "herausgepickt" hat.
Erstmal XINHUA:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://german.china.org.cn/international/2008-03/21/content_13223100.htm">http://german.china.org.cn/internationa ... 223100.htm</a><!-- m -->
Zitat: Deutscher Gelehrter über Aufstand in Lhasadas Chat-Protokoll ist von der Tagesschau unter <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/interaktiv/chat/chatprotokoll60.html">http://www.tagesschau.de/interaktiv/cha ... oll60.html</a><!-- m --> im Netz eingestellt. Ich zitier daraus:
german.china.org.cn Datum: 21. 03. 2008
Ein deutscher Chinaexperte sagte am Dienstag, dass es sich kein Staat der Welt leisten könne, Aufstände mit so einem großen Gewaltpotential in seinen Städten laufen zu lassen, ohne polizeilich oder militärisch einzugreifen.
Eberhard Sandschneider, Direktor des Forschungsinstitutes der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, .....
Zitat: ....
Wenn es am 1. Mai in Kreuzberg randalierende Demonstranten gibt, die Schaufenster einschlagen und Fahrzeuge anzünden, greift auch in Deutschland die Staatsgewalt mit aller Konsequenz durch.
Ihre Frage ist insofern hilfreich, als dass sie zeigt, wie wichtig es ist, nicht nur besserwisserisch nach China zu schauen sondern gelegentlich mal auch in den eigenen Spiegel.
....
Kein Staat der Welt kann es sich leisten, in seinen Großstädten Demonstrationen mit einem so hohen Gewaltpotenzial ablaufen zu lassen, ohne polizeilich oder entsprechend militärisch einzugreifen. Ich versuche also eigentlich nur, Sie einzuladen, einen Perspektivwechsel vorzunehmen, um hoffentlich zu dem Ergebnis zu kommen, dass einseitige Sichtweisen nicht weiterhelfen und eine ausschließlich kritische Sicht auf das Vorgehen der chinesischen Kräfte durchaus auch an der Sache vorbeigehen kann.
Dabei weiß ich sehr wohl um das Risiko, dass Sie mir jetzt unterstellen können, mich als Sachwalter chinesischer Interessen zu präsentieren. Das tue ich mit Sicherheit nicht. Aber ich habe in meiner Arbeit mit China immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es manchmal sehr hilfreich ist, bestimmte Positionen, die man selbstverständlich zu China einnimmt, einen Augenblick "zurückzuübersetzen" auf vergleichbare Situationen in Deutschland, um begreifen zu können, wie unterschiedliche Perspektiven auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
....
Wenn es denn (wie hoy meint) ein "Aufstand" ist, dann wird der durch die weit überlegene PLA sehr schnell ausgetreten. Man kann mit Pferdehirten - selbst wenn sie bewaffnet sind - nicht gegen eine moderne Armee antrete. Und der asymetrische Krieg islamischer Selbstmordattentäter ist der tibetanisch-buddhistischen "Ideologie" fremd. Ich muss dazu sagen, dass mich der "Aufstand" nicht nur in der Erscheinungsform an die Revolten in Frankreich letztes Jahr erinnert. Hier wie dort war es der Frust der Chancenlosen, der "gesellschaftlichen Verlierer", der "zu kurz gekommenen", der sich in Gewaltexzessen entladen hat. Und hier wie dort waren auch ethnische Spannungen in der Gesellschaft - aus arabischen Ländern stammende Jugendliche in Frankreich, tibetanische Jugendliche im "Multi-ethnischen-Staat China" - erkennbar; die Verlierer entstammen einer Bevölkerungsschicht, die sie von den Gewinnern separiert.
Daraus lässt sich natürlich ein "ethnischer Aufstand" phantasieren; der liegt ja gerade im Fall Tibet nicht nur in den geistigen Hinterstübchen im Westen sondern auch der Regierenden in Peking "abrufbereit verankert".
Fraglich ist, ob es das wirklich war.
Wenn es überwiegend ethnische Explosion war, dann ist die nur im Dialog zu lösen.
Ansonsten besteht die latente Gefahr neuer Explosionen, die irgendwann einmal auch mit Gewalt nicht mehr beherrschbar sind.
Wenn es aber der Ausfluss einer sozialen Spannung war, der zur Explosion geführt hat, dann kann die Einbindung des Dalai Lama "in die Verantwortung" nicht schaden - ganz im Gegenteil.
Damit würde der sozialen Spannung die ethnische Komponente genommen, und im Zusammenwirken beider Kräfte eine effektivere Entwicklungspolitik möglich.
Ich denke, es wird vor allem auf die Einsicht der Regierung in Bejing ankommen, ob sie - nachdem das Militär den Deckel jetzt wieder auf den Topf gepresst hat - bereit ist, mit dem Dalai Lama in den Dialog zu treten und eine gesichtswahrende Lösung einzugehen. Dies wäre perspektivisch (auch im Hinblick auf die Avancen zu Taiwan) der bessere Weg, wie ich meine.
Dazu
hoj schrieb:..... WAs chinesicher Integrität betrifft: Im Taiwan hat man im pro-chineischem nationalistischem Lager herbe Verluste in den Umfragen eingefahren. Anscheinend wirkt der Gesetz gegen die "abspaltung und separatismus" und seine Umsetzung im Tibet nicht unbeding in die richtige Richtung als man in Chinas Regierung erhofft hatte. ....und eine Einschätzung der Tagesschau:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/ausland/taiwantibet2.html">http://www.tagesschau.de/ausland/taiwantibet2.html</a><!-- m -->
Zitat:"Extrem barbarisches und dummes Vorgehen Chinas"
Am Samstag wählen die Taiwaner einen neuen Präsidenten. Die Tibet-Krise ist im Wahlkampf ein wichtiges Thema. Die Angst wächst, dass in Taiwan Ähnliches passiert. Beide Kandidaten fordern von China eine andere Politik. Wahlentscheidend wird das brisante Thema aber wohl nicht werden.
...
Stand: 21.03.2008 13:01 Uhr
Die Frage kann im Übrigen nicht sein, ob Autonomie oder nicht (Tibet wird bereits als "Autonome Region" geführt, und der Dalai Lama stellt seit Jahren die Oberherrschaft Chinas nicht in Frage), sondern in welchem Umfang Autonomie gewährt wird. Das ist letztendlich aber eine Frage der Verständigung, und die setzt das Gespräch voraus.