Israel-Palästina
@ Hunter

Nein, das hast du absolut fehlverstanden. Mein Argument zielte daraufhin, dass Israel und in diesem Fall Nightwatch sich zwar sicher zu Recht über die blutige Entschlossenheit der radikalen Palästinenser beschweren, dass aber letztlich Israel eben diese blutige Entschlossenheit auch an den Tag legt. Ich will damit deutlich machen, dass die Israelis letztlich kaum einen Deut besser sind als die radikalen Palästinenser. Beide Seiten scheren sich einen Dreck um Verluste, solange sie der andere hat. Israel als "demokratischer" Staat hat noch bestimmte institutionelle Rückhalte, das stimmt. Allerdings gibt es auch noch eine Weltöffentlichkeit und auch die sie unterstützenden Amerikaner können nicht alles decken. Allerdings hat sich letztlich wirklich niemand um palästinensische zivile Verluste gekümmert auf israelischer Seite. Es wird immer um das mehrfache zurückgeschlagen und getötet, als dass man selbst erlitten hat. Schau dir die Zahlen in den letzten Tagen an und schau dir die Verlustlisten auch aus der zweiten Intifada an: Die Zahl der getöteten liegt stets im Verhältnis irgendwo bei 1:5 oder 1:10, in den letzten Tagen dürfte es wohl 1:50 sein. Mit Verlaub und sehr drastisch und überspitzt formuliert, das sind Zahlen, die die Nazis in Osteuropa beim Partisanenkampf auch erreicht haben. Ich betone dabei: ich will nicht moralisieren, ich stelle Fakten klar und ziehe analytische Vergleiche ohne ideologische Tabus. Zivilisten sterben dabei letztlich zu hauf und werden als angeblich unintendierte Kollateralschäden indifferent zur Kenntnis genommen. Natürlich würden die radikalen Palästinenser - wenn sie könnten und die Mittel hätten - noch stärker zuschlagen. Da stimme ich dir zu. Die Brutalität der Palästinenser stelle ich auch nicht in Frage, die sollte eigentlich aber auch allen bewusst sein. Die radikalen Führer der Hamas interessieren sich für kein Menschenleben, sondern leben nur ihre ideologische Härte, koste es, was es wolle. Aber ich will deutlich machen, dass Israel nicht viel anders vorgeht (wenn man einen Staat mit einer Widerstandsgruppe vergleicht). Auch die israelischen Führer wollen ihre Sicherheit, koste es was, es wolle. Sie nehmen dabei den Verlust so vieler paläst. Menschenleben gerne in Kauf, solange sie dadurch innenpolitisch als die aktiven Führer gesehen werden und sich so profilieren können. In beiden Fällen dominiert eine Gesinnungsethik (nach Max Weber), die Menschenleben der anderen Seite als unrelevant nicht miteinkalkuliert. Es zählt nur die eigene Zielstellung. Bei den isrealischen Führer kommt dabei noch der angesprochene Faktor Innenpolitik dazu: Letztlich geht es auch darum, mit Militäraktionen und getöteten Palästinensern eigene Stärke innenpolitisch zu demonstrieren und auch unterschwellig Rachegelüsten nachzukommen.
Ich will daher nicht die Palästinenser besser machen, wie sie sind. Sie sind so "böse", wie sie dargestellt werden von dir und von Nightwatch, aber ich will die Israelis eben auch so darstellen, wie sie sind. Und bei Nightwatchs Argumentation kommt mir schon das Frösteln, schließlich ist die blutrünstige Entschlossenheit kaum zu unterschieden von der eines islamistischen Fundamentalisten - du musst einfach nur die Länder und Identitäten wechseln - dann werden eben aus Tausenden toten Palästinensern tausende tote Israelis, die jeder paläst. radikale nur allzu gerne bereit wäre zu opfern, um sein Ziel zu erreichen. Ergo: Was ich deutlich machen will: Beide Seiten tragen gleichermaßen zur Verrohung der Gewalt bei, in Form eines sich gegenseitig bedingenden Zirkels. Ergo: Entweder kann man beide verstehen oder man muss beide Seiten für grausame, unzivilisierte Barbaren halten. Einseitige Parteinahme bedeutet Blindheit und Informiertheit. Das ist meine Position.

Und Nightwatchs Position, die leider von nicht kleinen Teilen der israelischen politischen Landschaft geteilt wird, impliziert eben auch Tausende tote Palästinenser, die er und andere nur zu gern bereit ist, zu opfern, eben, weil er nur die eigenen Tote und Verluste sieht. Was er mit all dem anrichtet und bei den anderne verursacht, interessiert ihn nicht. Das ist kurzfristiges Denken bis zur Ecke, aber nicht weiter.
Die Palästinenser würden natürlich mehr Schaden anrichten als sie jetzt können. Aber die Israelis richten mit ihren stärkeren Ressourcen ja auch heute schon weit mehr Schaden an als die Palästinenser. Was da an meiner Argumentation hinkt, kann ich bei genauer BEtrachtung nicht erkennen.
Zudem: Der Hamas wurden nie substanzielle Gesprächsangebote gemacht. Zudem kann man die Genese der Hamas und anderer und ihrer verstärkten Popularität nur verstehen, wenn man sich die "Friedensphase" der 90er Jahre in Erinnerung ruft und die Enttäuschung, die viele Palästinenser hatten damals. Sie fühlten sich von ihren Führern (PLO/Fatah) und von Israel betrogen: Weder hielt sich Israel jemals an geschlossene Verträge (Oslo, Madrid, Wye....), noch wurden die Siedlungen weniger, im Gegenteil, es wurde weiter kolonialisiert. Dies zusammen mit den korrupten PLO-Führern machte die entschlossene Ideologie der radikalen beliebt.

@ Nightwatch

Ich argumentiere nicht moralisch, ich denke einfach nach und bedenke die Nachfolgen. Zum einen ist deine Argumentation gekennzeichnet durch eine unreflektierte Gesinnungstehik, die keinerlei Konsequenzen bedenkt. Zum anderen faszinierst du was zusammen von der Stärke der israelischen Armee und von den Möglichkeiten der einzigartigen counter-insurgency-Fähigkeit der Zahal. Für mich liest sich deine substanzlose Aneinandereihung von Aufgaben wie aus einem mittelklassigen PC-Spiel übernommen. Aber erklär mir mal en detail, was das besondere an Gaza ist im Vergleich zu Algier, Bagdad, Warschau... ist es etwas besonderes, einzigartig für Gaza, dass Führungspersonen liquidiert werden müssen, dass Waffenverstecke ausgehoben werden müssen, dass Waffenwerkstätten vernichtet werden müssen, dass die Bevölkerung eingeschüchert werden muss? All diese Aufgaben und Schritte mussten schon die Nazis 1944 während des Warschauer Aufstands gegen die polnische Heimatarmee machen und auch schon im kleineren Umfang während des Kampfes gegen die jüdischen Terror... ähm Freiheitskämpfer während des Ghettoaufstandes 1943. Ich sehe da keine Besonderheit für Gaza, was da so besonderes dabei wäre. Aber bitte klär mich auf, oh allwissender!
Zudem zweifle ich ein wenig an, was du unter Sieg verstehst. Ich will nicht bestreiten, dass Brutalität, Tod und Härte für einen gewissen Zeitraum einen Gegner besiegen können. Dummerweise ist die Realität kein PC-Spiel, in dem es nur einen klar definierten Kreis an Gegnern gibt, die man einfach ausschalten muss und danach ist Game over und man hat gewonnen. So darf man als PC-Gamer und untererer Offizier denken, aber nicht als Politiker.Denn dummerweise wachsen die Gegner nach, kommen neue Gegner und führen den Kampf mit um so mehr Entschlossenheit weiter, wiederum brutaler und rücksichtsloser (sowas nennt man Eskalationsspirale). Du hast Algier als Beispiel genannt? Schön! Ds illustriert dein eindimensionales Denken, in dem es nur deine richtige entschlossene Denke gibt und unrelevante moralische Gutmenschen wir mich. Dass das aber dummer, arroganter Scheiß ist, den du denkst, erkennst du nicht. Natürlich haben die Franzosen einzelne Gefechte dank ihrer Brutalität gewonnen. Aber den Krieg, den haben sie letztlich verloren, weil der so erzeugte Hass den Algerieren so viel Entschlossenheit und Todesachtung gab, dass die Franzosen sich letztlich im Abnutzungskrieg selbst verloren. Schließlich sollte dir sicher bekannt sein, dass trotz Hundertausender toter Algerierer letztlich die Franzosen sich doch zurückziehen mussten. Schönes Beispiel! Deine Siege sind Pyhrussiege! Mir ist schleierhaft, wieso ein kleiner Junge mit dem Wissen aus PC-Spielen und sonstigen tendiezierten Quellen jahrelang belegte und immer wieder auch bestätigte Erkenntnisse wie: Terroristen kann man militärishc nicht besiegen. als platt bezeichnen kann. Sowas ist schlicht und ergreifend dumm und arrogant. Selbst die Amerikaner stimmen dieser Überzeugung zu. Ein siegreiches Gefecht ist nunmal kein Sieg im Krieg, vielleicht musst du soviel noch dazulernen!
Natürlich können die Israelis den Gazastreifen mit brutaler Gewalt niederdrücken und die Hamaskader alle liquidieren, das geht irgendwie immer, auch wenn Gaza nur ein Fall wie jeder andere ist. Das geht. Frage bleibt nur, wie und unter welchen Folgen! Israel müsste dazu letztlich Nazimethoden ergreifen, müsste so vorgehen, wie die Nazis beispielsweise im Warschauer Aufstand 1944 gegen die Polen und im Warschauer Ghettoaufstand 1943 gegen die Juden. Dann kann Israel mit viel Blut einen zeitlich befristeten Sieg für sich verbuchen. Der Hass einer neuen Generation in Gaza, aber auch in der Westbank und im ganzen moslemischen Raum würde aber Israel über kurz oder lang treffen für die Zehntausenden toter Palästinenser. Und Hass, lieber Nightwatch macht erfinderisch, macht verzweifelt und macht letztlich auch todesmutig. Und wer den Tod nicht fürchtet, der wird alles tun, um letztlich den anderen zu töten... Was da am Ende stehen wird, wird kein israelischer Sieg sein, sondern eine menschenleere Wüste....
Und Israel wäre damit keine Demokratie mehr, sondern nur noch ein rouge state, das keine zivilisierte Politik mehr kennt. Du kannst das wollen und das geht alles. Es bleiben nur die Konsequenzen, die auf einen zurückfallen werden!
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Israel-Palästina - von Helios - 23.05.2004, 14:06
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