Volksrepublik China
Von wem erhofft? Und warum?
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Chinas Energiewende: Was Europa von der grünen Supermacht lernen muss – ein Interview der Berliner Zeitung:
Zitat:Über das Ob der Energiewende wird nicht mehr gestritten – entscheidend ist das Wie. Denn die Klimaziele warten nicht. China hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten seine industrielle Macht gezielt auf den Ausbau erneuerbarer Energien ausgerichtet und Maßstäbe gesetzt – bei Solarzellen, Windkraft, Batterien und Elektromobilität. Für Europa stellt sich die Frage: Wie lässt sich ein eigener Weg gestalten, ohne in gefährliche Abhängigkeiten zu geraten?
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China ist eine Atomwaffenmacht. Forschung in diesem Bereich ist deshalb eng mit Atomkraft verknüpft. Mit rund 60 Gigawatt liegt China global auf Platz drei – hinter den USA und Frankreich. In den letzten drei Jahren wurden jedes Jahr über zehn neue Neubauprojekte genehmigt. Das klingt nach sehr viel für deutsche Ohren. Aber wenn wir uns im Vergleich zum sonstigen Strommix Chinas angucken, ist das winzig. Bei Wind und Solarkraft hat das Land rund 1600 Gigawatt zusammen, also knapp 25-mal so viel wie Atomkraft. Und dort wächst die Kapazität explosionsartig. Allein dieses Jahr wird China neunmal so viel Solar- und Windkraft zubauen, wie es insgesamt an Atomkraft hat. Langfristig wird Atomkraft wohl Teil des Strommixes bleiben, aber eher bei zehn Prozent.
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Wie ich hier bereits schon angedeutet hatte, habe ich dieses Werk von Scholl-Latour nun durch.

Mein Fazit ist, nach anfänglicher Begeisterung, etwas durchwachsen bzw. ich muss mich doch leicht selbst revidieren. Teils hatte ich das Gefühl, er spult ein wenig sein Programm ab, teils wirkt er etwas lustlos, zitiert Zahlenkolonnen und Produktivitätsangaben. Wenn man es mit anderen Werken von ihm vergleicht, scheint manchmal etwas der Biss zu fehlen. Auf einer Skala von 1 bis 10 würde ich ihm 6 Punkte geben.

Nun muss man sagen, dass dieses Werk eines seiner früheren Werke ist (von Büchern über Indochina, den Iran und den Kongo abgesehen), wo er noch nicht so arg aus der Reserve kam und sehr darauf bedacht war, nicht zu hart in die Kritik einzusteigen. Dennoch gibt es einige Passagen, etwa wo er mit einem bornierten Technokraten der KPCh beim Essen herumstreitet und die Rolle der europäischen Kolonialmächte beschreibt - der Chinese sieht im "besten" kommunistischen Propaganda-Geist alles Übel im Westen und in dessen Imperialismus; Scholl-Latour weist darauf hin, dass die Han-Chinesen ebenso und fast immer rücksichtslos expansiv gewesen seien, aber unter den Qing im 19. Jahrhundert sich selbst ins Chaos und in die Rückständigkeit aufgrund ihres arroganten Isolationismus geführt hätten - die sehr lesenswert sind (!). Eine sehr spannende Passage.

Darüber hinaus schlüsselt er eigene Erlebnisse auf, gerade auch was seine Reisen durch Xinjiang (also das "Uiguren-Gebiet") und am Amur angeht, und fängt Momentaufnahmen ein. (Diese sind, das muss man anmerken, von 1989, also ein nicht mehr aktuelles Zeitdokument, aber sie helfen die aktuellen Entwicklungen mit besser einzuordnen.) Ferner beschreibt er sehr genau die Handlungen von (dem seinerzeit bereits verstorbenen) Mao, von Deng Xiaoping und Li Peng und anderen.

In der Gesamttendenz würde ich eine Kauf- und Leseempfehlung geben - wenn ich das als Moderator so mal sagen darf. Wichtig: Das Buch ist jedoch nur mehr antiquarisch zu beziehen, aber für meist weniger als acht Euro plus Versand. Und manchmal braucht es etwas Sitzfleisch beim Lesen. Wink

Schneemann
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Das Buch ist interessant, um die Ausgangsbasis zu verstehen, auf der Chinas rasanter Aufstieg zur zweiten weltweiten Großmacht (neben den USA) beruht.

Aktuell geben leider nur wenige Presseveröffentlichungen wieder, welchen Stand China inzwischen global erreicht hat.
Hier z.B.:
Zitat:Eskalierender Handelsstreit
Chinas Außenhandel trotzt den Trump-Zöllen


Im September hat China deutlich stärker mit anderen Regionen der Welt gehandelt als erwartet. Die Zollbehörde verweist auf das exportstarke produzierende Gewerbe und die Nachfrage nach chinesischen Hightech-Produkten.
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Chinas Außenhandel hat trotz des laufenden Streits mit den USA im September deutlich zugelegt. Wie die Zollbehörde in Peking mitteilte, stiegen die Ausfuhren gemessen in US-Dollar um 8,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Marktbeobachter hatten im Vorfeld etwa sechs Prozent erwartet.

Parallel wuchsen die Einfuhren um 7,4 Prozent. Analysten hatten lediglich 1,5 Prozent erwartet. Die Einfuhren erreichten damit ihre höchste Wachstumsrate seit April 2024. Der Handelsüberschuss betrug etwas mehr als 90 Milliarden US-Dollar.

Dass Chinas Exporte trotz der globalen Handelsschwierigkeiten stetig zulegen, begründete der Zoll unter anderem mit den seit acht Jahren wachsenden Exporten des produzierenden Gewerbes. Auch trügen Ausfuhren von Hightech-Produkten wie Elektroautos oder Landmaschinen zu der Entwicklung bei, sagte Zoll-Vizeminister Wang Jun.

Chinas Handel zeigt sich damit widerstandsfähig, obwohl die Ausfuhren in den wichtigsten Konsumentenmarkt USA eingebrochen sind. Im September sanken die Exporte dorthin (minus 27 Prozent) und die Importe (minus 16,1 Prozent) verglichen mit einem Jahr zuvor wieder deutlich.
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Dazu muss man wissen, dass nach Mao und seit Deng im Wesentlichen nicht Ideologen, sondern Pragmatiker die Geschicke des Landes lenken - und zwar ausgesprochen straff. Chinesen dürfen dabei auch reich werden, solange sie die Direktiven der Partei- und Staatsführung einhalten.
Damit machen sich die chinesischen Staatslenker auch das Privatkapital zu Nutze - und die Kreativität der Millionen, die eben außerhalb der "Planwirtschaft" agieren.

Xi stellt dazu derzeit einen Endpunkt der Entwicklung dar, die von der "sozialistischen Internationalen" letztendlich zu einer extrem starken Betonung der nationalen Interessen geführt hat.

Im internationalen Gefüge kann man das Verhältnis von China zu anderen Staaten vielleicht ähnlich sehen wie das der KPCh zu den chinesischen Milliardären: die anderen dürfen reich werden (Nichteinmischung, keine Frage nach Menschenrechten oder Korruption), solange sie chinesischen Interessen nicht entgegen sehen sondern diese auch noch unterstützen. Und wenn sich aus dem System "Zuckerbrot" ein entsprechendes Abhängigkeitsverhältnis entwickelt hat, kommt dann auch mal die "Peitsche" zum Einsatz.
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(25.09.2025, 18:32)Kongo Erich schrieb: Chinas Energiewende: Was Europa von der grünen Supermacht lernen muss...
ergänzend berichtet der Spiegel über den chinesischen Boom erneuerbarer Energien
Zitat:China schafft in sechs Monaten doppelt so viel Solarkraft wie Deutschland in 25 Jahren
Die Volksrepublik bricht beim Ausbau der erneuerbaren Energien diverse Rekorde. Eine gute Nachricht für das Weltklima. Und eine schlechte Nachricht im KI-Wettlauf für den Rivalen USA.
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Das ist ein an und für sich spannendes und besorgniserregendes Thema.

China produziert schon heute mehr als doppelt so viel Elektrizität wie die USA: 10.000TWh vs 4100 TWh. Die EU liegt da schon abgeschlagen bei 2.700TWh. Davon Deutschland lediglich 430 TWh.
Pro Kopf gerechnet liegen die USA immernoch vorne bei 12.000kWh, China liegt mit gut 6.500kWh aber schon vor der EU mit 5400kWh.

China produziert diese Unmenge an Elektrizität heute immernoch zu deutlich über 60% mit Gas und va Kohle. Kernkraft nimmt nur eine Nebenrolle mit 5% ein, Solar hatte bislang aber auch nur einen Anteil von roundabout 8%, ein ähnliches Niveau wie Windkraft. Sie decken auch noch einen erstaunlichen Hohen Anteil mit Wasserkraft ab, Biomasse und Öl spielen keine relevante Rolle.

8% Solar bislang ist ein vergleichbares Niveau wie in den USA und ein ganzer Zacken weniger als in der EU. Es wunder also nicht, dass China Solar massiv ausbaut und dabei schnell Zahlen zusammenkommen, die die unseren weit übertrumpfen. China ist einfach ein Riese und Deutschland ist dagegen ein absoluter Gartenzwerg.

Springender Punkt aber: Die Chinesen ersetzen nichts sondern bauen zu und elektrifizieren ihre Gesellschaft damit im atemberaubenden Tempo. Parallel zu den Erneuerbaren werden auch nach wie vor neue Kohle- und Kernkraftwerke gebaut, wobei die Kapazitätszuwächse bei Wind- und Solar alle Dimensionen konventioneller Energieerzeugung sprengen. Abgeschaltet wird dagegen so gut wie nichts.
Ja, es war mal geplant die älteren Kohlekraftwerke relativ zügig abzuschalten. Das sind aber Erwartungen die im wesentliche vor dem KI-Boom aufgestellt wurden. Chinesische Rechenzentren verbrauchen in 2025 150 bis 200 TWh. 2030 werden es bis zu 600TWh sein.

Parallel dazu setzen die Chinesen hinsichtlich ihrer Infrastruktur voll auf Elektrifizierung, im deutlich größeren Maße als wir im Westen das tun bzw getan haben. Das wird man in den nächsten Jahrzehnten auch sehen. Die Chinesen werden (in ihren Städten) in einer Weise modern leben, dass wir in unserem analogen datenschutzgesicherten Freilichtmuseum Deutschland/EU nur Bauklötze staunen können werden.
Auch die USA werden da nicht mithalten können. Die Amerikaner hätten im Gegensatz zu uns zwar noch ein passenderes Mindset dazu, Infrastruktur, Staatswesen und Gesellschaftsstruktur geben solch radikales Wachstum aber auch dort nicht mehr her.

Was gerade hinsichtlich KI ein riesiges Problem werden wird, da hat SPON völlig recht. Die Chinesen werden die Energie für angewandte KI haben. Die Amerikaner nicht. Da hilft es auch nicht, dass man den Chinesen nur Nvidias 80% Lösung verkauft und damit vllt ein paar Jahre gewinnt.
Von Europa brauchen wir da garnicht anfangen. Isch over bevor es begonnen hat.
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(05.11.2025, 19:55)Nightwatch schrieb: Das ist ein an und für sich spannendes und besorgniserregendes Thema.
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das Thema "erneuerbare Energieen" wird von China primär unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten und - wahrscheinlich - auch unter strategischen Gesichtspunkten betrachtet. Wer unzählige dezentrale Energielieferanten hat, ist sowohl strategisch wie wirtschaftlich von Importen viel unabhängiger als etwa die Europäer, die dieses Thema nahezu ausschließlich unter der "ideologischen Brille" des Klima- und Umweltschutzes angehen. Dazu auch
Zitat:SPIEGEL Shortcut zur Weltklimakonferenz
»Klimaschutz ist für China ein Business-Case«
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inzwischen zeichnet sich ab, dass China da einen gewaltigen Trumpf hat:

Zitat: Neues Nadelöhr im KI-Rennen
Den USA fehlt Strom für neue Rechenzentren, in China ist er kostenlos

Bei der Fertigung von High-End-Chips hinkt China den USA hinterher. Dennoch warnt Nvidia-Chef Huang öffentlich vor einem chinesischen Sieg im KI-Wettrennen der Supermächte. Denn den USA geht der Strom für neue Rechenzentren aus.


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Rechenzentren sind Stromfresser. Das war bis vor wenigen Jahren kein Problem, obwohl die Nachfrage nach Computern und Digitalisierung weltweit stieg. Dank effizienterer Technologien blieb der Stromverbrauch von Rechenzentren zwischen 2010 und 2018 nahezu konstant.

Diese Entwicklung hat sich mit der Veröffentlichung von ChatGPT vor drei Jahren schlagartig geändert. Unternehmen wie Amazon, Google oder Microsoft werfen seitdem mit Geld um sich, um in der großen Computer-Revolution nicht abgehängt zu werden. Die US-amerikanische Investmentbank Goldman Sachs schätzt, dass die großen Tech-Konzerne bis Ende nächstes Jahres 737 Milliarden US-Dollar für neue Rechenzentren ausgeben werden. Laut dem "Wall Street Journal" werden für den Betrieb 80 Gigawatt Strom benötigt: mehr als ganz Deutschland in Spitzenzeiten verbraucht.
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Chinesische Unternehmen ... können mit Chatbots und anderen Projekten schneller am Markt herumexperimentieren. Anders als US-Unternehmen haben sie auch keinerlei Probleme mit der Energieversorgung, im Gegenteil. "In China ist der Strom kostenlos", sagt Huang in der "Financial Times".

Ganz konkret bieten lokale Regierungen chinesischen Tech-Konzernen wie ByteDance, Alibaba und Tencent folgenden Deal an: Wenn sie ihre Rechenzentren in dieser oder jener Provinz bauen und mit heimischen Chips betreiben, werden die Stromkosten um bis zu 50 Prozent gesenkt. Besonders wichtige Projekte werden mit weiteren Zuschüssen gelockt. Laut der "Financial Times" reichen einige Angebote aus, um ein Rechenzentrum etwa ein Jahr lang kostenlos zu betreiben.

Riesige Reservekapazitäten
Die notwendige Energie ist im Überfluss vorhanden: China baut seine Kapazitäten vorsorglich aus. Allein 2024 waren es nur bei den erneuerbaren Energien 356 Gigawatt. Das ist mehr als die USA, die Europäische Union und Indien zusammen. Laut dem US-Magazin "Fortune" betragen die Reservekapazitäten der Volksrepublik 80 bis 100 Prozent. Die Führung in Peking erwartet demnach, dass die Energieversorger jederzeit doppelt so viel Strom bereitstellen können, wie eigentlich benötigt wird.

Speziell in abgelegenen Provinzen wie Gansu, Guizhou oder der Inneren Mongolei sind deshalb gigantische Solar- oder Windparks entstanden, die inzwischen Hotspot für Hunderte neue Rechenzentren sind. Dort kann China leistungsstarke Projekte unterstützen, ohne sein Budget zu sprengen oder die Bürgerinnen und Bürger in großen Städten mit steigenden Strompreisen zu belasten. Im Gegenteil: Es sei so viel Strom verfügbar, dass China Rechenzentren nicht als Bedrohung für Stabilität des Stromnetzes betrachte, sondern als bequeme Möglichkeit, "Überkapazitäten aufzufangen", sagt ein amerikanischer Experte für den chinesischen Energiemarkt dem "Fortune"-Magazin.
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hier geht's zum US-Teil des Artikels
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