Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg
muck: - zur Frage des militärischen Nahkampf:

Zitat:Noch eine Lehre aus dem Ukraine-Krieg: Militärischer Nahkampf ist nicht zu vernachlässigen.

Zunächst mal müsste man darüber reden, was mit miliitärischer Nahkampf überhaupt gemeint ist.

Wenn man aber auf jede Art von Nahkampf ohne Feuerwaffe hinaus will, dann ist es gerade eben die Lehre des Ukrainekrieges, dass jeder solche Nahkampf ohne Feuerwaffe vollständig irrelevant ist. Entsprechend sind auch reine Kampfmesser, Bajonette etc. völlig sinnlos und das Gewicht und der Platz besser in anderes investiert. Genau so ist jede zusätzliche Nahkampfausbildung für den Nahkampf ohne Feuerwaffen sinnlose Zeitverschwendung.

Zitat:Sie bieten nämlich für die Seite des jeweils überlegenen Soldaten einen hohen propagandistischen Wert

Die Wirkung dieser wenigen Einzelvideos auf die Gesamtpropaganda halte ich für völlig vernachlässigbar. Zudem kann man so etwas auch durch entsprechende Gegenpropaganda leicht aufheben, und solche Vorfälle lassen sich auch leicht vortäuschen.

Zitat:Andererseits steht angesichts des Zwangs zur Auflockerung und der zunehmenden Verbreitung von Infiltrationstaktiken zu erwarten, dass Situationen, wo man plötzlich unerwartet dem Feind gegenübersteht und nicht für ihn bereit ist, künftig zunehmen könnten.

Dem kann ich zustimmen, aber solche Situationen löst man mit der Feuerwaffe und nicht anders. Und jede Sondersituation, wo man in Nahkampfdistanz Ladehemmung etc. hat und dann trotzdem nicht tot ist sondern noch irgendwie ohne Feuerwaffe weiter kämpfen kann, ist dergestalt, dass jede Ausbildung für diese Einzelfälle einfach nur grundfalsch wäre, weil Zeitverschwendung. Das kriegen die richtigen ganz von selbst hin, und die anderen können mit der Ausbildungszeit die man hat nicht dahin gebracht werden. Der notwendige Gesamtaufwand um jeden Soldaten für einen solchen Ausnahmespezialfall zu qualifizieren steht einfach in keinerlei Verhältnis zum militärischen Mehrwert.
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muck: zur Frage des Einfluss aus der Praxis auf die Waffenentwicklung:

Zitat:Seltsame Bemerkung. Natürlich ist der Ukraine-Krieg ein ganz anderes Kaliber, trotzdem würde ich den "Veteran" aus dem Irak oder Afghanistan nicht einfach in Anführungszeichen setzen. Und streng genommen braucht es überhaupt keine Gefechtserfahrung, um ein erfolgreiches Waffensystem zu bauen, solange man sich nur an harte Fakten und dem Input der Nutzer hält.

Ich würde es in Anführungszeichen setzen. Denn diese Einsätze waren kein ernsthafter Krieg. Und nur dieser zählt und nichts anderes. Zum zweiten von dir genannten Punkt muss den letzten Halbsatz hervorheben und betonen: WENN sich die Entwickle an harte Fakten halten und die Erfahrung der Benutzer verwenden, DANN können auch Personen ohne Gefechtserfahrung gute Waffen bauen. Genau das ist aber in der real existierenden deutschen Rüstungsindustrie oft nicht der Fall.

Sondern ganz im Gegenteil: praktische Einsatzerfahrung wird viel zu wenig beachtet. Denn die primäre Zielsetzung ist die Gewinnmaximierung und nichts anderes und die praktische Einsatzerfahrung steht dieser im Weg.
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muck: zu deinen Ausführungen zum Text von Bohdan Krotewytsch:

Zitat:Aus Sicht der militärischen Lage war die ukrainische Prioritätensetzung verständlich, aber es ist nicht gesagt, dass dieser Ansatz richtig war. Beispiel: Gerade bei den Kräften der Territorialverteidigung ist es etwa offenbar immer noch Glücksache, wer welche Fertigkeiten mitbringt, und wenn derjenige gefallen ist, der ein Starlink aufbauen oder eine PALR bedienen kann, hat die Gruppe Pech gehabt. In westlichen Armeen versucht man das halt zu vermeiden.

Bei einer Armee im Friedensbetrieb macht es Sinn, so viele Soldaten so gut wie möglich und so breit wie möglich auszubilden. Wobei selbst bedeutende westliche Armeen wie die US Streitkräfte lauter Spezialistentum haben und dort auch nicht jeder für alles qualifiziert wird.

Bei einer Armee die in einem schon länger andauernden Abnutzungskrieg steht, ist dieses Ideal jedoch nicht aufrechterhaltbar. Es ist kein Fehler, dass die Fähigkeiten so heterogen verstreut sind, sondern dass ergibt sich zwingend aus der Sache. Es ist schlicht und einfach unmöglich, in so einem Abnutzungskrieg dieser Intensität das von dir angedachte durchschnittliche Niveau an Fähigkeiten aufrecht zu erhalten.

Und es ginge uns nicht anders.

Zitat:Gerne wird in westlichen Medien z.B. Robert "Magyar" Browdi zitiert, dass NATO-Armeen zu einem modernen Krieg untauglich wären. Und obwohl dieses Urteil in der Sache durchaus stimmen kann, verstehe mich nicht falsch, muss ich mich doch wundern und fragen: Woher will er das mit Sicherheit wissen?

Hier ging es aber nicht um Browdi. Aber dessen ungeachtet will ich diesen Punkt mal aufgreifen: es waren schon 2014 und den Jahren danach fort folgend immer wieder US Soldaten in der Ukraine, mit Kampferfahrung in Afghanistan und im Irak und staunten Bauklötze. Das Fazit dieser "Veteranen" war, dass ohne die westlichen Luftwaffen die westlichen Bodenstreitkräfte in dem dortigen Szenario einfach untergehen würden. Und seitdem hat sich alles praktisch nur ständig verschlechtert und verschärft. Wir sind deshalb jetzt extrem abhängig von einer raschen Durchsetzung der Luftherrschaft. Das ist aber nur ein Aspekt, der militärisch-strategische. Worauf Browdi aber meist abzielt ist gar nicht diese Ebene, sondern die politisch-strategische Ebene. Und da muss man konsternieren, dass die Politiker wie die Gesellschaft für einen modernen Krieg tatsächlich untauglich sind.

Zitat:Die große Stärke der Ukrainer—unkonventionelle Denkansätze, Improvisation, Psychologie—kann auch zur Schwäche werden, wenn sie zu viel dem Zufall überlässt.

Echter Krieg ist in ganz großem Ausmaß Chaos, Zufall, Durcheinander. Die Seite, welche in diesem Chaos und mit diesem Chaos besser zurecht kommt, hat dadurch immense Vorteile. Man überlässt nicht zu viel dem Zufall, sondern der Krieg selbst wird durch ein zuviel an Zufall dominiert. Ganz von selbst, dass ist systeminhärent. Deshalb ist es so elementar, dass die Ukainer diese Ansätze als ihre Stärke gegen die Russen explorieren.

Zitat:Beispielsweise sind viele ukrainische Verbandsführer geradezu durch Akklamation befördert worden. Ein unbeliebter Bataillonskommandeur ABC fällt oder wird abberufen; die Truppe macht unmissverständlich klar, dass der höchst beliebte, bewunderte und tapfere Zugführer XYZ den Job kriegen sollte—also wird er befördert. Aber auch der fähigste Zugführer kann nicht automatisch ohne Ausbildung ein Bataillon führen.

Die Beförderung durch Akklamation ist aktuell eine der allergrößten Stärken der Ukrainer. Im übrigen ist nicht gesagt, dass ein Ausgebildeter Bataillonsführer im echten Einsatz tatsächlich ein Bataillon führen kann. Der Wert von Ausbildung hat auch seine Grenzen. Und umgekehrt ist Praxiserfahrung und ein neuer komplett anderer Ansatz, frei von tradierten und eingedrillten Denkweisen oft sehr vorteilhaft. Ausbildung und Routine können ganz genau so ein Problem darstellen, bis dahin, dass sie gefährlich werden ! Darüber hinaus möchte ich zu bedenken geben, dass im Krieg Psychologie / Moral / ideelle Werte einen immensen Faktor darstellen. Der moralische Vorteil kann in vielen Fällen immens viel größer sein als etwaige Ausbildungs-Mängel.

Zitat:Die ukrainische Armee funktioniert nicht wie ihre westlichen Pendants. Persönliche Bekanntschaften wiegen weit mehr als Hierarchien und entscheiden bspw. darüber, wer gefährliche Aufträge bekommt oder als erstes versorgt wird. Verhaltensweisen werden toleriert, die auf menschlicher Ebene verständlich, militärisch aber gefährlich sind; z.B. kommt es häufig vor, dass Soldaten einfach beschließen, sich einer anderen Einheit anzuschließen.

Gleiches Gegenargument: dass ist der Moral höchst förderlich, und stärkt die Disziplin, den Zusammenhalt, die Kampfbereitschaft und die Bereitschaft Opfer zu bringen. Ohne solche Eigenheiten wären die Ukrainer durch die Russen inzwischen zermalmt worden.

Zitat:Es gibt kaum Vereinheitlichung. ......Das führt dazu, dass ein kohärentes Vorgehen kaum noch möglich ist, weil auf dem Papier gleichartige Verbände völlig unterschiedlich ausgerüstet und ausgebildet sind.

Das hat seinen Grund aber erneut vor allem auch in der Länge des Krieges, den Verlusten und schließlich auch in der extrem heterogenen Ausrüstung welche die Ukraine von überall her erhalten hat. Keine westliche Armee, insbesondere die Bundeswehr, käme aktuell mit einem solchen Durcheinander von Systemen überhaupt zurecht.

Die Verbände sind ja deshalb so verschieden ausgerüstet, weil die gelieferte Ausrüstung derart breit gestreut und unterschiedlich ist.

Eine militärische Lehre daraus ist im Umkehrschluss, dass man die Zahl der verschiedenen Systeme, Kaliber, Bauteile, Motoren etc etc im Friedensbetrieb so klein wie möglich halten sollte, und alles so weitgehend wie möglich vereinheitlichen sollte, auch was Truppengattungen, Strukturen von Einheiten usw usw angeht.

Zitat:Es tut sich also schon etwas. Nur nicht schnell genug.

Es tut sich vor allem materiell etwas. Nicht schnell genug, aber vor allem materiell. Der wesentlichste Aspekt aber ist, dass Kriege von Menschen geführt werden, und dass stellt das Hauptproblem in dieser Bundeswehr und dieser Gesellschaft dar. Ausrüstung gewinnt keine Kriege. s sei denn die Asymetrie wäre derart extrem, dass der Sieg in jedem Fall errungen wird.

Zitat:Teils wegen des Vorschriftendschungels, teils, weil die Tatsache, dass nun mehr Geld zum Üben da ist, zu der absurden Situation geführt hat, dass die Wartezeiten für TrpÜbPl nicht kürzer, sondern länger geworden sind (Überbelegung).

Das Üben auf Truppenübungsplätze zu konzentrieren ist ohnehin ein Kardinalfehler der Bundeswehr. Übungen müssen stattdessen breit in der Fläche stattfinden, in realer Landschaft und nicht in der Übungsplatzkünstlichkeit. Das primäre Hindernis hierfür ist der Vorschriftenwildwuchs. Ein kleines Manöver braucht schon schier endlos bis es endlich ordnungsgemäß geplant und vorschriftsgemäß veranstaltet werden kann. Vorschriften aber gewinnen keine Kriege.

Zitat:Das ist übrigens der Punkt, der mir am meisten zu denken gibt. Ich gehe mittlerweile davon aus, dass wir uns nicht darauf vorbereiten sollten, in einem künftigen Krieg sofort mit Bestnote zu bestehen, sondern darauf, uns möglichst schnell an neue Herausforderungen anzupassen. Und diese Fähigkeit sehe ich einfach in Deutschland nicht. Das ist nicht mal ein Problem der Bundeswehr, sondern ein Problem des ganzen Staates.

Dem kann ich absolut zustimmen. Die mangelnde Anpassungsfähigkeit und mangelnde Anpassungsgeschwindigkeit sind eines der wesentlichsten Probleme. Dazu tritt noch die sozialkulturelle Kriegsunfähigkeit, weil die Sozialkultur dieser Gesellschaft für den Krieg wenig tauglich ist.
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Das wachbtl hat sich letzte Woche immerhin durchs Berliner U-Bahn Netz gekämpft Cool
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(19.11.2025, 19:00)alphall31 schrieb: Nur interessiert es meist recht wenig was die Nutzer meinen .
Nach der Bedarfsmeldung ist für den Nutzer meistens Schluss . Danach entscheiden meistens Preise , beschaffungsbehörden , militärische Bürokraten , Politik und lobbyarbeit.
(19.11.2025, 20:04)Quintus Fabius schrieb: WENN sich die Entwickle an harte Fakten halten und die Erfahrung der Benutzer verwenden, DANN können auch Personen ohne Gefechtserfahrung gute Waffen bauen. Genau das ist aber in der real existierenden deutschen Rüstungsindustrie oft nicht der Fall.

Sondern ganz im Gegenteil: praktische Einsatzerfahrung wird viel zu wenig beachtet. Denn die primäre Zielsetzung ist die Gewinnmaximierung und nichts anderes und die praktische Einsatzerfahrung steht dieser im Weg.
Auf beide Einwände die gleiche Antwort: Ihr tragt hier nur Eure Vorbehalte gegen die deutsche Rüstungsindustrie vor, um die ging es in dem Zitat aber nicht. Krotewytsch sagte doch sinngemäß, dass niemand, der nicht selbst im härtesten Gefecht gestanden hat, praxistaugliche Waffensysteme bauen kann. Das überzeugt mich einfach nicht, und ich habe Gegenbeispiele genannt.
(19.11.2025, 20:00)Quintus Fabius schrieb: Zunächst mal müsste man darüber reden, was mit miliitärischer Nahkampf überhaupt gemeint ist.
Guter Einwand. Mehr weiter unten.
(19.11.2025, 20:00)Quintus Fabius schrieb: Die Wirkung dieser wenigen Einzelvideos auf die Gesamtpropaganda halte ich für völlig vernachlässigbar.
Ich nicht.
Für beide Seiten ist dieser Krieg ein Medienkrieg. In beiden Ländern verfolgt die Bevölkerung des Kriegsgeschehen vor allem über semi-offizielle Kanäle wie den oben verlinkten. Das Video des Kampfes zwischen dem Ukrainer und dem Burjaten vor ein paar Monaten wurde allein auf Telegram (80% der Nutzer russisch) 45 Mio. mal angesehen.
(19.11.2025, 20:00)Quintus Fabius schrieb: Zudem kann man so etwas auch durch entsprechende Gegenpropaganda leicht aufheben
Wie?
Propaganda zielt nicht immer auf die Gegenseite, sie zielt auch auf die eigenen Leute. Und die nehmen dergleichen positiv auf, zumal in einem solch erbittert geführten Krieg.
Ich wundere mich über Dich, weiter unten hebst Du doch die entscheidende Bedeutung von Moral selbst hervor.
(19.11.2025, 20:00)Quintus Fabius schrieb: solche Vorfälle lassen sich auch leicht vortäuschen.
Das kommentiere ich jetzt einfach mal nicht, denn ohne entsprechende Hinweise ist das nur ein Strohmann.
(19.11.2025, 20:00)Quintus Fabius schrieb: Dem kann ich zustimmen, aber solche Situationen löst man mit der Feuerwaffe und nicht anders. Und jede Sondersituation, wo man in Nahkampfdistanz Ladehemmung etc. hat und dann trotzdem nicht tot ist sondern noch irgendwie ohne Feuerwaffe weiter kämpfen kann, ist dergestalt, dass jede Ausbildung für diese Einzelfälle einfach nur grundfalsch wäre, weil Zeitverschwendung. Das kriegen die richtigen ganz von selbst hin, und die anderen können mit der Ausbildungszeit die man hat nicht dahin gebracht werden. Der notwendige Gesamtaufwand um jeden Soldaten für einen solchen Ausnahmespezialfall zu qualifizieren steht einfach in keinerlei Verhältnis zum militärischen Mehrwert.
Dann denkst Du meines Erachtens zu sehr in konventionellen Mustern. Eine sinnvolle militärische Nahkampfausbildung muss weder lange dauern noch braucht sie nur dem militärischen Nahkampf zu nützen. In der oben geschilderten Situation hat den Mann gerettet, dass er nicht aufgegeben und sofort die Distanz überbrückt hat. Solche Verhaltensmuster lassen sich trainieren, und sind auch in anderer Hinsicht förderlich.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Bei einer Armee im Friedensbetrieb macht es Sinn, so viele Soldaten so gut wie möglich und so breit wie möglich auszubilden. Wobei selbst bedeutende westliche Armeen wie die US Streitkräfte lauter Spezialistentum haben und dort auch nicht jeder für alles qualifiziert wird.

Bei einer Armee die in einem schon länger andauernden Abnutzungskrieg steht, ist dieses Ideal jedoch nicht aufrechterhaltbar. Es ist kein Fehler, dass die Fähigkeiten so heterogen verstreut sind, sondern dass ergibt sich zwingend aus der Sache. Es ist schlicht und einfach unmöglich, in so einem Abnutzungskrieg dieser Intensität das von dir angedachte durchschnittliche Niveau an Fähigkeiten aufrecht zu erhalten.
Du übersiehst hier eines: EUMAM begann im Oktober 2022, da standen die Ukrainer noch nicht im Abnutzungskrieg. Die endgültige Erstarrung der Front und den Übergang zum Abnutzungskrieg haben wir erst ab dem Spätherbst 2023.

Und Du übersiehst noch etwas.

Ich habe gar nicht für irgendetwas plädiert, sondern ich habe darauf hingewiesen, dass beide Seiten, wörtlich, aneinander vorbeireden. Dass beide Seiten nicht die Perspektive der jeweils anderen berücksichtigen, und dass dabei Reibungsverluste entstehen, die Erkenntnisgewinn kosten.

Aus Perspektive der deutschen Bundeswehr ergab es mehr als Sinn, die für die geplante Sommeroffensive 2023 vorzuhaltenden Reserven möglichst umfassend auszubilden, auch als Fähigkeitsmultiplikatoren.

Und ja, dass dies dann unterlassen wurde, hat auch zu Problemen geführt. Du erinnerst Dich vielleicht an die anfängliche Kritik der Ukrainer an der PzH2000? Vieles davon war einfach auf Bedienungsfehler zurückzuführen.

An der ArtS sollte drei Monate ausgebildet werden, das war den Ukrainern zu lang, also hat man die Besatzungen in sechs bis neun Wochen durchgeschleust. Das heißt nicht, dass eine dreimonatige Ausbildung unabdingbar gewesen wäre, aber was hier zum Beispiel von ukrainischer Seite übersehen wurde, war, dass Waffensystem halt nicht gleich Waffensystem ist, und dass man die Ausbildung an einem deutschen Waffensystem zumindest im Kern an deutschen Doktrinen orientieren muss, denn dafür wurde sie gebaut.

Das würde deutschen Soldaten umgekehrt auch nicht anders ergehen.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Hier ging es aber nicht um Browdi.
Ähem, doch, denn ich habe ein neues Fass aufgemacht, kein altes. Browdi war ein Beispiel dafür, dass auch Experten in ihrem jeweiligen Gebiet aus einer verengten Froschperspektive beurteilen.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Und da muss man konsternieren, dass die Politiker wie die Gesellschaft für einen modernen Krieg tatsächlich untauglich sind.
Kein Widerspruch.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Die Beförderung durch Akklamation ist aktuell eine der allergrößten Stärken der Ukrainer.
Nein, das ist sie nicht. Auf jeden Denys Prokopenko kommen drei andere, die horrende Verluste verursachen, weil sie Verantwortung übertragen bekamen, der sie nicht gewachsen waren.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Im übrigen ist nicht gesagt, dass ein Ausgebildeter Bataillonsführer im echten Einsatz tatsächlich ein Bataillon führen kann.
Entschuldige, aber das ist ein doofes Gegenargument.

Nicht jeder, der Medizin studiert, wird ein guter Arzt, aber alle guten Ärzte haben Medizin studiert.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Der Wert von Ausbildung hat auch seine Grenzen. Und umgekehrt ist Praxiserfahrung und ein neuer komplett anderer Ansatz, frei von tradierten und eingedrillten Denkweisen oft sehr vorteilhaft. Ausbildung und Routine können ganz genau so ein Problem darstellen, bis dahin, dass sie gefährlich werden !
Richtig, aber Du stellst hier fälschlicherweise den Extrem- als Normalfall dar, und ignorierst, worauf mein Argument abzielte: einen vermittelnden Ansatz. Es geht nicht darum, in Doktrinen zu verharren. Es gibt jedoch Dinge, die man nur tun kann, wenn man sie beigebracht bekommen hat. Nicht alles kann man sich selbst beibringen. Weiter im Folgenden:
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Darüber hinaus möchte ich zu bedenken geben, dass im Krieg Psychologie / Moral / ideelle Werte einen immensen Faktor darstellen. Der moralische Vorteil kann in vielen Fällen immens viel größer sein als etwaige Ausbildungs-Mängel.
Kann. Muss aber nicht. Oft ist er es nicht.

Und selbst wenn der moralische Vorteil über den Graben der Ausbildungsmängel hinwegträgt, geht dies oftmals mit unnötigen Verlusten einher. Im Einzelfall mag das vernachlässigbar sein, in der Gesamtschau kann es den Sieg kosten.

Denke an die Territorialverteidigung von Kyiw während der Schlacht um die Stadt, die, in den Worten von Szczepan Twardoch, für die reguläre Armee und sich selbst eine größere Gefahr darstellte als für die Russen. Ihr Patriotismus und ihre hohe Moral konnte ihre Ausbildungsmängel nicht wettmachen.

Denke an die Waffen-SS, bei der aus ideologischen Gründen militärische Grundfertigkeiten wie Defensivtaktiken völlig vernachlässigt wurden, die deswegen horrende Verluste erlitt, und deren Einsatzwert (nicht zuletzt durch die Lobbyarbeit ihrer ehemaligen Angehörigen) lange unglaublich überschätzt wurde.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Gleiches Gegenargument: dass ist der Moral höchst förderlich, und stärkt die Disziplin, den Zusammenhalt, die Kampfbereitschaft und die Bereitschaft Opfer zu bringen. Ohne solche Eigenheiten wären die Ukrainer durch die Russen inzwischen zermalmt worden.
Manchmal. Manchmal führt es aber auch zu Problemen, die hierzulande nicht gerne diskutiert werden. Kollektive Befehlsverweigerung. Tätliche Angriffe, in Einzelfällen auch Morde an Vorgesetzten. Nicht jeder ukrainische Soldat ist ein Freiwilliger. Gerade mit den Mobilisierten gibt es Probleme, die sich nicht lösen lassen, indem man den "flexiblen" Ansatz auf jeden Verband überträgt.

Vielleicht tue ich Dir Unrecht, aber mir scheint, dass Du unfreiwillig ein Beispiel lieferst für das Problem, das ich mit meinen (sicher ungenügenden) Mitteln anzusprechen versuche: Schlüssellochperspektive. Du extrapolierst die Zustände in einem Verband wie der 12. Spezialisierten Brigade Asow, wo die oben genannten Herangehensweisen gut funktionieren, auf die gesamte ukrainische Armee, und ignorierst zum Beispiel, wie die 155. Mechanisierte Brigade zerbröselte.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Das hat seinen Grund aber erneut vor allem auch in der Länge des Krieges, den Verlusten und schließlich auch in der extrem heterogenen Ausrüstung welche die Ukraine von überall her erhalten hat. Keine westliche Armee, insbesondere die Bundeswehr, käme aktuell mit einem solchen Durcheinander von Systemen überhaupt zurecht.

Die Verbände sind ja deshalb so verschieden ausgerüstet, weil die gelieferte Ausrüstung derart breit gestreut und unterschiedlich ist.
Das täuscht.
Die Mehrzahl aller ukrainischen Bataillone wurde ohne ausländische Materialspenden ausgerüstet. Ein Teil der Handwaffen und Fahrzeuge, der Großteil der persönlichen Schutzausrüstung und des Handwaffenzubehörs, und praktisch alle Drohnen vor Juni 2025 wurden mit Spenden durch die Einheiten und Verbände selbst gekauft.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Eine militärische Lehre daraus ist im Umkehrschluss, dass man die Zahl der verschiedenen Systeme, Kaliber, Bauteile, Motoren etc etc im Friedensbetrieb so klein wie möglich halten sollte, und alles so weitgehend wie möglich vereinheitlichen sollte, auch was Truppengattungen, Strukturen von Einheiten usw usw angeht.
Zustimmung.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Es tut sich vor allem materiell etwas. Nicht schnell genug, aber vor allem materiell. Der wesentlichste Aspekt aber ist, dass Kriege von Menschen geführt werden, und dass stellt das Hauptproblem in dieser Bundeswehr und dieser Gesellschaft dar. Ausrüstung gewinnt keine Kriege. s sei denn die Asymetrie wäre derart extrem, dass der Sieg in jedem Fall errungen wird.
Absolut. Die Technikgläubigkeit ist ein ernstes Problem, aber vermutlich nicht mehr aus den Köpfen zu kriegen, schließlich ist das Phänomen keineswegs neu. In Deutschland liegen seine Anfänge schon hundert Jahre zurück, die Wehrmacht glaubte, Masse durch Klasse zu schlagen, und verrannte sich z.B. im Panzerbau völlig. Auch die NATO-Doktrinen bauten seit 1949 im Grunde darauf auf, mit besserer Technik die sowjetischen Massen zu schlagen.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Das Üben auf Truppenübungsplätze zu konzentrieren ist ohnehin ein Kardinalfehler der Bundeswehr. Übungen müssen stattdessen breit in der Fläche stattfinden, in realer Landschaft und nicht in der Übungsplatzkünstlichkeit. Das primäre Hindernis hierfür ist der Vorschriftenwildwuchs. Ein kleines Manöver braucht schon schier endlos bis es endlich ordnungsgemäß geplant und vorschriftsgemäß veranstaltet werden kann. Vorschriften aber gewinnen keine Kriege.
Richtig, aber hier hast Du mich missverstanden. Freilaufende Übungen, von denen es gottlob seit 2022 wieder mehr gibt, sind extrem wichtig, um militärische Grundfertigkeiten und Taktiken zu erproben und zu trainieren. Du kannst aber nicht einfach in einer freilaufenden Übung Waffenwirkung üben.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Dem kann ich absolut zustimmen. Die mangelnde Anpassungsfähigkeit und mangelnde Anpassungsgeschwindigkeit sind eines der wesentlichsten Probleme. Dazu tritt noch die sozialkulturelle Kriegsunfähigkeit, weil die Sozialkultur dieser Gesellschaft für den Krieg wenig tauglich ist.
Ja, allerdings würde ich nicht einmal auf den Krieg an sich einengen. Meiner Wahrnehmung nach sind besonders kriegerische Gesellschaften ziemlich schlecht darin, Kriege zu gewinnen—und ohnehin schlecht in allem anderen, was Gesellschaften noch ausmacht.

Was die Herausforderungen an die Gesellschaft als Solches anlangt, unterscheiden sich Kriege kaum (allenfalls in der Dauer) von Naturkatastrophen, Seuchen und Hungersnöten: Die Gesellschaft ist in ihrer (zumindest bisherigen) Existenz bedroht und muss nicht nur ihren Angehörigen Opfer abverlangen, sondern auch dafür Sorge tragen, dass der Nutzen dieser Opfer möglichst zielgerichtet in die richtigen Bahnen gelenkt wird.

Und da gibt mir eine Beobachtung zu denken, die viele Deutsche nicht werden hören wollen, auch in diesem Forum nicht: Das Verhalten der Menschen während der Pandemie. Das in mir ernste Zweifel am gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Bereitschaft, Lasten zu tragen, aufkommen lässt.

Und vermutlich scharrt schon jetzt irgendein Schlaumeier mit den Hufen und hat irgendeinen Artikel in petto, der "beweist", dass Masken oder Impfungen nicht nötig gewesen seien, und sich dadurch rückwirkend bestätigt fühlt. Aber darum geht es nicht. Im Frühjahr 2020 wusste das niemand, deswegen könnte auch eine sich später als unnütz erweisende Maßnahme anfänglich richtig gewesen sein. Und da liegt halt der Hase im Pfeffer:

Im Krieg wird die politische Führung den Mut aufbringen müssen, schwere Entscheidungen zu treffen, ohne alle Fakten zu kennen. Und die Bevölkerung wird diese Entscheidungen mittragen müssen, denn sonst kann man gleich aufgeben. Verteidigung ergibt nur im Kollektiv Sinn.

Mein einziger Hoffnungsschimmer in Bezug auf Deutschland ist, dass es nur Anhaltspunkte gibt, aber keine sicheren Hinweise, um vorherzusagen, wie sich eine Gesellschaft schlagen wird, wenn ihre Existenz wirklich bedroht ist. Die Ukraine ist das beste Beispiel dafür, aber beileibe nicht das einzige.
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(19.11.2025, 20:04)Quintus Fabius schrieb: WENN sich die Entwickle an harte Fakten halten und die Erfahrung der Benutzer verwenden, DANN können auch Personen ohne Gefechtserfahrung gute Waffen bauen. Genau das ist aber in der real existierenden deutschen Rüstungsindustrie oft nicht der Fall.

Sondern ganz im Gegenteil: praktische Einsatzerfahrung wird viel zu wenig beachtet. Denn die primäre Zielsetzung ist die Gewinnmaximierung und nichts anderes und die praktische Einsatzerfahrung steht dieser im Weg.

Und doch sind die Rückmeldungen von den Nutzern der deutschen Waffen, die an die Ukraine geliefert wurden (egal ob es sich um ältere Systeme oder Neuentwicklungen und -produktionen handelte) hinsichtlich der Kriegstauglichkeit und dem praktischen Nutzen tendenziell eher positiv. Du behauptest, die Zielsetzung der deutschen Rüstungsindustrie zu kennen, aber woher genau? Mit wem hast du da über was konkret gesprochen, um ein solches Urteil zu fällen? Diese Einseitigkeit und Pauschalität in deiner Betrachtung ist, gerade aufgrund von berechtigten Kritikpunkten, nicht nachvollziehbar und behindert eher das, was du zuvor eigentlich forderst: das halten an harte Fakten.

(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Echter Krieg ist in ganz großem Ausmaß Chaos, Zufall, Durcheinander. Die Seite, welche in diesem Chaos und mit diesem Chaos besser zurecht kommt, hat dadurch immense Vorteile. Man überlässt nicht zu viel dem Zufall, sondern der Krieg selbst wird durch ein zuviel an Zufall dominiert. Ganz von selbst, dass ist systeminhärent. Deshalb ist es so elementar, dass die Ukainer diese Ansätze als ihre Stärke gegen die Russen explorieren.

Historisch betrachtet (zumindest auf die Moderne bezogen, darüber hinaus fehlen mir die Kenntnisse) hat vor allem die Seite deutliche Vorteile, die das Chaos, den Zufall und das Durcheinander minimieren kann. Und das passiert in der heutigen Zeit ganz wesentlich auch durch jene, die vermeintlich keine Kriegserfahrungen haben, weil sie an der Front nicht Auge in Auge gegen den Feind kämpfen. Ohne moderne Kommunikationsmittel und -netzwerke, ohne Aufklärungsergebnisse aus der Ferne, ohne Unterstützung bei logistischen Aufgaben würde die Lage der Ukraine heute deutlich schlechter aussehen. Umgekehrt könnte die Situation besser sein, wenn hier ein höheres Niveau gerade auch abseits der oberen Ebenen durch die Truppe vor Ort erzielt werden könnte. Die Voraussetzungen sind dafür aber auch deshalb nicht gegeben, weil der notwendige Aufwand sowohl in technischer als auch organisatorischer Sicht eine Hürde darstellt, die nicht schnell aufgelöst werden kann. An dieser Problematik leiden beide Seiten und kämpfen daher einen Krieg anders, als er gekämpft werden könnte und würde, wenn es diese Hürde in der Form nicht gäbe. Das muss sowohl bei der Bewertung von Aussagen "von der Front" als auch bei den Analysen in der Nachbetrachtung stärker berücksichtigt werden, als das aktuell der Fall ist (vor allem auch massenmedial, dann gäbe es so manches Märchen nicht, aber das ist ein anderes Thema).

Zitat:Eine militärische Lehre daraus ist im Umkehrschluss, dass man die Zahl der verschiedenen Systeme, Kaliber, Bauteile, Motoren etc etc im Friedensbetrieb so klein wie möglich halten sollte, und alles so weitgehend wie möglich vereinheitlichen sollte, auch was Truppengattungen, Strukturen von Einheiten usw usw angeht.

Das war schon immer und wird wohl auch immer eine Unart sein, mit regelmäßigen Versuchen, sie zu beheben, während sie dann schleichend wieder Einzug hält.

Zitat:Es tut sich vor allem materiell etwas. Nicht schnell genug, aber vor allem materiell. Der wesentlichste Aspekt aber ist, dass Kriege von Menschen geführt werden, und dass stellt das Hauptproblem in dieser Bundeswehr und dieser Gesellschaft dar. Ausrüstung gewinnt keine Kriege. s sei denn die Asymetrie wäre derart extrem, dass der Sieg in jedem Fall errungen wird.

Auch das ist in der Einseitigkeit und Pauschalität falsch. Menschen und Ausrüstung sind im Krieg miteinander in einer Art und Weise verflochten, die sich nicht (mehr) auseinander dividieren lässt. Es braucht beides, in ausreichender Zahl und Qualität, und vor allem aufeinander abgestimmt. Ob es die vermeintliche Fixierung auf das Material tatsächlich gibt, ich habe da meine Zweifel und denke eher, es ist wesentlich schwieriger einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz beim Personal zu finden, der den Notwendigkeiten gerecht wird. Denn Maßnahmen gibt es doch einige, sie werden nur medial nicht so in den Fokus gestellt wie der neue Wunderpanzer oder die Superfregatte.

Zitat:Ein kleines Manöver braucht schon schier endlos bis es endlich ordnungsgemäß geplant und vorschriftsgemäß veranstaltet werden kann.

Ich kenne den Aufwand nicht, ich sehe aber sehr viele kleinere Übungen und Manöver bei uns in der Gegend. Und es wird immer mehr.

(20.11.2025, 05:08)muck schrieb: Absolut. Die Technikgläubigkeit ist ein ernstes Problem, aber vermutlich nicht mehr aus den Köpfen zu kriegen, schließlich ist das Phänomen keineswegs neu. In Deutschland liegen seine Anfänge schon hundert Jahre zurück, die Wehrmacht glaubte, Masse durch Klasse zu schlagen, und verrannte sich z.B. im Panzerbau völlig. Auch die NATO-Doktrinen bauten seit 1949 im Grunde darauf auf, mit besserer Technik die sowjetischen Massen zu schlagen.

Die Wehrmacht hat Masse durch Klasse geschlagen, und das gilt darüber hinaus auch für die Moderne schlechthin. Problematisch (aus der jeweiligen Perspektive) wurde es immer nur bei extremen Massenvorteilen des Gegners (die dort trotzdem zu horrenden Verlusten führten), oder wenn Masse und Klasse gleichzeitig erreicht wurden. Oder anders formuliert, wenn der technologische Vorteile die Masse nicht mehr Kompensieren konnte. Letzteres ist aber eine Binse. Technikgläubigkeit ist genauso Problematisch wie jede andere Form von Gläubigkeit, die nicht auf klaren Fakten und sinnvollen, strukturierten Einordnungen basiert. Und die zeigen, technische Überlegenheit ist elementar wichtig, nur muss diese auch gereift in einer adäquaten Masse zur Verfügung stehen. Wenn ich mit einer gelenkten, "intelligenten" Artilleriegranate die gleiche Wirkung erzielen kann wie mit 20 ungelenkten, "dummen" Granaten, dann ist das nur dann ein Vorteil, wenn der Aufwand für die Herstellung weniger als 20 mal so hoch ist - und ich die Leistung von 20 ungelenkten, "dummen" Granaten für jedes Ziel tatsächlich brauche. Mir scheint, dass ersteres durchaus erreicht werden kann und daher zum Beschaffungsargument wird, letzteres aber selten berücksichtig wird. Und das ist in meinen Augen in technischer Hinsicht eine wichtige Erkenntnis aus dem Ukrainekrieg: das Problem ist nicht der technologische Stand, das Problem ist die Konzentration von Wirkleistung und dadurch deren Verlust in der Fläche. Das mag artverwandt sein, erfordert aber ganz andere Ansätze zur Lösung. Und bei dieser kann Technik durchaus wieder helfen.

Zitat:Und da gibt mir eine Beobachtung zu denken, die viele Deutsche nicht werden hören wollen, auch in diesem Forum nicht: Das Verhalten der Menschen während der Pandemie. Das in mir ernste Zweifel am gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Bereitschaft, Lasten zu tragen, aufkommen lässt.

Ich sehe das genau umgekehrt, in meinen Augen hat die Pandemie gezeigt, wie Resilient die Gesellschaft sein kann. Eher war das Problem eine mediale Gleichmacherei, die in meinen Augen zu völlig falschen Eindrücken geführt hat, aber das Thema sollte hier nicht weiter vertieft werden, denn ansonsten kommt der von dir genannte "Schlaumeier" gleich um die Ecke und will inhaltlich genau das diskutieren, um was es hier gar nicht geht.

PS: Und ja, ich werde entsprechende Beiträge direkt und pauschal löschen, macht euch also gar nicht erst die Mühe.
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Helios:

Zitat:das passiert in der heutigen Zeit ganz wesentlich auch durch jene, die vermeintlich keine Kriegserfahrungen haben, weil sie an der Front nicht Auge in Auge gegen den Feind kämpfen.

Zur Klarstellung: Kriegserfahrung bedeutet nicht Frontkämpfer. Genau dieses Denken muss man überwinden! Zu einer Streitkraft gehören all ihre Teile und all ihre Teile sind gleich wert und müssen sich gleich anstrengen und etwaig "hinter der Front" sogar noch mehr anstrengen. Kriegserfahrung bedeutet nicht Frontkämpfer im Graben, sondern dass man als Teil einer Gesamtstreitkraft seine Erfahrungen in einem großen konventionellen Krieg gemacht hat.

Und ich halte es für ein Strohmann Argument von muck (und bedingt von dir hier auch), zu erklären, Bohdan Krotewytsch habe mit Kriegserfahrung nur unmittelbare Gefechtserfahrung "an der Front" gemeint, denn das hat er nicht gesagt. Ganz im Gegenteil betonte er - so wie ich auch immer - dass zu einer Streitkraft alle Teile gehören. Das hat er in seinem Text explizit hervor gehoben.

Für mich sind beispielsweise Nachschubtruppen heute genau so Kampftruppe und ich betone immer, wie sehr es relevant ist, die rückwärtigen Dienste von Moral und Elan her zu heben und auch sie zum Kampf und zur Eigensicherung zu befähigen. Und genau diese Position vertritt Bohdan Krotewytsch ebenso.

Zitat:Und doch sind die Rückmeldungen von den Nutzern der deutschen Waffen, die an die Ukraine geliefert wurden (egal ob es sich um ältere Systeme oder Neuentwicklungen und -produktionen handelte) hinsichtlich der Kriegstauglichkeit und dem praktischen Nutzen tendenziell eher positiv.

Die Rückmeldungen sind sehr uneinheitlich. Man kann daher kaum eine Aussage quer über alle Systeme in Form eines Gesamteindrucks machen. Ich kann dir deshalb dahingehend zustimmen, dass einzelne deutsche Systeme sogar sehr positiv auffallen. Das bedeutet aber nicht, dass unsere Rüstungsindustrie hier die "richtigen" Systeme herstellt, denn insbesondere muss ja auch der Preis berücksichtig werden, die Verfügbarkeit, die Quantität und vieles mehr.

[quoteDu behauptest, die Zielsetzung der deutschen Rüstungsindustrie zu kennen, aber woher genau? [/quote]

Die Zielsetzung jeder Industrie ist die Gewinnmaximierung, weil es sich um wirtschaftliche Unternehmen handelt. Wäre dem nicht so, würden diese Unternehmen nicht weiter existieren. Die Zwänge des Marktes und der sonstigen wirtschaftlichen Umstände zwingen die Unternehmen dazu. Darüber hinaus aber wird die Rüstungsindustrie durch Lobbyarbeit und entsprechenden Protektionismus in dieser Bundesrepublik außergewöhnlich gefördert. Die Verbandelung von Politik und Wirtschaft zuungunsten der Kriegsbereitschaft sind hinlänglich bekannt und über Jahre immer wieder thematisiert worden. Hier ist aber nicht der richtige Strang für diese Diskussion, sondern hier geht es ja um die Militärischen Erfahrungen im Ukrainekrieg.

Zitat:Historisch betrachtet (zumindest auf die Moderne bezogen, darüber hinaus fehlen mir die Kenntnisse) hat vor allem die Seite deutliche Vorteile, die das Chaos, den Zufall und das Durcheinander minimieren kann.

Was keinerlei Widerspruch zu meiner Aussage ist. Denn die Minimierung von Chaos und Zufall ist eine Methode damit umzugehen und entspricht exakt meiner These, dass derjenige der besser damit umgehen kann militärische Vorteile generiert. Im übrigen kann ich auch an dieser Stelle nur nochmals betonen, dass von Personen die nicht im Krieg waren nicht richtig eingeschätzt werden kann, welches Ausmaß Chaos, Durcheinander und Zufall im Krieg spielen. Das wird immer heillos unterschätzt und man hat die Illusion der Kontrolle. Wo statt Kontrolle vor allem beidseitiges Versagen der wesentliche beherrschende Faktor ist. Und insbesondere das ist eine der wesentlichsten militärischen Lehren die sich auch jetzt im Ukrainekrieg wieder zeigt.

Da dies aber so sehr dem Streben der Bundesrepublik nach Ordnung, Vorschriften, Vorhersehbarkeit, Vollkaskomentalität und Struktur zuwieder läuft, gibt man sich hierzulande der Illusion der geplanten und planbaren Kontrolle des Chaos hin. Die im Krieg nicht funktionieren kann und nicht funktionieren wird.

Zitat:ohne moderne Kommunikationsmittel und -netzwerke, ohne Aufklärungsergebnisse aus der Ferne, ohne Unterstützung bei logistischen Aufgaben würde die Lage der Ukraine heute deutlich schlechter aussehen. Umgekehrt könnte die Situation besser sein, wenn hier ein höheres Niveau gerade auch abseits der oberen Ebenen durch die Truppe vor Ort erzielt werden könnte.

Was im übrigen exakt die Aussage von Bohdan Krotewytsch ist, dass eine Armee aus vielen zusammen wirkenden Untereinheiten besteht und diese allesamt gleich wichtig sind. Das hat er auch schon in früheren Interviews und in anderem Kontext wieder und wieder betont.

Im übrigen unterscheide ich nicht zwischen "Kampftruppe" und Logistik und Kommunikation usw. Das sind alles Soldaten, alle gleichermaßen. Die Frage ist nicht, welchem Teil der Armee sie angehören, sondern ob sie reale Kriegserfahrung haben, unter extremsten Druck und unter extremsten Bedingungen bei größtmöglicher Geschwindigkeit das tatsächliche Kriegshandwerk ausgeübt haben. Und ich schreibe bewusst Kriegshandwerk.

Zitat:Auch das ist in der Einseitigkeit und Pauschalität falsch. Menschen und Ausrüstung sind im Krieg miteinander in einer Art und Weise verflochten, die sich nicht (mehr) auseinander dividieren lässt. Es braucht beides, in ausreichender Zahl und Qualität, und vor allem aufeinander abgestimmt.

Der menschliche Wille ist das maßgebliche. Die menschlichen Fähigkeiten sind wesentlicher als die Ausrüstung. Natürlich spielt auch diese eine Rolle, aber sie ist nicht gleich gewichtet. Ich stimme dir zu, dass beides in der richtigen Abstimmung zueinander vorhanden sein muss, und dass die Assymetrie bei der Ausrüstung natürlich irgendwann alles überwindet, aber das sind keine gleich gewichteten Faktoren. Der menschliche Faktor ist der wesentlichere.

Zitat: Ob es die vermeintliche Fixierung auf das Material tatsächlich gibt, ich habe da meine Zweifel und denke eher, es ist wesentlich schwieriger einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz beim Personal zu finden, der den Notwendigkeiten gerecht wird.

Die Fixierung auf das Material ist eine bloße These von mir. Jedoch weist der zweite von dir genannte Punkt doch genau das Problem hin, welches ich benannt habe: es ist wesentlich schwieriger einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz beim Personal, also bei den Menschen welche den Krieg führen sollen, zu finden. Exakt das meinte ich und genau darin liegt das Problem. Die Notwendigkeiten würden eigentlich andere Menschen erfordern (von Typus, Kultur, Psyche usw.), die aber in dieser Bundesrepublik und der diese besiedelnden Gesellschaft nicht mehr in ausreichender Quantität vorhanden sind.
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(20.11.2025, 16:56)Quintus Fabius schrieb: Kriegserfahrung bedeutet nicht Frontkämpfer im Graben, sondern dass man als Teil einer Gesamtstreitkraft seine Erfahrungen in einem großen konventionellen Krieg gemacht hat.

Und ich halte es für ein Strohmann Argument von muck (und bedingt von dir hier auch), zu erklären, Bohdan Krotewytsch habe mit Kriegserfahrung nur unmittelbare Gefechtserfahrung "an der Front" gemeint, denn das hat er nicht gesagt. Ganz im Gegenteil betonte er - so wie ich auch immer - dass zu einer Streitkraft alle Teile gehören. Das hat er in seinem Text explizit hervor gehoben.

Ich gebe zu, ich habe mich da sehr missverständlich ausgedrückt (weil meine Worte im Kontext tatsächlich eher so interpretiert werden können, wie du es getan hast), aber mir ging es mit meiner Aussage nicht um den Unterschied zwischen Front- und rückwärtigen Kräften, mir ging es um den Unterschied der kämpfenden Truppe in der Ukraine und den westlichen Unterstützungsleistungen. Der große konventionelle Krieg findet aber gerade statt, und die von mir genannten Faktoren zur Reduzierung von Chaos, von Zufällen, von Durcheinander werden ganz entscheidend von dem Westen getragen, der vermeintlich keine Kriegserfahrung in einem großen konventionellen Krieg besitzt.

Zitat:Ich kann dir deshalb dahingehend zustimmen, dass einzelne deutsche Systeme sogar sehr positiv auffallen. Das bedeutet aber nicht, dass unsere Rüstungsindustrie hier die "richtigen" Systeme herstellt, denn insbesondere muss ja auch der Preis berücksichtig werden, die Verfügbarkeit, die Quantität und vieles mehr.

Mit den Beschränkungen der zu geringen Stückzahlen, was aber lediglich eine Frage der Skalierung ist, sind die Geräte kriegstauglich. Nicht alle, aber hinreichend viele um die Aussage zu widerlegen, dass es nur "schöne Konzepte sind", die beim "Feindkontakt sterben".

Zitat:Die Zielsetzung jeder Industrie ist die Gewinnmaximierung, weil es sich um wirtschaftliche Unternehmen handelt. Wäre dem nicht so, würden diese Unternehmen nicht weiter existieren. Die Zwänge des Marktes und der sonstigen wirtschaftlichen Umstände zwingen die Unternehmen dazu. Darüber hinaus aber wird die Rüstungsindustrie durch Lobbyarbeit und entsprechenden Protektionismus in dieser Bundesrepublik außergewöhnlich gefördert. Die Verbandelung von Politik und Wirtschaft zuungunsten der Kriegsbereitschaft sind hinlänglich bekannt und über Jahre immer wieder thematisiert worden. Hier ist aber nicht der richtige Strang für diese Diskussion, sondern hier geht es ja um die Militärischen Erfahrungen im Ukrainekrieg.

Eine Zielsetzung der Wirtschaft ist sicherlich die Wirtschaftlichkeit, das natürliche Eigeninteresse. Aber dies muss nicht die primäre Zielsetzung sein und ist es in einigen Unternehmen auch nicht. Vor allem aber widerspricht sich deine Argumentation selbst, denn gerade die deutsche Rüstungsindustrie, von der Politik gefördert und mit ihr verbandelt, ist eben nicht den Zwängen des Marktes unterworfen und dahingehend befreit, alles der Wirtschaftlichkeit unterordnen zu müssen. Absurderweise wäre also gerade diese Konstellation prädestiniert dafür, andere Zielsetzungen zu verfolgen. Zum Teil tut sie das auch, mit der uns üblichen Übertreibung.

Zitat:Der menschliche Wille ist das maßgebliche. Die menschlichen Fähigkeiten sind wesentlicher als die Ausrüstung. Natürlich spielt auch diese eine Rolle, aber sie ist nicht gleich gewichtet. Ich stimme dir zu, dass beides in der richtigen Abstimmung zueinander vorhanden sein muss, und dass die Assymetrie bei der Ausrüstung natürlich irgendwann alles überwindet, aber das sind keine gleich gewichteten Faktoren. Der menschliche Faktor ist der wesentlichere.

Ich bin da anderer Meinung, aber mir geht es gar nicht um Bewertung der Gewichtung, sondern um die Feststellung der Abhängigkeit. Und darüber hinaus eben um den Hinweis, dass es ohne die entsprechenden materiellen Beschaffungen nicht funktionieren kann, also sind sie wichtig und richtig. Gerade der Ukrainekrieg zeigt, dass die Depottiefe ein wichtiger Faktor ist und nicht unterschätzt werden kann. Dass darüber hinaus das Personal mehr Aufmerksamkeit bedarf stelle ich nicht in Abrede, wie gesagt (und da sind wir uns ja anscheinend einig) ist das auch ein schwierigeres Problem.
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Helios:

Zitat:Und darüber hinaus eben um den Hinweis, dass es ohne die entsprechenden materiellen Beschaffungen nicht funktionieren kann, also sind sie wichtig und richtig. Gerade der Ukrainekrieg zeigt, dass die Depottiefe ein wichtiger Faktor ist und nicht unterschätzt werden kann.

Einer der wesentlichsten Unterschiede eines großen Krieges von uns gegen die Russen dürfte sein, dass wir keinen längeren Krieg führe werden. Zum einen weil wir ihn aus einer Vielzahl von Gründen so gar nicht führen können, zum anderen, weil so ein Krieg praktisch wegen der Frage der Nuklearwaffen kaum führbar ist.

Meine These ist, dass für uns im Gegensatz zur Ukraine die Frage der Auftaktschlacht noch wesentlicher ist. Die Idee dass wir einen längeren Abnutzungskrieg gegen Russland führen werden halte ich hingegen für unwahrscheinlicher.

Wegen der Erfahrungen in der Ukraine werden aktuell Drohnen, Artillerie und Stellungskämpfe sowie die Frage der Durchhaltefähigkeit überschätzt, während die Luftwaffe, die Frage der Schlagkraft zu Beginn des Krieges und die Frage der taktischen Nuklearwaffen unterschätzt werden. Aber selbst in der Ukraine war die Schlagkraft bei Kriegsbeginn in Wahrheit wesentlich. Der aktuelle Abnutzungskrieg ist gerade eben eine Folge davon und hätte nicht sein müssen.

Zitat:aber mir ging es mit meiner Aussage nicht um den Unterschied zwischen Front- und rückwärtigen Kräften, mir ging es um den Unterschied der kämpfenden Truppe in der Ukraine und den westlichen Unterstützungsleistungen. Der große konventionelle Krieg findet aber gerade statt, und die von mir genannten Faktoren zur Reduzierung von Chaos, von Zufällen, von Durcheinander werden ganz entscheidend von dem Westen getragen, der vermeintlich keine Kriegserfahrung in einem großen konventionellen Krieg besitzt.

Wir leisten dabei aber nicht ansatzweise das was in einem echten großen Krieg notwendig ist. Das ist allenfalls eine Nebenleistung, die kaum ernsthaft und nicht ansatzweise mit der eigentlich notwendigen Anstrengung betrieben wird.

Würden wir das gleiche leisten wie die Ukrainer, wären die Russen bereits besiegt. Nicht ansatzweise ist das was der Westen hier trägt mit dem vergleichbar was er in einem richtigen Krieg eigentlich tragen müsste. Unsere "Leistung" ist weit unter unseren Möglichkeiten, deshalb halte ich den Vergleich zwischen kämpfender Truppe in der Ukraine und westlichen Unterstützungsleistungen für verfehlt, denn diese sind nicht ansatzweise dem entsprechend was die Notwendigkeiten im Krieg bedingen. Und genau deshalb endet dieser Krieg nicht und genau deshalb bricht die Ukraine im zeitlupentempo in sich zusammen.

Zitat:Vor allem aber widerspricht sich deine Argumentation selbst, denn gerade die deutsche Rüstungsindustrie, von der Politik gefördert und mit ihr verbandelt, ist eben nicht den Zwängen des Marktes unterworfen und dahingehend befreit, alles der Wirtschaftlichkeit unterordnen zu müssen. Absurderweise wäre also gerade diese Konstellation prädestiniert dafür, andere Zielsetzungen zu verfolgen.

Theoretisch ja. Praktisch ist es mein Eindruck, dass die Wirtschaft wie auch die Gesellschaft hierzulande viel zu sehr von Materialismus und Gier zerfressen sind. Statt die Befreiung von Zwängen des Marktes zum Nutzen der Nation zu nutzen, nutzt man sie dazu sich noch skrupelloser zu berreichern und allein den eigenen monetären Nutzen zu mehren. Und dazu baut man und verkauft man Systeme, die möglichst überteuert im Verhältnis zur Menge sind. Diese bieten dann auch tatsächlich für sich allein mehr Leistung, aber diese wird durch überproportional dazu steigende Kosten erkauft, was die Gewinne der Unternehmen steigert.

Analog zur Autoindustrie, wo Luxusfahrzeuge höhere Gewinnmargen erzeugen. Diese kosten den Endbenutzer aber auch mehr. Die Systeme haben mehr Leistung, sie kosten aber deshalb überproportional mehr. Schlussendlich ist das eine Variante der 80 / 20 Regel zugunsten der Unternehmen. Wir kaufen mehrheitlich Systeme die statt der notwendigen 80% Leistung dann 90% oder gar 95% bieten, deren Preis aber weit überproportional höher ist als er sein müsste, würde man eine ausreichende Leistung akzeptieren. Dazu kommt die heillose Überfrachtung von vielem mit einem zu viel an Funktionen (Überfunktionalität).

Zitat:Mit den Beschränkungen der zu geringen Stückzahlen, was aber lediglich eine Frage der Skalierung ist, sind die Geräte kriegstauglich. Nicht alle, aber hinreichend viele um die Aussage zu widerlegen, dass es nur "schöne Konzepte sind", die beim "Feindkontakt sterben".

Das ist natürlich eine Überspitzung das so auszudrücken, aber zu vieles was wir produzieren ist nur deshalb kriegstauglich, weil wir es uns leisten können. Wir erkaufen ein mehr an Leistung gerade eben durch geringere Stückzahlen, weil dieses mehr an Leistung nicht mehr bezahlbar ist, statt umgekehrt das Konzept der Mehrleistung ohne tatsächlichen Mehrwert zu hinterfragen. Wenn für den Feind 80% der Leistung reichen ist es ineffizient mehr zu fordern und zu beschaffen, weil dies zwingend die Quantität sinkt. Beides steht aber in Bezug auf die Gesamtkampfkraft im Verhältnis.

Wir versuchen heute auch zu viel an menschlichen Fähigkeiten durch Technik zu ersetzen. Die Soldaten werden damit zu Technikabhängig, so wie die Gesellschaft auch. Man sollte den umgekehrten Weg gehen. Gerade dann würde Technik die Leistung noch stärker steigern, statt dass die Leistung gleich bleibt und man lediglich Fähigkeiten durch Technik ersetzt und dies ohne Mehrleistung.

Kurz und einfach: Geräte sind nicht dadurch kriegstauglich, dass wir sie in zu geringen Stückzahlen mit großen Kosten liefern können weil wir reich sind, und diese Geräte für sich allein betrachtet eine sehr gute Leistung haben. Das verengt den Blick zu sehr auf die Einzelleistung des Systems für sich allein und damit verzerrt es den Blick auf die wahre Kriegstauglichkeit.


muck:

Zitat:Krotewytsch sagte doch sinngemäß, dass niemand, der nicht selbst im härtesten Gefecht gestanden hat, praxistaugliche Waffensysteme bauen kann. Das überzeugt mich einfach nicht

In dieser Überspitzung sagt er es so aber nicht. Darüber hinaus betont er, dass eine Streitkraft aus allen Teilen gleichauf besteht und man Streitkräfte genau deshalb ganzheitlich betrachten muss.

Und die Frage der Praxistauglichkeit hängt maßgeblich davon ab, ob Systeme für die Praxis gebaut werden. Und dass ist heute bei etlichen Systemen nicht der Fall, bzw. zunehmend nicht mehr der Fall. Dazu ist der wesentlichste Punkt auf welchen ich auch Helios versucht habe hinzuweisen, dass die Frage ob ein System für sich allein eine besonders gute Leistung erbringt nicht ausschlaggebend dafür ist, ob es praxistauglich ist.

Nur weil ein System eine hohe Wirksamkeit hat, ist es nicht praxistauglich. Dazu gehört mehr, insbesondere die Frage von Preis, Beschaffungsgeschwindigkeit, umsetzbarer Quantität und ob die Leistung im Verhältnis dazu ausreichend ist.

Speziell die Systeme der deutschen Rüstungsindustrie (wie auch der westlichen Rüstungsindustrie TM insgesamt) neigen jedoch heute dazu, mehr Leistung über das notwendige hinaus zu deutlich überproportionalen Kosten zu generieren. Man hat dann zwar eine bessere Leistung, erkauft diese aber mit im Verhältnis dazu überproportional hohen Preisen, zu großer Komplexität und Überfunktionalität. Und gerade in einem großen konventionellen Krieg sind die dadurch entstehenden systeminhärenten Nachteile größer zu gewichten als die praktisch nicht relevantere Mehrleistung. Gerade heutige deutsche Waffensysteme sind ein Musterbeispiel hierfür.

Zitat:Wie? Propaganda zielt nicht immer auf die Gegenseite, sie zielt auch auf die eigenen Leute.
.........
Das kommentiere ich jetzt einfach mal nicht, denn ohne entsprechende Hinweise ist das nur ein Strohmann.

Was ich damit meine ist, dass man solche Filmchen leicht inszenieren kann. Der Feind hat 1 Sieg in einem Messerkampf (was lächerlich ist und ohne jeden Belang), dann stellen wir halt 5 Siege mit dem Messer ins Netz und beschuldigen den Feind seinen 1 Sieg gefälscht zu haben und konstruieren dafür entsprechende "Beweise" indem wir den Film den er gemacht hat verfälscht ins Netz spielen und dann scheinheilig auf die von uns selbst generierten Fehler welche die "Fälschung" beweisen hindeuten.

Es macht ohnehin Sinn, dass Netz bis zum äußersten mit Filmen und Bildern der eigenen Truppen zu fluten. Die muss man selbst einstellen, ununterbrochen, in einer richtigen Flut von Material, allein schon um die feindliche OSINT dadurch lahmzulegen. Man kann angesichts der heutigen Sensordichte der Zivilbevölkerung nichts geheim halten, also ist es viel besser dies auszunützen und so viel wie möglich an Falschinformationen ins Netz zu fluten.

Zitat:Dann denkst Du meines Erachtens zu sehr in konventionellen Mustern.

Ich halte eher die Ansicht, dass man Soldaten im Nahkampf ohne Feuerwaffen ausbilden sollte für konventionell.

Zitat:Eine sinnvolle militärische Nahkampfausbildung muss weder lange dauern noch braucht sie nur dem militärischen Nahkampf zu nützen. In der oben geschilderten Situation hat den Mann gerettet, dass er nicht aufgegeben und sofort die Distanz überbrückt hat. Solche Verhaltensmuster lassen sich trainieren, und sind auch in anderer Hinsicht förderlich.

Es gibt sehr wenige Dinge wo ich mich tatsächlich auskenne, und Nahkampf ist eines davon. Glaub es mir oder nicht, aber die notwendige Zeitdauer um alle so zu qualifzieren, dass sie im militärischen Nahkampf ohne Feuerwaffe von ihrer Ausbildung einen tatsächlichen Vorteil haben ist zu groß im Verhältnis zum Nutzen. Und um einen Feind mit dem Messer abzustechen ist vor allem anderen der Wille dazu erforderlich, während das von Ausbildung und Technik nicht einfach so ausbildbar ist, weil man den Willen dazu entweder so oder so hat, oder viel zu lange bräuchte um ihn durch Training zu erlangen.

Sinnvoller militärischer Nahkampf ist: 1. Gruppenkampf, also niemals alleine. 2. mit Feuerwaffen. 3. völlig anders als das was man mit Kampfsport, der aktuellen Nahkampfausbildung und Kravolution und derartigem Unfug abbilden könnte.

Zitat:Du übersiehst hier eines: EUMAM begann im Oktober 2022, da standen die Ukrainer noch nicht im Abnutzungskrieg. Die endgültige Erstarrung der Front und den Übergang zum Abnutzungskrieg haben wir erst ab dem Spätherbst 2023.

Was in keinerlei Weise ein Widerspruch zu meiner Aussage ist. Ich schrieb, dass eine Armee die in einem längeren Abnutzungskrieg steht sich das nicht mehr leisten kann. Dass man es sich davor leisten sollte, ist davon völlig unabhängig.

Zitat:Du erinnerst Dich vielleicht an die anfängliche Kritik der Ukrainer an der PzH2000? Vieles davon war einfach auf Bedienungsfehler zurückzuführen.

So wurde und wird es hierzulande behauptet. Sehr viel maßgeblicher aber war, dass das System nicht für eine sagen wir mal robuste Benutzung ausgelegt ist. Die Feuerraten welche mit den PzH2000 ohne Inst usw. abgegeben wurden, überstiegen schon nach kurzer Zeit alles was jemals hierzulande dafür vorgesehen war.

Die Behauptung, die Ukrainer hätten damit nur nicht richtig umgehend können, ist demgegenüber einfach nur vorgeschoben.

Zitat:An der ArtS sollte drei Monate ausgebildet werden, das war den Ukrainern zu lang, also hat man die Besatzungen in sechs bis neun Wochen durchgeschleust. Das heißt nicht, dass eine dreimonatige Ausbildung unabdingbar gewesen wäre, aber was hier zum Beispiel von ukrainischer Seite übersehen wurde, war, dass Waffensystem halt nicht gleich Waffensystem ist, und dass man die Ausbildung an einem deutschen Waffensystem zumindest im Kern an deutschen Doktrinen orientieren muss, denn dafür wurde sie gebaut.

Nicht nur die Ausbildung, sondern insbesondere auch die Benutzung, der praktische reale Einsatz.

Im übrigen sind 9 Wochen nicht weniger als 2 Monate und 1 Woche. Also gerade mal 3 Wochen weniger als die von der Bundeswehr propagierten 3 Monate. Ich halte das Ausbildungsargument daher für vorgeschoben, um nicht einräumen zu müssen, dass viele unserer Systeme ohne den Logistischen Hintergrund welchen wir für sie vorsehen nicht so durchhaltefähig sind und dass die extremen Umstände diese Systeme schneller an ihre Grenzen bringen als wir dies vorher gedacht haben.

Das maßgebliche Problem der PzH2000 war und ist in der Ukraine vor allem die Frage der Logistik, der Inst, der Wartung usw. Unsere Vorstellungen dazu sind aber nicht kriegstauglich, genau so wenig wie Lazarett-ICE die zwischen Baltikum und Bundesrepublik hin und herfahren und ähnliche naive Friedensträumereien.

Zitat:Ähem, doch, denn ich habe ein neues Fass aufgemacht, kein altes. Browdi war ein Beispiel dafür, dass auch Experten in ihrem jeweiligen Gebiet aus einer verengten Froschperspektive beurteilen.

Da hast du recht. Aber gerade Bohdan Krotewytsch ist das genaue Gegenteil davon. Er hat keine Froschperspektive und äußert sich regelmäßig in sehr kluger Weise zur politisch-strategischen Ebene. Er vertritt eigentlich bei jeder Diskussion einen sehr ganzheitlichen Ansatz.

Zitat:Nicht jeder, der Medizin studiert, wird ein guter Arzt, aber alle guten Ärzte haben Medizin studiert.

Und es gibt Krankenschwestern die leicht mit einer Vielzahl an stümperhaften Ärzten mithalten können und ein Medizinstudium ist nicht der Führung eines Bataillons gleichzusetzen. Darüber hinaus sprechen wir ja auch noch von Offizieren im Vergleich zu anderen Offizieren - also wäre der Vergleich beispielsweise der eines Medizinstudenten zu einem Hausarzt zu einem spezialisierten Oberarzt an der Universitätsklinik. Alles Ärzte. Alle verschieden.

Zitat:Und selbst wenn der moralische Vorteil über den Graben der Ausbildungsmängel hinwegträgt, geht dies oftmals mit unnötigen Verlusten einher. Im Einzelfall mag das vernachlässigbar sein, in der Gesamtschau kann es den Sieg kosten.

Damit wir uns richtig verstehen: da Ausbildung - also menschliche Fähigkeiten - ja auch zur Domäne Mensch gehören, bin ich natürlich für so viel Ausbildung wie möglich! Das klang da jetzt vielleicht missverständlich meinerseits. Ich will die bestmögliche Ausbildung, weil ich menschliche Fähigkeiten für das wesentlichste halte. Meine Hierarchie ist 1. Wille - 2. Fähigkeiten - 3. Technik.

Ich wollte lediglich darauf hinaus, dass dieses Ideal der bestmöglichen Fähigkeiten in einem großen Krieg nicht aufrechterhaltbar ist. Da du historische Beispiele genannt hast: die Wehrmacht hat im 2WK beispielsweise die Ausbildung fortwährend verkürzt, vereinfacht und schließlich extrem eingeschränkt. Weil es nicht anders ging. Das ist der Normalfall, lediglich darauf wollte ich hinaus. Dass das Ideal der guten Ausbildung im Krieg nicht aufrechterhaltbar ist.

Zitat:Vielleicht tue ich Dir Unrecht, aber mir scheint, dass Du unfreiwillig ein Beispiel lieferst für das Problem, das ich mit meinen (sicher ungenügenden) Mitteln anzusprechen versuche: Schlüssellochperspektive. Du extrapolierst die Zustände in einem Verband wie der 12. Spezialisierten Brigade Asow, wo die oben genannten Herangehensweisen gut funktionieren, auf die gesamte ukrainische Armee, und ignorierst zum Beispiel, wie die 155. Mechanisierte Brigade zerbröselte.

Probleme sind die Norm. Dass es gut funktioniert, ist so oder so die Ausnahme. Und man darf sich nie an den Ausnahmen orientieren, es gibt keine Abkürzungen zum Sieg und dieser wird nicht durch Supersoldaten gewonnen, sondern durch den Querschnitt. Und dieser ist schlecht. Das gilt für beide Seiten und diejenige deren Querschnitt weniger schlecht ist gewinnt.
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(20.11.2025, 23:35)Quintus Fabius schrieb: Meine These ist, dass für uns im Gegensatz zur Ukraine die Frage der Auftaktschlacht noch wesentlicher ist. Die Idee dass wir einen längeren Abnutzungskrieg gegen Russland führen werden halte ich hingegen für unwahrscheinlicher.

Ich kann mir zu viel vorstellen und bin zu wenig Stratege, um da die Wahrscheinlichkeiten zu bewerten. Unmöglich ist es jedenfalls nicht, und letztlich müssen wir uns darauf vorbereiten, weil ohne die Möglichkeit zur Führung eines längeren Abnutzungskrieges uns dieser aufgezwungen wird. Umgekehrt ist eine starke konventionelle Erstschlagsfähigkeit unsere bessere Verteidigung, etwas, das in der Ukraine in der Form logischerweise jetzt gar keine Rolle mehr spielt.

Zitat:Wir leisten dabei aber nicht ansatzweise das was in einem echten großen Krieg notwendig ist. Das ist allenfalls eine Nebenleistung, die kaum ernsthaft und nicht ansatzweise mit der eigentlich notwendigen Anstrengung betrieben wird.

Das fällt mir schwer von außen zu beurteilen, was ich aufgrund von Äußerungen und Ergebnissen vermute ist nicht unwesentlich. Und natürlich wird sich unsere Beteiligung an dem Ukrainekrieg aus verschiedensten Gründen immer von einem selbstgeführten Krieg unterscheiden, das gilt auch für die verfügbaren Mittel.

Zitat:Theoretisch ja. Praktisch ist es mein Eindruck, dass die Wirtschaft wie auch die Gesellschaft hierzulande viel zu sehr von Materialismus und Gier zerfressen sind. Statt die Befreiung von Zwängen des Marktes zum Nutzen der Nation zu nutzen, nutzt man sie dazu sich noch skrupelloser zu berreichern und allein den eigenen monetären Nutzen zu mehren. Und dazu baut man und verkauft man Systeme, die möglichst überteuert im Verhältnis zur Menge sind. Diese bieten dann auch tatsächlich für sich allein mehr Leistung, aber diese wird durch überproportional dazu steigende Kosten erkauft, was die Gewinne der Unternehmen steigert.

Das sind halt Allgemeinplätze über den militärisch-politischen Komplex, denen ich auf der Ebene weder widersprechen noch zustimmen will oder kann. Oder anders gesagt, es ist eher ein politischer Kampfruf als eine Diskussionsgrundlage, insofern weiß ich nicht, was ich dazu schreiben soll.

Zitat:Das ist natürlich eine Überspitzung das so auszudrücken, aber zu vieles was wir produzieren ist nur deshalb kriegstauglich, weil wir es uns leisten können. Wir erkaufen ein mehr an Leistung gerade eben durch geringere Stückzahlen, weil dieses mehr an Leistung nicht mehr bezahlbar ist, statt umgekehrt das Konzept der Mehrleistung ohne tatsächlichen Mehrwert zu hinterfragen. Wenn für den Feind 80% der Leistung reichen ist es ineffizient mehr zu fordern und zu beschaffen, weil dies zwingend die Quantität sinkt. Beides steht aber in Bezug auf die Gesamtkampfkraft im Verhältnis.

Im wesentlichen ist das 1:1 das, was ich zuvor bereits an muck gerichtet bezüglich Masse und Klasse geschrieben habe. Und während ich dem entsprechend zustimme, wird nur der krasse Umkehrschluss für mich damit nicht richtiger. Es fehlt ein Korrektiv, das führe ich immer wieder an, aber der Weg ist grundsätzlich der richtige.
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Ich würde meine Ansicht nicht als krassen Umkehrschluss bezeichnen, ist ja nicht so, dass die altertümliche Technologie fordern würde, Hauptsache die Stückzahlen stimmen. Sondern die Zielsetzung muss es immer sein, ein ausreichend technologisch überlegenes Niveau zu haben. Überlegen, aber nicht zu weit überlegen, weil ein Zuviel hier, also ein Zuviel an Qualität, die Quantität schnell unter Grenzen treibt, die dann für sich selbst zum Problem werden. Deshalb meine Formulierung: ausreichend überlegen.

Zitat:letztlich müssen wir uns darauf vorbereiten, weil ohne die Möglichkeit zur Führung eines längeren Abnutzungskrieges uns dieser aufgezwungen wird.

Wie denn? Durch wen denn? Wenn die Russen mit uns in einen großen konventionellen Krieg geraten, wird dieser sehr schnell und selbst ohne Atomwaffen zu massivsten Schäden auf beiden Seiten führen. Sollten wir uns in der Luft durchsetzen, wären die Folgen für Russland so katastrophal, dass dann schlussendlich die nukleare Karte zwingend die nächste Handlung ist, es sei denn die Russen würden stattdessen einknicken. Sollten wir uns nicht in der Luft durchsetzen, was ich für unwahrscheinlich halte, dann würden die russischen Verbände trotzdem in kurzer Zeit vernichtend geschlagen werden. Und schon würde man wieder bei der Nuklearen Karte landen.

Schlussendlich wäre die absolut einzige Möglichkeit wie wir in einem Abnutzungskrieg landen könnten, dass die Russen einen solchen mittels nuklearer Erpressung herbei zwingen, indem sie glaubhaft konventionelle Angriffe von uns mittels nuklearer Erpressung eingrenzen und reduzieren. Das ist aber eine Strategie die schlussendlich so volatil und kriseninstabil ist, dass auch dann zur höheren Wahrscheinlichkeit der Atomkrieg die Folge sein wird.

Das wahrscheinlichste Szenario ist hingegen ein schneller extrem harter Schlagabtausch mit einer bereits de facto den Krieg entscheidenden Auftaktschlacht, welcher dann schlussendlich die sich manifestierende tatsächliche Gefahr des Nuklearkrieges folgt, womit alle hektisch versuchen werden den Krieg zu beenden um dies zu unterbrechen, was dann gelingt, oder nicht gelingt.

Die Idee, dass der Westen einen Jahrelangen Zermürbungskrieg gegen Russland führt ist derart unwahrscheinlich, dass es falsch wäre sich darauf einzustellen. Weil das für uns gesellschaftlich, wirtschaftlich usw. nicht führbar ist und für die Russen auch nicht. Die Schläge gegen die kritische russische Infrastruktur die wir ganz konventionell selbst bei umstrittener Luftherrschaft ausüben können, würden schon in kürzester Zeit den Totalzusammenbruch Russlands verursachen und dem folgend landen wir dann schon wieder beim Atomkrieg etc etc

Die andere Option ist der nicht erklärte Krieg knapp unterhalb des militärischen Horizontes. Hier ist eine Zermürbung über Jahre denkbar, aber auch für diesen Krieg benötigt man ganz andere Mittel und Vorgehensweisen.

Schlussendlich ist der normale konventionelle große Krieg mit regulären Streitkräften die unwahrscheinlichere Kriegsform (zwischen indirektem / hybriden Krieg und Atomkrieg), und innerhalb dieser unwahrscheinlicheren Kriegsform ist der langjährige Abnutzungskrieg gleich nochmal unwahrscheinlicher. Die Umstände zwingen hier eigentlich einen anderen Verlauf herbei.

Und sollte es dennoch dazu kommen, würde dies Russland derart schnell das Genick brechen, dass wir dann erneut bei Atomkrieg oder Nicht-Atomkrieg (Kriegsende und Aufgabe) landen, was hier die eigentliche Frage ist.

Wollte man also über den Krieg mit Russland sprechen: wo bleibt die Diskussion über den Atomkrieg !?! Man will sie nicht führen, und ergeht sich hierzu einfach in Defätismus.
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(20.11.2025, 09:20)Helios schrieb: Die Wehrmacht hat Masse durch Klasse geschlagen
Lässt sich das wirklich mit dieser Endgültigkeit behaupten? Die Wehrmacht war ihren Gegnern in den ersten Kriegsjahren sicherlich taktisch überlegen, aber schon der Westfeldzug zeigte doch zum Beispiel die Unzulänglichkeiten der deutschen Gefechtsfahrzeuge und Panzerabwehr klar auf. Auch der Motorisierungsgrad der Kräfte war sehr gering.

Karl-Heinz Frieser scheint mir in seiner 'Blitzkrieg-Legende' glaubhaft darzulegen, dass die Leistungen der Wehrmacht im Feld bis 1942 eher das Resultat der taktischen und operativen Schwäche des Gegners (v.a. Frankreichs und anfänglich der UdSSR), nennenswerter Leistungen einzelner militärischer Führer, und schließlich auch von viel Glück waren.
(20.11.2025, 09:20)Helios schrieb: Technikgläubigkeit ist genauso Problematisch wie jede andere Form von Gläubigkeit, die nicht auf klaren Fakten und sinnvollen, strukturierten Einordnungen basiert. Und die zeigen, technische Überlegenheit ist elementar wichtig, nur muss diese auch gereift in einer adäquaten Masse zur Verfügung stehen. Wenn ich mit einer gelenkten, "intelligenten" Artilleriegranate die gleiche Wirkung erzielen kann wie mit 20 ungelenkten, "dummen" Granaten, dann ist das nur dann ein Vorteil, wenn der Aufwand für die Herstellung weniger als 20 mal so hoch ist - und ich die Leistung von 20 ungelenkten, "dummen" Granaten für jedes Ziel tatsächlich brauche. Mir scheint, dass ersteres durchaus erreicht werden kann und daher zum Beschaffungsargument wird, letzteres aber selten berücksichtig wird. Und das ist in meinen Augen in technischer Hinsicht eine wichtige Erkenntnis aus dem Ukrainekrieg: das Problem ist nicht der technologische Stand, das Problem ist die Konzentration von Wirkleistung und dadurch deren Verlust in der Fläche. Das mag artverwandt sein, erfordert aber ganz andere Ansätze zur Lösung. Und bei dieser kann Technik durchaus wieder helfen.
Guter Punkt, das stimmt zweifellos.
(20.11.2025, 09:20)Helios schrieb: Ich sehe das genau umgekehrt, in meinen Augen hat die Pandemie gezeigt, wie Resilient die Gesellschaft sein kann. Eher war das Problem eine mediale Gleichmacherei, die in meinen Augen zu völlig falschen Eindrücken geführt hat, aber das Thema sollte hier nicht weiter vertieft werden[.]
Dann will ich nur abschließend kurz erläutern, warum ich überhaupt damit angefangen hatte: Mir ist natürlich bewusst, dass (Pi mal Daumen) 20% "Querdenker" eben nicht die 80% überwiegen, die den Staat am Laufen hielten und die Maßnahmen mittrugen.

Allein: Wenn bereits verhältnismäßig leichte Einschränkungen des öffentlichen Lebens solchen Widerstand erzeugen, wie groß könnte (nicht: müsste, aber: könnte) er sich im Falle einer existenzbedrohenden Krise auswachsen? Und wozu wäre er fähig?

Ich schrieb bereits, dass man—zum Glück—nicht vorab wissen kann, wie eine Gesellschaft auf existenziellen Druck reagieren wird. Man sollte aber den Worst Case berücksichtigen. Und dazu kommt es in Deutschland nicht. Weder bemüht man sich realpolitisch um die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, noch will man Fragen wie jene diskutieren, wie sich z.B. die 1,1 Mio. Menschen russischer Abstammung in Deutschland verhalten könnten, sollte es zum Krieg mit Russland kommen.
(20.11.2025, 16:56)Quintus Fabius schrieb: Die Zielsetzung jeder Industrie ist die Gewinnmaximierung, weil es sich um wirtschaftliche Unternehmen handelt. Wäre dem nicht so, würden diese Unternehmen nicht weiter existieren. Die Zwänge des Marktes und der sonstigen wirtschaftlichen Umstände zwingen die Unternehmen dazu. Darüber hinaus aber wird die Rüstungsindustrie durch Lobbyarbeit und entsprechenden Protektionismus in dieser Bundesrepublik außergewöhnlich gefördert. Die Verbandelung von Politik und Wirtschaft zuungunsten der Kriegsbereitschaft sind hinlänglich bekannt und über Jahre immer wieder thematisiert worden.
Zielsetzung und einzige Aufgabe der Rüstungsindustrie ist die Erwirtschaftung von Gewinnen, das ist richtig, aber auch aggressivster Lobbyismus kann die Industrie nicht vor Gewinneinbußen oder gar dem Ruin bewahren, wenn ihre Produkte den Ruf erlangen, kriegsuntauglich zu sein. Dass man sich hin und wieder konzeptionell verrennt, gerade bei neuen Technologien, ist davon unbenommen.

Daher: Natürlich legt die Rüstungsindustrie Wert auf kriegstaugliche Produkte.

Und wo in den letzten dreißig Jahren in Deutschland neu eingeführte Waffensysteme Zweifel an ihrer Kriegstauglichkeit zuließen (was, wohlgemerkt, nicht heißt, dass diese Zweifel immer gerechtfertigt waren), gingen die Probleme eher nicht auf die Kappe der Industrie.

Es war nicht die Industrie, die darauf drängte, die Flugabwehrfähigkeiten der F 125 zu vernachlässigen. Es war nicht die Industrie, die dem SPz Puma die Luftverladbarkeit ins Lastenheft schrieb. Da die Rüstungsindustrie aber eben kein Wohltätigkeitsverein und nur ihren Aktionären oder Eigentümern verpflichtet ist, kann man es ihr nicht anlasten, wenn sie liefert, was bestellt wurde.

Letzten Endes sind diese im Einzelnen durchaus kritikwürdigen Richtungsentscheidungen aber auch nicht ausschließlich der Politik oder der Bundeswehrführung anzulasten. Mir scheint, sie sind eher das Produkt negativer Wechselwirkungen, die alle um einen gemeinsamen Faktor kreisen: Geld. Oder allgemeiner: die (mangelnde) Bereitschaft, Lasten zugunsten der Verteidigung zu tragen.

Gib mir das Geld für ein Huhn, ein Schaf und ein Schwein, dann brauche ich keine teure eierlegende Wollmilchsau.

Typisch deutsch scheint mir daran allenfalls der unbedingte Glaube zu sein, dass eierlegende Wollmilchsäue überhaupt realisierbar sind.
(20.11.2025, 16:56)Quintus Fabius schrieb: Hier ist aber nicht der richtige Strang für diese Diskussion, sondern hier geht es ja um die Militärischen Erfahrungen im Ukrainekrieg.
Ich glaube nicht, dass man hier trennscharf unterscheiden kann.
(20.11.2025, 23:35)Quintus Fabius schrieb: In dieser Überspitzung sagt er es so aber nicht.
So hatte ich ihn verstanden, aber gut, ich kann mich getäuscht haben.
(20.11.2025, 23:35)Quintus Fabius schrieb: Speziell die Systeme der deutschen Rüstungsindustrie (wie auch der westlichen Rüstungsindustrie TM insgesamt) neigen jedoch heute dazu, mehr Leistung über das notwendige hinaus zu deutlich überproportionalen Kosten zu generieren. Man hat dann zwar eine bessere Leistung, erkauft diese aber mit im Verhältnis dazu überproportional hohen Preisen, zu großer Komplexität und Überfunktionalität. Und gerade in einem großen konventionellen Krieg sind die dadurch entstehenden systeminhärenten Nachteile größer zu gewichten als die praktisch nicht relevantere Mehrleistung. Gerade heutige deutsche Waffensysteme sind ein Musterbeispiel hierfür.
Über ein Übermaß an Komplexität deutscher Waffensysteme kann man vortrefflich streiten, und mit gutem Grund. Deutsche Maschinen-, Auto- und Waffenbauer stehen seit über hundert Jahren im Ruf des "Overengineering".

Da bin ich relativ bei Dir—obwohl sich viele Meldungen zum Thema in letzter Zeit bei näherer Betrachtung deutlich relativiert haben. Die Hiobsbotschaften zum angeblichen Versagen des Pumas sind das beste Beispiel dafür.

Die Kostenfrage würde ich aber von diesen Betrachtungen ausnehmen.

Selbst wenn man als gegeben annimmt, dass deutsche Waffensysteme zu komplex sind und diese Komplexität Bug, nicht Feature ist, wird man kaum mit Sicherheit sagen können, dass die Apothekerpreise, die wir zahlen, just darauf zurückzuführen sind.

Denn die deutsche Rüstungsindustrie findet seit 1990 Standortfaktoren vor, die eine günstige Produktion einfach ausschließen.

Erst hat man jahrelang die Bundeswehr zusammengespart und der Industrie durch ein strenges Exportreglement alternative Absatzmärkte verschlossen, sodass weniger Mittel für Forschung und Eigenentwicklung zur Verfügung standen und nur Manufakturproduktion möglich war.

Und jetzt soll schnell und günstig aufgerüstet werden, in Zeiten horrender Standort- und Lohnkosten, akuten Fachkräftemangels, und in einem geopolitischen Umfeld knapper oder künstlich verknappter strategischer Rohstoffe? Das kann nicht funktionieren.

Ich behaupte: Die deutsche Rüstungsindustrie könnte auch weniger komplexe Systeme nicht wirklich billig produzieren.
(20.11.2025, 23:35)Quintus Fabius schrieb: Was ich damit meine ist, dass man solche Filmchen leicht inszenieren kann. Der Feind hat 1 Sieg in einem Messerkampf (was lächerlich ist und ohne jeden Belang), dann stellen wir halt 5 Siege mit dem Messer ins Netz und beschuldigen den Feind seinen 1 Sieg gefälscht zu haben und konstruieren dafür entsprechende "Beweise" indem wir den Film den er gemacht hat verfälscht ins Netz spielen und dann scheinheilig auf die von uns selbst generierten Fehler welche die "Fälschung" beweisen hindeuten.
Nun gut, aber niemand würde sich die Mühe machen, eine solche Fälschung zu produzieren, wenn nicht die von mir behaupteten propagandistischen Möglichkeiten bestünden.

Für alles Übrige zum Thema Nahkampf, unser PN-Verkehr. Smile
(20.11.2025, 23:35)Quintus Fabius schrieb: Was in keinerlei Weise ein Widerspruch zu meiner Aussage ist. Ich schrieb, dass eine Armee die in einem längeren Abnutzungskrieg steht sich das nicht mehr leisten kann. Dass man es sich davor leisten sollte, ist davon völlig unabhängig.
Korrekt, aber mein Argument war ja, dass dieses Missverständnis in einer Zeit entstand, in der der Standpunkt der Bundeswehr durchaus vernünftig und keineswegs kriegsuntauglich war. Ergo: Man redet aneinander vorbei.
(20.11.2025, 23:35)Quintus Fabius schrieb: So wurde und wird es hierzulande behauptet. Sehr viel maßgeblicher aber war, dass das System nicht für eine sagen wir mal robuste Benutzung ausgelegt ist. Die Feuerraten welche mit den PzH2000 ohne Inst usw. abgegeben wurden, überstiegen schon nach kurzer Zeit alles was jemals hierzulande dafür vorgesehen war.
Natürlich. Weil die PzH2000 nie dafür konzipiert war, monatelang in Abnutzungskämpfen nahe der Nulllinie zu verharren, sondern dazu, in einer raschen Entscheidungsschlacht mit maximaler Effektivität und Überlebensfähigkeit einen Angriff auf ein Land abzuweisen, das wesentlich kleiner als die Ukraine ist und es sich selbst in seinem militärischen Hochzeiten nicht leisten konnte, Raum preiszugeben.

Und darauf versuche ich die ganze Zeit hinzuweisen: Unterschiedliche Voraussetzungen führen zu unterschiedlichen Lösungen.

Zu sagen, dass die Zwotausend sich als nicht robust genug für "den Krieg" erwiesen hätte, ist sachlich falsch.

Richtig wäre, dass sie sich (möglicherweise) als nicht robust genug für den Krieg erwiesen hat, den die Ukraine führt.

Doch heißt das nun, dass die Konzeption falsch war? Ich behaupte: nein.

Um mal einen vermittelnden, neuen Denkansatz vorzuschlagen: Ich ziehe hiermit meine Skepsis gegen die Aussage Browdis (er sei nur stellvertretend genannt) zurück, dass die NATO einen Krieg, wie er in der Ukraine stattfindet, nicht führen könnte. Aber ist das letzten Endes überhaupt die Frage, die sich die NATO stellen muss? Müssen wir uns wirklich auf einen solchen Krieg vorbereiten?

Sollte es wirklich zu einem Konflikt mit Russland kommen, stehen der NATO Möglichkeiten zur Verfügung, die die Ukraine einfach nicht besitzt oder aus politischen Gründen nicht anwenden kann.

Das reicht von der Möglichkeit, Ziele anzugreifen, die schlicht außerhalb der ukrainischen Reichweite liegen, bis hin zur (im Kriegsfall dann völkerrechtlich legitimen) Ausweitung der Kriegshandlungen auf russische Alliierte—und sei es nur dadurch, dass man nordkoreanische Frachter aufbringt.

(Wohlgemerkt, ich sprach von Möglichkeiten.)

Es gibt jedenfalls nicht nur die eine Handlungsoption, nicht taktisch, nicht operativ, nicht strategisch.

Und was das anlangt, stellen wir unser Licht auch einfach unter den Scheffel (was in der Außenwirkung nicht verkehrt ist, in der Innenwirkung aber momentan Unsicherheit verursacht, der Gequake der Medien sei Dank).

Es wird ja z.B. gerade diese tschechisch-ukrainische Übung breitgetreten, in der die Tschechen angeblich darum baten, keine Drohnen einzusetzen, sonst komme man nicht weiter. Im Kriegsfall hätte man ja die russischen Drohnenpiloten längst weggebombt—worüber die Ukrainer ungläubig den Kopf schüttelten.

Fein, und das sagt nun alles aus, was man über die tschechische Armee oder die gesamte NATO wissen muss? Über alle 32 Mitgliedsstaaten, alle 8,6 Mio. Soldaten, die ihr theoretisch zur Verfügung stehen?

Die Bundeswehr jedenfalls übt durchaus nicht unter der Prämisse, immer die Luftherrschaft zu besitzen—nur unter der Prämisse, dass man sie zeitweilig an bestimmten Punkten herstellen kann, was auch absolut korrekt ist. Und misslingt das punktuell, versucht man es eben woanders. Im vollen Wissen, dass man im Krieg Verluste hinnehmen muss, um seine Ziele zu erreichen. Die Bundeswehr ist in dieser Frage realistischer aufgestellt, als Du Ihr zugestehen willst.

Es ist halt ein Trugschluss (richtet sich nicht an Dich, ist eher eine allgemeine Beobachtung), dass die Bundeswehr in dem Krieg, den sie voraussichtlich würde führen müssen, bestehen könnte, wenn sie nur alles übernimmt, was heute für die Ukrainer funktioniert—oder besser, scheinbar funktioniert, denn natürlich sind die ukrainischen Taktiken und Konzepte aus der Not geboren, nicht Mittel der Wahl.

Man kann nicht einfach mit Pauschalkritik an der Bundeswehrführung die Möglichkeit wegwischen, dass man in Deutschland vielleicht doch mit Recht zu anderen Schlussfolgerungen gelangt, immerhin ist die eigene Ausgangslage und Zielsetzung auch eine andere.

Und dabei ist es keineswegs so, dass man das Unvermeidliche ignoriert oder nicht überprüft, was nutzbar gemacht werden kann. Es tut sich nicht nur materiell etwas, wie Du befürchtest. Just in dieser Woche hat der neue InspH z.B. angekündigt, dass in Zukunft ukrainische Veteranen an den Heeresschulen regelmäßig in Lehrgängen ihre Erfahrungen teilen werden. Die Bundeswehr ist also keineswegs beratungsresistent.

Unterm Strich: Die NATO beabsichtigt, sich gar nicht erst in einen Abnutzungskrieg mit statischen Fronten und Drohnenschlachten verwickeln zu lassen. Das wird entweder gelingen oder nicht, keiner weiß es mit Gewissheit, aber die Antwort auf das mögliche Misslingen kann ja nicht darin bestehen, sich gleich in die schlechtere Alternative zu stürzen.
(20.11.2025, 23:35)Quintus Fabius schrieb: Die Behauptung, die Ukrainer hätten damit nur nicht richtig umgehend können, ist demgegenüber einfach nur vorgeschoben.
So berichtete es indes 'Zu Gleich', also die ArtS. Es wird schon etwas drangewesen sein.
(20.11.2025, 23:35)Quintus Fabius schrieb: Und es gibt Krankenschwestern die leicht mit einer Vielzahl an stümperhaften Ärzten mithalten können und ein Medizinstudium ist nicht der Führung eines Bataillons gleichzusetzen. Darüber hinaus sprechen wir ja auch noch von Offizieren im Vergleich zu anderen Offizieren - also wäre der Vergleich beispielsweise der eines Medizinstudenten zu einem Hausarzt zu einem spezialisierten Oberarzt an der Universitätsklinik. Alles Ärzte. Alle verschieden.
Und selbst dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der toughen Krankenschwester oder dem gewieften Medizinstudenten die gleichen Operationen gelingen wie dem ausgebildeten Oberarzt, doch eher gering.
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muck:

Zitat:Und selbst dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der toughen Krankenschwester oder dem gewieften Medizinstudenten die gleichen Operationen gelingen wie dem ausgebildeten Oberarzt, doch eher gering.

Diese Operationen sind aber selten, und die Mehrheit der Arbeit der Ärzte besteht darin bei einem durch Viren verursachten Infekt sinnfrei Antibiotika zu verschreiben (ich schreibe das ganz bewusst so!)

Zitat:auch aggressivster Lobbyismus kann die Industrie nicht vor Gewinneinbußen oder gar dem Ruin bewahren, wenn ihre Produkte den Ruf erlangen, kriegsuntauglich zu sein. Dass man sich hin und wieder konzeptionell verrennt, gerade bei neuen Technologien, ist davon unbenommen. Daher: Natürlich legt die Rüstungsindustrie Wert auf kriegstaugliche Produkte.

Ich will es mal umformulieren: die Rüstungsindustrie hat vielleicht zu wenig Ahnung davon, was tatsächlich kriegstauglich ist. Sie will also gute Produkte herstellen, und denkt dass ihre Produkte gut sind, aber diese weisen systemisch gewisse Eigenheiten auf, die problematisch sind. Und spezifisch in Deutschland will die Rüstungsindustrie oft auch "zu gute" Produkte herstellen und überlädt alles mit Funktionen und Überkomplexität.

Das ist übrigens hierzulande ja keine neue Entwicklung und war schon im 2WK ein spezifisch deutsches Problem. Der Versuch besonders konsequent zu sein und besonders gute Systeme zu bauen führt dann (Jarvins Paradox) zu weniger geeigneten Systemen (wenn man diese ganzheitlich betrachtet und nicht theoretische Einzelleistung).

Schlussendlich dass was oft auch mit dem Schlagwort Goldrandlösung beschrieben wird. Dazu kommen seitens Politik wie auch der höheren Offiziere kriegsuntaugliche Anforderungen, man nehme beispielsweise den PUMA Schützenpanzer, der von Politik, höheren Offizieren und Rüstungsindustrie gemeinsam vermurkst wurde.

Es fehlt in der deutschen Rüstungsindustrie an ausreichender Kriegserfahrung, und auch in der Bundeswehr. Und das erhöht halt das Risiko für Fehlentwicklungen. Gleichgültig wie bemüht die Rüstungsindustrie auch sein mag.
Der Satz: Sie war stets bemüht, trifft es heute eigentlich recht gut.

Letzten Endes sind diese im Einzelnen durchaus kritikwürdigen Richtungsentscheidungen aber auch nicht ausschließlich der Politik oder der Bundeswehrführung anzulasten. Mir scheint, sie sind eher das Produkt negativer Wechselwirkungen, die alle um einen gemeinsamen Faktor kreisen: Geld. Oder allgemeiner: die (mangelnde) Bereitschaft, Lasten zugunsten der Verteidigung zu tragen.

Ich stimme dir zu, sehe aber nicht im Mangel an Geld das primäre Problem, sondern in mangelnder Effizienz und mangelnder Bereitschaft irgendwie aus den tradierten Denkmustern auszubrechen. Der hilflose Ruf nach mehr Geld ist ja die wesentlichste Eigenheit deutscher Rüstungspolitik und man glaubt, mehr Geld würde dann alles lösen. Dabei verkennt man die viel wesentlicheren Fehler welche überhaupt erst dazu führen, dass man so viel Geld benötigt.

Kurz und einfach: die Kampfkraft pro Geldeinheit ist zu gering. Und ja, dass entsteht aus einer negativen Wechselwirkung, bei der auch die Politik und insbesondere die Bundeswehrführung ein Problem darstellen, aber man kann die Rüstungsindustrie da keineswegs aus der Verantwortung nehmen. Denn diese nutzt diese Ineffizienz und Steifheit im Denken aufseiten der Politik wie der Militärs gnadenlos zum eigenen finanziellen Vorteil aus.

Ich will mal als Beispiel die unrühmliche Firmengeschichte von HK benennen. Von einem Hersteller von Schützenwaffen der seinesgleichen weltweit sucht zu einer bloßen Zitrone die von ausländischen Investoren so ausgequetscht wurde und wird, dass das Unternehmen dadurch seit etlichen Jahren substanzielle Probleme hat. Nur ein Beispiel von vielen. Es geht in der Rüstungsindustrie eben nicht darum, kriegstaugliche Produkte herzustellen, sondern darum den Gewinn einzusacken und diesen ständig zu maximieren.

Also erweckt man (wenn möglich) einfach nur den Eindruck, dass Produkt wäre kriegstauglich, wenn und solange man damit davon kommt. Man streckt die Produktion, man baut Systeme die ständiger Wartung und teurer Ersatzteile bedürfen, und die nicht so lange halten, man baut zu viele Funktionen ein und schafft durch die Überkomplexität bewusst mehr Friktionen, welche wiederum mehr Inst / Wartung / Ersatzteile generieren, immer mit der Zielsetzung der Erhöhung der Gewinne. Natürlich baut man zugleich Hochleistungs-Systeme die teilweise (als Einzelsystem für sich betrachtet und begrenzt in der Betrachtung auf die einzelne Systemleistung) beeindruckend sind, aber das war ein Tiger-Panzer auch.

Dieses Konzept von lauter Hochleistungssystemen in allen Bereichen führt nun dazu, dass die Gewinne der Industrie dadurch deutlich steigen (analog zu Luxuskarossen in der Autoindustrie), die Abhängig von der Industrie steigt, diese mehr Ersatzteile und mehr Wartung verkaufen kann, ohne dass diese Mehrleistung pro System im Krieg ein Vorteil wäre. Darin liegt das wesentliche Problem.

Zitat:Deutsche Maschinen-, Auto- und Waffenbauer stehen seit über hundert Jahren im Ruf des "Overengineering".

Exakt. Aber heute wird dieser Umstand seitens der Rüstungsindustrie meiner Meinung nach gezielt für die Gewinnmaximierung genutzt. Das ist aber keineswegs nur in der Rüstungsindustrie so und hat längst alle Bereiche erfasst und ist auch bei ausländischen Herstellern so. Man sehe sich nur moderne Autos an, Drucker, Smartphones, Küchengeräte, alles mit Apps versehen, fernsteuerbar, mit zu vielen Funktionen, zu anfällig, mit geringerer Lebensdauer, nicht mehr selbst reparierbar usw usf dahinter steckt ein System! Und dieses soll vor allem anderen mehr Geld für die Konzerne generieren.

Zitat:Erst hat man jahrelang die Bundeswehr zusammengespart und der Industrie durch ein strenges Exportreglement alternative Absatzmärkte verschlossen, sodass weniger Mittel für Forschung und Eigenentwicklung zur Verfügung standen und nur Manufakturproduktion möglich war

Und jetzt soll schnell und günstig aufgerüstet werden, in Zeiten horrender Standort- und Lohnkosten, akuten Fachkräftemangels, und in einem geopolitischen Umfeld knapper oder künstlich verknappter strategischer Rohstoffe? Das kann nicht funktionieren.

Da hast du leider recht. Ich machte der Rüstungsindustrie (im Gegensatz zur Politik und zu den höheren Offizieren) aber auch keinerlei moralische Vorhalte. Die Industrie muss so handeln wie sie handelt, so wie Wasser der Schwerkraft folgend bergab fließt. Es ist unsinnig Unternehmern Vorwürfe zu machen dass sie ihre Gewinne maximieren, denn das müssen sie.

Deshalb möchte ich bitte meine Aussage, dass die Rüstungsindustrie als primäres Ziel nur die Gewinnmaximierung kennt nicht als Vorwurf verstanden wissen ! Die Industrie muss so handeln und kann auch gar nicht anders handeln. Sie wird in ihrem Handeln durch die Umstände gelenkt, gar keine Frage. Und diese Umstände sind negativ.

Einer dieser - für die Rüstungsindustrie negativen - Umstände ist jedoch der Mangel an Kriegserfahrung sowohl in Deutschland als auch in der Rüstungsindustrie selbst. Es fehlt hierzulande an realer Kriegserfahrung. Und das ist ein Problem auf allen Ebenen. Und nochmals: das ist kein Vorwurf im Sinne eines moralischen Vorwurf gegen die Rüstungsindustrie. Die tut, was sie tun muss im Rahmen ihrer Zielsetzung. Da könnte man genau so gut der Schwerkraft Vorwürfe machen.

Aber: man muss halt um die Schwerkraft wissen. Sonst werden alle Versuche das freie Schweben zu erlernen immer weiter scheitern.

Zitat:Um mal einen vermittelnden, neuen Denkansatz vorzuschlagen: Ich ziehe hiermit meine Skepsis gegen die Aussage Browdis (er sei nur stellvertretend genannt) zurück, dass die NATO einen Krieg, wie er in der Ukraine stattfindet, nicht führen könnte. Aber ist das letzten Endes überhaupt die Frage, die sich die NATO stellen muss? Müssen wir uns wirklich auf einen solchen Krieg vorbereiten?

Das ist der richtige Denkansatz, ja, da kann ich voll zustimmen. Die NATO würde nie einen Krieg wie in der Ukraine führen. Aus einer Vielzahl von Gründen.

Aber das ist ja doch auch genau das was ich immer schreibe, dass die Idee dass wir genau in der Art der Ukraine kämpfen würden so nicht stattfinden wird.

Jedoch (!) - auch wenn die NATO anders Krieg führen würde und dieser völlig anders ablaufen würde, so müssen die Systeme welche wir verwenden dennoch möglichst kriegstauglich sein. Und eines der wesentlichsten Kriterien der Kriegstauglichkeit ist meiner Überzeugung nach Schlichtheit. Ich verwende gerne ganz bewusst diesen Begriff und meine damit nicht technische Rückständigkeit, nicht Unterkomplexität und nicht dass die Systeme altertümlich sein sollen.

Auch Hochtechnologie auf dem höchsten aktuellen Stand der Dinge sollte Schlicht sein. So einfach und so robust und so elegant wie möglich.

Das ist der Punkt auf welchen ich hier hinaus will. Dieses überladene muss weg.

Zitat:Es gibt jedenfalls nicht nur die eine Handlungsoption, nicht taktisch, nicht operativ, nicht strategisch.

Zweifelsohne. Aber alle Handlungsoptionen ohne Ausnahme lassen sich mit einer Hochtechnologie die sich dem Prinzip der Schlichtheit verpflichtet besser umsetzen.

Und das kriegt unsere Rüstungsindustrie nicht hin und der Grund dafür ist u.a. mangelnde Kriegserfahrung.

Zitat:Es wird ja z.B. gerade diese tschechisch-ukrainische Übung breitgetreten, in der die Tschechen angeblich darum baten, keine Drohnen einzusetzen, sonst komme man nicht weiter. Im Kriegsfall hätte man ja die russischen Drohnenpiloten längst weggebombt—worüber die Ukrainer ungläubig den Kopf schüttelten.

Also mal abgesehen davon, dass das ja nur eine recht beschränkte Übung war, ist es durchaus korrekt, dass man feindliche Drohnenpiloten eben nicht so einfach wegbomben kann. In Verstecken unter der Erde über Relais agierende leichte Infanterie ist auch aus der Luft kaum greifbar, zumindest nicht in dem Ausmaß welches quantitativ notwendig wäre.

Das Gegenargument ist viel eher, dass diese Drohnen wenn man eine ausreichende Drohnenabwehr hätte, gar nicht so viel Effekt hätten. Was den Tschechen hier fehlte waren die entsprechenden Defensivsysteme und allgemein die Erfahrung im Umgang mit einem solchen Gegner. Der nicht wegbombar ist, der aber durchaus weitgehend in seiner Wirkung neutralisierbar wäre.

Zitat:Die Bundeswehr jedenfalls übt durchaus nicht unter der Prämisse, immer die Luftherrschaft zu besitzen—nur unter der Prämisse, dass man sie zeitweilig an bestimmten Punkten herstellen kann, was auch absolut korrekt ist. Und misslingt das punktuell, versucht man es eben woanders. Im vollen Wissen, dass man im Krieg Verluste hinnehmen muss, um seine Ziele zu erreichen. Die Bundeswehr ist in dieser Frage realistischer aufgestellt, als Du Ihr zugestehen willst.

Ich würde Forodir nicht blind alles glauben Wink

Die Potemkinsche Bundeswehr ist ganz groß was Theorie angeht. Theoretisch bedenkt sie alles, theoretisch beherrscht sie alles. Mit einer Betonung des Wortes Theorie.

Zitat:So berichtete es indes 'Zu Gleich', also die ArtS. Es wird schon etwas drangewesen sein.

Was soll sie auch anderes schreiben?! Es wird Bundeswehrintern nach nicht mal in Frage gestellt, ob die Ausbildungskonzepte der Bundeswehr überhaupt effizient sind. Man müsste solche Punkte durch unabhängige Stellen detailliert evaluieren lassen.

Zitat:Just in dieser Woche hat der neue InspH z.B. angekündigt, dass in Zukunft ukrainische Veteranen an den Heeresschulen regelmäßig in Lehrgängen ihre Erfahrungen teilen werden. Die Bundeswehr ist also keineswegs beratungsresistent.

Abwarten. Und es spricht nicht für die Bundeswehr, dass dies jetzt erst diese Woche verkündet wurde. Warum ist das nicht schon seit Jahren durchgehend der Standard ?! Und sich etwas anhören und danach handeln sind verschiedene Dinge.

Aber noch schlimmer: es besteht dadurch das Risiko, dass man sich in seinen Auffassungen und Ideen vom Krieg zu sehr ukrainisiert, also zu weitgehend versucht wie die Ukrainer zu werden. Was falsch ist ! Stattdessen muss man die Erfahrungen der Ukrainer verwendend überlegen, was man komplett anders machen sollte. Anders als das was man jetzt macht und anders als das was die Ukrainer machen.

Zitat:Es ist halt ein Trugschluss (richtet sich nicht an Dich, ist eher eine allgemeine Beobachtung), dass die Bundeswehr in dem Krieg, den sie voraussichtlich würde führen müssen, bestehen könnte, wenn sie nur alles übernimmt, was heute für die Ukrainer funktioniert

Das ist natürlich dessen ungeachtet absolut korrekt. Ich will diesen Punkt sogar noch weiter überspitzen: es wäre gerade eben falsch, alles zu übernehmen was die Ukrainer tun, weil die Russen die Ukrainer als Gegner sehr gut kennen und sich daher sehr weitgehend genau darauf eingestellt haben und noch weiter einstellen. Im Sinne von Schere-Stein-Papier müssen wir stattdessen Wege finden, die neu und anders sind.

Aber: bei der Bundeswehr ist beides aktuell nicht der Fall. Weder ahmt man die Ukraine ausreichend weitgehend nach, noch versucht man sich neue andere Wege zu überlegen. Man ist gefangen in überkommenem tradierten Denken. Und das ist in Wahrheit die wesentlichste Lehre aus der Ukraine: dass die geistige Flexibilität und Anpassungsfähigkeit entscheidend sind.

Wir müssten uns anpassen. Wir tun dies aber nicht bzw. nicht ausreichend. Mit Anpassung meine ich nicht, die Ukraine nachzuahmen, sondern Wege zu finden, die Russen vernichtend und schnell zu schlagen und eine blitzartige Besetzung von NATO Gebiet durch die Russen von Beginn an zu verhindern. Und genau darin scheitern wir mangels geistiger Flexibilität und mangels Anpassungsfähigkeit.
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(Gestern, 06:23)muck schrieb: Lässt sich das wirklich mit dieser Endgültigkeit behaupten?

Um Endgültigkeit geht es mir nicht, die ist sowieso selten sinnvoll. Ich meine nur, dass das Prinzip Klasse gegen Masse funktioniert hat, auch in der Wehrmacht, und deshalb die grundsätzliche Annahme, es müsse Klasse erzeugt werden, weil bei der Masse nicht mitgehalten werden kann, nicht falsch ist. Ich bin nicht so der Schlammkriecher, aber auch bei den Gefechtsfahrzeugen war nicht die qualitative Fortentwicklung oder Fokussierung das Problem, sondern die Fixierung auf Spitzenleistungen ohne Berücksichtigung eines ganzheitlichen Ansatzes hinsichtlich der Produktion (und Ausbildung, ich beziehe Klasse immer auf Material und Personal).

Ich schreibe auch nur deshalb, weil ich es bei diesem Thema für extrem wichtig halte, von jeglicher Form der Gläubigkeit weg zu kommen. Tatsächlich muss beim technischen Fortschritt sinnvollerweise ein Mittelweg gefunden werden, der Hochtechnologieforschung mit einer praxisorientierten, durchhaltefähigen Serientechnik vereint und die entsprechenden Entwicklungen auch genau darauf auslegt. Dafür müssen aber zwingend die Extreme weichen.

Zitat:Dann will ich nur abschließend kurz erläutern, warum ich überhaupt damit angefangen hatte: Mir ist natürlich bewusst, dass (Pi mal Daumen) 20% "Querdenker" eben nicht die 80% überwiegen, die den Staat am Laufen hielten und die Maßnahmen mittrugen.

Allein: Wenn bereits verhältnismäßig leichte Einschränkungen des öffentlichen Lebens solchen Widerstand erzeugen, wie groß könnte (nicht: müsste, aber: könnte) er sich im Falle einer existenzbedrohenden Krise auswachsen? Und wozu wäre er fähig?

Ich bin kein Soziologe, ich finde es schwierig, vorherzusagen, wie sich eine Gesellschaft (ganz allgemein gesprochen) in Notsituationen verhält oder wohin sie sich unter einem äußeren Druck entwickelt. Meine persönliche Wahrnehmung zur gesellschaftlichen Entwicklung unter Corona war bezogen auf einen potenziellen Krieg eher eine positive, das gleiche gilt beispielsweise bei den Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine. Ich verstehe jetzt deine Aussage, bin auf einer subjektiven Ebene aber anderer Meinung, und mir fehlt die fachliche Kompetenz, um das auf einer objektiven Ebene zu betrachten.
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Ergänzend zu:

Zitat:auch bei den Gefechtsfahrzeugen war nicht die qualitative Fortentwicklung oder Fokussierung das Problem, sondern die Fixierung auf Spitzenleistungen ohne Berücksichtigung eines ganzheitlichen Ansatzes hinsichtlich der Produktion (und Ausbildung, ich beziehe Klasse immer auf Material und Personal).

Und Wartung, und Instandsetzung, und Logistik, und Ersatzteile, und Menge der notwendigen Verbrauchsmittel, und Ersatzteile, und Lebensdauer, und Lebensdauerkosten insgesamt, sowie ohne Berücksichtigung ob die Spitzenleistung nicht durch Überfunktionalität erkauft wird, was im Krieg mit seinem hohen Gewicht an Friktionen ein wesentlicher Faktor ist. Dazu kommt noch die wesentliche Frage der Aufwuchsfähigkeit.

Man erzielt hier und jetzt eine Spitzenleistung, hat aber Systeme die dann nur schwer durchgehend verbessert werden können und bei denen Kampfwertsteigerungen sehr viel langwieriger und teurer sind. Die Frage der Aufwuchsfähigkeit muss weit über Motor und Leistung zu Gewicht hinaus heute auch insbesondere in Bezug auf die Software gedacht werden und die Elektronik. Systeme müssen dahingehend optimiert werden, dass sie in Zukunft möglichst kostengünstig und schnell verbessert werden können.

Um mich selbst da noch mal zu wiederholen: Hochtechnologie muss Schlicht sein.

Schlichtheit - Eleganz - Einfachheit - sollten viel mehr als Parameter berücksichtigt werden. Und das ist eben kein Widerspruch zu Hochtechnologie, ganz im Gegenteil.

Zitat:Tatsächlich muss beim technischen Fortschritt sinnvollerweise ein Mittelweg gefunden werden, der Hochtechnologieforschung mit einer praxisorientierten, durchhaltefähigen Serientechnik vereint und die entsprechenden Entwicklungen auch genau darauf auslegt. Dafür müssen aber zwingend die Extreme weichen.

In genau diesem Kontext sollte man viel mehr berücksichtigen, dass Hochtechnologie eigentlich auch dazu verwendet werden könnte, die Kosten zu senken statt sie zu erhöhen. Ganz vieles was früher nur in geringen Mengen produzierbar und zu höheren Kosten, kann heute in Großserie und immens viel günstiger hergestellt werden, gerade eben wegen der Hochtechnologie. Hochtechnologie ist eigentlich der Weg zu günstigeren Systemen auch wenn das oft kontraintuitiv ist. Man muss sie nur entsprechend ansetzen!

Vor allem aber muss man weg davon, die Technologie ohne den Kontext des Krieges zu betrachten, dieses überspitzt gesagt Quartettdenken in welchem ein System für sich allein hervorragend ist muss weg und die Betrachtung von Systemen ohne den Kontext des Kriegsraumes, des Gegners, des Kriegsbildes, der Strategie, Doktrin usw.

Systeme der deutschen Rüstungsindustrie können hier und jetzt noch so hervorragend sein, wenn sie die falschen Systeme für die tatsächlichen Umstände sind, nützt dieses Mehr an Leistung nicht.

Statt beispielsweise neue Kampfpanzer frei im luftleeren Raum ohne Kontext zu entwickeln, sollte man sich fragen, wofür man sie entwickelt. Was genau sie wie genau tun sollen, wo und gegen wen!

Deshalb verwende ich gerne den Satz, dass die Bundeswehr eine Armee ohne Kontext ist. Und die Rüstungsindustrie liefert keinen Kontext, der muss schon von Politik und Militärführung her kommen.

Wenn man es jetzt feiert, dass seit kurzem Pläne dazu da sind, Drohnenzüge einzuziehen, und Ukrainer Lehrstunden halten zu lassen etc. dann verkennt dies, dass das nur ein bloßes Reagieren und Nachahmen ist, und dies auch noch zu spät und zu wenig und zu wenig konsequent. Der Grund aber für dieses hilflose Reagieren ist, dass wir kein Konzept haben und damit keinen Kontext.

Rüstung ohne Kontext aber ist zum Scheitern verurteilt, weil sie ohne tatsächliches Ziel ins Leere läuft.
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