Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg
Meiner Ansicht nach betreibt der vernetzte Artikel eine Strohmannargumentation, denn niemand fordert eine vollständige Umstellung von "traditioneller" Feuerkraft auf Drohnen oder dass westliche Armeen Drohnenarmeen werden sollen.

Im übrigen sind die Drohnen welche in der Ukraine verwendet werden schlussendlich einfach nur eine besonders billige (und gerade eben deshalb leicht abwehrbare) Munition. Auch "traditionelle" Feuerkraft benötigt Munition und dies in Millionenzahlen pro Jahr.

Wenn man sich teurere - und damit leistungsfähigere (!) Munition leisten kann, gar keine Frage, dann ist die bessere Munition besser.

Und der Artikel lässt völlig den eigentliche Beitrag von Drohnen für die Kriegsführung außer Acht, nämlich die Frage der Aufklärung. Die Revolution durch die Drohnen ist nicht deren Wirkung im Ziel, sondern die Transparenz von Gebieten welche vorher sogar weitgehend der Aufklärung entzogen waren. Darin liegt die Revolution, und nicht in irgendwelchen besseren Modellflugzeugen die man nur deshalb verwendet weil man keine Alternativen hat.
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Die Aufklärung durch Drohnen ist ja nicht neu , gibts ja schon seit den Neunziger Jahren mit größeren Drohnen Und mit kleinen Drohnen seit 2005 ungefähr . Selbst bei uns waren diese schon vorhanden, es hat bloß keiner denn Nutzen darin gesehen oder wollte sich damit beschäftigen , weil man es einfach nicht gebraucht hat. Es war doch viel bequemer durch aufklärungstruppe Drohnen starten zu lassen als selber auszupacken.
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Ironischerweise war die Bundeswehr was Drohnen angeht (mMn) um 1990 sogar weltweit führend. Wir hatten mal einen deutlichen Vorsprung was Drohnen angeht und hinken heute hinterher.

Und ja, dass ist eine evolutionäre Entwicklung, also nichts neues. Das ist es ja, was ich schon seit langem in Bezug auf die Drohnenkriegsführung schreibe, dass diese evolutionärer Prozess ist, der sich schon viele Jahre früher abgezeichnet hat.

Wir hatten hier mal einen Nutzer der den Nutzernamen phantom führte. Dieser sagte beispielsweise die zur Zeit bestehenden Verhältnisse schon vor 15 Jahren weitgehend voraus.

Der Artikel hat dahingehend recht, dass FPV Drohnen wie sie aktuell oft verwendet werden militärisch nicht die Zukunft darstellen und es falsch wäre, die eigenen Streitkräfte zu weitgehend auf FPV Drohnen umzustellen.

Aber nicht jede Drohne ist eine FPV-Drohne die per Funk oder Kabel gesteuert wird. Ja bei weitem nicht und diesbezüglich schweigt sich der Artikel aus.

Im weiteren ist es immer noch ein Problem, dass bei solchen Abhandlungen eine mangelnde Trennschärfe zwischen Drohnen, zielsuchender Munition und einfachen Formen von Marschflugkörpern vorherrscht.

Beschließend noch zu einem der primären Argumente in dem Artikel, dass Drohnen (was den für welche ?!) deshalb falsch wären, weil die Russen die weltweit führenden Drohnenabwehrkapazitäten hätten und in der Drohnenkriegsführung uns voraus wären:

Drohnenkriegsführung im großen Maßstab profitiert immens von industrieller Massenproduktion. Und gerade darin wären wir selbst als Europäer und ohne die USA den Russen immens weit überlegen. Die Russen könnten hier einen rein industriellen Abnutzungskrieg niemals gewinnen, es sei denn, sie könnten auf der strategischen Ebene die Industriekapazität in Europa ausschalten, was inbesondere indirekt über die Ausschaltung der Energieversorgung möglich wäre.

Bloße Defensivmaßnahmen hingegen würden die Russen selbst bei einem reinen Drohnenkrieg (als theoretischem Modell) nicht obsiegen lassen, weil hier die Defensivmaßnahmen von den Kosten wie vom Gesamtaufwand her hinterher hinken und unsere Industriekapazität die russische Abwehr hier schlicht und einfach kollabieren lassen würde und dies selbst dann, wenn man unsere weit überlegenen Luftwaffen noch nicht mal mit einberechnet etc.

Entsprechend müsste daher umgekehrt der Schutz unserer industriellen Produktionskapazitäten die erste Priorität besitzen, und dies unabhängig davon ob wir diese nun primär für Drohnen oder für andere Munition einsetzen, welche man ja ganz genau so in Millionenanzahlen pro Monat wird verbrauchen müssen.

Das gleiche gilt umgekehrt für unsere Defensivmaßnahmen gegen russische Angriffe, insbesondere was die Raketen- und Marschflugkörperfrage angeht. Wir werden mit den Defensivraketen gegen russische Offensivraketen nicht langfristig ankommen, aus den genau gleichen Gründen. Also müssen die Abwehrmaßnahmen entsprechend konzentriert und auf einige wesentliche Bereiche hin ausgerichtet werden, während umgekehrt die russischen Produktionskapazitäten von uns frühzeitig heraus genommen werden müssten, wir also dafür entsprechend über die dafür geeigneten weitreichenden Angriffsmittel verfügen müssen.

Anbei deutsche Drohnen in den 90er Jahren - eines meiner Lieblingsbilder in Bezug auf diese Zeit:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/c...077%29.jpg

Ebenfalls in diesem Kontext:

https://netzpolitik.org/2021/bundeswehrg...ohnen-hin/
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Grundsätzlich zieht sich wie ein roter Faden durch alle theoretische deutsche Überlegungen, dass ein Krieg schnell beendet werden muss.
Die Aussage dass die Drohnen billig und massenhaft produziert werden kann mag ja richtig sein, sie haben aber bereits bewiesen dass sie nicht in der Lage einen Krieg schnell beenden zu können, wir sind ja nicht einmal beim überhaupt einen Krieg beenden zu können.
Mir sind auch die russischen Abwehrkapazitäten eigentlich nicht unbekannt, dafür geht doch zu viel in die Luft.

Letztendlich würden alles eigentlich auch nur in einer endlosen Materialschlacht enden, und da hat Russland in voller Kriegswirtschaft schon das Nachsehen gegen moderate Anstrengungen im Friedensbetrieb der europäischen Länder.
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Die Strategie eines schnellen, begrenzten Krieges wurzelt ja nicht primär in der Frage konventioneller Waffensysteme, sondern:

1. In der Frage der Atomwaffen, bedingt auch der C-Waffen.

2. In der Frage der Verwundbarkeit unserer Infrastruktur insgesamt - welche für die Aufrechterhaltung dieser Gesellschaft notwendig ist und die selbst mit Nicht-Nuklearen Mitteln (konventionell wie unkonventionell) so weit zerstörbar wäre, dass daraus resultierende Abwärtsspiralen schnell in der Gesamtniederlage münden würden.

Und darin würde sich jeder Krieg Europas mit den Russen von dem Geschehen in der Ukraine drastisch unterscheiden und genau darin liegt meiner Ansicht nach der primäre Unterschied an sich. Es wären völlig andere Umstände.

Insbesondere halte ich jede Diskussion über die Verteidigung des Baltikums etc. für völlig unzureichend, welche diese beiden Aspekte nicht berücksichtigt und die insbesondere nicht die Frage des Atomkrieges mit einbezieht.

Unsere aktuelle Strategie ist es, Nuklearwaffen zu weitgehend als rein politische Wirkmittel zu betrachten, und davon auszugehen, dass die Androhung des kollektiven Selbstmordes eine ausreichende und glaubhafte Abschreckung wäre, und dies gegenüber einem etwaig nicht, auf jeden Fall aber zumindest teilweise nicht rationalen Gegner.

Aber selbst unter der Annahme, dass der Feind rational agiert, kann man den Einsatz von Nuklearwaffen nicht vollständig ausschließen, beispielsweise wenn er diese auf der taktischen Ebene im eigenen Land gegen dort vordringende NATO Streitkräfte einsetzt, oder zum Mittel einer NEMP greift welche in mehreren hundert Kilometern Höhe und in Grenznähe (aber über eigenem Luftraum) gezündet keinen direkten Schaden im Baltikum anrichtet, aber indirekt dort natürlich die erheblichsten Folgen für Militär wie Zivil hätte, verbunden mit der offenen Drohung des strategischen Schlages sollten wir darauf nuklear reagieren etc.

Die nuklearen Optionen auf der taktischen Ebene sind übrigens eines der wenigen Argument für die mittleren Kräfte, weil sie zum einen in größerer Dislozierung kämpfen könnten (wenn man sie denn dafür richtig aufstellen würde) und weil die Fahrzeuge hier natürlich einen viel besseren Schutz bieten. Dafür müsste man aber natürlich die Idee aufgeben, dass die Kampfkraft mittlerer Kräfte von Infanterie gestellt wird, welche diese abgesessen liefert, und stattdessen von einer echten Panzerkavallerie sprechen.

Es verbleibt aber das Problem, dass wir schlussendlich Mehrzweckstreitkräfte aufstellen und aufstellen wollen, welche explizit auch offensiv sehr leistungsstark wären (Stichwort Panzerkavallerie, Kampfpanzer, Panzergrenadiere, Luftwaffe etc). Mechanisierte Streitkräfte in Verbindung mit einer leistungsstarken Luftwaffe gehen sogar eher in Richtung von Offensivstreitkräften statt Mehrzweckstreitkräften. Da die Russen diesem Verbund konventionell aktuell nichts entgegen zu setzen hätten, wäre selbst bei Annahme eines rationalen Gegners der Einsatz von Nuklearwaffen auf der taktischen Ebene eigentlich zwingend und folgerichtig.

Gerade für diesen Einsatz bieten aber die aktuell ausgeplanten Großkampfverbände besonders gute Ziele und wäre auch die Luftwaffe dadurch stark betroffen.

Kurz und einfach: unter den völlig anderen Bedingungen eines Krieges der Europäer gegen die Russen, würden sich aufgrund der völlig anderen Umstände ganz andere Kriegsbilder zeigen. Insbesondere aber schreckt man in Europa davor zurück, sich der nuklearen Frage zu stellen, welche damit unbeantwortet bleibt, was den Russen auf der strategischen Ebene etliche Vorteile gewährt, die sie gar nicht haben müssten.

Wenn wir also über Lehren aus dem Ukrainekrieg, oder über Drohnenkriegsführung sprechen, so müsste dies immer unter dem Aspekt des Atomkrieges disktuiert werden, oder unter dem Aspekt einer vollständig unkonventonellen Kriegsführung welche keinerlei konventionelle Mittel einsetzt. Denn das wäre ja die andere Variante, dass man den konventionellen Schlagabtausch vollständig vermeidet.

Meiner rein persönlichen Meinung nach rechnet man primär mit dieser Option und dienen die geplanten mittleren Kräfte welche infanteristisch kämpfen sollen exakt diesem Einsatz, also einer unkonventionellen Kampagne gegen das Baltikum unter Verzicht jedweder Eskalation darüber.

Und gerade hierfür, den unkonventionellen Krieg wären starke Drohnenstreitkräfte besonders wertvoll !
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Sofern Russland nicht mit Atomwaffen angreift ist die kritische Infrastruktur in Deutschland als nicht außerordentlich gefährdet, da haben die Russen schon ihre Ineffizienz gegen die Ukraine bewiesen. Nicht nur fallen verschiedene Waffensysteme aufgrund der Entfernung schlicht zu weit weg und die Systeme die Deutschland erreichen können sind auch nicht sonderlich zielgenau. Punkt genaue Zerstörung von Punktziele ist auch weiterhin auch eine besondere Befähigung, da ist es eher wahrscheinlich dass so gut wie jedes Umspannwerk in Westrussland zerstört ist bevor irgendwas in Deutschland nachhaltig lahmgelegt werden kann.

Hier bleibt natürlich die Frage wieso sollte Russland keine Atomwaffen verwenden. Interessanterweise wissen wir vom einzigen bekannten sowjetischen Angriffsplan dass die Briten und Franzosen erstmal hätten verschont wurden wären, wahrscheinlich in der Hoffnung einen nuklearen Gegenschlag zu verhindern.
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