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(06.07.2025, 23:30)alphall31 schrieb: Außer in Deutschland ist man sich aber dahingehend einig das diese Gefahr nicht aus einem Konventionellen Angriff besteht. Warum also bauen die Litauer, Letten, Esten und Polen Grenzbefestigungen? Warum rüstet Polen seine Landstreitkräfte massiv auf? Warum bereitet sich Finnland darauf vor, im Spannungsfall seine Grenzen zu verminen? Warum hat das britische Heer am 30.06. ein Crash-Programm beschlossen, um die 3rd (UK) Division durchgehend mit Kettenfahrzeugen auszustatten, sich auf eine drohende Kriegsgefahr in Europa berufend?
Richtig ist, dass keine Einigkeit innerhalb der NATO besteht, ob ein russischer Angriff droht, und wie er ausfallen könnte. Dennoch gibt es mehrere Staaten, die einen solchen Angriff befürchten, Deutschland nimmt in dieser Hinsicht keineswegs eine Außenseiterrolle ein.
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(06.07.2025, 21:59)muck schrieb: Deshalb sollte die PzGrenBrig 41 auch nicht mehr umgegliedert werden. Zwei Brigaden mKr genügen. Der Meinung schließe ich mich an. Meine Befürchtung ist allerdings, dass im Gegenteil noch weitere mKr-Brigaden aufgestellt werden, weil es eben die einfachste Möglichkeit ist, um kurzfristig Kräfte an die Front zu verlegen, was den Forderungen der NATO entspricht.
Zitat:Sollte Deutschland in die Lage kommen, dass die Bedürfnisse der Landes- und der Bündnisverteidigung nicht mehr deckungsgleich sind, hätten wir noch ganz andere Probleme …
Wie kommst du darauf, dass das nicht bereits so ist?
In der Landesverteidigung geht es heute und auf absehbare Zeit um asymmetrische Lagen im Rahmen hybrider Kriegsführung und den Schutz von Infrastruktur. Das hat rein gar nichts mit dem zu tun, was in der Bündnisverteidigung benötigt wird.
Im Gegenteil: Wenn es mal so kommen sollte, dass die Landesverteidigung die gleichen Bedürfnisse mit sich bringt wie die Bündnisverteidigung, dann haben wir wirklich ein Problem, denn dann sind Polen und das Baltikum bereits verloren.
Zitat:Du wirst kaum darlegen können, dass die Beschaffung dieser Fahrzeuge künftige Weichenstellungen verunmöglicht.
Nicht verunmöglicht, aber einerseits unwahrscheinlicher macht, weil zu erwarten ist, dass man sich auf den Panzerstückzahlen ausruhen wird. Und andererseits frisst halt jede Beschaffung und Fähigkeit Ressourcen über den Kaufpreis hinaus. Insbesondere hinsichtlich Personal, Planungs-, Beschaffungs- und Produktionskapazitäten sowie Infrastruktur. All das ist nur begrenzt vorhanden.
Zitat:Es wird der Zustand nachträglich hergestellt, den man schon ~2018 herstellen wollte, um das damals benannte Ziel tatsächlich zu erreichen.
Was wäre dann das "Zielbild" bzw. die geplante Gliederung von ~2018, auf die du dich damit beziehst? Ich kenne "HEER2011" und dann das "Zielbild Einsatzkräfte Heer". Beide sehen keine 1000 Panzer vor.
(06.07.2025, 23:41)muck schrieb: Warum hat das britische Heer am 30.06. ein Crash-Programm beschlossen, um die 3rd (UK) Division durchgehend mit Kettenfahrzeugen auszustatten, sich auf eine drohende Kriegsgefahr in Europa berufend? Quelle dazu? Nicht weil ich's dir nicht glauben würde, sondern rein aus Interesse.
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Zitat:Michael Schrey sicherte sich zum dritten Mal in der laufenden Saison den Sieg in der ProAm-Wertung. „Meine kleine Tochter Emma hat mich wieder einmal angefeuert, sie entwickelt sich so langsam zu meinem Glücksbringer‟, scherzte der Osnabrücker aus dem Team Bonk Motorsport. „Aber im Ernst: Mein Neunelfer lag heute vor allem beim Bremsen super stabil – das ist bei den zwei Kehren des Norisrings entscheidend.‟
Für die die es nicht wissen , die Bundeswehr hält sich ein eigenes Motorsportteam beim Porsche Sixt Carrera Cup.
Also Geld scheint es genug zu geben.
https://www.tiktok.com/discover/bundeswe...sche-gt3rs
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(06.07.2025, 22:21)Falli75 schrieb: Dazu muss man bei den Chinesen wissen, dass sie ihre Worte extrem präzise wählen. Letale und doubleuse Lieferung kontrollieren, ja klar aber Elektronik gerne, was der Russe da ausbaut wissen wir doch nicht. Frieden in der Welt im Sinne Chinas kann auch heißen, solange der Russe da kämpft, ist der Ami beschäftigt. Wenn wir die stärkste Macht der Welt in der Zwischenzeit werden, dann ist für uns Frieden.
Hat nur bedingt mit dem Thema zu tun:
Was ist an den chinesischen Ambitionen so schlimm?
Natürlich wollen sie die Weltherrschaft. Danach sollte jede gesunde Nation streben. Der Wille zur Macht.
Nur weil wir Deutschen ein ambitionsloses Volk ohne Ziel sind, muss nicht jede Nation so sein. Nicht jedes Land sieht in einem ausgeglichenem Haushalt und der schwarzen Null das Ende aller nationalen Pläne.
Unser BiP ist zum reinen Selbstzweck verkommen. Wir investieren das Geld nicht um uns als Nation oder die Menschheit technologisch/wissenschaftlich/kulturell voranzubringen. Wir investieren es um mehr Geld zu erwirtschaften.
Die BW ist genau die Streitkraft, welche wir verdienen. Ein aufgeblasenes, impotentes Bürokratenmonster, welches nur im internationalen Kontext gedacht werden darf und in erster Linie wirtschaftlichen Interessen dient. Allein die Idee eines deutschen Weltraumbahnhofs, eine deutschen Raumfahrtprogramms oder Ähnlichem löst ja bei vielen schon Bauchschmerzen aus. Jedes ambitionierte Projekt muss unbedingt international sein. Deutschland ist nicht mehr als ein Teil der EU/Nato/UN und darf auch nur so verstanden werden.
Das ist nicht unbedingt schlecht. Es ist der Satus Quo und auf die Frage Quo vadis lautet die Antwort: Omnia manent eadem.
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(06.07.2025, 22:36)Pmichael schrieb: Ja, die Ukrainer behaupten das Schlimmste. Man muss nicht jeden Mist einfach hinnehmen, ich dachte das Mystifizierung russischer Fähigkeiten wäre mal so langsam out und wir können Russland nun realistischer bewerten und daraus sinnvollere Konzepte und Ideen ableiten.
Wir üben jetzt mal, wie eine Debatte ablaufen sollte:
a) Wenn eine Quelle präsentiert wird, kontert man diese mit einer Quelle, welche diese widerlegt.
b) Das ISW ist ein US-amerikanisches Institut, welches von einem ehemaligen 4 Sterne US General geführt wird, ich würde daher behaupten, die prüfen, was sie egal von wem auf ihrer Website veröffentlichen.
Du bist also der Meinung, dass ISW wäre hier nur ein "Sprachrohr ukrainischer Propaganda" oder würde Unwahrheiten verbreiten.
Daher wäre ich dir für Quellen dankbar, die diese These untermauern.
Vielen Dank.
Akzeptierst du evtl. das CSIS as Quelle?
https://www.csis.org/analysis/drone-satu...d-campaign
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Aegrotare:
Zitat:Ich würde dir in allen deinen Punkten Rechtgeben, aber es gibt zwei Probleme mit ihnen.
1. Die Chinesen haben schon angekündigt, dass sie ein starkes Russland wollen um die Amerikaner stärker in Europa zu binden.
2. Alle deine Annahmen zur europäischen Stärke setzt Einigkeit vorraus und diese sehe ich nicht. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass viele Länder dem Baltikum zur Hilfe eilen, wenn sie einen Abnutzungskrieg wie in der Ukraine dafür riskieren.
Mal abgesehen davon, dass West-Taiwan dies keineswegs so öffentlich angekündigt hat, und völlig unabhängig von der Frage worauf die Westtaiwanesen hinaus wollen sie so etwas ohnehin niemals öffentlich ankündigen würden, will West-Taiwan zweifelsohne alles mögliche, aber kein starkes Russland. Auch nicht um damit die USA „in Europa zu binden“, denn die USA würden sich bei einer ernsthaften Konfrontation mit West-Taiwan keineswegs in Europa binden lassen. Das vermeintlich Chinesisch-Russische Bündnis ist eine bloße Illusion und dient primär dazu die Russen so weit wie möglich in den Dreck zu reiten.
Dein zweiter Einwand ist berechtigt. Insbesondere können wir uns gar keinen Abnutzungskrieg wie in der Ukraine leisten, dafür sind die europäischen Gesellschaften aktuell nicht aufgestellt. Der Umkehrschluss für mich ist daraus folgender: 1. Wir benötigen eine signifikante Abschreckung, damit die Russen überhaupt erst nicht angreifen – darüber besteht ja auch allgemein Einigkeit. Diese Abschreckung kann aber nicht über konventionelle Bodentruppen hergestellt werden. Noch so viele Panzerbrigaden werden die Russen eben nicht abschrecken, dass ist hier der wesentliche Punkt. Zum 2. müssten wir unsere Streitkräfte auf eine möglichst frühzeitige „Entscheidungsschlacht“ ausrichten, mit welcher der Krieg direkt zu Beginn absolut einseitig und nachhaltig zu unseren Gunsten gekippt wird. Auch hier für sind die aktuellen Pläne, soweit sie bekannt sind, nicht sonderlich geeignet.
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Wittgenstein:
Zitat:Jetzt vergleich mal die Rohstoffvorkommen Russlands mit denen der EU.
Endlich mal ein wirklich valides Gegenargument ! Absolut richtig, dass stellt ein immenses Problem dar. Man könnte darüber hinaus auch noch auf die viel größere Abhängigkeit unserer Gesellschaften vom nahtlosen funktionieren und bestehen bestimmter Umstände verweisen, was in Russland so nicht gegeben ist, weil die russische Gesellschaft immens viel widerstandsfähiger gegen Einwirkungen ist.
Umgekehrt: vergleich mal die Effizienz, die Effektivität, die Korruption und die Kompetenz von Russland und den EU Staaten. Russland krankt vor allem daran, dass es für die Kriegsführung extrem dysfunktionale Systeme und Prozesse betreibt (welche natürlich in einem ganz anderen Kontext, mit einer ganz anderen Zielsetzung durchaus funktional sind). Dazu die extreme Korruption, die Mafiastrukturen und die hochgradige Inkompetenz.
Wäre Russland so fähig wie die EU, und deutlich weniger korrupt, wäre Russland zweifelsohne eine bedeutende Weltmacht. Die aktuellen russischen Eliten, insbesondere die St. Petersburger Mafia-Kamarilla im Kreml halten jedoch Russland klein. Die Russen können daher ihre natürlichen immensen Vorteile – insbesondere ihren Rohstoffreichtum – nicht ausreichend für sich mobilisieren.
[quoteDie BW ist genau die Streitkraft, welche wir verdienen. Ein aufgeblasenes, impotentes Bürokratenmonster, welches nur im internationalen Kontext gedacht werden darf und in erster Linie wirtschaftlichen Interessen dient. [/quote]
So ist es. Und daraus folgt für mich, dass diese Fehlentwicklung sozialkulturelle Gründe hat, an den Zuständen in der Gesellschaft insgesamt liegt und daher noch so viel Geld welches man in diese Geldvernichtungsmaschine wirft nichts ändern wird, wenn nicht die Umstände geändert werden, einschließlich der militärischen Kultur und der inneren Verfasstheit der Bundeswehr an sich.
Pmichael:
Zitat:Zitat:Die Frage ist doch eher, wann sie es können:
https://understandingwar.org/backgrounde...ne-11-2025
Das allein sind schon über 62.000 Stück pro Jahr von einem USV Typ - Tendenz steigend. Es ist wie in jedem Krieg gegen Russland, wie mir scheint, wenn er lange genug dauert, kommt die Welle der Masse - früher war's halt der T-34.
Ja, die Ukrainer behaupten das Schlimmste. Man muss nicht jeden Mist einfach hinnehmen, ich dachte das Mystifizierung russischer Fähigkeiten wäre mal so langsam out
Ich stimme dir absolut zu, dass die Russen aktuell und auch in absehbarer naher Zukunft mit ihren Drohnen und zielsuchender Munition nicht in die Gänge kommen (im Vergleich zum theoretisch für sie machbaren und möglichen).
Das ist aber für die Frage, wie weit die Drohnenproduktion und der Einsatz derselben an sich hochskalierbar wären gar nicht relevant.
Nehmen wir also mal nur die Ukrainer für sich allein: Hier und jetzt produziert die Ukraine (also nicht die Russen, sondern die Ukrainer) pro Monat ca. 200.000 Drohnen. Diese werden auch pro Monat verbraucht.
Mehrere Diskussionteilnehmer haben mir ja jetzt hier vorgeworfen, solche Zahlen seien undenkbar, nicht produzierbar, nicht einsetzbar. Sie sind aber längst Realität. Wir sprechen hier und jetzt von Millionen (!) von Drohnen pro Jahr.
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muck:
Aufgrund der Vielzahl an Einzelsätzen welche du jeweils für sich selbst in Einzelsätzen beantwortest, will ich das nicht noch weiter zergliedern, da es dann meiner Meinung nach zu unübersichtlich wird. Meiner Meinung nach führt die Art wie du deine Antworten aufgegliedert hast bereits jetzt zu Problemen bei der Verständigung. Daher will ich versuchen, stattdessen Aussagen von dir welche sich in immer neuer Formulierung wiederholen zusammen zu fassen und Muster aufzugreifen.
Als ersten Komplex sehe ich bei dir eine mehrfach wiederholte Diskussion mit Autoritäten. Nicht als rhetorischen Trick, ich werfe dir damit auch rein gar nichts vor, denn dass ist ja ein valides Argument. Andere Armeen haben die gleichen Strukturen, andere Armeen machen dassselbe usw. also kann es doch nicht falsch sein ?! Die Experten sind sich einig, die Mehrheit der Wissenschaftler sagt das gleiche etc. Dazu gehört auch deine Frage nach meinem militärischen Hintergrund, ob ich in der Forschung sei usw. weshalb ich mit diesem Punkt mal anfangen will.
Mein tatsächlicher militärischer Hintergrund (ja, ich habe tatsächlich einen) ist sehr exzentrisch, und behindert mich daher allenfalls bei der Wahrnehmung, der Bewertung und der Einordnung des hier diskutierten, weil dies weit außerhalb dessen liegt was ich hierzu an eigenen realen militärischen Erfahrungen einbringen kann. Tatsächlich habe ich vor allem im Bereich COIN reale Erfahrung, aber das hat ja mit dem Thema hier (Panzerkorps, konventionelle Kriegsführung usw) nichts zu tun. Die Möglichkeit dass dadurch bei mir eine Verzerrung in der Wahrnehmung vorliegen könnte ist mir jedoch vollauf bewusst. Ich war zu keinem Zeitpunkt in der Forschung und bin dies auch nicht, ich bin ein reiner Praktiker, weshalb ich ja so gerne den Begriff des Kriegshandwerks hervorhebe.
Meine rein privaten Einschätzung nach ist diese meine Außenseiterperspektive jedoch vorteilhaft, gerade eben weil ich nicht den üblichen Cursus Honorum dieser Bundeswehr durchlaufen habe. Wenn man über Jahre in diesem System Bundeswehr sozialisiert wurde, so beeinflusst das natürlich die eigenen Sichtweisen und die Wahrnehmung ganz genau so massiv – und entsprechend stelle ich bei vielen Bundeswehrsoldaten genau so eine Verzerrung fest, wie ich sie für meine Wahrnehmung befürchte. Sie sehen alles verzerrt durch ihre militärische Sozialisation. Ich weiß um dieses Problem und versuche es zu berücksichtigen.
Nun zu deiner mehrfach wiederholten Argumentation, dass viele Armeen ja genau das gleiche tun, wie die Bundeswehr, die gleichen Strukturen hätten usw. Zum einen ist dies so nicht richtig, du unterschätzt die Unterschiede massiv. Die Streitkräfte unterscheiden sich weltweit erheblich, auch wenn es schon gewisse Tendenzen gibt die NATO bzw. den Westen nachzuahmen. Zum anderen aber hast du in Bezug auf die NATO schon dahingehend recht, dass sich in der NATO die Streitkräfte teilweise erstaunlich angeglichen haben, sich überall die Vorstellungen der USA von der Kriegsführung ausgebreitet haben und Unterschiede, welche selbst bei NATO Armeen früher signifikant waren, immer mehr abgenommen haben.
Das reicht viel weiter und tiefer als es die meisten wahrnehmen. Man nehme beispielsweise die Veränderungen allein bei der Klassifizierung von Kampfweisen / militärischen Handlungen in den Gefechtsarten und Besonderen Gefechtshandlungen früher zur heutigen Strukturierung der Operationsarten usw. usf. Nun könnte man daraus schlußfolgern, dass dies doch darauf hindeutet, dass diese Entwicklung sich als das bessere erwiesen hat, also richtig ist.
Oder man könnte umgekehrt, wie ich es tue, feststellen, dass es gerade in der NATO aktuell massive Fehlentwicklungen gibt. Meine Kritik ist also tatsächlich nicht auf die Bundeswehr beschränkt. Insgesamt sehe ich in der NATO seit Jahren massive Fehlentwicklungen. Warum aber gleichen sich nun die Streitkräfte in der NATO trotzdem in der beschriebenen Weise an ?!
Die Antwort ist höchst einfach: weil die NATO und die USA es so vorgeben, gemeinsame Einsätze im Krieg gegen den Terror, IKM, Stabilisierungsoperationen dies über gemeinsame Stäbe, Einsatzkontingente und ständigen Austausch immer mehr ausgebreitet haben und weil die Vernetzung in der NATO ungünstige Strukturen selbst dann ausbreitet wenn es vielen klar ist, dass diese Strukturen schlecht sind.
Die Bundeswehr ist dabei also keineswegs die einzige Armee welche sich teilweise in einer Fehlentwicklung befindet. Und umgekehrt muss durchaus festgehalten werden, dass es bei der Bundeswehr immer noch / oder wieder auch positive Entwicklungen gibt, als Beispiel seien die aktuellen Pläne genannt wie man Brigadestäbe im Krieg einsetzen will u.v.m.
Mit dieser Meinung stehe ich übrigens keineswegs alleine. Es gibt in etlichen Ländern und auch innerhalb der Bundeswehr teilweise noch schärfere Kritik an diesen NATO Entwicklungen als ich sie hier äußere. Du beschreibst mich ja mehrfach als Radikal, Extremistisch usw. jedoch sind auch etliche Soldaten durchaus gleichermaßen „radikal“ was ihre Ablehnung gewisser aktueller Fehlentwicklungen angeht.
In diesem Kontext möchte ich dir insbesondere das Buch: Something Rotten: Land Command in the 21st Century von Jim Storr empfehlen. Wobei ich anführen könnte, dass ich die in diesem Buch dargelegten Probleme bereits Jahre vor erscheinen dieses Buches ganz genau so im Netz immer wieder und wieder benannt habe. Ist Jim Storr also auch nur ein Extremist ? Ein Radikaler ?!
Womit wir beim zweiten Komplex sind: deinem Unbehagen darüber dass ich radikale Veränderungen fordere. Meiner Einschätzung nach bist du ein klassischer Konservativer. Was keine Kritik ist ! Viele denken von mir, ich sei ebenfalls erzkonservativ etc. aber dem ist nicht so. Ich bin tatsächlich Radikal, und in Bezug auf alles Militärische ein Futurist. Deshalb verwende ich ja so oft den Begriff des militärischen Futurismus, welcher jedweder Vergangenheit keinerlei Wert beimisst. Diese Einschätzung von dir ist also absolut korrekt. Was du jedoch meiner Ansicht nach nicht ausreichend berücksichtigst ist, dass deine politische und soziale Gesinnung als Konservativer und dass Unbehagen welches du daraus gegenüber Positionen wie der meinen empfinden musst bei dir eine Verzerrung der Wahrnehmung und Einordnung meiner Positionen hervorruft.
Du schreibst meiner Ansicht nach wirklich regelmäßig an mir vorbei, weil du meine Ausführungen anscheinend tatsächlich nicht nachvollziehen kannst. Das liegt zum einen natürlich an der Beschränktheit einer schriftlichen Kommunikation in einem bloßen Forum, da geht viel unter. Zum anderen aber liegt das mMn auch an deiner konservativen Grund-Einstellung, dem Konservatismus deines Denkens, welcher völlig konträr zu allem ist was ich denke.
Beispielsweise schreibst du, ich würde mich die 1000 Panzer als Zahl verbeißen, dabei ist das in keinster Weise der Fall. Stattdessen verbeiße ich mich eigentlich in die Konzeptlosigkeit und den mangelnden Kontext solcher Pläne / Aussagen / Möglichkeiten. 1000 Kampfpanzer können genau so gut richtig sein wie sie falsch sein können. Wenn die Umstände andere wären, dass Konzept ein anderes, könnte es gut sein, dass ich auf der Stelle 3000 Kampfpanzer fordere !
Dann würdest du dich erneut erstaunen und schreiben: dass ich doch gegen Kampfpanzer gewesen sei und was dies nun bedeuten soll etc. An anderer Stelle hast du mal auf meine Person den Begriff Enigma verwendet und erklärt, ich sei für dich ein politisches Enigma. Das ist aber eine Täuschung. In Wahrheit sind meine Positionen seit vielen Jahren äußerst stringent. Vor allem anderen vertrete ich einen radikalen Funktionalismus. Alles hat sich der Funktion unterzuordnen, alles was dieser nicht unmittelbar und direkt dient ist falsch. Was jeweils funktional ist, hängt aber von den Umständen ab, und diese ändern sich.
Womit wir beim nächsten Komplex sind, nämlich deinem Unverständnis darüber, warum ich jedweden Regeln, Gesetzen, Recht, Annahmen, Axiomen usw. im Krieg bzw. im Kontext des Krieges keine Bedeutung zumesse. Du schreibst, wie man den überhaupt Strategie lehren will, wenn es keine Gesetzmäßigkeiten gibt. Darin zeigt sich schon der primäre und massive Unterschied in unseren Denkweisen. Krieg ist für mich eine Kunst, in welcher Intuition, kriminelle Energie, Amoralität und vor allem anderen radikaler Funktionalismus die überlegenen Prinzipien darstellen.
Das heißt umgekehrt nicht, dass man Gesetze, Regeln usw. nicht einhalten sollte, sondern dass man erkennen sollte, wann und warum man sie einhalten sollte, nämlich wenn sie nützlich sind, also wenn sie funktional sind. Krieg ist für mich demgegenüber keine Mathematik, keine bloße Wissenschaft, und ganz sicher nichts was unabhängig von den Umständen gedacht werden kann. Und ja, in der reinen Theorie würde man dann für jeden Krieg eigentlich eine speziell auf diesen zugeschnittene Armee benötigen, wie du es an einer Stelle schreibst. Nur weil dies praktisch nicht möglich ist, muss man diesen Widerspruch halt als eine der Paradoxien des Krieges hinnehmen.
Im weiteren fällt mir auf, dass du immer wieder mal Clausewitz anführst. Dessen Werk ich durchaus schätze, und insgesamt schon fünfmal vollständig gelesen habe. Ich versuche jedoch auch in Bezug auf solche Grundlagenwerke immer, die dort genannten Lehrsätze neu zu denken. Beispielsweise ist es aufgrund des Lesens von Clausewitz meine Überzeugung geworden, dass in Wahrheit die Politik lediglich die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln ist. Und ich schreibe das beispielsweise ganz bewusst und intentional so. Im übrigen war ich immer schon eher ein Anhänger von Jomini als von Clausewitz, was hier nun auch wiederum einige erstaunen mag. Ich halte aber auch Jomini für sehr oft fehlinterpretiert, insbesondere in der Sichtweise der US Streitkräfte auf sein Werk, die ja primär aus der Interpretation durch Mahan her rührt. Lassen wir ihn einfach selbst zu Wort kommen:
Krieg ist in seiner Gesamtheit keine Wissenschaft, sondern eine Kunst. Insbesondere die Strategie mag zwar einzelfallweise durch feste Gesetze geregelt sein, die denen der Wissenschaften ähneln, doch gilt dies nicht für den Krieg als Ganzes. Unter anderem können Gefechte oft völlig unabhängig von wissenschaftlichen Kombinationen sein und im Wesentlichen dramatisch werden, wobei persönliche Eigenschaften und Inspirationen und tausend andere Dinge häufig die bestimmenden Elemente sind. Die Leidenschaften, die die aufeinanderprallenden Massen bewegen, die kriegerischen Eigenschaften dieser Massen, die Energie und das Talent ihrer Befehlshaber, der mehr oder weniger kriegerische Geist von Nationen und Epochen – kurz gesagt, alles, was man als Poesie und Metaphysik des Krieges bezeichnen kann – werden seinen Ausgang nachhaltig beeinflussen.
Ein weiterer Komplex ist die Einordnung des Krieges in der Ukraine in Bezug auf ihren Aussagewert. Auch wieder so ein Musterbeispiel dafür, wie du eigentlich an mir vorbei schreibst. Deine Annahme ist, dass ich den Krieg in der Ukraine von seiner Aussagekraft her weit überschätze, daher beispielsweise so Vorwürfe von dir wie dass ich einem Rezenzeffekt unterliegen würde. Ein Musterbeispiel dafür wie du meine Denkweise nicht nachvollziehen kannst !
Denn: wenn Lehrsätze und Regeln für mich schlussendlich ohnehin keinerlei Bedeutung haben, dann ist die Frage der Kriegsführung in der Ukraine für mich in Wahrheit gar nicht so relevant. Ich bemesse ihr daher gar nicht den Wert zu, den du denkst. Natürlich untersucht man das Geschehen dort, zieht Schlussfolgerungen daraus, aber ich sehe mich nirgends an diese gebunden bzw. gewichte diese in Wahrheit gar nicht so hoch wie du annimmst.
Schlussendlich glaube ich nicht, dass man Strategie und Taktik tatsächlich vollständig lernen kann, indem sie einem gelehrt werden, weil sie nicht vollständig lehrbar sind. Man kann sich dadurch allenfalls annähern, weshalb ich ja so oft betone, dass Krieg eine künstlerische Tätigkeit ist. Meine Radikalität diesbezüglich ist nur im Kontext der real existierenden Bundeswehr nicht zielführend, was eine amüsante Ironie ist, da ich ja das militärische Ziel so weit wie nur irgendwie denkbar überhöhe. Meine Mentalität ist daher meiner Überzeugung nach mehr als kriegstauglich, aber natürlich unter den aktuellen Umständen nicht mal im Ansatz in dieser Bundeswehr umsetzbar.
Mein primärer Vorwurf aber insgesamt ist genau dieses Fehlen einer kriegstauglichen Mentalität.
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Zitat:Der Meinung schließe ich mich an. Meine Befürchtung ist allerdings, dass im Gegenteil noch weitere mKr-Brigaden aufgestellt werden, weil es eben die einfachste Möglichkeit ist, um kurzfristig Kräfte an die Front zu verlegen, was den Forderungen der NATO entspricht.
Im august wird es wohl neue Daten geben über die Gliederung der Bw. Vielleicht gibt es auch mal ein angepasstes Zielbild . Das man wieder leichte Kräfte favorisiert und auch ein luftbeweglicher Infanterieverband dauerhaft gestellt werden muss ist nun schon seit zwei Jahren bekannt.
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PS:
Noch als Einzelpunkt den ich vergessen habe:
Zitat:Zweifelst Du auch an der Befähigung der russischen Entscheidungsebene, die dieses Szenar mehrfach beübt hat, zuletzt 2020?
Man sollte nach all dem was man die letzten Jahre gesehen hat erheblich an der Befähigung der russischen Entscheidungsebenen zweifeln. Aber gehen wir mal trotzdem auf diesen Punkt ein. Es gibt hier genau drei Möglichkeiten:
1. Man hat damals (2020) so geplant, aber die Umstände hier und jetzt sind völlig anderes als 2020. Ein Manöver 2020 sagt also rein gar nichts aus darüber wie der Krieg jetzt stattfinden wird. Die russische Armee war 2020 völlig anderes, die NATO war völlig anders usw. usf.
2. Man wollte / will damit täuschen um uns dazu zu verleiten, unsere Verteidigung auf dieses Szenario auszurichten. Diese Täuschung könnte auch jetzt noch aktuell sein, und Täuschung und strategische Überraschung sind etwas, was eigentlich (theoretisch) ein Kern russischer Doktrin ist (маскировка).
3. Die Russen planen immer noch so - dann gäbe es nichts besseres für uns, denn wenn sie tatsächlich so inkompetent wären auf diese Weise vorzugehen, wäre dies für uns am günstigsten. Das würde dann nur recht schnell mit einer russischen Niederlage enden und zugleich das weißrussische Problem für uns lösen (denn ein weiterhin de jure neutrales Weißrussland ist für uns viel problematischer als wenn aus Weißrussland direkt der Angriff in der von dir genannten Richtung erfolgt).
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(07.07.2025, 14:39)alphall31 schrieb: Das man wieder leichte Kräfte favorisiert und auch ein luftbeweglicher Infanterieverband dauerhaft gestellt werden muss ist nun schon seit zwei Jahren bekannt. Was natürlich eine verrückte Aussage ist, wenn gleichzeitig die fortschreitende Umwandlung leichter Kräfte in mittlere betrieben wird.
Ein Musterbeispiel dafür, dass die Dinge einfach nicht konzeptionell abgestimmt ablaufen.
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Das sehe ich jetzt nicht als das Problem . Bisher haben sich die Jägerbtl nicht verändert und auch die Ausbildung hat sich ja nicht geändert . Die Jägerbtl waren früher mit Fuchs und Boxer ausgestattet und sind es jetzt auch noch. Schwerpunkte haben sich verlagert, mehr eigentlich nicht. In erster Linie werden diese leichten Kräfte auch durch die Gebjg gestellt . Aber um durchhaltefähig zu bleiben werden diese nicht reichen. Eng wird es natürlich bei der gestellung des Luftbeweglichen einsatzverbandes, welcher vorher durch Jgbtl/Jgrgt 1 abgebildet wurde. Dieses wurde halt schon vor längerer Zeit umgerüstet mit der Fahrzeugausstattung .
Fragen kann man sich allerdings schon was da im Ministerium abläuft, die Zusage dazu ist fast 2 Jahre her . Also ist es mindestens schon seit drei bis vier Jahren bekannt in welche Richtung es geht.
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(07.07.2025, 19:17)alphall31 schrieb: Das sehe ich jetzt nicht als das Problem . Bisher haben sich die Jägerbtl nicht verändert und auch die Ausbildung hat sich ja nicht geändert . Die Jägerbtl waren früher mit Fuchs und Boxer ausgestattet und sind es jetzt auch noch. Schwerpunkte haben sich verlagert, mehr eigentlich nicht. Du schaust halt auch wie üblich auf das, was tatsächlich in der Truppe passiert. Die Planungen für die mKr sehen aber halt vor, dass die Jäger mit den RadPzGren gemeinsame Brigaden bilden. Das hält sie natürlich nicht davon ab, einzeln zu Aufträgen als leichte Kräfte geschickt zu werden, aber es steht trotzdem für eine gegensätzliche Zielsetzung.
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An den Aufgaben hat sich ja auch nichts geändert letztendlich. Die jägertruppe war halt vorher schon nicht ihrer truppengattung gemäß ausgestattet . Die Tendenz geht nun mal dahin alles zu panzern bis es nach drei Tagen Regen keinen Waldweg mehr befahren kann. In welchen Brigaden sie sind ist ja erst mal egal.
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(07.07.2025, 13:37)Quintus Fabius schrieb: Aufgrund der Vielzahl an Einzelsätzen welche du jeweils für sich selbst in Einzelsätzen beantwortest, will ich das nicht noch weiter zergliedern, da es dann meiner Meinung nach zu unübersichtlich wird. Meiner Meinung nach führt die Art wie du deine Antworten aufgegliedert hast bereits jetzt zu Problemen bei der Verständigung. Interessant, so habe ich das nie empfunden, ich dachte, ein genaues Zitieren sei hilfreich.
Zunächst einmal, erlaube mir ein Missverständnis gleich auszuräumen: Es ging bei bei der Betonung der Tatsache, dass Du eine Mehrheit gegen Dich hast, durchaus nicht darum, für einen bestimmten Standpunkt einzutreten und zu sagen: "So ist es richtig."
Meinungen sind wie Geschmäcker, man kann nicht gut darüber streiten, und so lange sich die Diskutanten an die einschlägigen Grundsätze halten (und seien es nur die Gesetze der Logik), sind sie auch eher selten per se richtig oder falsch.
Ich versuche deshalb meistens, nicht Meinungen unter die Lupe zu nehmen, sondern Wege der Meinungsfindung (ob mir das gelingt, ist eine andere Frage). Der Erkenntnisgewinn ist nach meinem Dafürhalten größer, außerdem bleiben Diskutanten länger einer Diskussion zugänglich, als wenn man gegen ihre Meinungen argumentierte.
Mir ist durchaus klar, dass eine Doktrin nicht schon deshalb richtig ist, weil sie von vielen Streitkräften gelehrt wird.
Doch was Lehr- bzw. Mehrheitsmeinungen ihre Autorität verleiht, ist die Möglichkeit der Kontrolle. Umso mehr Menschen sich mit überkommenen Lehrsätzen befassen—und sei es nur als passive Anwender, die ihre Kritik ins Dienstabschlussbier murmeln—desto höher die Chance, dass Fehler aufgedeckt werden.
Bei mir ist der Eindruck entstanden—der falsch sein kann, aber nichtsdestotrotz besteht—, dass Du die vorherrschende Doktrin schon deshalb für falsch hältst, weil man an ihr festhält. Wobei dieses "man" sich natürlich auf eine streng hierarchische, nicht sehr innovationsfreudige Organisation bezieht. Das genügt mir aber ebenso wenig als Beleg, wie der Verweis auf die Neigung von Streitkräften, sich auf den letzten Krieg statt auf künftige vorzubereiten ("make yesterday perfekt").
Du scheinst mir den zweiten, dritten, vierten Schritt vor dem ersten machen zu wollen. Es kann gut sein, dass Deine Kritik in der Sache, auf die weitere Zukunft bezogen, richtig ist. Das heißt jedoch nicht, dass ein solch radikaler Umbau unmittelbar das richtige Mittel der Wahl wäre. (Deshalb die Werkzeug-Handwerker-Analogie.) Habe ich Dich in diesem Sinne als "Extremist" bezeichnet? Daran kann ich mich nicht erinnern. Als "radikal", das freilich, aber diesem Etikett stimmst Du weiter unten ja zu.
Danke übrigens für die Buchempfehlung, Storr kenne ich tatsächlich, "Prozessroboter" benutze ich manchmal als Beschimpfung …  Aber seine Kritik trägt doch nicht allzu viel zu der hier diskutierten Frage bei? Worauf beziehst Du Dich genau?
In 'Something Rotten' beschäftigt er sich vor allem mit den zentralisierten Entscheidungsfindungsprozessen der Briten und dem, wie er sagt, Unvermögen von Armeen, sich anders als durch Generationenwechsel weiterzuentwickeln.
Ich schreibe explizit "Briten", obwohl manches verallgemeinerbar ist und verallgemeinert wird, weil Storr natürlich innerhalb der britischen Armee sozialisiert wurde, die keine Auftragstaktik nach deutschem Muster lebt, was denn auch aus mancher Anekdote erhellt. Mehr taktische Autonomie gönnen, Zielvorgaben setzen statt Befehle ausbuchstabieren—das zumindest ist kein deutsches Problem, jedenfalls nicht auf Einheits- und Verbandsebene.
Dass Kommando‑ und Führungsstrukturen zu aufgebläht, prozesslastig und träge sind? Das trifft natürlich zu. Wir haben ja schon viel darüber diskutiert. Dass eine politisch goutierte Fehlervermeidungskultur und institutionelle Bequemlichkeit Innovationen und Reformen blockieren? Geschenkt, ist alles wahr.
Letztlich leitet das Beispiel direkt dazu über, warum ich fragte, ob Du einen Hintergrund in der Forschung hast (ein sponanter Gedanke, der mir beim Lesen kam). Es ist nicht so sehr, dass ich in allen Fragen anderer Meinung wäre als Du, gerade Deine Kritik an der "Tribüne" teile ich in der Sache durchaus. Es ist aber das eine, eine Krankheit zu diagnostizieren, und etwas anderes, ein Heilmittel zu finden, das heilt und möglichst geringe Nebenwirkungen hat.
Eine Kritik wie Deine (oder Storrs) findet man wohl in Bezug auf jede Epoche—wenn nicht schon von Zeitgenossen formuliert, dann zumindest als rückblickende Kritik durch Historiker. Daraus folgere ich, dass die diskutierten Probleme allgemeiner Natur sind, menschlicher Makel, und es wenig Sinn hat, sich allzu sehr an konkreten Entscheidungsträgern und Strukturen abzuarbeiten.
Außerdem, und das wiegt schwerer, ist eine Fehleranalyse nur so nützlich wie die Veränderungen, die sie ermöglicht.
Was ich mit meinen beschränkten Mitteln die ganze Zeit zu sagen versuche, und warum ich Dich radikal nenne: Du willst meiner Meinung nach zu viel Veränderung, und Du willst sie zu schnell. Darin zumindest bleibe ich fest: Der Umbau, den Du forderst, ist nicht evolutionär, sondern revolutionär. Und Revolutionen haben die Angewohnheit zu scheitern. Lieber im Schneckentempo in die richtige Richtung, als mit Känguruhsprüngen voranpreschen und auf die Nase fallen.
Ich sehe das auch nicht als Ausdruck von Konservatismus, sondern als erfolgsorientierten Pragmatismus.
(07.07.2025, 13:37)Quintus Fabius schrieb: Krieg ist für mich eine Kunst, in welcher Intuition, kriminelle Energie, Amoralität und vor allem anderen radikaler Funktionalismus die überlegenen Prinzipien darstellen.
Das heißt umgekehrt nicht, dass man Gesetze, Regeln usw. nicht einhalten sollte, sondern dass man erkennen sollte, wann und warum man sie einhalten sollte, nämlich wenn sie nützlich sind, also wenn sie funktional sind. Ist dieser Ansatz praktisch umsetzbar? Siehst Du ihn in der jüngeren Vergangenheit umgesetzt, insbesondere durch Staatsführungen, deren Beispiel wir folgen könnten? (07.07.2025, 13:37)Quintus Fabius schrieb: Beispielsweise ist es aufgrund des Lesens von Clausewitz meine Überzeugung geworden, dass in Wahrheit die Politik lediglich die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln ist. […] Das erklärt vieles. Eine solche Sichtweise lässt für eine wertegeleitete Weltordnung—selbst eine, die mehr Schein als Sein ist—natürlich keinen Raum. Ob sie mit dieser extremen Konsequenz zutreffend ist, mag dahingestellt sein. (Denn selbst eine Welt ohne wertegeleitete Ordnung ist keine darwinistische Dystopie, in der ständig und allseits Krieg geführt würde; es gibt fast immer kostengünstigere Mittel, um die Ziele eines Staates zu verwirklichen.)
Was aber das Originalzitat anlangt, bezog ich mich darauf, dass—wenn Krieg lediglich gewaltsam durchgesetzte Politik ist—der einzige Maßstab der Qualität einer Kriegskunst sein kann, ob sie die politisch formulierten Ziele erreicht (und zu welchen Kosten). Müsstest Du diese Sichtweise nicht teilen, Dich auf den von Dir betonten funktionalistischen Imperativ stützend? Oder habe ich Dich schon wieder falsch verstanden?
Wenn dem aber so ist, warum sollte dann ein Staat, der auf Angriffskriege verzichtet, deshalb nicht kriegstauglich aufgestellt sein? (07.07.2025, 13:37)Quintus Fabius schrieb: Krieg ist in seiner Gesamtheit keine Wissenschaft, sondern eine Kunst. Insbesondere die Strategie mag zwar einzelfallweise durch feste Gesetze geregelt sein, die denen der Wissenschaften ähneln, doch gilt dies nicht für den Krieg als Ganzes. Unter anderem können Gefechte oft völlig unabhängig von wissenschaftlichen Kombinationen sein und im Wesentlichen dramatisch werden, wobei persönliche Eigenschaften und Inspirationen und tausend andere Dinge häufig die bestimmenden Elemente sind. Die Leidenschaften, die die aufeinanderprallenden Massen bewegen, die kriegerischen Eigenschaften dieser Massen, die Energie und das Talent ihrer Befehlshaber, der mehr oder weniger kriegerische Geist von Nationen und Epochen – kurz gesagt, alles, was man als Poesie und Metaphysik des Krieges bezeichnen kann – werden seinen Ausgang nachhaltig beeinflussen. Unterliegt aber nicht auch die Kunst Gesetzmäßigkeiten, selbst wenn es mitunter schwierig oder sogar unmöglich ist, sie allgemeingültig auszudrücken (im Sinne Stewarts: "I know it when I see it")? (07.07.2025, 13:37)Quintus Fabius schrieb: Ein weiterer Komplex ist die Einordnung des Krieges in der Ukraine in Bezug auf ihren Aussagewert. Auch wieder so ein Musterbeispiel dafür, wie du eigentlich an mir vorbei schreibst. Deine Annahme ist, dass ich den Krieg in der Ukraine von seiner Aussagekraft her weit überschätze, daher beispielsweise so Vorwürfe von dir wie dass ich einem Rezenzeffekt unterliegen würde. Ein Musterbeispiel dafür wie du meine Denkweise nicht nachvollziehen kannst !
Denn: wenn Lehrsätze und Regeln für mich schlussendlich ohnehin keinerlei Bedeutung haben, dann ist die Frage der Kriegsführung in der Ukraine für mich in Wahrheit gar nicht so relevant. Ich bemesse ihr daher gar nicht den Wert zu, den du denkst. Natürlich untersucht man das Geschehen dort, zieht Schlussfolgerungen daraus, aber ich sehe mich nirgends an diese gebunden bzw. gewichte diese in Wahrheit gar nicht so hoch wie du annimmst. Wenn Lehrsätze für Dich keine Bedeutung haben, wie lässt sich dann überhaupt in Deinen Augen eine künftige Gliederung der Bundeswehr formulieren? Wäre nicht jede Gliederung Ausdruck von verallgemeinerten Beobachtungen?
Das verstehe ich in der Tat nicht. (07.07.2025, 13:37)Quintus Fabius schrieb: Meine Mentalität ist daher meiner Überzeugung nach mehr als kriegstauglich, aber natürlich unter den aktuellen Umständen nicht mal im Ansatz in dieser Bundeswehr umsetzbar. Und in allen anderen Streitkräften, nehme ich an? Denn welche Armee ist schon nach den von Dir skizzierten Grundsätzen organisiert und geführt? (07.07.2025, 13:37)Quintus Fabius schrieb: Mein primärer Vorwurf aber insgesamt ist genau dieses Fehlen einer kriegstauglichen Mentalität. Dann lasse mich eine ganz konkrete Verständnisfrage stellen: Gibt es Dir zufolge andere Formen oder Abstufungen von Kriegstauglichkeit?
(06.07.2025, 23:41)Broensen schrieb: Wie kommst du darauf, dass das nicht bereits so ist?
In der Landesverteidigung geht es heute und auf absehbare Zeit um asymmetrische Lagen im Rahmen hybrider Kriegsführung und den Schutz von Infrastruktur. Das hat rein gar nichts mit dem zu tun, was in der Bündnisverteidigung benötigt wird.
Landes- und Bündnisverteidigung lässt sich für mich nur in einer gemeinsamen Klammer denken, und das gilt auch für die vorzuhaltenden Mittel und Fähigkeiten. Man sollte sich nicht darauf verlassen, dass ein Angriff im Baltikum sich nicht durch Methoden der hybriden Kriegsführung einschleicht.
Genauso wenig kann man einen massiven Angriff aufs Bundesgebiet ausschließen, durchaus auch zu Land. Bedenkt man, wie eine Handvoll Terroristen eine ganze Stadt lähmen und buchstäblich tausende Polizisten binden können (siehe z.B. in Mumbai oder Paris), wird klar, dass auch kleine Kommandos enorm großen Schaden anrichten können.
Deswegen hoffe ich auch, dass man sich beim Heimatschutz wieder mehr am untergegangenen Territorialheer orientiert, und in der Heimatschutzdivision Einheiten und Verbände alter Schule aufstellt, die nicht nur den Objektschutz beherrschen und die anderen Divisionen unterstützen können. (06.07.2025, 23:41)Broensen schrieb: Nicht verunmöglicht, aber einerseits unwahrscheinlicher macht, weil zu erwarten ist, dass man sich auf den Panzerstückzahlen ausruhen wird. Nichts für ungut, aber solche Gemeinplätze führen zu nichts, denn diese Gefahr besteht bei jeder Veränderung. So, wie sich manche Politiker und Offiziere seit dem Bergkarabach-Krieg ausdrücken, könnte auch eine massive Aufrüstung mit Drohnen dazu führen, dass man glaubt, für die Zukunft gut aufgestellt zu sein, und alles andere vernachlässigt. Deutsche Armeen neigen seit preußischer Zeit dazu, technologische Dominanz zu überhöhen. (06.07.2025, 23:41)Broensen schrieb: Und andererseits frisst halt jede Beschaffung und Fähigkeit Ressourcen über den Kaufpreis hinaus. Insbesondere hinsichtlich Personal, Planungs-, Beschaffungs- und Produktionskapazitäten sowie Infrastruktur. All das ist nur begrenzt vorhanden. Bei anderen, teuren und personalintensiven Waffensystem könnte vielleicht eine Konkurrenz entstehen, aber bei Drohnen? Finanziell besteht die Konkurrenz schon gar nicht, dazu sind selbst High-end-Produkte zu billig, und personnell handelt es sich um eine klassische Fertigkeit für den Aufwuchs.
Außerdem, ich sagte es schon, halte ich diese Priorisierung für gerechtfertigt, weil es nun mal sehr lange dauert, Panzer zu bauen und ihre Bediener (v.a. taktisch) auszubilden. Drohnen kannst du zehntausende quasi sofort kaufen, aber Panzer? (06.07.2025, 23:41)Broensen schrieb: Was wäre dann das "Zielbild" bzw. die geplante Gliederung von ~2018, auf die du dich damit beziehst? Ich kenne "HEER2011" und dann das "Zielbild Einsatzkräfte Heer". Beide sehen keine 1000 Panzer vor. Nochmals, ich habe nie mit 1.000 Panzern argumentiert.
Aber: Keine Gliederung seit dem "Neuen Heer" sah überhaupt eine Vollausstattung vor, geschweige denn eine Ausstattung der nichtaktiven Verbände—wegen fehlender Mittel, und nicht etwa wegen fehlender Notwendigkeit.
Beispiel: Nach der alten StAN könnte selbst die anämische 2011er Gliederung (plus das nicht abgebildete HAmt) mit (6×44)+(5×2)+14=288×1,3=374 KPz Leopard 2 hinterlegt werden. Und da ist noch kein einziges Funktionsfahrzeug inkludiert. Will sagen, schon eine mittlere dreistellige Zahl ist sehr schnell in Strukturen verplant, die man nicht als panzerlastig bezeichnen kann.
(06.07.2025, 23:41)Broensen schrieb: Quelle dazu? Nicht weil ich's dir nicht glauben würde, sondern rein aus Interesse. ( Quelle)
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