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(03.01.2023, 12:04)Schneemann schrieb: Ich verstehe jetzt deinen Kritikansatz nicht bzw. verstehe ihn vielleicht falsch. Aber woran hängst du dich jetzt auf? Der Artikel mit dem Todesfall ist eigentlich recht normal und sachlich gehalten, und der aktuelle Artikel - nun ja, Ben-Gvir wird auch in israelischen Medien (so lange sie nicht ganz rechts stehen) als Rassist und Rechtsextremist bezeichnet, zumal er die eigene (israelische) Polizei auch schon übel beschimpft hat.
Schneemann
Ich denke man hat sich so an dieses Framing gewöhnt dass es vielen Lesern einfach nicht mehr auffällt. Warum bekommt die Fatah und ihre Al-Aksa-Brigaden nicht auch das passende Adjektiv davor gesetzt? Auf mehr wollte ich nicht hinaus. Ich lese den Spiegel noch sehr oft weil ein Nachbar ihn im Abo hat und mir fällt es immer wieder auf.
Aber zurück zu Israel. Ich denke dass Gvir und seine Partei immer wieder auf Provokation setzen werden. Einerseits weil die Partei sonst wieder aus dem Parteienspektrum verschwinden wird und andererseits weil von Gvir sicher eine Eskalation herbei gesehnt wird. Ich halte es für wahrscheinlich dass eine neue Intifada von der neuen Koalition dazu genutzt werden könnte Jerusalem unter voll Kontrolle zu bekommen. Auch der Siedlungsbau wird nun sicherlich noch stärker forciert werden.
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Recht interessante Hintergrundartikel zum Vorhaben der neuen israelischen Regierung, die Macht des Obersten Gerichts einzuhegen:
Zitat: The judicial apocalypse is not upon us
The real democratic deficit is in decades of judicial supremacy, in which the Supreme Court may ‘override’ the Knesset and has final say on any matter it chooses
https://blogs.timesofisrael.com/the-judi...t-upon-us/
Zusammengefasst ist der Kern des Problems, dass Israel keine Verfassung im eigentlichen Sinne besitzt an die das oberste Gericht gebunden wäre. Diesen Umstand hat das Gericht in den letzten Jahr(zehnten) ausgenutzt und seinen Machtbereich erheblich erweitert, sodass letztlich alle Knesset-Entscheidungen bishin zur Besetzung des Gerichts ohne rechtliches Framework fast nach Gutdünken durch das Gericht abgelehnt werden können.
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Zitat: Israel's High Court blocks Arye Deri from serving as minister
Ten to one, the High Court ruled that Prime Minister Benjamin Netanyahu should remove Deri from his positions.
https://www.jpost.com/israel-news/article-728898
Das würde nach Verfassungskrise riechen - wenn sie denn eine hätten.
Aber das muss man sich mal vorstellen. Deris politische Positionen und persönliche Verfehlungen außenvorgelassen - hier entscheidet das höchste Gericht, dass er nicht Minister sein darf. Warum? Es gibt kein Gesetz mehr das vorschreibt, dass veurteilte Straftäter nicht Minister sein dürfen. Ein entsprechendes Gesetz hat die jetzige Regierung vor Weihnachten modifiziert und abgeschwächt. Kann man davon halten was man will, in Deutschland fehlt eine solche Regelung komplett.
Das Gericht beruft sich nun vielemehr auf die durch sich selbst (!) verliehene Autorität, administrative Entscheidungen für nichtig zu erklären, wenn diese über das hinausgehen, was vernünftig und verantwortlich handelnde Entscheider tun würden.
Meiner Meinung nach - und ich halte von Gestalten wie Deri rein garnichts - ist dieses System völliger Wahnsinn und dem politischen Missbrauch von der Richterbank ist hier Tür und Tor geöffnet.
Die Folgen dieser Entscheidung könnten gravierend sein. Deri hat angekündigt nicht zurücktreten zu wollen, egal was das Gericht entscheidet. Wenn Netanyahuz ihn rauswirft zerbricht siene Regierung und es gibt wieder Neuwahlen.
Gleichzeitig kippt das Urteil Benzin in die eh schon lodernden Flammen der anstehenden Justizreform. Justizminister Levin hat das Urteil scharf verurteilt und genauso wie der Knesset Sorecher durchblicken lassen, dass man nun auf gesetzgeberischen Wege dem Gericht verbieten wird, sich derartig in die Regierungsbildung einzumischen.
Ein hochspanneder Politkrimi IMO und politwissenschaftlich ein Paradebeispiel dafür was passieren kann, wenn die Judikative nicht durch Verfassungsrecht klar eingenordnet ist und wohin progressive Richter ein System pushen können.
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Mal dazu eine Verständnisfrage: Es gibt doch aber eindeutige Grundgesetze in Israel, die als Verfassung angesehen werden, auch wenn sie nicht den Namen in der Überschrift tragen. Und darauf stützt sich ja das Oberste Gericht auch bei seinen Urteilsfindungen. Kann es insofern sein, dass das aktuelle Urteil vielleicht nur etwas aufgebauscht wird und eigentlich gar nicht so gewichtig ist? Weil wenn dem Urteil nicht bindende Regelungen oder Verpflichtungen folgen, dann wäre es ja wiederum nur eine Empfehlung, d. h. eine Empfehlung könnte ja dann schon gelöst vom Umstand einer Gesetzesvorgabe angesehen werden...
Schneemann
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(20.01.2023, 09:31)Schneemann schrieb: Mal dazu eine Verständnisfrage: Es gibt doch aber eindeutige Grundgesetze in Israel, die als Verfassung angesehen werden, auch wenn sie nicht den Namen in der Überschrift tragen. Und darauf stützt sich ja das Oberste Gericht auch bei seinen Urteilsfindungen.
Kann es insofern sein, dass das aktuelle Urteil vielleicht nur etwas aufgebauscht wird und eigentlich gar nicht so gewichtig ist? Weil wenn dem Urteil nicht bindende Regelungen oder Verpflichtungen folgen, dann wäre es ja wiederum nur eine Empfehlung, d. h. eine Empfehlung könnte ja dann schon gelöst vom Umstand einer Gesetzesvorgabe angesehen werden...
Schneemann Die Entscheidung des Obersten Gerichts ist für die Regierung bindend, dass ist keine bloße Empfehlung.
Aus dem Basic Law ergibt sich keine Rechtsnorm, die verbieten würde Deri zum Minister zu machen. Das Gericht hat das dennoch verboten weil es die Ernennung für unvernünftig und unverantwortlich hält. Das mag schon so zutreffen, dass Problem ist aber, dass das Gericht nicht die Kompetenz haben sollte aufgrund irgendwelcher (politisch angehauchten) Befindlichkeiten und Wertungen Urteile zu fällen.
Diese Macht hat sich das Gericht in 1992 durch Selbstakklamation eines gewissen - in meinen Augen größenwahnsinnigen - Vorsitzenden Aharon Barak selbst verliehen und ist in der westlichen Welt ziemlich einzigartig.
Die Details dazu sind komplex, aber bei Interesse lässt sich die Debatte in englischsprachigen Medien ganz gut nachvollziehen. Einfach gesagt hat es hier ein progressiver Richter übertrieben und jetzt schwingt das Pendel in die andere Richtung. Ob zu weit ist eine politische Frage.
https://www.jns.org/opinion/reforming-is...easonable/
https://mishpacha.com/he-who-grabs-too-m...verything/
https://www.israelnationalnews.com/news/365967
https://www.israelhayom.com/2023/01/13/t...s-is-over/
https://www.israelnationalnews.com/news/365967
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Ich habe es eben erst gefunden beim Herumstöbern: Es scheint wohl so, als wenn sich das oberste Gericht durchgesetzt hat...
Zitat:Nach Urteil des Obersten Gerichts
Netanyahu entlässt umstrittenen Minister Deri »schweren Herzens«
Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu will die Justiz schwächen, dem Land droht eine Staatskrise. Nun hat ein Gericht ihn gezwungen, einen seiner wichtigsten Minister zu entlassen. [...] Das Oberste Gericht hatte am Mittwoch die Ernennung Deris zum Innen- und Gesundheitsminister wegen dessen krimineller Vergangenheit als »unangemessen« eingestuft. Die Richter führten zudem an, dass Deri im vergangenen Jahr bei einem Verfahren wegen Steuervergehen vor Gericht zugesichert habe, sich aus der Politik zurückziehen. [...]
Deri, der Vorsitzende der ultraorthodoxen Schas-Partei, ist mehrfach verurteilt, zuletzt 2021 wegen Steuerhinterziehung.
https://www.spiegel.de/ausland/israel-ne...7e848300b3
Zur innenpolitisch aufgeheizten Lage und zu der Gefahr, dass der Staat infolge der zunehmenden Einflussnahme radikalreligiöser Strömungen in eine "Ungarisierung" abrutschen könnte bzw. somit zu einer illiberalen Halbdemokratie zu werden droht:
Zitat:Who wants an Israeli civil war?
MIDDLE ISRAEL: Millions feel targeted, collectively and personally, as Israel’s judicial pillars teeter and its political nerves fray. [...] The streets are simmering, and political arsonists are running loose. Millions feel cornered, threatened, and above all abused.
Every other day another reactionary lawmaker unveils a new provocation, eager to impress his following and spite everyone else. One plans the Israel Broadcast Corporation’s dismemberment, another wants to defund cultural events on Shabbat, a third wants to segregate the sexes in national parks, and a fourth calls for the opposition leader’s arrest. [...]
That the High Court of Justice had just ruled that Deri lied to a judge in a plea bargain evidently means nothing to the man at the Jewish state’s helm. Benjamin Netanyahu’s religious allies were equally defiant. “We are all here with you,” said Finance Minister Bezalel Smotrich. Moshe Gafni was even more obsequious: “Rabbi (sic) Deri, you are staying here, we are with you; even if you won’t want to stay – stay you will.” [...] Understandably, then, leaders of the pro-judiciary struggle see no alternative to full-scale revolt. Talking with Netanyahu, said one of them, is like negotiating the length of your hangman’s rope. Negotiating with the judiciary’s enemies would be morally unjust and politically impractical, they say. Well, they are wrong. [...]
Last week’s petition of senior jurists this week moved on to economists, as two former Bank of Israel governors, Jacob Frenkel and Karnit Flug, warned of capital flight once foreign investors are given reason to suspect that Israel is shifting to Hungary’s version of democracy.
https://www.jpost.com/israel-news/article-729768
Schneemann
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Die geplante Justizreform sorgt weiterhin für Zündstoff und heftige Proteste. Und Ex-Ministerpräsident Barak warnte derweilen schon offen vor der Gefahr eines Abgleitens in eine Diktatur...
Zitat:‘Largest protests yet’: Masses around country rally against curbing of judiciary
Organizers claim 300,000 attend; ex-PM Barak: ‘Worst crisis since state’s formation,’ president must choose side; 21 arrested as protesters block Ayalon Highway [...]
Masses of Israelis took part in protests Saturday evening against the government’s efforts to radically remake the country’s justice system, with estimates pointing to 130,000-160,000 in Tel Aviv and tens of thousands more around the country.
Beyond the main rally in central Tel Aviv, a particularly large demonstration was held in Haifa, where media estimated some 30,000 participated. Other protests in Jerusalem, Herzliya, Beersheba and other cities drew many more thousands. Organizers claimed that some 300,000 took part in rallies around the country, making the latest demonstrations the largest ones yet. [...]
Prime Minister Benjamin Netanyahu said the protesters were trying “to create anarchy” and force another election. [...] Former prime minister Ehud Barak called the judicial overhaul plan “an assassination of the Declaration of Independence, which will turn Israel into a dictatorship.”
https://www.timesofisrael.com/largest-pr...ce-system/
Und noch eine weitere, besorgniserregende Entwicklung, die aber auch mit dem wachsenden Einfluss der politisch-religiösen Rechten einhergeht:
Zitat:Israel: Starke Zunahme von Angriffen auf Christen
Der neue Abt der deutschsprachigen Benediktiner-Abtei Dormitio in Jerusalem, Nikodemus Schnabel, beobachtet seit dem Antritt der rechts-religiösen Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Israel eine starke Zunahme von Angriffen auf Christen. [...]
„Es geht nicht mehr darum, ob ich angespuckt werde, sondern wie oft am Tag“, so der Ordensmann. Auch das angerempelt und beschimpft werden habe in einer Art und Weise zugenommen, „die unbeschreiblich ist“, so Schnabel. So sei das jüdische Viertel der Altstadt von Jerusalem für ihn, als durch seine Ordenstracht klar erkennbaren Christen, zu einer „No-go-Area“ geworden. [...] Die Täter seien meist klar als Mitglieder des national-religiösen Lagers zu identifizieren, so der Abt.
https://www.vaticannews.va/de/welt/news/...riffe.html
Schneemann
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Zitat:Israel
Parlament billigt weiteren Teil von Justizreform
Die rechts-religiöse Regierung in Israel ignoriert massive Proteste und treibt ihre Reform zur Schwächung der unabhängigen Justiz immer weiter voran. Präsident Herzog veröffentlichte einen dramatischen Appell.
Israels Präsident Izchak Herzog hat angesichts des erbitterten Streits über die Justizreform der rechts-religiösen Regierung vor einer Staatskrise gewarnt. "Wir sind in einer schlimmen, sehr schlimmen Lage", mahnte Herzog am Abend. Er sprach von einem "inneren Kampf, der uns zerreißt". Es müsse mit aller Macht eine Einigung erzielt werden, um Israel aus der Krise zu führen. [...] Nach stundenlangen Debatten billigten die Abgeordneten in erster Lesung mehrere Gesetzesentwürfe der umstrittenen Reform. Sie stimmten für ein Vorhaben, das Netanyahu davor schützen soll, wegen seines Korruptionsprozesses des Amtes enthoben zu werden. [...]
Außerdem votierte das Parlament in erster Lesung für die sogenannte Außerkraftsetzungsklausel. Damit könnte eine einfache Mehrheit von 61 Abgeordneten Entscheidungen des Obersten Gerichtes überstimmen. Damit könnten vom Gericht als verfassungswidrig abgelehnte Gesetze trotzdem erlassen werden. [...]
Staatspräsident Herzog hatte bereits im Februar vor einem verfassungsrechtlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruch Israels gewarnt, falls die Regierung ihre Pläne gegen alle Widerstände durchsetzen sollte.
https://www.tagesschau.de/ausland/asien/...m-115.html
Es wäre an Bitternis wohl kaum mehr zu überbieten, wenn ausgerechnet durch eine sture und nationalistisch-nationalreligiöse Regierung zumindest das mit verursacht wird - d. h. den Zerfall des Staates -, was sich die äußeren Feinde des Landes, also Hamas, Hisbollah und Co., wünschen. Hinzu kommt natürlich auch, dass ein innerlich so zerrissenes Land vermutlich nicht mehr die Widerstandskraft und Geschlossenheit haben würde, die es in der Vergangenheit hatte. Und angesichts eines unkontrolliert herumwuchernden Atomprogrammes in Iran wäre eine solche Geschlossenheit wichtiger als je zuvor...
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(14.03.2023, 12:31)Schneemann schrieb: https://www.tagesschau.de/ausland/asien/...m-115.html
Es wäre an Bitternis wohl kaum mehr zu überbieten, wenn ausgerechnet durch eine sture und nationalistisch-nationalreligiöse Regierung zumindest das mit verursacht wird - d. h. den Zerfall des Staates -, was sich die äußeren Feinde des Landes, also Hamas, Hisbollah und Co., wünschen. Hinzu kommt natürlich auch, dass ein innerlich so zerrissenes Land vermutlich nicht mehr die Widerstandskraft und Geschlossenheit haben würde, die es in der Vergangenheit hatte. Und angesichts eines unkontrolliert herumwuchernden Atomprogrammes in Iran wäre eine solche Geschlossenheit wichtiger als je zuvor...
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Worin besteht eigentlich das Hauptproblem? Dass die einfache Mehrheit reichen soll?
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Das Hauptproblem ist, dass die politische Linke demographisch tot ist und man gehofft hat, die rechtsreligiöse Mehrheit im Land über die ausgeuferte Judikative weiterhin unter Kontrolle halten zu können.
Entsprechend findet jenseits des hysterischen Geschreis auch keine konstruktive Debatte statt.
Problematisch an diesesn Reformen ist höchstens der Override Clause, der es der Knesset mit einfacher Mehrheit erlauben soll verfassungsrechtliche Überprüfungen des Supreme Courts zu überstimmen. Hier wäre etwa eine zwei Drittel Mehrheit angemessener und es wäre Aufgabe der Opposition hier einen Kompromiss zu suchen.
Der Rest der vorgeschlagenen Reformen beinhaltet nichts, was man in anderen westlichen Demokratien nicht auch zuhauf findet.
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Die Knesset hat heute morgen ein Gesetz verabschiedet, das die Möglichkeiten einen Premierminister abzusetzen stark einschränkt.
Knesset passes law shielding Netanyahu from court-ordered recusal 61-47
https://www.timesofisrael.com/knesset-pa...inal-vote/
Es ist nun grundsätzlich nicht mehr möglich den Premierminister seines Amtes zu entheben es sei denn, 75% seiner Minister stellen fest, das er physisch oder psychisch nicht mehr zur Ausführung seiner Amtsgeschäfte in der Lage ist. Weigert sich der Premier zurückzutreten müssen 75% der Mitglieder der Knesset zustimmen.
Grund für das Gesetz ist die Befürchtung der Regierung, das die Generalstaatsanwältin versuchen könnte, Netanyahu des Amtes zu entheben wenn er sich nicht weiterhin an ihre Vorgabe hält, sich nicht in den Gesetzgebungsprozess um die Justizreformen einzumischen. Diese Befürchtungen kamen auf, nachdem der Oberste Gerichtshof zumindest mittelbar hatte durchblicken lassen ein solches Manöver zuzulassen.
Wohlgemerkt, es geht hier allein um die Person der Premiers, die Knesset hat analog zum deutschen Misstrauensvotum weiterhin alle Möglichkeiten die komplette Regierung mit absoluter Mehrheit abzusetzen.
Man muss sich vergegenwärtigen wie schräg das alles ist. Netanyahu ist in diversen Korruptionsprozesses angeklagt und seitdem mehrmals wiedergewählt worden. Ob der Prozess berechtigt oder nicht ist eine separate Frage, jedenfalls hat der Vorgänger der jetzigen Generalstaatsanwältin nach einem Urteil des Oberstes Gerichtshofs Netanyahu anlässlich der Regierungsbildung 2020 (!) dazu gezwungen, als Regierungschef keine Maßnahmen zu ergreifen, die den Prozess beeinflussen können.
Das mag man für sinnvoll halten oder nicht, führt in der jetzigen Situation mit Blick auf die Justizreformen aber dazu, dass Netanyahu als Regierungschef sich nicht in den Gesetzgebungsprozess einmischen darf. Auch nicht um etwa mit der Opposition zu vermitteln.
Das jetzt verabschiedete Gesetz schiebt dem ganzen einen Riegel vor, sprich Netanyahu wird sich nun in den Reformprozess einbringen können ohne befürchten zu müssen, dafür von der Generalstaatsanwältin oder dem Obersten Gericht des Amtes enthoben zu werden.
Und während für die israelische Opposition darüber irgendeine Welt untergeht wäre hierzulande die Vorstellung, dass ein gewisser Peter Frank Olaf Scholz des Amtes entheben könnte vollkommen absurd.
In der Welt gibt es übrigens einen fantastischen Artikel von Alan Posener zu den Hintergründen des Konflikts:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/a...r-Ruf.html
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Und genau wie vorhergesagt, nachdem das Gesetz verabschiedet wurde hat Netanyahu angekündigt sich in den Reformprozess einzubringen und die Gesetzesvorhaben mit gewissen Veränderungen anzukündigen.
Anscheinend soll der umstrittene Override Clause, wonach die Knesset Entscheidungen des Obersten Gerichts mit einfacher Mehrheit kippen können in dieser Form nicht kommen.
https://www.jpost.com/breaking-news/article-735218
Die Generalstaatsanwältin hat draufhin prompt bekannt gegeben, dass Netanyahu mit dieser Ankündigung Recht gebrochen und die Anordnungen des Obersten Gerichts bezüglich seines Korruptionsprozesses gebrochen habe.
https://www.timesofisrael.com/ag-says-ne...rest-deal/
Ohne das zuletzt verabschiedete Gesetz hätte die Generalstaatsanwältin Netanyahu damit wohl des Amtes entheben können, jetzt ist der weitere Verlauf unklar, Klagen diesbezüglich sind vor dem Obertsen Gerichts anhängig.
Was jetzt besonders demokratisch sein soll, dem Premierminister ide Ausübung seiner Amtsgeschäfte aufgrund eines anhängigen Prozesses zu verbieten erschließt sich mir nicht vollständig.
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Die Unruhe scheint damit allerdings nicht von der Straße - und Entspannung deutet sich nicht an. Und falls das stimmt, was in diesem Artikel steht, dann leidet unter dem ganzen Tohuwabohu mittlerweile auch die Armee - und damit die außenpolitische Sicherheit des Landes...
Zitat:Stopp der Justizreform gefordert
Israels Verteidigungsminister stellt sich gegen Netanjahu [...]
Seit Wochen demonstrieren immer wieder Hunderttausende gegen das Vorhaben. Nun fordert der Verteidigungsminister ein Moratorium und einen neuen Dialog. Grund sind Sorgen um die Sicherheitslage im Land. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant hat die eigene Regierung zum Stopp der umstrittenen Justizreform aufgerufen. "Wir müssen den Prozess stoppen, um einen Dialog aufzunehmen", sagte Galant in einer überraschend angesetzten Ansprache. Er sprach von einem Zeitrahmen bis zum israelischen Unabhängigkeitstag am 26. April. Die nationale Sicherheit werde sonst schweren Schaden nehmen. [...]
Der Verteidigungsminister bezog sich in seiner Rede auf zahlreiche Fälle von Reservisten, die aus Protest gegen die Justizreform nicht zum Dienst erschienen.
https://www.n-tv.de/politik/Israels-Vert...12237.html
Schneemann
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Die Hysterie ist weiterhin schwer nachzuvollziehen, gerade wenn man mal einen Meter weiter denkt. Sicherlich ist die Justizreform alles andere als perfekt, der legislative Prozess gelinde gesagt ungeschickt inszeniert und zu etlichen Details kann man eine andere politische Meinung haben. Aber wirklich im demokratietheortischen Sinne problematisch waren/sind vielleicht ein, zwei Punkte, bei denen die Regierung auch vor Wochen schon Verhandlungsbereitschaft signalisiert bzw. von sich aus Abschwächungen angekündigt hat.
Als Reaktion da jetzt von Mitte bis Links einen Volksaufstand anzuzetteln, als hätte Netanyahu Soldaten die Knesset stürmen lassen erschließt sich mir nicht. Zumal es mir mittlerweile so vorkommt, dass da manche Kreise einen Militärputsch geradezu herbeiprotestieren wollen.
Der Slogan, dass man hier alternativlos Demokratie verteidigt klingt da sehr hohl, erst recht wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Rechte / Rechts-Religiöse Lager im politischen Israel insgesamt und erst recht unter der jüdischen Bevölkerung und gemäßigten Arabern (gemäßigt im Sinne von nicht antiisraelisch) eine handlungsfähige demokratische Mehrheit aufbieten kann. Auch und gerade wenn die politische Reizfigur Netanyahu irgendwann mal abtritt. Muss einen das gefallen? Sicher nicht, mir wären säkulare mitte-rechts Mehrheiten auch lieber. Aber die demographische und gesellschaftliche Entwicklung dort ist wie sie ist und letzten Endes bestimmt in einer Demokratie der, der politische Mehrheiten organisieren kann.
Insofern, wie soll das weitergehen, auch über den Tag hinaus? Es wäre für die Opposition durchaus möglich gewesen (ist es immernoch) auf die Justizreform konstruktiv Einfluss zu nehmen. Zumal - und das ist ja der Witz des Ganzen – es vor dieser Reform von Rechts einen recht breiten politischen Konsens bis tief in die Mitte hinein gab, dass eine Reform nötig ist. Stattdessen verrennt man sich in den Versuch einer Totalblockade.
Aber selbst wenn es am Ende gelingt Teile der Reform zu stoppen (realistisch betrachtet in die nächste oder übernächste Knesset zu verschieben) - war es das Wert, für ein Gesetzespaket, das jede zukünftige Knesset nach Belieben modifizieren können wird? Die Gesellschaft ist nun hochgradig polarisiert, die Gräben zwischen Links und Rechts, Säkularen und Religiösen, Askhenazi und Mizrachim sind so tief wie nie und an der politischen Demographie ändert sich nichts.
Und das ist die Realität: https://en.idi.org.il/media/19697/the-is...x-2022.pdf (ab Seite 25)
Nach dieser Studie identifizieren sich 62% der jüdischen Israelis mit der politischen Rechten. Bei den Wählern zwischen 18-24 sind es 65%. Bei den Wählern über 65 dagegen nur 38%. Gibt auch Umfragen die auch noch extremere Werte schließen lassen und der Netanyahu Block hätte bei Wählern zwischen 18 und 24 bei den letzten Wahlen auch eine Mehrheit von deutlich über 70 Sitzen gehabt - der Punkt aber ist, die politische Linke wie auch alles irgendwie Mitte-Links in Israel ist im freien Fall und daran wird sich so schnell wohl nichts grundlegend ändern.
Entsprechend - so beeindruckend die Massenproteste anzusehen sind und bei aller Zustimmung auch bis ins Mitte-Rechts Lager hinein - die politische Linke, die Säkularen, die Askhenazi müssen sich mit der Tatsache anfreunden, dass ihr politischer Einfluss weiter deutlich zurückgehen wird und sie ihre Einstellung zu legitimen Demokratischen Prozessen deutlich modifizieren müssen, wenn sie konstruktiv mitgestalten wollen.
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(26.03.2023, 12:24)Nightwatch schrieb: Aber die demographische und gesellschaftliche Entwicklung dort ist wie sie ist und letzten Endes bestimmt in einer Demokratie der, der politische Mehrheiten organisieren kann.
Demokratische Werte und Rechte sollten aber nicht demokratisch legitimiert ausgehebelt werden können, sondern den Rahmen für die politischen Entscheidungsmöglichkeiten bilden. Ansonsten wird das mit dem Demokratiebegriff durchaus schwierig. Ich sehe den Ursprung dieser "Hysterie", wie du das nennst, weniger in den konkreten Entscheidungen, als vielmehr in dem Bewusstsein, dass es um die Verschiebung von Grenzen geht und dem frühzeitig und deutlich Einhalt geboten werden müsse. Dementsprechend ist es auch egal, dass die Regierung die kritischsten Punkte weiter verhandeln würde und zu Kompromissen bereit sei, allein die Tatsache zählt, dass sie einen solchen für die Protestler entdemokratisierenden Weg eingeschlagen hat.
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