Iran
Zitat: Ganz sicher heutzutage zum Überleben notwendig, wenn man diese Fähigkeit besitzt. Nicht dass der ein oder andere geistesgestörte Abenteuerer noch auf dumme Gedanken kommt und meint, es mit einem wehrlosen Gegner zu tun zu haben...
Das ist zwar etwas Off-Topic, aber man sollte nicht den (Denk-)Fehler machen und annehmen, dass der Besitz der Atombombe automatisch Sicherheit gewährleistet, bzw. eine Art Abschreckung bewirkt. Die Zeit des Kalten Krieges, in der die gegenseitigen Vernichtungskapazitäten einen erzwungenen Frieden bescherten, sind zunehmend vorbei. Da nämlich die zunehmende Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (speziell Atombomben) nicht aufzuhalten scheint (angeblich soll ja auch Myanmar an einer Bombe bauen), wird man zwangsläufig einen konventionellen Krieg auch bei Besitz einer Atomwaffe in Erwägung ziehen (müssen). Die alte Losung à la So, jetzt habe ich meine Bombe und kann mich getrost ausruhen, weil es keiner mehr wagt mich anzugreifen wird insofern langsam hinfällig werden, ja muss es auch werden.

Weil ehrlich gesagt gibt es auch keine befriedigende Antwort. Was soll man denn tun (als Diktator)? Angenommen, man wäre ein Diktator, der seine Macht mit einer Atombombe gesichert hat (besser: gesichert sieht), so nützt sie einem eigentlich nichts, wenn man dennoch von einem konventionell überlegenen Angreifer attackiert wird. Man hat die Wahl, die eigene Atomwaffe einzusetzen, aber würde a) sich dann als absoluter Paria und Atomkrieg-Beginner der Weltöffentlichkeit präsentieren (auch nicht schmeichelhaft, bzw. endgültig diskreditierend) und b) vom (weltweit weitgehend akzeptierten bis verständlichen) Gegenschlag von der Erdoberfläche gewaschen werden. Andererseits kann man sie auch nicht einsetzen und wird dennoch besiegt werden. D. h. die Atombombe gibt dem Besitzer insofern die Möglichkeit, sich zwischen zwei Niederlagen zu entscheiden, wenn der Gegner dementsprechend stark und entschlossen ist, wobei die eine Möglichkeit „etwas“ schadhafter ist als die andere.

Schneemann.
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@Schneemann

Zitat:Weil ehrlich gesagt gibt es auch keine befriedigende Antwort. Was soll man denn tun (als Diktator)? Angenommen, man wäre ein Diktator, ...

Was soll das denn?
Angenommen man wäre Vorzeigedemokrat, würde ein paar tausend Atombomben bauen und zwei davon auf Großsstädte des Gegner werfen und dem Rest der Welt damit drohen...
Dann ist Pearl Harbour und Kamikaze böse, der Russe ein Verbrecher und der selbst durchgeführte Massenmord die Rettung des "freien" Teiles der Welt. Natüüürlich. Also komm mir mal bitte nicht so mit Deiner verklärten Weltsicht.

Zitat:D. h. die Atombombe gibt dem Besitzer insofern die Möglichkeit, sich zwischen zwei Niederlagen zu entscheiden, wenn der Gegner dementsprechend stark und entschlossen ist, wobei die eine Möglichkeit „etwas“ schadhafter ist als die andere.

Das dichtest Du Dir so zurecht, ohne auch nur einen historischen Beweis liefern zu können. Seitdem es die Bombe gibt, gab sie dem Besitzer durch gegenseitige Abschreckung eine relative Sicherheit vor einem bewaffneten Konflikt der höchsten Eskalationsstufe auf eigenem Territorium. Auch ist bekanntlich in der Diskussion Nukleareinrichtungen zu bombardieren, was entsprechenden Fallout verursacht. Gleichzeitig kommt in den letzten Jahren vermehrt die Diskussionen auf, die Nuklearsprengköpfe zu miniaturisieren und in vermeintlich "konventionell" geführten Kriegen einzusetzen.
Man braucht daher rational gesehen schon die Fähigkeit, eine Bombe in kurzer Zeit zu produzieren, um derartige Abenteurer unattraktiv zu machen. Dazu reicht theoretisch eine sehr glaubhafte de facto Fähigkeit.

Natürlich wird auch weiterhin die primäre Verteidigungskraft eines Landes durch konventionellen Streitkräfte hergestellt. Das ist keine Frage.

Aber mal angenommen, die Bombe würde keinen Zweck erfüllen, wie Du sagst. Warum schaffen wir sie dann nicht ab? Israel hat z.B. 200-300stk. davon. Und zwar ohne jegliche Kntrolle einer internationalen Behörde, in den Händen von Radikalinskis. Führen wir die Diskussion über Irans Atomprogramm doch mal zweigleisig, dann könnte man u.U. sowas wie Glaubwürdigkeit erlangen.
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Zitat: Was soll das denn?
Angenommen man wäre Vorzeigedemokrat, würde ein paar tausend Atombomben bauen und zwei davon auf Großsstädte des Gegner werfen und dem Rest der Welt damit drohen...
Moment, das amerikanische Atombomben-Programm wurde nicht wegen oder gerade gegen Japan in die Wege geleitet. Man hat mit den Arbeiten begonnen, weil man davon ausging, das Hitlerdeutschland die Atomwaffe ebenfalls baut, bzw. in der Entwicklung schon weiter ist. Und das haben auch vorrangig nicht amerikanische Chefpropagandisten oder Politiker gesagt, sondern zumeist geflohene deutsche und europäische Wissenschaftler und Atomexperten, etwa Einstein, Szilárd oder Teller (aus Ungarn), die eindringlich davor warnten und welche sich glaubhaft mit der Materie auskannten. Erst dann, quasi um ein Gegengewicht zu haben, begannen die USA den Bau der Bombe. Die „Vorzeigedemokraten“ begannen also den Bau aus Furcht vor einem atomar bewaffneten Hitlerdeutschland, nicht, weil man gerade Lust darauf hatte.

Abgesehen davon würde das Erörtern des Atomeinsatzes gegen Japan hier dem Iran nicht ganz gerecht werden und gehört auch nicht hierher. Deshalb spare ich mir hier detaillierte Erklärungen und stelle das bei Bedarf ins Geschichte-Forum. Allerdings streiche ich den Satz ...dem Rest der Welt damit drohen hierbei raus, weil dieser einfach zu oberflächlich und erkennbar zu provokativ gemeint ist.
Zitat:Das dichtest Du Dir so zurecht, ohne auch nur einen historischen Beweis liefern zu können.
Nein. Erstens brauche ich dies nicht historisch zu belegen, weil dies eine Theorie von mir ist, die erst gegenwärtig interessant wird (Eigenmeinung), und zweitens dichte ich mir es auch nicht zurecht: Ein Atomkrieg dürfte einfach „schädigender“ sein als ein konventioneller. Und das weißt du genauso gut wie ich.
Zitat:Seitdem es die Bombe gibt, gab sie dem Besitzer durch gegenseitige Abschreckung eine relative Sicherheit vor einem bewaffneten Konflikt der höchsten Eskalationsstufe auf eigenem Territorium.
Jein. Während des Kalten Krieges funktionierte dieser Denkansatz sicherlich. Aber ob dieses Konzept auch in Zukunft funktioniert, wird sich zeigen. Man hat es dann nämlich nicht mit ganzen „weltumfassenden“ Machtblöcken, also in jenem Fall der NATO und dem Warschauer Pakt, wie zwischen 1947/49 und 1990 zu tun, sondern eher mit einer Gruppe autoritärer Einzelstaaten. Und da steht der Aspekt des globalen Overkills nicht mehr als Drohgespenst im Vordergrund, der die Abschreckung begünstigte. Dadurch nämlich, dass sich der Besitz der Atomwaffen zerfasert und verteilt, zerfasert sich auch ein möglicher Atomkrieg. Wäre früher ein nuklearer Krieg zwischen Ost und West fast zwangsläufig in eine Weltkatastrophe gemündet, so ließe er sich heute regional beschränken. D. h. also, dass die Proliferation der Atomwaffe nicht die Abschreckung begünstigt, die global anzusetzen ist, sondern sie im Gegenteil durch die Regionalität abschwächt.
Zitat: Auch ist bekanntlich in der Diskussion Nukleareinrichtungen zu bombardieren, was entsprechenden Fallout verursacht.
Richtig. Keine Frage. Darum ging es mir aber auch nicht.
Zitat:Gleichzeitig kommt in den letzten Jahren vermehrt die Diskussionen auf, die Nuklearsprengköpfe zu miniaturisieren und in vermeintlich "konventionell" geführten Kriegen einzusetzen.
Eine sicher sehr problematische Sache, die der Abrüstung einen Bärendienst erweist.
Zitat: Man braucht daher rational gesehen schon die Fähigkeit, eine Bombe in kurzer Zeit zu produzieren, um derartige Abenteurer unattraktiv zu machen. Dazu reicht theoretisch eine sehr glaubhafte de facto Fähigkeit.
Nein, genau das denke ich eben nicht. Siehe meine Ausführung unter dem 3. Zitat.
Zitat: Aber mal angenommen, die Bombe würde keinen Zweck erfüllen, wie Du sagst. Warum schaffen wir sie dann nicht ab? Israel hat z.B. 200-300stk. davon.
Also: Wenn es stimmen würde, das von einer Bombe der Abschreckungseffekt ausgeht, dann würden andere nicht die Bombe anstreben und zugleich dieses Land mit der Zerstörung bedrohen, von dem man weiß, dass es Atommacht ist. Die Tatsache, dass man dies aber dennoch tut, zeigt, dass der ach so oft zitierte Abschreckungseffekt eine Luftnummer ist.

Und: Du siehst ja übrigens selbst, dass in dem regional beschränkten „Kriegsschauplatz“ Naher Osten die atomare Abschreckung nicht wirklich funktioniert. Israel hat Atomwaffen. Und? Schreckt es irgendwen ab es anzugreifen? Iran rüstet vermutlich ebenfalls atomar auf und einige Politiker in Iran drohen offen mit der Zerstörung Israels. Hamas und Hisbollah haben keine Probleme damit, konventionell die Atommacht Israel anzugreifen. Und hier im Forum wird sogar schon spekuliert, was nach Mubarak kommt und wie etwa ein zukünftiger israelisch-ägyptischer Konflikt rein hypothetisch aussehen könnte. Ferner sollte man auch darüber nachdenken, dass die Israelis vermutlich seit Ende der 60er Jahre die A-Bombe haben, dass dies aber die Gegner im Yom-Kippur-Krieg von 1973 nicht wirklich davon abhielt, Israel konventionell anzugreifen (und man geht zumindest davon aus, dass die Ägypter vage Bescheid wussten). Kurz: Ein großartigen Abschreckungseffekt durch die israelische Atombombe kann man insofern nicht wirklich erkennen. Insofern sieht man auch, dass der Abschreckungseffekt abnimmt und langsam schlicht irrelevant wird; dass sich also autokratische Herrschaften innerhalb eines Regionalkonfliktes nicht auf ihn verlassen können/sollten.
Zitat: Führen wir die Diskussion über Irans Atomprogramm doch mal zweigleisig, dann könnte man u.U. sowas wie Glaubwürdigkeit erlangen.
Gerne.

Schneemann.
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Ich gäbe Schneemann völlig recht, auch sei grade in der Frage der Atomwaffen auch erwähnt das Atomwaffen nicht gleich Abschreckung bedeutet. Eine glaubwürdige Abschreckung zu garantieren bedeutet weit mehr als nur einige Atombomben in Kehler zu haben die man in besten Fahl als Lastwagen Bombe einsetzen kann und das auf eigenen Land.

Nein in Ernst selbst Länder wie China könnten von einer Großmacht wie Russland oder den USA unter gewissen günstigen Umständen ausgeschaltete werden und zwar soweit das die Chinesische Vergeltung minimal biss gar nicht mehr gegeben währe.

Die Entwicklung steht ja nicht still auch bei der Abwehr und ein Land wie der Iran wird auch wenn es stärker ist als Nord Korea da nicht mithalten können mit dem großen, genau genommen würde die Atombombe den Iran ohne glaubhafte Zweitschlagkapazitäten noch um weiten mehr gefährden.

Mal angenommen der Iran entwickelt die Atombombe und auch den entsprechenden Träger so währe der Träger immer noch ausschalt bar am besten durch einen Nuklearen Überraschungsangriff. Israel währe dazu in der Lage und die Nukleare Option währe betrachtet man die Iranische Rhetorik sogar verständlich aus Israelischer Sicht und die Erstschlags Waffen sind durchaus vorhanden.

Man mag als Konventionelle Macht augenscheinlich gefederter sein Opfer eines Angreiffes zu werden als Despot erst recht. Aber als Nuklearbewaffneter Despot lebt man auch nicht sicherer wen der Gegner eine Atommacht ist die den Namen zu recht trägt. So kann die vermeidliche Sicherheit der Keim des Untergangs sein, eine Atommacht wird kaum eine Atomwaffe gegen eine nicht Atommacht einsetzen aber eine Atommacht wird gegen eine andere Atommacht sehr wohl die Waffe einsetzen.

Für Atommächte gelten andere Spielregeln und der Nukleare erstschalg ist legitimes Mittel der Kriegsführung und bewegt sich noch in rammen der Akzeptanz. Atomwaffen bedeuten keine absolute Sicherheit sondern nur eine Änderung der Spielregeln und in diesen Spiel können Länder wie der rain kaum bestehen.

Den Iran wird es schlicht an einer Glaubhaften Zweitschlags Kapazität mangeln genau wie am Frühwarnsysteme effektive Träger und eine ausreichende Zahl an ICBMs. Anstatt nun einen Kostspieligen Konventionellen Krieg zu führen bedarf es nun nur eines begrenzten Entwaffnungsschlages mit Konventionellen und gegebenenfalls Atomwaffen. Die eigene Verluste beschränken sich dabei auf die verschossene Munition und die Nerven wie das Ansehen in der Welt während der Operation der Feind ist dagegen schwer geschädigt und entwaffnet.
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Dank meines bescheuerten Uni-WLANs darf ich nun meinen Kommentar zu Schneemanns Post nochmal verfassen.

Also nochmal...

Interessante Gedanken Schneemann, aber etwas zu "praxisfern".
Die Stilisierung der MAD als Kerninhalt der Abschreckung als puren Dualismus zweier atomarer Vormächte hatte strukturell schon im Kalten Krieg einen mächtigen Knacks bekommen, insbesondere als die damals als irrational gefüchteten kommunistischen Chinesen die Atombombe erwarben. Dann kamen auch Franzosen mit ihrer eigenständigen force de frappe, die Briten und die Israelis hinzu.
Und die Abschreckung funktionierte dennoch weiter, weil die strategisch-strukturelle Ausrichtung eben nie diffus, sondern klaren Macht- und Konfliktstrukturen folgten und folgen. Auch ein nukleares Nordkorea oder die neuen Mächte Indien und Pakistan, auch ein Iran, agieren als nukleare Mächte nicht in einem diffusen globalen Rahmen, sondern haben als Regionalmächte eine klare Axiomatik, eine klare Konfliktmatrix, in der nicht jeder irgendwie diffus jeden abschreckt, sondern eben schon je nach Macht bestimmte, klare Konfliktstrukturen existieren, die auch in den Fällen regionaler Autoritärer Regime meistens bililateral, höchtens trilateral strukturiert sind. Daher hat das Argument von der verschwindenden Kraft der Abschreckung bei einer zunehmenden Anzahl der Mächte im Einzelfall nicht so viel Relevanz. Pakistan und Indien beziehen sich beispielsweise aufeinander, höchstens China spielt da noch eine Rolle. Nordkorea referiert mit seiner Abschreckung ganz deutlich auf die Allianz USA/Südkorea und auch ein Iran würde mit seinen Atomwaffen einen klassischen Dualismus mit der engen Allianz von USA und Israel ausfechten.
Daher gibt es im Rahmen der strategischen Studien auch beispielsweise in den USA durchaus die Meinung, dass auch gegenüber dem Iran Abschreckung funktionieren würde.
Was nun die 2-Niederlagen-Theorie angeht, so würde ich auch sie bestenfalls als radikalen, nicht wünschenswerten Extremfall sehen. Denn: Auch im Kalten Krieg existierte die Idee des limitierten konventionellen Krieges, der Fakten schafft und keinen Atomkrieg wert ist. Bei krasser konventioneller Asymmetrie drängt sich dieser Gedanke vielleicht auch auf, allerdings unterschätzt man hier die Dynamik von Konflikten. Letztlich läuft es auf die Risikobereitschaft der Akteure und der Bedeutung der jeweiligen Konfliktgegenstände heraus: Aber die Misachtung gewisser "Grenzen" kann in einer Sogwirkung durchaus eine nukleare Kettenreaktion in Kraft setzen, insbesondere wenn die nukleare Drohung und Abschreckung als klare Drohung besteht und dies absichtlich mit konventionellen Attacken missachtet wird. Sowas ist ein Hasardspiel auf allerhöchstem Niveau und mit potentiell allerschlimmsten Folgen. Ob ein konventionell stärkerer Gegner tatsächlich solch hohe Verluste und Opfer in Kauf nehmen will, halte ich für zweifelhaft, zumindest für abhängig vom Kontext. Denn für den konventionell unterlegenen Gegner geht es nicht um die Frage nach welchen der 2 Niederlagen er eingeht, sondern ab wann die eigene Niederlage so weit geht, dass ein "nihilistische Remis" als einziger Ausweg bleibt. Und das risiko solch einer ultimativen Option macht das alleinige Vertrauen auf die konventionelle Überlegenheit zum Spiel mit dem Teufel. Sowas kann man heute schon im Konflikt Pakistan-Indien erahnen. Ich jedenfalls würde solche Überlegungen wie die von Schneemann als Eintrittskarte zu atomaren Apokalypsen ansehen und als wenig durchdacht bzw. als höchst riskant.

Was Israel angeht:
Zum einen kenne ich Publikationen, die bezüglich des Jom-Kippur-Krieges ganz klar von absichtlich begrenzten Aktionen sprachen. Man war sich des israelischen Atomwaffenarsenals bewusst und hatte daher auch den Krieg als begrenzte und vor allem symbolische Aktion gedacht. Es ging um einen begrenzten Krieg mit begrenzten Zielen.
Das widerspricht insofern nicht meinen obigen Aussagen, als dass eine sehr begrenzte konventionelle Auseiandersetzung zwar möglich ist, aber auch ein Spiel mit dem Feuer, deutlich ersichtlich daran, dass Israel den Einsatz von Atomwaffen zumindest kurzzeitig erwogen haben soll. Aber wie gesagt, Ägypten zumindest plnate von Anfang an eine begrenzte Aktion mit klaren "Grenzen".
Von daher sind militärische Auseinandersetzungen durchaus möglich auch und trotz Atomwaffen, aber wie gesagt, es geht um das Einhalten bestimmter "Grenzen" und die waren auch 1973 fast erreicht.
Ansonsten kann und muss man feststellen, dass alle Auseinandersetzungen Israels "begrenzt" waren, sofern es sich um staatliche Akteure handelte. Der Krieg mit Syrien 1982 war ein Vakuumkrieg um Libanon, kein Fall für die nukleare defensive Abschreckung. Alle anderen Auseinandersetzungen waren asymmetrische Auseinandersetzungen gegen halbstaatliche Organisationen und mit Verlaub, gegen die hilft nummal keine nukleare Abschreckung, das sollte doch klar sein. Weder der Vietcong noch die Mudschahedin haben sich um die Atomwaffen der Supermächte geschert, schlicht, weil das nicht in das "Gebiet" der nuklearen Abschreckung fällt.
Ergo: Im Falle Israels hat die Abschreckung funktioniert und wird weiterhin funktionieren. Alles andere halte ich für kontextlos.
:roll:
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Thomas Wach schrieb:
Zitat:Die Stilisierung der MAD als Kerninhalt der Abschreckung als puren Dualismus zweier atomarer Vormächte hatte strukturell schon im Kalten Krieg einen mächtigen Knacks bekommen, insbesondere als die damals als irrational gefüchteten kommunistischen Chinesen die Atombombe erwarben. Dann kamen auch Franzosen mit ihrer eigenständigen force de frappe, die Briten und die Israelis hinzu.
Teils, teils. Die reine duale Abschreckung hat sich zwar verändert auf eine auf mehrere Länder bezogene, aber sie war immer noch eine zweigleisige (sprich: Ost-West-Konfrontation), allenfalls dreigleisige (hierbei spreche ich vom miteinbezogenen sowjetisch-chinesischen Gegensatz in den 60ern parallel zum Ost-West-Gegensatz). Von einem Knacks möchte ich insofern (noch) nicht sprechen durch die atomare Aufrüstung dieser Staaten. Richtig zum Bruch kam es erst, als andere Länder, die sich nicht diesem Schema zurechnen lassen (auch wenn das Schema selbst seit 1990, zumindest im Osten, sich überlebte), atomar aufrüsteten, etwa Pakistan, Israel oder Indien und seit verschiedene Länder Ambitionen diesbezüglich ins Auge fassten (Iran, Syrien, Südafrika). Diese Länder kann man keinem direkten Bereich mehr zuordnen, auch wenn z. B. Israel vom Westen unterstützt wird oder Nordkorea von China Hilfen erhält. Insofern: Die Proliferationsproblematik hat erst seit 1990 sich so verändert, als das sie als "Knacks" herhalten könnte.
Zitat:Und die Abschreckung funktionierte dennoch weiter, weil die strategisch-strukturelle Ausrichtung eben nie diffus, sondern klaren Macht- und Konfliktstrukturen folgten und folgen. Auch ein nukleares Nordkorea oder die neuen Mächte Indien und Pakistan, auch ein Iran, agieren als nukleare Mächte nicht in einem diffusen globalen Rahmen, sondern haben als Regionalmächte eine klare Axiomatik, eine klare Konfliktmatrix, in der nicht jeder irgendwie diffus jeden abschreckt, sondern eben schon je nach Macht bestimmte, klare Konfliktstrukturen existieren, die auch in den Fällen regionaler Autoritärer Regime meistens bililateral, höchtens trilateral strukturiert sind.
Daher hat das Argument von der verschwindenden Kraft der Abschreckung bei einer zunehmenden Anzahl der Mächte im Einzelfall nicht so viel Relevanz. Pakistan und Indien beziehen sich beispielsweise aufeinander, höchstens China spielt da noch eine Rolle. Nordkorea referiert mit seiner Abschreckung ganz deutlich auf die Allianz USA/Südkorea und auch ein Iran würde mit seinen Atomwaffen einen klassischen Dualismus mit der engen Allianz von USA und Israel ausfechten.
Daher gibt es im Rahmen der strategischen Studien auch beispielsweise in den USA durchaus die Meinung, dass auch gegenüber dem Iran Abschreckung funktionieren würde.
Derzeit mag die Abschreckung noch teilweise funktionieren, aber wenn noch andere Länder nachziehen, wird sie, glaube ich, durch die zunehmende Zersplitterung an Einfluss auf politische und militärische Entscheidungen verlieren. Und ehrlich gesagt bin ich nicht so sicher, was passiert, wenn noch einige neue Atommächte sich versuchen zu etablieren. Selbst beim Iran sehe ich teils keine klaren Grenzlinien in Sachen Konfliktlogik/Konfliktmatrix, egal ob Afghanistan (Taliban), pakistanische Aktivitäten, teils der Irak, die eh verhassten Saudis oder Israelis oder gar Amerikaner. Und, mit Verlaub, Nordkorea scheint sich sowieso von jedem auf dem Planeten bedroht, verraten, etc. zu fühlen, hauptsächlich wohl die USA, Japan und Südkorea, was aber auch schon drei Staaten sind. Ohne größere Probleme würden andere Staaten, die sich ähnlich kritisch äußern, auch in den „Feindeskreis“ aufgenommen werden, einfach, weil sie Kontakte zu den Erstgenannten haben und die gleichen Sorgen teilen. Bei Indien und Pakistan magst du recht haben, dass beide stark aufeinander fixiert sind, es bleibt aber abzuwarten, wie sich das Verhältnis beider zu anderen entwickelt.
Zitat:Was nun die 2-Niederlagen-Theorie angeht, so würde ich auch sie bestenfalls als radikalen, nicht wünschenswerten Extremfall sehen. Denn: Auch im Kalten Krieg existierte die Idee des limitierten konventionellen Krieges, der Fakten schafft und keinen Atomkrieg wert ist. Bei krasser konventioneller Asymmetrie drängt sich dieser Gedanke vielleicht auch auf, allerdings unterschätzt man hier die Dynamik von Konflikten.
Ich unterschätze die Dynamik von Konflikten nicht, keineswegs, deswegen habe ich die 2-Niederlagen-Theorie auch ziemlich lange abgewogen. Allerdings: Hier kann man nicht das Bsp. des Kalten Krieges anbringen. In dieser Zeit wäre ein konventioneller Krieg schon und sicherlich ein nicht mehr zu beherrschendes Risiko gewesen, weil sich eben zwei Supermächte gegenüber standen. Im verkleinerten Maßstab, also im Konflikt mit einer Regionalmacht, sehe ich das Risiko hingegen nicht, ja denke, dass die 2-Niederlagen-Theorie durchaus funktioniert.
Zitat:Letztlich läuft es auf die Risikobereitschaft der Akteure und der Bedeutung der jeweiligen Konfliktgegenstände heraus: Aber die Misachtung gewisser "Grenzen" kann in einer Sogwirkung durchaus eine nukleare Kettenreaktion in Kraft setzen, insbesondere wenn die nukleare Drohung und Abschreckung als klare Drohung besteht und dies absichtlich mit konventionellen Attacken missachtet wird.
Welche nukleare Kettenreaktion soll in Gang kommen? Ich denke nicht, dass Russland, Indien oder China für irgendeinen Autokraten nuklear in die Bresche springen, nur weil man dessen Drohung konventionell ignoriert hat und dieser halsbrecherisch das nukleare Abenteuer sucht.
Zitat:Sowas ist ein Hasardspiel auf allerhöchstem Niveau und mit potentiell allerschlimmsten Folgen. Ob ein konventionell stärkerer Gegner tatsächlich solch hohe Verluste und Opfer in Kauf nehmen will, halte ich für zweifelhaft, zumindest für abhängig vom Kontext.
Nein, das sehe ich nicht so. Wieso sollten die Verluste denn hoch sein? Das setzt voraus, dass das betreffende Regime blind mit der Bombe um sich wirft. Aber das wird wohl eher nicht der Fall sein.

Nehmen wir das Thread-Bsp. Iran: Angenommen, der Iran verkündet morgen, dass er die Bombe hat und übermorgen erfolgt ein konventioneller Luftschlag gegen Ziele im Land. Was soll denn dann die Folge sein, ja was könnte passieren? Will man nun die nukleare Karte ziehen, etwa eine US-Basis in Kuwait zum Ziel eines Atomschlages machen, und sich vor der Weltöffentlichkeit total und endgültig diskreditieren und zum atomaren Abschuss freigeben, was dann den Untergang des Iran mit seinen Jahrtausende alten Zivilisationsgütern nach sich ziehen würde? Recht unwahrscheinlich. Obwohl man nicht mal den Gegner, d. h. dessen Land, richtig greifen kann (außer vielleicht Israel, das in Reichweite läge, wobei fraglich wäre, was man noch abschießen könnte und ob man nebenbei noch viele Tausend Palästinenser töten möchte), sollte man eine derart verhängnisvolle Entscheidung treffen? Ich denke eher nicht. Soll man bspw. einen Atomangriff auf den Irak ausführen, um dort Amerikaner zu treffen, aber nebenbei noch mehrere Zigtausend unschuldige Muslime töten? Oder versuchen, US-Schiff im Golf anzugreifen und die eigene Küste dabei selbst atomar verstrahlen? Nein. Kurz: Es erscheint zwar bitter, aber man wird nichts tun können, ohne das man sich selbst massiv mit dem eigenen Vorgehen schadet. In jeder Hinsicht. Deshalb wird dieses selbstmörderische Vorgehen auch aller Wahrscheinlichkeit nach keine Unterstützer (mehr) finden.

Kurz: Die „eigenen“ Verluste wären begrenzbar, ja überschaubar, wären vermutlich geringer als während des ganzen Irak-Konfliktes (da nur Lufteinheiten, evtl. Schiffe beteiligt sind) und das Ziel ließe sich höchstwahrscheinlich erreichen.
Zitat:Denn für den konventionell unterlegenen Gegner geht es nicht um die Frage nach welchen der 2 Niederlagen er eingeht, sondern ab wann die eigene Niederlage so weit geht, dass ein "nihilistische Remis" als einziger Ausweg bleibt. Und das risiko solch einer ultimativen Option macht das alleinige Vertrauen auf die konventionelle Überlegenheit zum Spiel mit dem Teufel. Sowas kann man heute schon im Konflikt Pakistan-Indien erahnen.
Das ist ein falscher Ansatz, denke ich. Es gibt in einem solchen Fall schlicht kein nihilistisches Remis. Es gibt nur Niederlage oder Niederlage. Das mag zwar bitter erscheinen, es ist aber so. Genau genommen hat die Atombombe in diesem Fall nicht einen wie auch immer gearteten Abschreckungseffekt erzeugt, sondern eine schlimme Zwickmühle eröffnet. Und selbst wenn es der jeweilige Machthaber nicht weiß, seine Generäle dürften es wissen. Sie haben die Möglichkeit zwischen zwei Übeln zu wählen. Und meisten wöllten in dem Fall schon erst mal sich selbst retten, bzw. – da sie auch von ihren Verbrechen wissen (was bei den meisten Diktaturen der Fall ist) – versuchen, ihre Chancen vor einem Tribunal zu verbessern und sich nicht mit halsbrecherischen Ideen endgültig abservieren. Dafür gibt es auch genügend historische Beispiele.
Zitat:Ich jedenfalls würde solche Überlegungen wie die von Schneemann als Eintrittskarte zu atomaren Apokalypsen ansehen und als wenig durchdacht bzw. als höchst riskant.
Das kommentiere ich jetzt mal nicht.

Schneemann.
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Ich halte nunmal die Perspektive, die Denkstruktur, die du hier nutzt für "gefährlich vorgeprägt", für etwas einspurig. Du kannst nicht im Vorhinein damit kalkulieren, dass Generäle beispielsweise schon mitten im Gefecht an ihr Tribunal durch die "unvermeindlichen" Sieger denken.
Das halte ich schlicht für Wunschdenken, das übersieht gezielt die Dynamik von Konflikten und die "Fehlerhaftigkeit des Menschen", auch wenn du anderes behauptet.

Aber später dann mal ausführlicher....
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Zitat: Ich halte nunmal die Perspektive, die Denkstruktur, die du hier nutzt für "gefährlich vorgeprägt", für etwas einspurig. Du kannst nicht im Vorhinein damit kalkulieren, dass Generäle beispielsweise schon mitten im Gefecht an ihr Tribunal durch die "unvermeindlichen" Sieger denken. Das halte ich schlicht für Wunschdenken, das übersieht gezielt die Dynamik von Konflikten und die "Fehlerhaftigkeit des Menschen", auch wenn du anderes behauptet.
Auf den ersten Moment sieht die These auch arg vakant aus, keine Frage. Und die Risiken scheinen einfach zu groß zu sein. Aber nur auf den ersten Blick.

Und: Natürlich kann man damit argumentieren, dass die „Fehlerhaftigkeit“ des Menschen die Risikoabwägung nicht möglich macht oder das ganze Gedankengebilde als zu riskant erscheinen lässt. Aber: Den Risikofaktor „Fehlerhaftigkeit des Menschen“ hast du immer, egal ob mit diesem Konzept oder ohne dieses. Sprich: Das ein wahnsinniger Diktator das Undenkbare tut, kann immer passieren, egal ob gerade ein Krieg tobt oder nicht. Und in dem Fall ist das Risiko, das er in dem Fall wenn der konventionelle Angriff stattfindet die Bomben-Option nutzt, das geringere und noch zudem das kleinere Übel. Weil: Wenn er im Grundsatz bereit ist, die Bombe einzusetzen, wird er das auch tun und von diesem Grundsatz nicht abweichen, egal ob gerade Krieg herrscht oder nicht. Und da muss auch angemerkt werden: Lieber lässt er sich vom Irrsinn leiten, wenn sein Potenzial eh schon weitgehend zerstört ist (durch einen Angriff auf konventioneller Basis), als dass er mit voll einsatzfähigem Potenzial aktiv wird. Die Auswirkungen wären dann nämlich in jeder Hinsicht schlimmer.

Schneemann.
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Zitat:NAM supports Iran’s proposal to ban attacks on nuclear installations
Tehran Times Political Desk

TEHRAN - Over 100 Non-Aligned Movement member states have welcomed Iran’s proposal to ban attacks on nuclear facilities.
...
According to Soltanieh, the IAEA general conference already passed a resolution proposed by Iran entitled “Prohibition of All Armed Attacks against Nuclear Installations Devoted to Peaceful Purposes Whether Under Construction or in Operation” in September 1990, but a proposal for a new resolution has been made because more nuclear installations are being built all over the world and any sort of attack would have dire radiological consequences.
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<!-- m --><a class="postlink" href="http://tehrantimes.com/index_View.asp?code=201744">http://tehrantimes.com/index_View.asp?code=201744</a><!-- m -->

Zitat:Iran was not involved in AMIA bombing: MP
Tehran Times Political Desk

TEHRAN -- Iran had no involvement in the 1994 bombing of a Jewish center in Argentina and it strongly condemns the allegations made by the Zionist regime, MP Kazem Jalali said on Monday.

The Zionist regime and some Western media outlets have claimed that Iran's defense minister-designate, Ahmad Vahidi, is on an Interpol wanted list over the 1994 bombing of the AMIA Jewish community center in Buenos Aires that killed 85 people.
...
It is obvious that the U.S. and the Zionist regime had a hand in raising this issue, Jalali said.
...
<!-- m --><a class="postlink" href="http://tehrantimes.com/Index_view.asp?code=201747">http://tehrantimes.com/Index_view.asp?code=201747</a><!-- m -->
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So.....

Zitat:Teils, teils. Die reine duale Abschreckung hat sich zwar verändert auf eine auf mehrere Länder bezogene, aber sie war immer noch eine zweigleisige (sprich: Ost-West-Konfrontation), allenfalls dreigleisige (hierbei spreche ich vom miteinbezogenen sowjetisch-chinesischen Gegensatz in den 60ern parallel zum Ost-West-Gegensatz). Von einem Knacks möchte ich insofern (noch) nicht sprechen durch die atomare Aufrüstung dieser Staaten. Richtig zum Bruch kam es erst, als andere Länder, die sich nicht diesem Schema zurechnen lassen (auch wenn das Schema selbst seit 1990, zumindest im Osten, sich überlebte), atomar aufrüsteten, etwa Pakistan, Israel oder Indien und seit verschiedene Länder Ambitionen diesbezüglich ins Auge fassten (Iran, Syrien, Südafrika). Diese Länder kann man keinem direkten Bereich mehr zuordnen, auch wenn z. B. Israel vom Westen unterstützt wird oder Nordkorea von China Hilfen erhält. Insofern: Die Proliferationsproblematik hat erst seit 1990 sich so verändert, als das sie als "Knacks" herhalten könnte.

Du siehst aber den entscheidenden Punkt nicht: Die Abschreckung ist ein gesonderter Fall, der sich immer auf eine bestimmte Form von Konflikt und eine bestimmte Figuration bezieht. Was heißt das? Nukleare Abschreckung bedeutet nicht, dass beispielsweise nie der Sowjetunion in irgendeiner Politikfrage widersprochen wurde oder gegen sie Front gemacht wurde. Abschreckung bedeutet nur, dass in substanziellen Konfliktlagen höherer Intensität diese ultimativen Waffen als Drohung, als Abschreckung "angewendet worden" gegen einen bestimmten Kontrahenten. Der Nutzen dieser nach humanen Gesichtspunkten nicht einsetzbaren Waffen besteht in der Drohung, sie in einer eskalierenden Konfliktlage einzusetzen und damit jedes Nutzenkalkül aufgrund potenziell grenzenloser Verluste ins Negative zu ziehen. Im Kalten Krieg herrschten ja trotzdem genügend heiße Konflikte, gab es Stellvertreterkriege usw. Nur die endgültige Konfrontation der USA mit der UdSSR wurde durch sie verhindert und auch das nicht ohne Probleme.
Dieses Schema, wie du bezeichnest, war damals durch den weltpolitischen Dualismus des Kalten Krieges gekennzeichnet für die USA und für die UdSSR. Hier gab es aber eine duale Konfliktstruktur, die auch nur für diese Konfliktstruktur Gültigkeit hatte bzw. am Rande noch China und Großbritannien bzw. Frankreich einschloß.
Diese exklusive Schema ist natürlich aufgesprengt, aber nun existieren eben andere "Schemen". Abschreckung bezieht sich immer eben nur auf einen existenziellen, eskalierenden Konflikt, sprich eben auf bestehende Konfliktstrukturen. Welche Folge hat denn für die USA mit Blick auf Russland und einen russ-amerikanischen Konflikt die indische Atombombe? Keinen! Es gibt eben bezüglich der Konfliktstrukturen, in denen Abschreckung wirkt, keinen zwingenden Tangenspunkt. Es gibt eben neue Schemen, andere Schemen, in denen diese Abschreckung nun wirkt. Ich gebe zu, dass diese neuen Schemen sich überlappen können, dergestalt, dass neue Schemen sich partiell überlappen können, nämlich in dem einen ihrer Pole: Das ist zweifelsohne in mehreren Fällen die USA. Dennoch bleiben diese neuen Schemen gebunden an die jeweiligen Konflikt- und Machtstrukturen der zugrundeliegenden regionalen Machtpolitik und die sind eben auch wie im Kalten Krieg Dualismen bzw. haben trilaterale Strukturen bestenfalls. Der Iran schreckt nicht China ab, weil China und Iran keinen existenziellen Konflikt haben, ebenso wäre dies für Indien oder Pakistan gültig mit Bezug auf Iran. Der Iran hat seinen "Dualismus" mit der Zweierallianz USA und Israel, das gleiche könnte man mit Nordkorea für die amerik.-südkoreanische Allianz sagen.
Daher: Neue Schemen bestehen, aber die haben auch eine klare, duale oder trilaterale Axiomatik, immer bezogen auf einen existenziellen, grundlegenden Machtkonflikt mit einem oder zwei primären Gegnern.
Daher sehe ich den Knacks in diesem Punkt in der Praxis als so nicht scharf an, wie er sich theoretisch anhört.


Zitat:Derzeit mag die Abschreckung noch teilweise funktionieren, aber wenn noch andere Länder nachziehen, wird sie, glaube ich, durch die zunehmende Zersplitterung an Einfluss auf politische und militärische Entscheidungen verlieren. Und ehrlich gesagt bin ich nicht so sicher, was passiert, wenn noch einige neue Atommächte sich versuchen zu etablieren. Selbst beim Iran sehe ich teils keine klaren Grenzlinien in Sachen Konfliktlogik/Konfliktmatrix, egal ob Afghanistan (Taliban), pakistanische Aktivitäten, teils der Irak, die eh verhassten Saudis oder Israelis oder gar Amerikaner. Und, mit Verlaub, Nordkorea scheint sich sowieso von jedem auf dem Planeten bedroht, verraten, etc. zu fühlen, hauptsächlich wohl die USA, Japan und Südkorea, was aber auch schon drei Staaten sind. Ohne größere Probleme würden andere Staaten, die sich ähnlich kritisch äußern, auch in den „Feindeskreis“ aufgenommen werden, einfach, weil sie Kontakte zu den Erstgenannten haben und die gleichen Sorgen teilen. Bei Indien und Pakistan magst du recht haben, dass beide stark aufeinander fixiert sind, es bleibt aber abzuwarten, wie sich das Verhältnis beider zu anderen entwickelt.

Kann ich so nicht sehen. Eine potenzielle Atombombe wäre sowohl ein Prestigeobjekt, als auch eine Abschreckung gegenüber den Amerikanern. Aber wozu soll eine Atombombe denn als Abschreckung gegenüber dem Irak dienen? Wie soll denn der Irak dergestalt Irans Existenz bedrohen, dass solch eine ultimative Drohung bemüht werden muss. Und wie bzw. warum sollte Saudi-Arabien solch eine existenzielle Gefahr für den Iran darstellen, dass hier mit einer nuklearen Drohung gearbeitet werden müsste. Ich sehe da grundsätzlich das Prinzip der Abschreckung anders arbeitend als du. Zudem kann ich auch weiterhin eine klare Konfliktmatrix sehen und dementsprehend eine klare Konfliktlogik. Saudi-Arabien als "Vormacht" der Sunniten, aber vor allem als Helfer der USA wird allein schon durch die konventionelle Macht der Iraner einigermaßen in Balance gehalten. Die nukleare Option als ultimative Versicherung dagegen ist insbesondere nur gegen die anderen Atommächte Israel und USA von Nutzen.
Ebenso im Fall Nordkoreas: Weder Russland, noch China sind die ultimativen Drohungen/Bedrohungen für das System, sondern eben die USA, wie man es aus zig Verlautbarungen der Nordkoreaner und aus ihrer USA-fixierten Politik herauslesen kann. Zudem muss wieder gesehen werden, dass klassischerweise nur im Fall einer echten Eskalation/Auseinadersetzung nukleare Abschreckung eine "echte Option" ist. Bei jeder Kleinigkeit mit einer Atomwaffe zu drohen, raubt über kurz oder lang solch einer Drohung ihre Abschreckungskraft. Denn letztlich wird niemand in Washington annehmen, dass Nordkorea nur wegen eines Manövers die MAD in Kauf nehmen würde.
Und was Pakistan und Indien angeht: Wer soll denn effektiv in der Konfliktmatrix mitmischen? Russland? USA? Welche Anteile, Interesen haben sie an der politischen Lage in Südasien, als dass sie solch gravierende Konsequenzen in Betracht ziehen würden? Einzig China hat da möglicherweise etwas Anteil. Aber wie gesagt, es ist halt eine Frage der grundsätzlichen Konfliktstruktur und die ist nirgends " so pluralistisch und diffus", dass alle alle abschrecken müssten.
Es gibt natürlich ein großes Problem, was ich hier anschneiden würde, nämlich, dass die klassische, durchaus noch funktionable Abschreckung pervertiert und umfunktioniert wird. Das Problem besteht, das (nimms mir bitte nicht übel und persönlich Schneemann!!!) natürlich Leute auf Gedanken kommen könnten wie Schneemann hier und offensive Strategien entwickeln könnten, um Atomwaffen nicht nur als defensive ultimative letzte Drohung zu benutzen, sondern sie entweder zu relativieren/missachten bzw. sie offensiv in irgendeiner Weise einzusetzen. Diese Gefahr besteht, ist aber eine andere strategische/taktische Nutzung der Atomwaffen. Diese Gefahr bestand schon immer und - da gebe ich dir Recht - mit der Erhöhung der Nutzerzahlen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass in einem Fall auch eine offensive/und oder pervertierte Nutzung versucht wird.


Zitat:Ich unterschätze die Dynamik von Konflikten nicht, keineswegs, deswegen habe ich die 2-Niederlagen-Theorie auch ziemlich lange abgewogen. Allerdings: Hier kann man nicht das Bsp. des Kalten Krieges anbringen. In dieser Zeit wäre ein konventioneller Krieg schon und sicherlich ein nicht mehr zu beherrschendes Risiko gewesen, weil sich eben zwei Supermächte gegenüber standen. Im verkleinerten Maßstab, also im Konflikt mit einer Regionalmacht, sehe ich das Risiko hingegen nicht, ja denke, dass die 2-Niederlagen-Theorie durchaus funktioniert.

Stell dir folgende Frage: Wieso sollte eine Supermacht wie die USA einen möglicherweise für die betreffende Region apokalyptischen Konflikt in Betracht ziehen. Stehen denn alle Ressourcen einer Supermacht auch im Konflikt mit einer Regionalmacht der Supermacht zur Verfügung oder gibt es doch verdeckte bzw. offene Hinderungen für einen Konflikt?
Kann denn die Supermacht tatsächlich mit Hinblick auf Verbündete in der betreffenden Region mit wirklich gutem Gewissen einen Krieg gegen einen Atomwaffenstaat führen oder gibt es nicht doch Kosten, die deine Vorstellung von den "2 Niederlagen" widersprechen. Wo ist ein Sieg vorprogrammiert, wenn unter Umständen wichtigen Verbündeten, aber auch deinen eigenen Militärstützpunkten mit vielleicht Zehntausenden an Soldaten der atomare Tod droht? Wie gesagt, ein Hasadeurspiel, das leicht von Seiten der Regionalmacht mit entsprechender Hasadeursmentalität beantwortet wird, indem "als letzte Drohung" einer deiner Stützpunkte als Supermacht im nuklearen Inferno aufgeht. Und dann stehst du als Supermacht da und musst kalkulieren, welche Art von Niederlage, Remis oder Sieg unter welchen Kosten du politisch bewerkstelligen kannst....

Zitat:Welche nukleare Kettenreaktion soll in Gang kommen? Ich denke nicht, dass Russland, Indien oder China für irgendeinen Autokraten nuklear in die Bresche springen, nur weil man dessen Drohung konventionell ignoriert hat und dieser halsbrecherisch das nukleare Abenteuer sucht.

Wie angedeutet: Die Regionalmacht verbrennt einen "deiner Stützpunkte" atomar mit einem begrenzten Schlag, du reagierst damit atomar mit einem begrenzten Schlag und rückst weiter vor, und dann eben kommt ein umfassender Nuklearschlag der Regionalmacht auf deine Truppen, Stützpunkte und Verbündete und vice versa. Das ist natürlich kein Weltuntergang, aber mir reichen mehrere Millionen Tote in ein paar Tagen schon um dies als Kettenreaktion und apokalyptisches Szenario zu bezeichnen. Dir etwa nicht? Oder meinst du historisch kommt es auf ein paar Millionen mehr oder weniger Tote nicht an??

Was dein Iran-Beispiel angeht, so denke ich, dass du dein "altes Problem" hier zeigst, dass du zu oft deine guten Überlegungen mit deiner politischen Meinung vermischst. Zum einen besteht die Weltöffentlichkeit nicht nur aus den USA und Israel. Ein Iran als Nuklearstaat, der klare Drohungen ausstößt, wird international sich auf Souveränitätsrechte und andere Prinzipien berufen, die von nicht wenigen geteilt werden. Die USA könnte je nach konkretem Fall bei einem Angriff auf den Iran auch im Stile des Iraks und seiner marginalen coalition of the willing als Aggressor auftreten. Zudem muss man eben den genauen Fall sich anschaun.
Schlagen die USA mal kurz zu, sehr begrenzt, sehr kurz, dann könnte im Stile des Jom-Kippur-Krieges natürlich auch hier die nukleare Drohung nur eine Randnotiz bleiben. Wenn es aber darum ginge, sagen wir mal den Iran in die Steinzeit zu bomben oder gar ein Regime Change samt Besatzung durchzuführen, dann wäre die ultimative Drohung mit Atomwaffen als klassische Abschreckung in "ihrem Element". Die USA müssten bei ihrem existenziellen Angriff von Anfang mit der Drohung leben und sie einkalkulieren und missachten, sprich, sie würden ihre erste Wahl, Frieden oder Aggression und nukleare Antwort, mit letzterem beantworten. Denn bei ihrem Abenteuer müssen sie eben davon ausgehen, dass ihr Angriff nuklear beantwortet wird, dass ein Sieg eben nicht möglich ist im klassischen, konventionellen Sinne und ihr Angriff nur auf dem Prinzip Hoffnung basiert, nämlich, dass die Iraner einknicken und sich überrennen lassen. Aber das kannst du nicht voraussetzen, weil man von Seiten der Iraner eben auf die nukleare Drohung setzen kann und muss und daher jeder Siegversuch der Amerikaner so viel Verluste produzieren würde, dass er unmöglich und untragbar würde. Dies setzt geradezu klassisch die nukleare Kettenreaktion in Gang, weil dann eben taktische Schläge erfolgen würden usw.

Ergo: Man kommt nur auf 2 Niederlagen-Theorie, wenn man a priori schon an der Atombombe und ihrer Abschreckungskraft zweifelt. Wenn man aber noch auf diese Waffe setzt, dann gibt es eben auch keine Niederlage als Möglichkeit für dich als handelnden Akteur, weil die damit verbundenen drohenden Verluste für den Gegner jenen "selbstverständlich" abschrecken. Und diese extrem dissynchrone Wahrnehmung würde eben in eskalierenden Konflikten hoher Intensität geradezu automatisch in nukleare Schläge und extrem hohe Verlustzahlen führen.

Zitat:Das ist ein falscher Ansatz, denke ich. Es gibt in einem solchen Fall schlicht kein nihilistisches Remis. Es gibt nur Niederlage oder Niederlage. Das mag zwar bitter erscheinen, es ist aber so. Genau genommen hat die Atombombe in diesem Fall nicht einen wie auch immer gearteten Abschreckungseffekt erzeugt, sondern eine schlimme Zwickmühle eröffnet. Und selbst wenn es der jeweilige Machthaber nicht weiß, seine Generäle dürften es wissen. Sie haben die Möglichkeit zwischen zwei Übeln zu wählen. Und meisten wöllten in dem Fall schon erst mal sich selbst retten, bzw. – da sie auch von ihren Verbrechen wissen (was bei den meisten Diktaturen der Fall ist) – versuchen, ihre Chancen vor einem Tribunal zu verbessern und sich nicht mit halsbrecherischen Ideen endgültig abservieren. Dafür gibt es auch genügend historische Beispiele.

Das sagst du aus westlicher Perspektive, weil du daran glaubst, dass eine potentielle atomar bewaffnete Mittelmacht einknickt und weil du nicht mehr an die Abschreckung durch Atomwaffen glaubst. Wenn aber der Akteur noch daran glaubt und eben nicht für möglich hält, dass eine Supermacht tatsächlich das Leben seiner Soldaten, seine Basen, Schiffe und Verbündete riskiert und entsprechend mit begrenzten taktischen Atomschlägen in einer schon für ihn verzweifelt werdenden Lage daran erinnern will, wird das ganze übel, sehr übel.
Und da solltest du nicht über Gedanken an spätere Tribunale spekulieren, wenn bekannt ist, wie sensibel man doch vielerorts auf hohe Verlustzahlen reagiert.

Zitat:Und: Natürlich kann man damit argumentieren, dass die „Fehlerhaftigkeit“ des Menschen die Risikoabwägung nicht möglich macht oder das ganze Gedankengebilde als zu riskant erscheinen lässt. Aber: Den Risikofaktor „Fehlerhaftigkeit des Menschen“ hast du immer, egal ob mit diesem Konzept oder ohne dieses. Sprich: Das ein wahnsinniger Diktator das Undenkbare tut, kann immer passieren, egal ob gerade ein Krieg tobt oder nicht. Und in dem Fall ist das Risiko, das er in dem Fall wenn der konventionelle Angriff stattfindet die Bomben-Option nutzt, das geringere und noch zudem das kleinere Übel. Weil: Wenn er im Grundsatz bereit ist, die Bombe einzusetzen, wird er das auch tun und von diesem Grundsatz nicht abweichen, egal ob gerade Krieg herrscht oder nicht. Und da muss auch angemerkt werden: Lieber lässt er sich vom Irrsinn leiten, wenn sein Potenzial eh schon weitgehend zerstört ist (durch einen Angriff auf konventioneller Basis), als dass er mit voll einsatzfähigem Potenzial aktiv wird. Die Auswirkungen wären dann nämlich in jeder Hinsicht schlimmer.

Jein.
Zentraler Einspruch dagegen lautet wie folgt: Der wahnsinnige Diktator ist für mich bissel ein westliches Zerrbild. Rationalität und Irrationalität sind relative Bewertungsmaßstäbe, abhängig von der eigenen Position. Es ist etwas ein Vorurteil im Westen, dass ein Diktator in jeder Hinsicht "wahnsinnig" ist. Er/sie mag spezifische Verzerrungen haben, spezifische Prinzipien, aber dennoch gibt es jeweils kontextuelle Logiken. Und die laufen fast immer auf Machtsicherung und Überleben hinaus. Daher kann ich dir nicht zustimmen. Ein Diktator ist eben nicht automatisch gewillt eine Bombe einzusetzen, sondern kann durchaus durch ein westliches Verhalten, wie du es hier ausmalst und das eben voller Risiken ist, geradezu gezwungen werden, zu reagieren und den "Angreifer zur Vernunft zu bringen", sprich ihn vom Angriff abzuhalten. Das sind jeweils alles fallspezifische Fragen, die man so nicht pauschalieren kann (und sollte) und sicherlich nicht zu einer Dokrin gemacht werden sollte.
Mag ja sein, dass dein Fall „funktionieren würde und sogar politisch wünschenswert wäre“. Aber solch ein Fortgang wäre nur eine Möglichkeit, eine sogar eher unwahrscheinliche Möglichkeit unter vielen anderen „hässlicheren Möglichkeiten und Entwicklungen“.
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Zitat:Irans Ex-Präsident Chatami - Prozess-Geständnisse reine Lügen

Teheran (Reuters) - Irans Ex-Präsident Mohammed Chatami hat die Massenprozesse gegen Regierungsgegner scharf kritisiert.

Die Geständnisse, die während des Verfahrens gemacht wurden, seien "reine Lügen und falsch", sagte der Reformer am Mittwoch laut der Nachrichtenagentur ILNA. Sie seien unter "außergewöhnlichen Umständen" zustande gekommen und ungültig.
Link: <!-- m --><a class="postlink" href="http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE57P0EJ20090826">http://de.reuters.com/article/worldNews ... EJ20090826</a><!-- m -->

...und...
Zitat:Protestbewegung in Iran

Chamenei weist Vorwürfe gegen das Ausland zurück

Bislang hieß es in Iran, fremde Mächte steckten hinter den Protesten gegen Präsident Ahmadinedschad. Von dieser Position weicht Ajatollah Ali Chamenei nun ab. Der geistliche Führer des Landes sieht keine Anzeichen für Aktivitäten des Auslands - und droht den Bassidsch-Milizen mit Strafverfolgung.
Link: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,645206,00.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 06,00.html</a><!-- m -->

PS: Thomas, auf deinen letzten Post antworte ich noch. Wahrscheinlich heute abend.

Schneemann.
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So, ging schneller als gedacht...

Zitat:Du siehst aber den entscheidenden Punkt nicht: Die Abschreckung ist ein gesonderter Fall, der sich immer auf eine bestimmte Form von Konflikt und eine bestimmte Figuration bezieht. Was heißt das? Nukleare Abschreckung bedeutet nicht, dass beispielsweise nie der Sowjetunion in irgendeiner Politikfrage widersprochen wurde oder gegen sie Front gemacht wurde. Abschreckung bedeutet nur, dass in substanziellen Konfliktlagen höherer Intensität diese ultimativen Waffen als Drohung, als Abschreckung "angewendet worden" gegen einen bestimmten Kontrahenten. Der Nutzen dieser nach humanen Gesichtspunkten nicht einsetzbaren Waffen besteht in der Drohung, sie in einer eskalierenden Konfliktlage einzusetzen und damit jedes Nutzenkalkül aufgrund potenziell grenzenloser Verluste ins Negative zu ziehen. Im Kalten Krieg herrschten ja trotzdem genügend heiße Konflikte, gab es Stellvertreterkriege usw. Nur die endgültige Konfrontation der USA mit der UdSSR wurde durch sie verhindert und auch das nicht ohne Probleme.
Nicht ganz. Man kann es auch anders herum sehen und sagen, dass es gerade die Atombombe war, die zu einer teilweisen Verschärfung der Lage beigetragen hat und nicht eine Abschreckung bewirkt hat. Wären 1962 auf Kuba „nur“ Mittelstreckenraketen mit konventionellen Sprengköpfen aufgestellt worden, hätte die Welt wohl nicht die Erinnerung an diese Krise wie heute und es wäre auch kein derartiger „Poker“ mit der Bomben entstanden. Und es wäre auch nicht so, dass die Atomwaffe damals zur Vorsicht animiert hat; der russische Plan war ein Hasardspiel erster Güte. Und auch bei den Amerikaner gab es einige Hardliner, die einen Waffengang durchaus riskiert hätten.

Und auch heute sehe ich den Aspekt der Abschreckung z. B. im Falle des Iran nicht. Dadurch, dass er an der Bombe vermutlich arbeitet, schreckt er ja eigentlich nicht ab. Oder anders herum: Würde der Iran nicht an seinem Atomprogramm bauen, würden wir hier im Forum gar nicht über Luftschläge der Israelis oder Amerikaner gegen Ziele in Iran fabulieren und spekulieren für den Fall, das die iranische Bombe Realität wird. Das ganze wäre gar kein Thema. Sprich: Der Bau der Bombe erhöht eher die Gefahr eines Krieges, mehr als dass er sie reduziert. Wenn insofern die Abschreckungstheorie richtig wäre, müsste der Iran aber durch den Bau der Bombe das Kriegsrisiko durch Abschreckung reduzieren. Das Gegenteil ist aber leider der Fall. Und da dies eben einfach eine Tatsache ist, muss man hierzu neue Konzepte sich ausdenken. Da die alte These Atombombe = Abschreckung = Zwangsfriede offenbar nicht mehr richtig funktioniert, zumindest in diesem Fall, sondern eher die Wahrscheinlichkeit eines Krieges sich erhöht, sollte man sich schon mal Gedanken machen, welche Konzepte es zum Führen solcher Konflikte geben könnte.

Abgesehen davon schreibst du oben wieder von den potenziell grenzenlosen Verlusten. Das mag zwar stimmen, wenn man wie damals Ost (Warschauer Pakt) gegen West (NATO) heranzieht, aber bei einem regional beschränkten Atomkrieg heutzutage, und darum ging es mir ja auch, den man mit wenig eigenen Truppen bestreiten könnte, sehe ich derart grenzenlose Verluste nicht wirklich. Ich sehe sie allenfalls bei der betreffenden Regionalmacht. Und ob diese diese tatsächlich riskieren würde, glaube ich einfach nicht. Und damit sind wir wieder bei der 2-Niederlagen-Geschichte und der Zwickmühle, die die Atombombe m. M. nach eröffnet hat.
Zitat: Das ist zweifelsohne in mehreren Fällen die USA. Dennoch bleiben diese neuen Schemen gebunden an die jeweiligen Konflikt- und Machtstrukturen der zugrundeliegenden regionalen Machtpolitik und die sind eben auch wie im Kalten Krieg Dualismen bzw. haben trilaterale Strukturen bestenfalls. Der Iran schreckt nicht China ab, weil China und Iran keinen existenziellen Konflikt haben, ebenso wäre dies für Indien oder Pakistan gültig mit Bezug auf Iran. Der Iran hat seinen "Dualismus" mit der Zweierallianz USA und Israel, das gleiche könnte man mit Nordkorea für die amerik.-südkoreanische Allianz sagen.
Daher: Neue Schemen bestehen, aber die haben auch eine klare, duale oder trilaterale Axiomatik, immer bezogen auf einen existenziellen, grundlegenden Machtkonflikt mit einem oder zwei primären Gegnern.
Das Problem dürfte sein, dass diese Ausrichtung auf die Zweierallianz USA-Israel den Iran überfordert, zumindest was die USA angeht, und dass die Begleiterscheinungen verheerender sind als der gewünschte Aspekt der Sicherheit. Was bitte will man denn auch genau mit der eigenen Atomwaffe? Allenfalls kann man die atomare Parität zu Israel anstreben, ja eine Art Gleichberechtigung erwirken, sich vielleicht selbst ein Gegendrohpotenzial zulegen. Abgesehen davon aber, weiß ich nicht, welche „Strukturen“ die iranische Bombe sonst noch ausprägen könnte, soll heißen: Ich denke nicht, dass die bisherigen Nachbarn so begeistert von einer iranischen Atombombe sind – und das sind nicht nur Israel oder die fernen USA, sondern auch die Saudis oder Pakistanis. Und ehe man sich versieht, hat die Bombe, die Sicherheit bringen soll, aus zwei Konfliktstrukturen/Ausrichtungen drei, vier oder mehr gemacht. Wer sagt denn, das Saudi-Arabien nicht sich so sehr gefährdet sieht, dass es selbst ein Bombenprogramm ins Auge fasst?
Zitat: Stell dir folgende Frage: Wieso sollte eine Supermacht wie die USA einen möglicherweise für die betreffende Region apokalyptischen Konflikt in Betracht ziehen. Stehen denn alle Ressourcen einer Supermacht auch im Konflikt mit einer Regionalmacht der Supermacht zur Verfügung oder gibt es doch verdeckte bzw. offene Hinderungen für einen Konflikt?
Kann denn die Supermacht tatsächlich mit Hinblick auf Verbündete in der betreffenden Region mit wirklich gutem Gewissen einen Krieg gegen einen Atomwaffenstaat führen oder gibt es nicht doch Kosten, die deine Vorstellung von den "2 Niederlagen" widersprechen. Wo ist ein Sieg vorprogrammiert, wenn unter Umständen wichtigen Verbündeten, aber auch deinen eigenen Militärstützpunkten mit vielleicht Zehntausenden an Soldaten der atomare Tod droht? Wie gesagt, ein Hasadeurspiel, das leicht von Seiten der Regionalmacht mit entsprechender Hasadeursmentalität beantwortet wird, indem "als letzte Drohung" einer deiner Stützpunkte als Supermacht im nuklearen Inferno aufgeht. Und dann stehst du als Supermacht da und musst kalkulieren, welche Art von Niederlage, Remis oder Sieg unter welchen Kosten du politisch bewerkstelligen kannst....
Ich denke, es wird eben nicht zum nuklearen Inferno kommen. Alle Faktoren widersprechen in letzter Konsequenz einem solchen Handeln. Wenn es zum Konflikt zwischen der Supermacht und der Regionalmacht kommt, hat die Regionalmacht sehr wahrscheinlich nur die Möglichkeit ihr Drohpotenzial gegen sich selbst, allenfalls angrenzende Gebiete zu entfalten, d. h. sie kann sich selbst oder benachbarte Regionen zu vernichten. Und das wird sie nicht tun. Optional wäre es natürlich sinnvoll, eigene Stützpunkte nicht derart zu präsentieren, das sicherlich.
Zitat: Wie angedeutet: Die Regionalmacht verbrennt einen "deiner Stützpunkte" atomar mit einem begrenzten Schlag, du reagierst damit atomar mit einem begrenzten Schlag und rückst weiter vor, und dann eben kommt ein umfassender Nuklearschlag der Regionalmacht auf deine Truppen, Stützpunkte und Verbündete und vice versa. Das ist natürlich kein Weltuntergang, aber mir reichen mehrere Millionen Tote in ein paar Tagen schon um dies als Kettenreaktion und apokalyptisches Szenario zu bezeichnen. Dir etwa nicht? Oder meinst du historisch kommt es auf ein paar Millionen mehr oder weniger Tote nicht an??
Siehe meine Antwort unter dem letzten Abschnitt. Ferner: Ich glaube nicht, dass eine Regionalmacht einen Stützpunkt gegen ein Teil seines eigenen Staatsgebietes „eintauschen“ wird. Im übrigen gehe ich auch nicht von vorrückenden Truppenmassen aus. Ein Kriegskonzept wie dieses ließe sich alleine aus der Luft oder von See her bewerkstelligen (zumindest nicht in der Anfangsphase). Des weiteren bin ich skeptisch, ob der skizzierte großangelegte Vergeltungsschlag der Regionalmacht wirklich noch stattfinden kann. Nach mehreren Tagen Luftkrieg und evtl. einem taktischen Atomschlag dürften die atomaren Waffenkapazitäten der Regionalmacht kaum mehr vorhanden sein, um einen großflächigen, massiven Schlag noch ausführen zu können. Und selbst dann, wenn er rein technisch noch möglich wäre, bliebe die Frage, ob man – nur um feindliche Truppen vernichten zu können – wirklich riesige Gebiete des eigenen Territoriums gezielt atomar verwüsten und verseuchen will, ja dazu (noch) bereit wäre, obwohl der Krieg de facto schon verloren ist. Ich meine, wenn alliierte Soldaten z. B. vor Isfahan stehen, glaube ich nicht, dass die iranische Seite deswegen Isfahan und Hunderttausende von persischen Zivilisten in den Stadt oder dem Umland gezielt umbringen würde/einem Atomschlag aussetzen würde, nur um eine alliierte Division aufzuhalten in einem Krieg, der zu einem solchen Zeitpunkt eh schon verloren ist. Vor allem, wenn wir beim Bsp. Iran bleiben und Ahmadinedschad wirklich als den „Irren mit der Bombe“ ansehen: Ich denke nicht, dass eine jetzt schon recht zerstritten wirkende iranische Führungsschicht sich darauf einigen könnte, Zehntausende Quadratkilometer eigenes Land atomar zu verwüsten. Ich denke also, dass du mit deiner Prognose etwas falsch liegst, was die Millionen von Opfern und das atomare Inferno angeht.

Schneemann.
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eine Atombombe bei dem Gegner wäre aber selbst bei einer Supermacht eine bereits politisch eine große Hürde bei Entscheidung für einen Konflikt, denn es geht bei jedem Konflikt auch um Kosten Nutzen Rechnung und dabei auch MÖGLICHE "Kostenfaktoren".
Iran welches in der Lage ist 5-6 atomare Sprengköpfe Richtung Israel abzufeuern hat in dieser REchnung ganz andere Gewichtung als ein Iran ohne diese Fähigkeit.
Da für eine Supermacht durchaus auch Schicksal und Wohlbefinden eigener Verbündeten ein wichtiger Punkt in dieser Rechnung ist wird sie somit indirekt auch durch Atomwaffen einer Regionalmacht sagen wir erpressbar.

Deswegen sind so breite Kreise in USA und Israel aufgeschreckt, iranische Atomwaffen erhöhen nun mal in der Tat auch Resistenz einer Regionalmacht vor militärischen Drohungen seitens potentieller Gegner.
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Zitat:Australien prüft Hinweise auf Waffenhandel zwischen Nordkorea und Iran

Was war an Bord der "ANL Australia"?

Nach dem Auffliegen einer verbotenen Waffenlieferung von Nordkorea an den Iran prüfen die Behörden in Australien den Fall. Vor etwa einem Monat waren an Bord des Containerschiffs "ANL Australia" unter anderem Granatwerfer von Zöllnern der Vereinigten Arabischen Emirate sichergestellt worden, bestätigte der australische Transportminister Anthony Albanese. Die zuständigen australischen Behörden prüfen nun, ob gegen australisches Recht verstoßen wurde.
Link: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/ausland/waffenhandel104.html">http://www.tagesschau.de/ausland/waffenhandel104.html</a><!-- m -->

Die "bilateralen Beziehungen" innerhalb der "Achse" scheinen ja noch zu funktionieren...:lol:

Schneemann.
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Da spricht ja auch grundsätzlich nichts dagegen. Außer vielleicht dass es dieses Schiff nicht gegeben hat und der Iran keine RPGs aus Nordkorea importiert. Big Grin

<!-- m --><a class="postlink" href="http://presstv.com/detail.aspx?id=104789&sectionid=351020101">http://presstv.com/detail.aspx?id=10478 ... =351020101</a><!-- m -->
Zitat:Iran diplomat denies UAE weapons ship seizure

Sat, 29 Aug 2009 17:57:42 GMT
Font size : [Increase] [Normal] [Decrease]
As reports claim that the United Arab Emirates has seized a ship carrying North Korean weapons to Iran, an Iranian diplomatic source moves to deny.

“Reports about the seizure of a ship in the UAE have been fabricated by Zionist media outlets in an attempt to influence the outcome of the latest report by the International Atomic Energy Agency [on Iran's nuclear activities],” an informed political source said on Saturday.
...

Siehe auch:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://diomil.ir/en/aig.aspx">http://diomil.ir/en/aig.aspx</a><!-- m -->
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