Russland vs. Ukraine
@Quintus
Zitat:Beispielsweise wurden nach beiden Tschetschenienkriegen erfolgreiche und beliebte höhere Offiziere systematisch ermordert.
Ich entsinne mich, dass ich vor einiger Zeit einen Bericht von Scholl-Latour über Alexander Lebed gelesen habe. Es war im Buch Das Schlachtfeld der Zukunft von 1996. Scholl-Latour suchte Lebed 1994 in Tiraspol (Moldau) auf, wo er seinerzeit die russische 14. Armee führte. Die jungen Soldaten hinterließen auf Scholl-Latour einen durchaus guten Eindruck und äußerten sich dahingehend, dass er einer der wenigen verantwortungsbewussten Offiziere sei. (Selbst wenn man das als notgedrungene Aussage ansieht, damit sie keinen Ärger kriegen, so scheint die Truppe doch in einem relativ guten Zustand gewesen zu sein.)

Lebed zeigte sich im Gespräch mit Scholl-Latour als russischer Nationalist, der klar die Wiederherstellung der alten sowjetischen Ordnung präferierte, was aber auch dem Umstand geschuldet gewesen sein kann, dass Russland in der ersten Hälfte der 1990er in Kriminalität und bitterer Not versank und dass Lebed selbst das blutige Chaos in Zentralasien (u. a. den Bürgerkrieg in Tadschikistan) miterlebt hatte. Zugleich griff Lebed offen die Führung an, besonders seinen Intimfeind, den völlig unfähigen und korrupten Verteidigungsminister Pawel Gratschow (der auch das Tschetschenien-Desaster mit zu verantworten hatte).

Lebed, der durchaus auch jenseits der Armee Ansehen genoss, half später bei der Beendigung des ersten Tschetschenienkrieges - was ihm eine tiefe Feindseligkeit u. a. auch von Putin und einiger hoher Generäle einbrachte, die ihm Verrat unterstellten - und versuchte sich nach seinem Abschied vom Militär in der Politik. 1998 wurde er Gouverneur der rohstoffreichen Region Krasnojarsk. Im Jahr 2002 kam er überraschend bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben, wobei bis heute gemunkelt wird, dass Sabotage im Spiel gewesen sein könnte.

In jedem Fall auch eine "symptomatische" Biographie.

Schneemann
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(Gestern, 23:31)Quintus Fabius schrieb: muck:

Die russische Armee und die russische Gesellschaft sind zwei höchst verschiedene Dinge. Russlands Staat und Gesellschaft sind auch nicht militärisch geprägt, sondern von Geheimdiensten, Polizei und organisierter Kriminalität, wobei alle drei fließend ineinander übergehen und heute im System Putin in weiten Teilen deckungsgleich sind. Russland ist de facto ein Polizeistaat / Geheimpolizeistaat.

Das Militär hingegen ist in Russland selbst der Pariah der Gesellschaft. Der entbehrliche, absolut wertlose Abschaum dessen man sich im Krieg entledigt. […]
Korrekt, etwas Ähnliches habe ich weiter oben auch geschrieben. Allerdings stehen Gesellschaft und Armee dennoch in einer Wechselbeziehung zueinander. Die Gesellschaft toleriert und goutiert die Gewalt, die die Armee gegen die gegnerische Zivilbevölkerung und ihre eigenen Soldaten übt, und macht sich auf diese Weise mitschuldig. Man denke nur an die gesellschaftlichen Repressalien, denen das Komitee der Soldatenmütter ausgesetzt war und ist. Außerhalb der städtischen Mittelschichtblase gelten die Soldatenmütter heute noch als Nestbeschmutzerinnen und Verzärtelerinnen ihrer Söhne.
(Gestern, 23:31)Quintus Fabius schrieb: Vergewaltigungen anderer Männer sind inzwischen an der Tagesordnung, ebenso Zwangsprostitution. […]
Die interviewten Soldaten erwähnen übrigens auch Sex "einfach so", mutmaßlich einvernehmlich, und ganz offenbar gleichgeschlechtlich.

Irrsinnig komisch, wenn man sich die gängigen russischen Propaganda-Narrative vor Augen führt.
(Gestern, 23:31)Quintus Fabius schrieb: Einer der sich 2005 weigerte wurde übrigens dermaßen gefoltert dass ihm danach die Beine und die Genitalien amputiert werden mussten. Das führte dann dazu, dass die dafür Verantwortlichen ausnahmsweise mal verurteilt wurden. Der Haupttäter bekam 4 Jahre Lagerhaft, seine Gehilfen 1 1/2 Jahre, alle wurden verfrüht entlassen, mit der Begründung, die "Schwuchtel" habe sie ja mit ihrem "verwestlichten Schwuchteltum" provoziert.
Wie schon erwähnt, es gab seinerzeit einen ähnlichen (wenn auch nicht ganz so brutalen) Vorfall im ukrainischen Irak-Kontingent. Der Unterschied besteht darin, dass die Enthüllungen als nationale Schande empfunden wurden. Unter Wiktor Juschtschenko rollten (Generals-)Köpfe, es gab eine erfolgreiche Kampagne gegen die Dedowschtschina.
(Gestern, 23:31)Quintus Fabius schrieb: Schwul und verwestlicht ist wohlgemerkt immer der, der vergewaltig wird / wurde. Der ist danach Freiwild für alle. Genau deshalb weil er vergewaltigt wurde ist er schwul und die anderen sind es nicht, und dürfen ihn dann vergewaltigen.
Diese Logik existierte bereits im Gulag. Solschenizyn schrieb darüber, wie die Gepflogenheiten und Normen in die Geselschaft hinüberschwappten.
(Gestern, 23:31)Quintus Fabius schrieb: Und bereits 2007 habe ich gesagt und geschrieben, dass es unweigerlich zum Krieg mit den Russen kommen wird und kommen muss. Aber damals hat jeder noch gesagt ich sei geisteskrank, es werde nie mehr einen solchen Krieg geben und Afghanistan werde die Schweiz Zentralasiens (Zitat hier im Forum) und eine stabile Demokratie und ähnlichen Wahnwitz.
Das kommt mir bekannt vor.

Seit dem Georgien-Krieg 2008 wiederholte ich wie ein kaputter Plattenspieler, dass Russland leicht erneut zum Systemrivalen und zur militärischen Bedrohung werden könnte. Dann habe ich das Land besucht, und von da an war ich mir sicher.

In einem gewissen anderen deutschsprachigen Forum wurde ich als Quatschkopf bezeichnet, selbst von Leuten, die seit 2022 behaupten, sie hätten es immer schon kommen sehen. Ich sollte Angela Merkel vertrauen, wurde mir gesagt, die spreche Russisch und sei in der DDR aufgewachsen, die wisse schon, was am Besten sei …
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