EU Verteidigung
(15.05.2025, 01:00)LieberTee schrieb: ..... also wenn das Eurokorps einfach eine eigene Truppe bekäme, würde die Entscheidungshoheit beim Rat der EU liegen der einstimmig beschließen müsste .... das ist natürlich Murks, und deshalb sagst du, diese Truppe sollte der NATO unterstellt sein? Wer beschließt dann über einen Einsatz? Doch nicht auch wieder alle im Konsens??
Es gibt diese Truppe ja noch nicht, also gibt es auch die Regularien dafür nicht. So blöd es auch klingt, aber ich würde den Parlamentsvorbehalt hier noch für das beste, am wenigsten blockierbare Mittel halten. Also müsste das EU-Parlament diese Truppe aufstellen, oder zumindest die Entscheidungsgewalt übernehmen.
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Zum vorherigen Thema, Mindset: Ich möchte mal exemplarisch auf die Leserreaktionen in der größten österreichischen Zeitung, der 'Krone' verweisen, auf die Nachricht hin, dass die Merz-Regierung die deutschen Verteidigungsausgaben deutlich erhöhen will. Einfach überfliegen: (Link)

Der Geburtsfehler der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik besteht darin, dass man erstens Ländern wie Österreich* und Irland groteske Extrawürste gebraten hat, und zweitens überhaupt versucht, disparate Sicherheitsinteressen zusammenzuführen. (* Besonders lustig in diesem Zusammenhang, Ex-Kanzler Nehammers Interpretation der Irland-Klausel. 2023 behauptete Nehammer ernsthaft, Österreich hätte ein Anrecht darauf, von seinen Nachbarn mitverteidigt zu werden, und müsse im Gegenzug nichts dafür tun.)

Besser wäre hier wohl ein "Europa der zwei Geschwindigkeiten". Wer nicht militärisch mitarbeiten will, bitte, derjenige soll sich dann aber bitte auch keinen Beistand erwarten.
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Europa wird kriegstüchtiger: Niederlande rüsten auf und bestellen die stärkste Leopard-Version - aber das ist insgesamt immer noch die Aufrüstung einzelner EU-Mitgliedsstaaten.
Und auch, wenn eine gewisse Standardisierung durch einheitliche Waffensysteme erkennbar ist - von einer gemeinsamen EU-Verteidigung sind wir noch weit entfern.
(15.05.2025, 22:32)muck schrieb: ...
Besser wäre hier wohl ein "Europa der zwei Geschwindigkeiten". Wer nicht militärisch mitarbeiten will, bitte, derjenige soll sich dann aber bitte auch keinen Beistand erwarten.
auf den ersten Blick bestechend - aber wie soll das gehen?

Sobald ein EU-Staat anfängt, sein Defizit zu beseitigen und einige Gewehre, Munition und Manpads beschafft, kann er dann Beistand erwarten?
Und wie ist der Beistand dann - uneingeschränkt oder gleichwertig den Ausgaben des angegriffenen EU-Staates, also etwa auf eine Kompanie von Gebirgsschützen aus Bayern beschränkt?
Was ist, wenn ein EU-Land zu klein ist, um eine eigene Luftwaffe zu unterhalten? Gibt es dann keine Luftunterstützung durch andere EU-Mitglieder?
Und wenn ein EU-Land nicht 5 % sondern nur 2,5 % des BIP für Verteidigungsausgaben aufwendet - werden dann auch nur 50 % der Streitkräfte des Landes mit dem höher finanzierenden Etat eingesetzt?

Ich glaube, über kurz oder lang führt an gemischten Brigaden oder tatsächlich einer EU-Verteidigung kein Weg vorbei. Und dann ist es auch kein Nachteil, wenn sich (analog der "komperativen Vorteile" aus der VWL) die Staaten bei dem, was dort eingebracht wird, auf das konzentrieren, was sie am Besten können.

Man kann natürlich wie bei der NATO anfangen, gemeinsame Manöver abzuhalten und den gemeinsamen Einsatz zu üben - zwar ggf. ohne US-Truppen, aber dafür mit den Staaten wie Österreich, die zwar EU-Mitglieder, aber nicht in der NATO vertreten sind.
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Zumal genau dieses ja die Mentalität ist, welche wir bei Trump bezüglich der Nato kritisieren.
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Passt ja relativ gut hier hinein - Meldung von vor ca. 2 Monaten:
Zitat:EU to upgrade GPS systems as Russian jamming efforts spark response

[Mar 12, 2025]

THE HAGUE, Netherlands — The European Union is upgrading a ground control center for its GPS satellite constellation as concerns over jamming of the vital signals by Russia run high.

Europe operates its own constellation of global positioning satellites called Galileo. Made up of 27 operational satellites in medium-earth orbit, the system provides positioning accuracy down to 20 centimeters horizontally and proudly boasts of being “the world’s most precise GNSS program.” [...] For the system’s newest upgrade, the Spanish company GMV has been tapped to enhance the satellite constellation’s Galileo Reference Centre in Noordwijk, Netherlands, in a contract worth up to €27.5 million, or $30 million USD. Acting as one of the cornerstones of the service, this facility keeps track of the quality of signals while also functioning as the European Monitoring and Analysis Centre in a joint UN project that includes other global navigation systems like GPS, GLONASS and BeiDou. [...]

GPS signal jamming has become a significant concern in recent years, particularly in the aftermath of Russia’s invasion of Ukraine. Especially along the frontline and in the Baltic, interruption of signals is causing inaccurate position readings, which pose problems and safety risks to civilian flights and military applications alike.

Multiple countries, including Poland, Estonia, Latvia, Lithuania, Finland, Sweden and parts of Germany, have experienced GPS disruptions which are often traced back to Russian transmitters.
https://www.defensenews.com/global/europ...-response/

Schneemann
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Ich denke das passt hier in den Thread am besten

Hartpunkt: Deutschland bietet Partnern Einstieg in Rahmenverträge für U-Boote, Kampfpanzer und Luftverteidigung an

Zitat:Die Bundesregierung bietet europäischen Partner den Einstieg in sogenannte Rahmenvereinbarungen zur Beschaffung von Rüstungsgütern in drei Fähigkeitsbereichen an – zu den gleichen Bedingungen wie die Bundeswehr. Wie Verteidigungsminister Boris Pistorius gestern am Rande des Treffens der Verteidigungsministerinnen und -minister der EU in Brüssel vor Journalisten sagte, geht es um Verträge für U-Boote der Klasse 212CD, Kampfpanzer Leopard 2 A8 sowie Systeme der Luftverteidigung. Dies sei ein Zeit- und Effizienzgewinn, sagte Pistorius.

Man wolle dabei auf der deutschen Initiative Euorpean Sky Shield Initiative (ESSI) aufsetzen. „Unser Vorschlag: Länder sollen in den Bereichen, in denen sie besondere Kompetenzen besitzen, Verantwortung übernehmen“, damit ins Lead gehen, so Pistorius. Deutschland habe vorgeschlagen den Lead für die Bereiche Luftverteidigung, bei Landsystemen und bei maritimen Systemen zu übernehmen.


Nach Aussage des Ministers sollen die Streitkräfte ihre Fähigkeitslücken sehr schnell schließen. Dies solle nicht einzeln, sondern im Kollektiv erfolgen, um gemeinsam Ausbildung, Wartung und Logistik zu organisieren. Einzelne Länder werden laut Pistorius „Lead Nation“-Verantwortung übernehmen. Wo anderen Staaten in die Führung gehen werden, ließ er offen.

Pistorius hat heute einen Plan vorgestellt in dem bestimmte Länder als sogenannte Lead Nations in bestimmten Bereichen dienen sollen. Diese Lead Nations sollen Beschaffung, Training und Unterstützung organisieren.

Für Deutschland bietet er hier Rahmenvereinbarungen für Leopard 2A8, Type 212CD und "Flugabwehr" (mMn vermutlich IRIS-T SLM plus Skyranger) an.

Mit IRIS-T SLM und Leopard 2A8 hat man so etwas in einer ähnlichen Form schon gemacht. Das auszubauen halte ich für eine gute Idee.

Welche anderen Lead Nations es geben soll wurde nicht genannt, aber es gibt eine Reihe von Bereichen in den sich solche Leader finden lassen.
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Deutschland stationiert Panzerbrigade an der NATO-Ostflanke - das ist mehr als nur ein Symboltransfer
Zitat: Die Bundeswehr hat in Litauen die neue Panzerbrigade 45 aufgestellt. Zu einem feierlichen Appell reist Bundeskanzler Friedrich Merz nach Vilnius.

Eines der ehrgeizigsten Vorhaben der Bundeswehr nimmt Gestalt an: Die Stationierung von knapp 5000 deutschen Soldatinnen und Soldaten in Litauen. Am 1. April wurde in der Hauptstadt Vilnius die neue Panzerbrigade 45 offiziell in Dienst gestellt. Sie bildet den Kern des Kampfverbands, mit dem Deutschland auf Bitten Litauens die NATO-Ostflanke absichert - eine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
...


Das Land arbeitet derweil selbst am Aufbau einer schlagkräftigen Panzertruppe, für die es 44 moderne Kampfpanzer Leopard 2 A8 aus deutscher Produktion bestellt hat. Den gleichen Typ Panzer wird auch die Bundeswehr-Brigade in Litauen nutzen, was die Zusammenarbeit der beiden Armeen erleichtern dürfte.
...
erst mal 500 Personen - das ist so ungefähr 1/10 von dem, was bis Ende 2027 "dauerhaft vor Ort" sein soll. Bin gespannt, was von dieser Planung umgesetzt werden kann.
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Diskussionsthesen:

ich denke, eine EU-Verteidigung dürfte sich nach dem Vorbild im Baltikum mit nationalen Einheiten entwickeln, die aber gemeinsam im Einsatz sind - und kaum mit eigenständigen "multinationalen Truppen", also einer eigenen EU-Streitmacht:

1.
für eine europäischen Verteidigungsunion mit eigener Armee wären tiefgreifende rechtliche Änderungen erforderlich.
- so ist es durchaus fraglich, inwieweit die EU-Mitglieder aus nationalem (Verfassungs-)Recht die Hoheit über das eigene Militär an eine nicht nationale Organisation wie die EU abgeben dürfen

2.
die Zusammenarbeit nationaler Einheiten hat sich bereits im Rahmen der NATO bewährt
- es gibt keine Notwendigkeit einer eigenen EU-Streitmacht
- die Kooperation nationaler Verbände erlaubt auch, dass sich einzelne Staaten aus der aktiven Teilnahme etwa an Manövern zurück ziehen (das würde sogar den Rückzug des stärksten NATO-Mitgliedes ermöglichen)

3.
Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass sich die NATO zu einem "zwei Säulen Modell" entwickelt
- einerseits die USA mit ihren nationalen Streitkräften mit US-Waffensystemen,
- andererseits ein Verbund europäischer Staaten, bei denen einzelne EU-Mitglieder je nach den Umständen fehlen (Österreich wäre z.B. bei der NATO nicht beteiligt, aber im Verbund mit anderen EU-Mitgliedern durchaus aktiv) mit Waffensystemen, die überwiegend aus europäischer Produktion stammen (Flugzeuge und Hubschrauber von Airbus, Jets aus Frankreich und Schweden, Kriegsschiffe wie U-Boote und Fahrzeuge wie Panzer aus europäischer Produktion ....)
- ob sich Kanada geographisch mehr den USA oder (über Grönland) dem benachbarten Dänemark und damit der "europäischen Verbundsäule" anschließt, kann offen bleiben

4.
ein solches "zwei Säulen Modell" hätte die Möglichkeit einer geographischen Erweiterung, indem einem solchen Bündnis auch andere Staaten - z.B. Brasilien für den Südatlantik oder Japan für den Nordpazifik oder Australien für den Südpazifik - beitreten könnten; es wäre offen und erweiterbar
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(24.05.2025, 09:49)Kongo Erich schrieb: Diskussionsthesen:

ich denke, eine EU-Verteidigung dürfte sich nach dem Vorbild im Baltikum mit nationalen Einheiten entwickeln, die aber gemeinsam im Einsatz sind - und kaum mit eigenständigen "multinationalen Truppen", also einer eigenen EU-Streitmacht:

1.
für eine europäischen Verteidigungsunion mit eigener Armee wären tiefgreifende rechtliche Änderungen erforderlich.
- so ist es durchaus fraglich, inwieweit die EU-Mitglieder aus nationalem (Verfassungs-)Recht die Hoheit über das eigene Militär an eine nicht nationale Organisation wie die EU abgeben dürfen


Nein, das sind zwei verschiedene Punkte. Man kann eine EU-Armee aufbauen (bzw. damit anfangen), ohne dass deswegen irgend ein Land sein Militär abschaffen müsste.


Zitat:
2.
die Zusammenarbeit nationaler Einheiten hat sich bereits im Rahmen der NATO bewährt
- es gibt keine Notwendigkeit einer eigenen EU-Streitmacht
- die Kooperation nationaler Verbände erlaubt auch, dass sich einzelne Staaten aus der aktiven Teilnahme etwa an Manövern zurück ziehen (das würde sogar den Rückzug des stärksten NATO-Mitgliedes ermöglichen)
In welchem Zusammenhang bewährt? Also worum geht es? Geht es um einen möglicherweise begrenzten Angriff Russlands auf EU-Territorium? In einem solchen Zusammenhang hat sich die Zusammenarbeit noch nicht bewähren müssen.

Die Gefahr bleibt doch eine Spaltung der Verteidigungsunion in Willige und Unwillige. Es ist doch völlig klar, dass bei einem begrenzten Angriff Orban und Fico keinen Beistand leisten. Auf die USA können wir uns auch nicht verlassen. Ob Portugal oder Italien Truppen nach Estland entsenden würden? Bestimmt nicht wenn gerade Wahlen anstehen. Und dann wird der militärische Beistand auch für uns zu einer politischen Frage: Will Otto Normalverbraucher das Risiko eingehen, das ein direkter Krieg mit Russland mit sich bringt? Falls nicht: Ist der Regierung das egal?
Und gerade diese Gefahr der Spaltung und der Entfremdung des Volkes von ihrer Regierung macht ein Austesten des Bündnisses für Russland so ungemein attraktiv. Selbst wenn er militärisch verliert - Europa ist danach innerlich gespalten, sowohl zwischenstaatlich als auch innerstaatlich, und das Feld ist bereitet für einen weiteren Aufstieg der von Putin umworbenen Populisten.

Genau dafür wäre eine EU-Armee da: Sie garantiert, dass Europa vereint kämpft. Auch wenn es daneben weiter nationale Armeen gibt.


Zitat:3.
Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass sich die NATO zu einem "zwei Säulen Modell" entwickelt
- einerseits die USA mit ihren nationalen Streitkräften mit US-Waffensystemen,
- andererseits ein Verbund europäischer Staaten, bei denen einzelne EU-Mitglieder je nach den Umständen fehlen (Österreich wäre z.B. bei der NATO nicht beteiligt, aber im Verbund mit anderen EU-Mitgliedern durchaus aktiv) mit Waffensystemen, die überwiegend aus europäischer Produktion stammen (Flugzeuge und Hubschrauber von Airbus, Jets aus Frankreich und Schweden, Kriegsschiffe wie U-Boote und Fahrzeuge wie Panzer aus europäischer Produktion ....)
- ob sich Kanada geographisch mehr den USA oder (über Grönland) dem benachbarten Dänemark und damit der "europäischen Verbundsäule" anschließt, kann offen bleiben
Das Verteidigungsbündnis mit den USA ist tot.
Zitat:4.
ein solches "zwei Säulen Modell" hätte die Möglichkeit einer geographischen Erweiterung, indem einem solchen Bündnis auch andere Staaten - z.B. Brasilien für den Südatlantik oder Japan für den Nordpazifik oder Australien für den Südpazifik - beitreten könnten; es wäre offen und erweiterbar

Ich dachte ja es geht mehr so darum, die Lebenswelten der Menschen zu schützen, und nicht so um den Schutz der Ozeane ...
Aber selber Punkt wie oben: Wir haben keine Erfahrung darin, wie Bündnisse schwacher Staaten gegen einen starken Staat funktionieren (und ohne die USA ist die NATO ein Bündnis schwacher Staaten). Solche Bündnisse sind schnell geschlossen, aber was sie im Verteidigungsfall wert sind, dazu haben wir kein empirischen Wissen.
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(24.05.2025, 11:15)LieberTee schrieb: Man kann eine EU-Armee aufbauen (bzw. damit anfangen), ohne dass deswegen irgend ein Land sein Militär abschaffen müsste.
Richtig, aber auch das ist mMn wieder nur eine Säule eines (anderen) 2- bzw. sogar 3-Säulen-Systems:

Ich sehe eine solche -wie weiter oben von mir beschrieben- neben und in den NATO-Strukturen, die durchaus eine interne Stärkung europäischer Strukturen benötigt, damit sie auch auch ohne die USA einsatzfähig sein können. Hinzu kommen dann bi- und multinationale Kooperationen im Rahmen des Rahmennationenkonzeptes, wie der Admiral BeNeLux die D/NL-Heeresintegration und auch die MND und MNC, wenn man ihnen konstant Truppen unterstellt.

1. Säule EUTO
2. Säule Rahmennationen/binationale Verbände
3. Säule Euro-Truppe

Alle Kooperationen, die unterhalb der Ebene Brigade/Division und/oder nur temporär stattfinden, dienen eher der besseren Integration und Vernetzung, als tatsächlich ein gemeinsame europäische Verteidigung darzustellen.
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