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Sechster Nahostkrieg - Druckversion

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RE: Sechster Nahostkrieg - voyageur - 28.01.2024

Der wichtigste Waffenlieferant der Hamas? Die israelische Armee, so die NYT.
L'Orientlejour (französisch)
Nicht explodierte Munition, Flüge in israelische Militärbasen: Die amerikanische Tageszeitung nimmt die "kreativen" Alternativen der Hamas zum Ausbau ihres Waffenarsenals unter die Lupe.

OLJ / am 28. Januar 2024 um 13:51 Uhr.

Der wichtigste Waffenlieferant der Hamas? Die israelische Armee, so die NYT.
[Bild: https://s.lorientlejour.com/storage/attachments/1367/107314236-1696934185707-gettyimages-507783258-AFP_7J9E7_634075_592716.jpg/r/800/107314236-1696934185707-gettyimages-507783258-AFP_7J9E7_634075_592716.jpg]
Die al-Qassam-Brigade, der bewaffnete Arm der Hamas, bei einer Kundgebung am 31. Januar 2016 in Gaza. Foto AFP / Getty Images / Mahmud Hams.

"Israelische Armee- und Geheimdienstbeamte sind zu dem Schluss gekommen, dass eine erhebliche Anzahl der Waffen, die von der Hamas bei den Anschlägen vom 7. Oktober und im Gaza-Krieg eingesetzt wurden, aus einer unwahrscheinlichen Quelle stammen: der israelischen Armee selbst", berichtete die New York Times in einem am Sonntag veröffentlichten Artikel.

"Was heute klar ist, ist, dass die gleichen Waffen, die die israelischen Streitkräfte in den letzten 17 Jahren zur Durchsetzung der Blockade des Gazastreifens eingesetzt haben, nun gegen sie verwendet werden. Israelische und amerikanische militärische Sprengstoffe haben es der Hamas ermöglicht, Israel mit Raketen zu beschießen und zum ersten Mal von Gaza aus in israelische Städte einzudringen", fährt das US-Medium fort.

Die Hamas habe viele ihrer Raketen und Panzerabwehrwaffen mit von Israel abgeschossener Munition hergestellt, die im Gazastreifen nicht explodiert sei, so Waffenexperten sowie israelische und westliche Geheimdienstmitarbeiter, die von der NYT zitiert wurden. Die islamistische Gruppe setzte auch Waffen ein, die sie von israelischen Militärstützpunkten gestohlen hatte.


"Waffenexperten schätzen, dass etwa 10% der Munition nicht explodiert, aber im Falle Israels könnte diese Zahl höher sein. Das israelische Arsenal umfasst Raketen aus der Zeit des Vietnamkriegs, die von den USA und anderen Militärmächten schon lange nicht mehr eingesetzt werden. Die Fehlschlagquote einiger dieser Raketen könnte bis zu 15% betragen, sagte ein israelischer Geheimdienstoffizier, der wie andere für diesen Artikel befragte Personen anonym blieb.

"Israelische Beamte wussten vor den Angriffen im Oktober, dass die Hamas einige der von Israel hergestellten Waffen zurückerhalten konnte, aber das Ausmaß hat Waffenexperten und Diplomaten überrascht", fuhr die Zeitung fort und zitierte einen Militärbericht von Anfang 2023, den sie einsehen konnte, aus dem hervorging, dass Tausende Patronen und Hunderte von Gewehren und Granaten aus schlecht bewachten Stützpunkten gestohlen worden waren.

Die Blockade und die Unterbindung zahlreicher Schmugglertunnel in und aus Gaza haben die Hamas gezwungen, kreativ zu werden. Ihre Produktionskapazitäten sind nun ausgefeilt genug, um die Sprengköpfe von Bomben mit einem Gewicht von bis zu 2.000 Pfund (900 Kilogramm) abzusägen, den Sprengstoff zu ernten und wiederzuverwenden, schreibt die NYT.


RE: Sechster Nahostkrieg - Quintus Fabius - 30.01.2024

Werter Nightwatch:

Zitat:Ich denke, es ist schon legitim, aus Entwicklungen in der Vergangenheit auf mögliche Zukunftsszenarien zu schließen.

Durchaus, aber man sollte sich davon umgekehrt auch nicht zu sehr die Sicht verstellen lassen, zumal ich ja ebenso auch die Vergangenheit mit bedenke, und dann halt nur zu ganz anderen Schlußfolgerungen komme. Und wie gesagt, und das möchte ich vorab noch mal betonen, glaube ich nicht derart steif an Determinismen wie das dein Text hier meiner Ansicht nach impliziert.

Zitat:Fanatiker lassen sich nicht abschrecken.

Fanatiker ist nicht gleich Fanatiker. Und auch die Fanatiker haben teilweise handfeste Machtinteressen oder verfolgen ganz andere Ziele oder müssen sich ihren jeweiligen Herren dahinter unterordnen. Nur weil sich die Hamas nicht abschrecken ließ, heißt das nicht, dass andere sich gleichermaßen nicht würden abschrecken lassen. Aktuell lässt sich anscheinend sowohl die Hisbollah im Vergleich zum Möglichen recht gut abschrecken und auch schon andere Gruppen konnten abgeschreckt werden.

Ob und in wie weit Abschreckung funktioniert hängt im weiteren zudem stark von der Größe des Geschehens ab. Kleinere Angriffe einzelner Gruppen von extremsten Elemten kann man natürlich nicht abschrecken, aber solche Angriffe wird es immer geben, so oder so. Ob sie nun aus dem Westjordanland kommen, oder aus einem zerfallenden Ägypten, oder aus dem Libanon spielt dafür keine Rolle. Israel ist immer zu klein, zu volatil und es gibt diese absolute Sicherheit welche du hier als Ziel scheinbar verfolgst so nicht.

Entsprechend ist die Frage nicht, ob man alles abschrecken kann, sondern ob man die Angriffe welche so oder so stattfinden werden auf ein Niveau herunter drücken kann, dass leicht abgewehrt werden könnte. Und hier nun zum wesentlichsten Punkt: die Invasion des Staatsgebietes von Israel selbst durch die Hamas Kämpfer wäre definitiv abwehrbar gewesen. Wer hier versagt hat sind die israelischen Sicherheitsbehörden und die israelische Armee. Als ob man diesen Versuch der Hamas welcher dann zu so viel Toten führte nicht spielend hätte an der Grenze zusammen schießen können. Und weil man selbst versagt hat, schürt man nun apokalyptische Bilder, faselt von Holocaust und rechtfertigt damit Aussagen dass man Gaza ethnisch säubern wird und/oder als gemäßigster Aussage dass die Palästinenser auf Dekaden hinaus keinen Staat bekommen werden.

Natürlich war der Hamas Angriff eine Katastrophe und ist absolut inakzeptabel und es soll mir keiner vorwerfen, ich wäre gegen militärische Gewalt, ganz im Gegenteil. Aber er ist eine selbstverschuldete Katastrophe die verhinderbar gewesen wäre. Irgendwie ist Israel die Stärke abhanden gekommen ernsthaft und substantiell zu handeln, dass sieht man selbst jetzt beim Vorgehen in Gaza.

Zitat:Ein Krieg gegen die Hisbollah und auch noch ein wirklich erfolgreicher bis zur militärischen Zerschlagung – nicht einmal Israel konnte sich unmittelbar unter dem Eindruck des 7. Oktober zu einem Präventivschlag durchringen. Geschweige denn, dass irgendwer Interesse und Mut hätte, an den großen Stellschrauben in der Region zu drehen.

Exakt ! Und genau das ist in Wahrheit das Problem. Die Israelis betreiben nur noch Konfliktverwaltung statt Konfliktlösung und angesichts der Umstände und der Feinde wie sie nun einmal sind, ist dies unzureichend und führt nur zu einer immer größeren Stärkung dieser Feinde, bis diese schlussendlich übermächtig werden und ein normales Leben in Israel praktisch nicht mehr möglich sein wird.

Und hier schiebst du meiner Meinung nach viel zu schnell und viel zu bequem die westlichen Staaten oder die sogenannte internationale Gemeinschaft vor - die wollen ja nicht, also kann und darf Israel nicht. Aber dem ist meiner Überzeugung nach nicht so. Es fehlt stattdessen auf israelischer Seite der ernsthafte und entschiedene Wille zum großen Wurf, die Fähigkeit den gordischen Knoten durchzuschlagen, jede mutige und entschlossene Vision der Zukunft. Stattdessen lässt man sich auf das Spiel der Feinde ein und arbeitet mit Gegengewalt gegen Gegengewalt ohne irgendeinen Sinn und ohne langfristige Wirkung.

Ich sehe kein stichhaltiges Argument dafür, warum die Voraussetzungen im Westjordanland besser sein sollen als 2005 in Gaza und warum nach einem Abzug von dort der Konflikt plötzlich einschlafen sollte. Dass die Umstände nicht 'exakt' die gleichen sind, ist kein Argument. Sie sind allemal ähnlich genug. Mehr als genug. Welche Unterschiede zwischen Gaza und dem Westjordanland sind so entscheidend, dass die Entwicklung dort eine andere wäre?

Ein wesentlicher Unterschied wäre beispielsweise, dass im Westjordanland dann ein international anerkannter Staat Palästina vorhanden wäre. Das die Fläche dort viel größer ist und viel weniger urbanisiert. Dass die Grenze viel länger ist und damit Handel und gegenseitiger Austausch in arabische Länder besser möglich wären, während der praktisch gesehen abgeriegelte Übergang nach Ägypten ökonomisch völlig unzureichend war und ist. Und vieles vieles mehr. Einschließlich dass im Westjordanland andere Islamisten die Macht ergreifen würden anstelle der Hamas, insbesondere wenn es gelingen sollte diese jetzt weitgehend zu zerschlagen.

Wenn man jetzt die Hamas massiv niedermachen würde, einschließlich der Tötung ihrer zivilen Elemente, dann würde beispielsweise das Westjordanland eben kein Hamastan 2.0 werden, wie du das propagierst weil die Hamas im Verhältnis zu den anderen Machtgruppen zu schwach wäre. Und das alles sind wesentliche Unterschiede!

Und im weiteren finde ich es erstaunlich, wie sehr man sich heute anscheinend in Israel selbst vor ein paar einfachen Terroristen fürchtet - während man geschichtlich gesehen wieder und wieder wesentlich stärkeren Feinden gegenüberstand und die eigene Existenz viel mehr gefährdet war. Als ob man diese Gruppen sich nicht militärisch vom Hals halten könnte ! wenn man nicht miteinander verflochten wäre:

Zitat:Zum konkreten Vorschlag der totalen Abkopplung des Westjordanlandes: Ich verstehe jetzt ehrlich gesagt nicht, wie eine solche Maßnahme etwas anders sein soll als die Blockade, die man nach der Machtergreifung der Hamas über Gaza verhängt hat, und warum sie im Westjordanland zu einem anderen Ergebnis führen sollte?! Mal ganz davon abgesehen, dass eine totale Abkopplung überhaupt nicht umsetzbar ist, da das Westjordanland ohne Anschluss an die israelische Infrastruktur genauso wenig überlebensfähig wäre wie es Gaza gewesen ist.

Wasser, Abwasser, Strom, Nahrungsmittel hängen ganz genauso am Tropf der Israelis. Wenn du das Abkoppeln willst, hättest du einen extremen Einbruch der Lebensverhältnisse dort. In der Folge würde die Lage dort vollends eskalieren. Die Fatah würde (würde sie schon allein wegen der dann fehlenden Unterstützung durch israelische Sicherheitsdienste) hinweggefegt werden, und irgendwelche islamistischen Kräfte würden die Macht an sich reißen. Was wäre damit gewonnen?

Im Gegensatz zu Gaza, wo auch Ägypten die Winzgrenze blockiert hat und zwar weitaus mehr als Israel seine Grenze nach Gaza blockierte, wäre hier eine Entkoppelung nur von Israel das Ziel, nicht aber von anderen Ländern im allgemeinen. Im weiteren ist das natürlich keine Angelegenheit, die man einfach so durchführt ohne irgendwelche begleitenden Maßnahmen, einschließlich eines Ersatz der israelischen Leistungen - welche übrigens nicht ansatzweise so groß sind für das Westjordanland wie du das hier darstellst - durch sunnitisch-arabische Länder und auch durch den Westen. Entsprechend käme es dort nicht zum Abriß von Wasser, Strom usw. wie du das hier darstellst.

Ganz im Gegenteil wäre damit die Entkoppelung von Israel und Palästina sogar ein Vorteil für die Israelis, da sie im weiteren nicht mehr die Kosten für diese Leistungen zu tragen hätten. Ich spreche also nicht von einer Blockade, sondern von einer Entkoppelung lediglich Israels und Palästinas im Verhältnis nur in Bezug auf diese beiden. Und selbst wenn Islamisten dann trotzdem die Macht an sich reißen, und dass ist durchaus wahrscheinlich, wenn auch nicht hundertprozentig sicher, so sind Islamisten nicht gleich Islamisten und wenn sie sich alle gleichermaßen offiziell die Vernichtung Israels auf die Fahne geschrieben haben, so bestehen trotzdem in der praktischen Realität Unterschiede. Was das Westjordanland nicht werden wird ist ein Hamastan 2.0 wie du es schon oft behauptet hast, wenn man die Hamas jetzt ernsthaft und substanziell vernichtet.

Und die Fatah ist auf Dauer gesehen mehr ein Problem für Israel als eine Lösung- aber das wird in Israel selbst offenkundig nicht verstanden. Denn es ist vor allem die Misswirtschaft der Fatah - und dass diese es versteht alle Probleme welche sie verursacht den Israelis zuzuschieben, welche hier und jetzt im Westjordanland zum rasanten Aufstieg islamistischer Terrorgruppen dort führen. Und entsprechend führt der Status Quo exakt zu dem was du hier befürchtest, einem Hamastan 2.0 im Westjordanland und dieses kann dann schon bald nicht mehr von Israel wirklich kontrolliert werden und entgleitet dann trotz immer größerer Präsenz der Israelis dort deren Kontrolle und dann wird es aus dem Westjordanland genau zu dem großen Anschlag kommen den du hier skizziert hast.

Ein feindlicher Staat lässt sich viel leichter militärisch abriegeln als ein besetztes Gebiet mit engzahniger Vermischung von Bevölkerung, Infrastruktur usw. Du wirst sehen, trotz aller Bemühungen im Westjordanland wird es trotzdem von dort zum großen Terrorangriff kommen der dann den Hamas Angriff in den Schatten stellt.

Und das meine ich, wenn ich immer schreibe, dass Israel nichts zu verlieren hat.

Aber nehmen wir einmal rein theoretisch an, es gelänge das Westjordanland vollständig unter Kontrolle zu bringen. Einfach mal als rein theoretische Annahme. Die Israelischen Sicherheitskräfte kämpfen dort alle Feinde nieder, es herrscht Frieden, absolut alles und jeder werden dort unter Kontrolle gehalten, es gibt überhaupt keinerlei Gewalt mehr, in einer Ein-Staaten-Lösung wird das Westjordanland von Israel annektiert und dies auch noch international anerkannt weil ja jetzt endlich Frieden herrscht - damit ist weder etwas gewonnen noch gelöst.

Dann wird der nächste massive Angriff eben aus dem Libanon kommen, aus Syrien, aus Ägypten, es spielt überhaupt keine Rolle.

Nun ist dein Argument hier stets, dass das Westjordanland ja viel näher an der Knesset befindlich ist. Und damit leichte Infanterie des Feindes - und was für Zeiten sind das eigentlich heute, wo die israelische Armee sich vor leichter schlecht bewaffneter Infanterie des Feindes fürchtet !! - zur Fuß oder mit Pkw sofort da wäre. Aber Raketen fliegen aus dem Libanon und aus Jordanien und aus Ägypten ganz genau so schnell in die Knesset und in etwaig in naher Zukunft so großer Zahl, dass die abstandsaktiven Schutzmaßnahmen damit völlig übersättigt werden. Und selbst feindliche Terrroristen zur Fuß könnten jederzeit dann halt von anderen Ländern aus in Israel eindringen und noch viel mehr töten.

Und warum ist eigentlich die Knesset so wesentlich? Was ist problematischer?! Dass die Knesset - welche man spielend leicht gegen feindliche leichte Infanterie sichern könnte - gestürmt wird und ein paar wenige Politiker ermordet werden, oder ein Massaker in Nordisrael bei dem dann zehntausend isralische Zivilisten umkommen?

Wie gewichtest du eigentlich israelische Menschenleben ? Warum sind israelische Politiker und der Schutz der Knesset wesentlicher als der Schutz Nordisraels ?

Die zu defensive Haltung der Israelis führt also zu nichts, außer zu einer steten und schleichenden Verschlechterung der Lage. Es fehlt hier einfach jede pro-aktive Haltung, welche früher Israel doch so sehr vor allen anderen ausgezeichnet hat !

Zitat:Die Realität ist, dass wir hier im Westen, aber auch die führenden Politiker in Israel seit Jahren nur Konfliktverwaltung betreiben, mit dem primären Ziel, größere Gewaltausbrüche zu verhindern. Da kommt nicht mehr als Verzögerung in der vagen Hoffnung, die Probleme aussitzen zu können.

Zweifelsohne. Und exakt diese Realität gefährdet die Existenz Israels auf Dauer mehr als ein eigenständiges Palästina.

Ich vertrete hier ja weiß Gott keine pazifistische Position, in der alles gut wird wenn man dem anderen irgend etwas gibt und alle Freunde werden usw. Ganz im Gegenteil ! Beispielsweise wäre jetzt der Zeitpunkt die Hisbollah so massiv anzugreifen wie nur irgendwie möglich und Chancen dafür haben sie ja mit ihren Handlungen genug geboten - denn die Angriffe im Norden und die Dislozierung der israelischen Zivilbevölkerung dort sind ein kriegerischer Akt und damit ein Casus Belli.

Worauf ich hinaus will ist eine pro-aktive Haltung, in der welcher radikale Schritte und radikale Maßnahmen zu massiven und weitreichenden Veränderungen führen die man dann exploriert. Und ein eigener selbstständiger Staat Palästina der international anerkannt wird wäre eine solche radikale Maßnahme. Manchmal muss man alles durcheinander bringen, die erstarrten Strukturen aufbrechen, damit sich überhaupt irgendwelche neuen Chancen ergeben.

Nun kommt dein stetes Argument: geht nicht, wird nicht, ist nicht realitisch, wird niemand tun usw.

Möglich dass dem so ist, aber wenn dem so sein sollte und es nicht gelingt aus diesem Status Quo auszubrechen, und zwar mit allen Mitteln und an allen Fronten, dann wird Israel nicht überleben. Der Staat Israel ist mit diesem fatalistischen "Realismus" auf Dauer nicht existenzfähig. Und dann ?!

Beschließend hast du meiner Meinung nach ein weiteres Problem in deiner Argumentation: du erklärst zum einen, die internationale Gemeinschaft sei schwachsinnig (stimme zu), wisse nicht genug (stimme zu) oder sei böswillig (stimme zu), und deshalb falle sie immer wieder und wieder auf die Palästinenser herein (stimme zu) - aber andererseits erklärst du zugleich, Israel könne und dürfe nicht wie es wolle und könne, weil der Druck der sogenannten internationalen Gemeinschaft zu groß sei und damit Israel sich diesem unterordnen müsse (warum eigentlich ?!)

Ein eigenständiger Staat Palästina würde als mindestes vorübergehend die internationale Gemeinschaft aus genau den von dir angeführten Gründen ruhiger stellen und damit Israel Handlungsoptionen bieten. Und damit als mindestes vorübergehend Israel Möglichkeiten bieten an anderer Stelle den gordischen Knoten durchzuschlagen.

Stattdessen spielt man weiter verzagt Whack an Islamist ! und glaubt man könne real nicht mehr tun und werde nie mehr real tun können.

Und um dir ganz beschließend und im Kontext dieser Ausführungen auch mal zuzustimmen:

Zitat:Ein wirklich wichtiger Schritt, den man an dieser Stelle nicht nur dringend gehen müsste, sondern auch gehen könnte, wenn sich die politischen Voraussetzungen nur geringfügig ändern würden, wäre alles zu tun (der Aufwand ist vergleichsweise gering), um den Iran soweit zu destabilisieren, dass es dort idealerweise zu einem Regimewechsel kommt oder das Land wenigstens in einen Bürgerkrieg abgleitet. Wenn diese Schachfigur erst einmal vom Brett wäre, wären langfristig sicherlich positive Entwicklungen denkbar. Leider betreiben wir hier im Westen seit 20 Jahren eine genau entgegengesetzte Politik und haben schon mehrere goldene Möglichkeiten, Volksaufstände im Iran zu unterstützen, verstreichen lassen. Kommt es hier nicht zu einem Kurswechsel (also sprich, es gibt weiterhin keine US Admin mit geostrategischen Sachverstand), wird die palästinensische Frage in den nächsten Jahrzehnten das geringste Problem in der Region sein.

Exakt so etwas meine ich. Von daher will ich den sogenannten Westen hier keineswegs von der Kritik ausnehmen und es soll nicht der Eindruck entstehen, dass Problem sei hier Israel allein. Wir verschulden diese ganze Problemstellung dort ganz genau so mit, an entscheidender Stelle, im ganz großen wie von dir hier angesprochen bis hinunter zum ganz kleinen wo von Deutschland bezahlte Wasserleitungen zu Raketen umgebaut werden und man bestialischen Terroristen sinnlos unsere Steuern zugute kommen lässt während man zugleich was von Staatsräson faselt.

Die militärische Schwäche des Westens und seine Willensschwäche sind natürlich ganz genau so hier Teil des Problems, keine Frage.


RE: Sechster Nahostkrieg - Nightwatch - 30.01.2024

“Quintus Fabius“ schrieb:Und wie gesagt, und das möchte ich vorab noch mal betonen, glaube ich nicht derart steif an Determinismen wie das dein Text hier meiner Ansicht nach impliziert.
Da tut sich jedoch ein ziemliches Logikloch in deiner Argumentation auf. Einerseits verwehrst du dich gegen meine deterministischen Aussagen, wonach uns die Vergangenheit mit Gaza lehrt, dass eine Wiederholung eines Abzugs inklusive Blockade/Entkopplung zum Scheitern führen muss. Andererseits leitest du jedoch genauso aus diesem Konflikt ab, dass die Westbank ja so oder so an Terroristen fallen würde, Israel mit einem Vorgehen im realpolitischen Rahmen sowieso nicht überlebensfähig sei und daher unbedingt irgendwelche großen Würfe nötig sind.
Das sind dann jedoch ganz genauso deterministische Aussagen, die in der Konsequenz noch viel weiter gehen: Während ich nur dafür argumentiere, angesichts der Lehren, die man aus dem bisherigen Verlauf des Konfliktes effektiv zwingend ziehen muss, lieber nichts zu tun und abzuwarten, verlangst du von Israel eine mit extrem hohen politischen und gesellschaftlichen Kosten verbundene radikale Wendung.

Zitat:Exakt ! Und genau das ist in Wahrheit das Problem. Die Israelis betreiben nur noch Konfliktverwaltung statt Konfliktlösung und angesichts der Umstände und der Feinde wie sie nun einmal sind, ist dies unzureichend und führt nur zu einer immer größeren Stärkung dieser Feinde, bis diese schlussendlich übermächtig werden und ein normales Leben in Israel praktisch nicht mehr möglich sein wird. […]
Ich bin der Erste, der die israelische Führung für ihre Unentschlossenheit und Mutlosigkeit kritisiert. Du schreibst, dass der Wille zum großen Wurf auf israelischer Seite fehlt. Das ist schon richtig.

Netanyahu war seit 2009 mit nur eineinhalbjähriger Unterbrechung an der Macht und hat in den 15 Jahren nichts unternommen, als den Status Quo zu verwalten. Er hat keine Visionen; seine sicherheitspolitischen Ambitionen beschränken sich darauf, den Konflikt möglichst geräuschlos zu verwalten, irgendwelche "linken" Friedensträumereien zu torpedieren und ansonsten solide Standortpolitik zu betreiben. Politische oder militärische Abenteuer in welche Richtung auch immer sind ihm fremd. Das mediale Zerrbild des Kriegstreibers Netanyahu könnte da auch nicht unrichtiger sein, hat er in seinen 16 Regierungsjahren bis zuletzt eben keinen größeren Krieg und erst recht keinen proaktiven Krieg geführt.

Der Punkt ist allerdings, was hätte er auch anders tun können? Netanyahu ist wie jeder andere Aspirant auf den Chefsessel in politischen Realitäten gebunden, die sich sicherheitspolitisch in zwei Pole spalten. Du hast, und das sehen wir gerade im Moment wieder überdeutlich, auf der einen Seite die westliche Gemeinschaft, die, komme was wolle, an überkommenen Friedensformeln festhält und sich beharrlich weigert, in anderen Konzepten zu denken, als es immer wieder mit den gleichen Ansätzen zu versuchen, die seit Jahrzehnten zu genau gar nichts führen. Und auch weiterhin zu nichts führen werden, egal wie lange wir auch belügen wollen, dass eine sogenannte Zwei-Staaten-Lösung irgendetwas mit einer Lösung zu tun hätte.
Insofern, welche Optionen hat ein Politiker wie Netanyahu, der (meiner Meinung nach aus sehr guten Gründen) von einem Palästinenserstaat nichts wissen will? Viel mehr als die Verwaltung des Status Quo und Abwarten mit Blick auf andere Zeiten ist da realistisch betrachtet nicht drin. Was wiederum nicht heißen soll, dass man nicht mehr tun kann als Netanyahu getan hat, es gibt da eine Menge Stellschrauben die man hätte anfassen können ohne gleich an den ganze großen Rädern zu drehen wie dir es hier vorschwebt.

Auf der anderen Seite hast du als (alternativ zentristischer) Regierungschef die israelische Gesellschaft. Ob das jetzt politisch in deinem Sinne ist oder nicht, Tatsache ist, dass es nach 20 Jahren Gaza (und noch um einige Größenordnungen mehr nach dem 07.10.) keine strukturellen demokratischen Mehrheiten für irgendwelche weitreichenden Schritte gibt, die im Sinne der westlichen Gemeinschaft wären.
Du kannst nun natürlich versuchen, entgegen der gegebenen politischen Mehrheiten irgendwelche großen Würfe zu werfen, wirst aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an der Volatilität der israelischen Politik scheitern.

Entsprechend, große Würfe zu fordern ist leicht; Ansätze zu finden, die unter den realpolitischen Gegebenheiten umsetzbar sind, jedoch eine ganz andere Hausnummer. Dein Vorschlag blendet diese Realitäten in meinen Augen vollkommen aus.
Wir diskutieren an dieser Stelle auch nur, warum die Idee eines blockierten Palästinenserstaats in meinen Augen zu nichts führen wird. Rein praktisch könnte es dazu aber niemals kommen, weil kein israelischer Ministerpräsident (ob nun Netanyahu, Gantz, Lapid oder irgendein anderer aus dem Likud) in der Situation, wie sie sich ganz real darstellt, politische und gesellschaftliche Mehrheiten für die Vertreibung von 400.000 Israelis aus dem Westjordanland (von Ostjerusalem reden wir da gar nicht) finden wird.
Ein solches Unternehmen übersteigt bei Weitem das demokratische Mandat einer aus welchen Parteien auch immer zusammengezimmerten Regierungskoalition. Damit derartiges überhaupt denkbar wäre, bräuchte es eine politische Figur mit einem unangefochtenen Führungsanspruch und einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Beides wird es schon für im Umfang wesentlich kleinere Grenzanpassungen im Westjordanland kaum geben.

Zitat:Ein wesentlicher Unterschied wäre beispielsweise, dass im Westjordanland dann ein international anerkannter Staat Palästina vorhanden wäre. Das die Fläche dort viel größer ist und viel weniger urbanisiert. Dass die Grenze viel länger ist und damit Handel und gegenseitiger Austausch in arabische Länder besser möglich wären, während der praktisch gesehen abgeriegelte Übergang nach Ägypten ökonomisch völlig unzureichend war und ist. Und vieles, vieles mehr. Einschließlich dass im Westjordanland andere Islamisten die Macht ergreifen würden anstelle der Hamas, insbesondere wenn es gelingen sollte diese jetzt weitgehend zu zerschlagen. […]
Also noch schlechtere Voraussetzungen?

Ein international anerkannter Staat Palästina hieße für Israel nur weniger Einflussmöglichkeiten. Radikale Elemente könnten sich ungestört ausbreiten, sich der Herrschaftsstrukturen bemächtigen und den Krieg gegen Israel im staatlichen Gewand fortsetzen. Die Herrschaft einer Terrororganisation in Gaza war schon schlimm genug für alle Beteiligten, nun soll dann ein (bei dir Zitat: durchaus wahrscheinlicher, wenn auch nicht hundertprozentig sicherer) Terrorstaat im Westjordanland die Wende bringen? Wieder: Warum in aller Welt sollte Israel ein solches Wagnis eingehen, wenn du selbst einräumen musst, dass davon auszugehen ist, dass der palästinensische Staat von Terroristen übernommen wird? Das ist doch völliger Wahnsinn!

Hinsichtlich Größe und Urbanisierungsgrad, das Land dort ist nahezu wertlos. Die Westbank besteht größtenteils aus steinigen Hügeln oder gleich Felswüsten. Mehr als Viehzucht und Obstbau wie schon zu biblischen Zeiten ist dort kaum möglich. Bodenschätze gibt es keine. Demgegenüber mag Gaza zwar überbevölkert sein, hätte aber als Metropolregion am Mittelmeer (40km Sandstrand!), eine deutlich bessere Infrastruktur (sie hatten selbst einen Flughafen!) und eigentlich reichlich Raum in den Sinai hinein beste Chancen, zu einer florierenden Enklave zu werden. Gasfelder vor der Küste hätten sie obendrein noch, 4.000 (!) Gewächshäuser bekamen sie frei Haus (und wurden zerstört), Israel hätte ihre Arbeitskräfte (hat bis zuletzt) mit Handkuss genommen… aber es musste ja unbedingt Terror sein. Und da soll das in der Halbwüste Westjordanland besser laufen, nachdem Israel noch, wie von dir gefordert, eine totale Blockade/Entkoppelung verhängt? Kann ich nicht nachvollziehen.

Die Grenze ist länger – was in erster Linie den Waffenschmuggel begünstigt. Wie lang eine Grenze ist, spielt für den gegenseitigen Warenaustausch überhaupt keine Rolle, das ist bei einem Korridor von 12 km höchstens eine Frage der Infrastruktur. Und natürlich hätte Gaza unmittelbaren Zugang zu internationalen Seewegen und dem Suezkanal als Hauptschlagader des Welthandels gehabt. Verbockt haben sie das mit ihrem Betreiben dann selbst, während dein Vorschlag vorsieht, das Westjordanland möglichst weitgehend nach Westen zu isolieren. Was will dagegen Jordanien mit noch mehr perspektivlosen Palästinensern, denen gerade auch noch alle israelischen Unterstützungen entzogen wurden? Jordanien kann die auch nicht bespaßen (will es auch nicht), wenn ein souveränes Palästina überleben soll, kann das nur in enger wirtschaftlicher Verflechtung mit Israel funktionieren – genau das, was du in deinem Vorschlag nicht haben möchtest.

Und weiterhin, im Westjordanland käme nach der Zerschlagung der Hamas (was sehr wahrscheinlich nicht passieren wird) sondern irgendein anderer Islamistenverein an die Macht? Was ist da dann genau der Vorteil? Die Hamas hatte wenigstens doch einen sozialpolitischen Unterbau und man konnte sich wenigstens Illusionen hingeben, dass die noch andere Interessen haben als einen neuen Holocaust. Wenn dann irgendein ISIS-Ableger da Fuß fasst, wird es dann besser?
Du schreibst dazu, dass 'Islamisten nicht gleich Islamisten' seien und (übertragen) nur weil die halt dann (buchstäblich) die Vernichtung Israels auf die Fahnen schreiben, müsse man das ja nicht zwingend ernst nehmen. Sorry, aber genau diesen BS hat man sich zwanzig Jahre über die Hamas anhören müssen. Ergebnis ist bekannt. Nun bekommt man die Truppe nach deutlich über 30.000 Toten auf allen Seiten (vielleicht) einigermaßen zurückgestutzt und die große Idee ist es dann, es halt mit der nächsten Terrorgruppe zu probieren, die dann vielleicht doch etwas staatstragender sein wird als die Hamas. Was für ein Irrsinn, welchem Israeli willst du das bitte verkaufen können?

Der springende Punkt: Es ist völlig gleich, ob da jetzt im Westjordanland die Hamas, der Islamische Jihad, ISIS, Hezbollah oder der bewaffnete Arm des Kleintierzuchtvereins Jenin-Mitte gegen die Fatah agitiert. Das sind nur Vehikel der Radikalität und Militanz eines Teils der palästinensischen Bevölkerung. Und diese verschwindet nicht, wenn die Führung der Hamas tot ist oder das Westjordanland judenrein ist, genauso wenig wie mit einem judenreinen Gaza irgendetwas besser geworden ist. Perspektivlosigkeit und Opfermythos werden natürlich auch nach einer Blockade/Entkoppelung durch Israel nicht verschwinden. Israel wird immer noch existieren, die Rückkehr wird ihnen immer noch verwehrt bleiben, Jerusalem wird weiterhin eine israelische Stadt sein, die Wirtschaft wird absacken, egal wie viele Milliarden man reinbuttert, und die bodenlose Korruption der Führung wird sich intensivieren.

Daher: Warum sollte sich ein Volk, das sich seit Generationen in den ultimativen Opfermythos hineingesteigert hat, das Ruder herumreißen und sich plötzlich am eigenen Kragen packen? Die Situation wird weiterhin beschissen sein und die Wut wird sich weiterhin an Israel und der eigenen politischen Führung (die dann nicht mehr durch Israel an der Macht gehalten werden wird) auslassen. Entsprechend wird die Führung fallen, und radikalere Kräfte werden ans Ruder kommen.

Ansonsten verweise ich auf meine Ausführungen in Beitrag 506: Die Umsetzung deines Vorschlags würde als Zeichen der Schwäche ausgelegt und als Aufforderung begriffen werden, den Konflikt zu intensivieren. Schließlich ist die Eroberung Jerusalems dann in greifbarer Nähe, nur noch einige tausend Israelis massakrieren, dann ziehen sie auch von dort ab!

Zitat: Ein feindlicher Staat lässt sich viel leichter militärisch abriegeln als ein besetztes Gebiet mit engzahniger Vermischung von Bevölkerung, Infrastruktur usw. Du wirst sehen, trotz aller Bemühungen im Westjordanland wird es trotzdem von dort zum großen Terrorangriff kommen der dann den Hamas Angriff in den Schatten stellt.
Kalt kalkuliert: Lieber eine ausgelöschte Siedlung als ein 07.Oktober im Jerusalemer Regierungsviertel. Auch deswegen existieren diese Siedlungen.

Wir können uns sicherlich auf den Punkt einigen, dass gewisse exponierte Außenposten im Westjordanland schon aus militärischer Sicht zurückgenommen werden müssten.

Darüber hinaus aber: Die Situation heute ist, dass Israel die Westbank mit und über die Fatah einigermaßen unter Kontrolle hat und dort eben keine gefestigten Terrorstrukturen existieren. Die Israelische Dienste und Einheiten können dort fast nach Belieben agieren (gerade heute: Kommando tötet 3 Terroristen in einem Krankenhaus in Jenin) und es müsste trotz der angespannten Lage noch ganz erheblich viel passieren, dass die Militanten dort in der Lage wären, einen Terrorangriff auch nur in der Größenordnung des 07. Oktober durchzuziehen. Geschweigen denn eine Aktion die diesen noch in den Schatten stellt. Bei Lichte betrachtet fällt es mir da ehrlich gesagt schwer ein derartiges mittelfristiges Szenario zu skizzieren. Viel wahrscheinlicher ist es doch, dass es Israel auf Jahrzehnte hinaus weiterhin gelingen wird einigermaßen den Deckel draufzuhalten.

Der Worst Case scheint mir da eher zu sein, dass es zwischendurch wieder in Richtung einer Intifada geht und die Israelische Armee dort mehr Präsenz zeigen muss. Das ist aber sehr, sehr weit von einem 07.Oktober entfernt und hätte übrigens den nicht unschönen Nebeneffekt, dass ein großer Teil der Außenposten im Zuge der Auseinandersetzungen (erstmal wieder) verschwinden wird.

Springender Punkt aber: Dein Vorschlag verfolgt im Zentrum den Ansatz das alles aufzugeben. Die Westbank wird souverän, Israel ist komplett weg und darf die nächsten 10 Jahre untätig dabei zusehen wie (mit kräftiger Unterstützung durch die UN) die nächste Terrorhochburg entsteht. Dann gibt es wieder Gewalt und die internationale Gemeinschaft wird absolut kein Verständnis dafür haben, das man jetzt wegen ein paar Raketen und ein paar Toten oder Entführten in die Westbank einmarschiert und den Staat wieder plattmacht. Über kurz oder lang wird Israel natürlich trotzdem zurückschlagen und die Situation ist sofort wieder da wo wir sie in Gaza nach 2005 auch gehabt haben. Und dann wird man sich das nächste Jahrzehnt weiterhin kloppen bis man wieder an dem Punkt angeraten ist wo man heute steht: Die Westbank und weitestgehend israelischer Militärverwaltung.

Den Versuch kann man sich schenken und alles so lassen wie es ist.

Und ja, dazu kannst du wieder schreiben, dass dir das alles zu deterministisch ist weil es ja aufgrund irgendwelcher unterschiedlicher Faktoren auch anders bzw. besser komme könnte. Ich könnte dann wieder lange ausführen, warum die bemühten Faktoren zu nachrangig sind um doch von einer anderen Entwicklung ausgehen zu können, der springende Punkt aber ist: Du wirst angesichts der erlebten Realität des 07.Oktobers mit solchen Argumentationsgebäuden keinen Blumenkopf gewinnen, die Menschen werden es dir nicht abkaufen; entsprechend wird es keine gesellschaftlichen Mehrheiten und Politischen Spielräume dafür geben. In einer so volatilen Demokratie und erst recht in einem Land dessen Sicherheit sehr direkt und sehr unmittelbar von der Bevölkerung getragen werden muss kannst du solche Abenteuer nicht von oben verordnen und durchdrücken.

Zitat: Aber nehmen wir einmal rein theoretisch an, es gelänge das Westjordanland vollständig unter Kontrolle zu bringen. […]
Die zu defensive Haltung der Israelis führt also zu nichts, außer zu einer steten und schleichenden Verschlechterung der Lage. Es fehlt hier einfach jede pro-aktive Haltung, welche früher Israel doch so sehr vor allen anderen ausgezeichnet hat !
Lose Anmerkungen dazu:

- Israel ist nun mal an die westliche Gemeinschaft angedockt und so proaktive Eroberungsfeldzüge zur Etablierung von Pufferzonen sind nicht en vogue. Die Situation ist einfach die, solange die politische Führung in Israel meint das man a) die Unterstützung des Westens / der USA benötigt, sie b) sie verlieren wird wenn man allzusehr über die Stränge schlägt und c) die Situation auch weiterhin schon händelbar ist wird sich genau nichts tun.
- Raketen aus dem Libanon/Syrien fliegen perspektivisch auch sowieso, der Konflikt mit dem Mullahs im Iran ist religiös motiviert, hängt nicht an der Palästinafrage und wird solange weitergehen bis eine der beiden Seiten vernichtet ist.
- Raketen wird man in ~ 5 Jahren mit lasergestützter Abwehr für einen Bruchteil der Kosten in deutlich größerem Umfang bekämpfen können. Eine Übersättigung der Raketenabwehr ist somit perspektivisch genau nicht zu erwarten, die Frage ist eher ob man noch solange warten kann bevor ein Feldzug gegen die Hisbollah nötig ist.
- Die Knesset ist in meinen Ausführungen nur ein abkürzendes Bild für die Tatsache, das Israel bei Angriffen aus dem Westjordanland noch verwundbarer ist als bei Angriffen aus Gaza. Der Südwesten Israels ist bis zum Negev hin spärlich besiedelt und dörflich geprägt, da gibt es keine Ziele die wirklich weh tun. Aus der Westbank heraus… die Hamas erreichte am 07.Oktober Eindringtiefen von bis zu 30km. Damit stünde man in Tel Aviv oder am Mittelmeer.

Zitat: Nun kommt dein stetes Argument: geht nicht, wird nicht, ist nicht realistisch, wird niemand tun usw.
Möglich dass dem so ist, aber wenn dem so sein sollte und es nicht gelingt aus diesem Status Quo auszubrechen, und zwar mit allen Mitteln und an allen Fronten, dann wird Israel nicht überleben. Der Staat Israel ist mit diesem fatalistischen "Realismus" auf Dauer nicht existenzfähig. Und dann ?!
Dann wird der Konflikt munter weiterverwaltet. Wenn es nicht geht, geht es nun mal nicht. Politik ist kein Wunschkonzert (erst recht nicht in einem westlichen und demokratischen Korsett) sondern ein Spiel mit Möglichkeiten in einem für gewöhnlich engen Handlungsrahmen. Da helfen dann auch keine Forderungen das man aus dem Rahmen doch bitte ausbrechen und couragiert in die eine oder andere Richtung handeln müsse. Wird nicht passieren, solange die Gravitationskräfte der bestehenden Ordnung noch größer sind als die Fliehkräfte, die durch die sich verschlechternde Lage entstehen.

Aber an diesem Punkt sind wir noch lange nicht.


RE: Sechster Nahostkrieg - Schneemann - 31.01.2024

Aktuelle Entwicklungen - offenbar wurden Teile der Tunnelwelt geflutet (allerdings sollen noch 60 bis 80 Prozent der Tunnel intakt bzw. nicht geflutet sein):
Zitat:Israeli Military Confirms It Has Begun Flooding Hamas Tunnels

It is the first time the military has publicly acknowledged using the tactic, which the U.N. has warned could damage Gaza’s drinking water.

The Israeli military said Tuesday that it had begun pumping water into the vast network of tunnels beneath Gaza, which Hamas has used to launch attacks, store weapons and imprison Israeli hostages. The military “has implemented new capabilities to neutralize underground terrorist infrastructure in the Gaza Strip by channeling large volumes of water into the tunnels,” the Israeli military said in a statement. [...]

Senior Israeli defense officials, who spoke on the condition of anonymity to discuss intelligence matters, estimated this month that the underground network is between 350 and 450 miles — extraordinary figures for a territory that at its longest point is only 25 miles. Two of the officials said there are close to 5,700 separate shafts leading down to the tunnels.
https://www.nytimes.com/2024/01/30/world/middleeast/israel-flooding-tunnels-hamas.html

Zudem noch etwas zum Ausmaß der Tunnel und der genutzten Ressourcen:
Zitat:IDF confirms flooding Hamas tunnels in Gaza with seawater

Measure utilized as army works to destroy massive tunnel network running 350-400 miles long as part of ground operation in Gaza Strip. [...] The tunnels are believed to be accessed by some 5,700 shafts. [...] The IDF said Hamas had used more than 6,000 tons of concrete and 1,800 tons of steel and likely invested tens of millions of dollars into the project.
https://www.timesofisrael.com/idf-confirms-flooding-hamas-tunnels-in-gaza-with-seawater/#:~:text=Measure%20utilized%20as%20army%20works,ground%20operation%20in%20Gaza%20Strip&text=The%20Israel%20Defense%20Forces%20said,open%20secret%20for%20several%20weeks.

Inwieweit nun welche und wie viele Ressourcen genutzt wurden bzw. wie viel von diesem Material aus Hilfslieferungen stammte, um diese Tunnel zu bauen, darüber kann man wohl streiten. Indessen macht der Umstand, dass die palästinischen Hilfswerke bzw. deren UN-Ableger offenkundig tief in die Terrorangriffe verbandelt gewesen waren, die zukünftige Prognose recht düster was Unterstützung angeht:
Zitat:Verbindungen zur Hamas

Skandal um UNRWA wohl größer als gedacht

Mitarbeiter des UN-Palästinenserhilfswerks sollen in die Hamas-Attacke auf Israel verwickelt gewesen sein. Diese Nachricht sorgte für Entsetzen und Mittelkürzungen. Nun scheint sich der Skandal sogar noch auszuweiten. Das Ausmaß der mutmaßlichen Verbindung von Mitarbeitern des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) zu Terroristen im Gazastreifen ist einem Medienbericht zufolge größer als bisher angenommen. [...]

Insgesamt hätten etwa zehn Prozent aller rund 12.000 im Gazastreifen beschäftigten Mitarbeiter des Hilfswerks UNRWA Verbindungen zur Hamas oder dem Islamistischen Dschihad, berichtete die US-Zeitung "Wall Street Journal" unter Berufung auf Geheimdienstberichte. [...] Als Reaktion stellten zahlreiche Staaten ihre Zahlungen an das Hilfswerk vorübergehend ein, darunter Deutschland, die USA, Großbritannien und Frankreich.
https://www.tagesschau.de/ausland/asien/unrwa-hamas-skandal-100.html

Ferner gab es wohl eine Kommandoaktion gegen eine Klinik in der Westbank - auch wenn die Operation rein nach taktischen Gesichtspunkten erfolgreich verlief, so sorgt die angewendete "Kriegslist" für einigen Wirbel:
Zitat:Israeli Forces may have violated international law in West Bank hospital raid, experts say

Israeli commandos raided the Ibn Sina Hospital in Jenin on Monday. [...]

Israeli commandos disguised themselves as doctors and patients to infiltrate the Ibn Sina Hospital in Jenin on Monday and killed three Palestinian men whom Hamas and the Islamic Jihad both claimed as members, Dr. Wisam Sebehat, general director of the Palestinian Health Ministry in Jenin, told ABC News.

One member of the Israeli group had a wheelchair, two carried a doll in a baby carrier, several wore nurses' clothing, another wore doctors' clothing and several others were dressed in civilian clothing, Sebehat said. Doctors and patients are granted "protected status" in armed conflict under the Geneva Convention. An initial statement from the Israeli Defense Forces (IDF) described the raid as a "joint IDF, ISA, and Israel Police counterterrorism activity". The IDF have since clarified to ABC News that their forces were not involved in physically carrying out the operation.

It's a violation of international law to feign protected status, in this case, by dressing up as a doctor or patient, "in order to invite the confidence of the adversary and then proceed to kill or injure them," Aurel Sari, associate professor of public international law at the University of Exeter, told ABC News. This violates the prohibition to kill or injure the adversary by resorting to perfidy, Sari said.
https://abcnews.go.com/International/idf-may-have-violated-international-law-west-bank-hospital-raid/story?id=106810456

Schneemann


RE: Sechster Nahostkrieg - Nightwatch - 31.01.2024

Was für ein Unfug, Terroristen sind keine geschützten Kombattanten und eine Antiterroroperation der Grenzpolizei (hier YAMAM) fällt nicht unter das Kriegsvölkerrecht.


RE: Sechster Nahostkrieg - Schneemann - 31.01.2024

Jein. Also dass Terroristen keine geschützten Kombattanten sind bzw. sie es nicht sein können - wobei aber auch sie nach einer ggf. erfolgten Festnahme gewissen Rechtsbestimmungen unterliegen -, da kommen wir auf einen Nenner. Aber auch die Grenzpolizei muss sich dennoch an das Kriegsvölkerrecht halten bzw. sie unterliegt diesem. Bzw. was ich sagen will: Sie könnte nicht im völlig "rechtsfreien Raum" handeln...

Schneemann


RE: Sechster Nahostkrieg - Nightwatch - 31.01.2024

Die unterliegen logischerweise ja auch nationalen Gesetzen.


RE: Sechster Nahostkrieg - Quintus Fabius - 31.01.2024

Was für Gesetze gelten denn genau im Westjordanland? Da dieses ja nicht Staatsgebiet von Israel ist. Da es keine völkerrechtliche Anerkennung als israelisches Gebiet gibt, auf welcher Rechtsgrundlage agiert dann dort die israelische Polizei ?

Davon völlig unabhängig finde ich die Aktion hervorragend gemacht und sie zeigt klar auf, dass man auch elegant und unter Vermeidung unnötiger ziviler Verluste sehr gezielt arbeiten kann. Und sie zeigt klar auf, wie sehr das beharren auf irgendwelchem Recht einfach völlig an den praktischen Notwendigkeiten vorbei geht und wie sehr Recht immer nur ein Instrument ist, dass genau so als Mittel der Interessensdurchsetzung missbraucht wird wie militärische Gewalt oder alles andere. Welchen moralischen und ethischen Wert soll aber dann dieses Recht haben ?!


RE: Sechster Nahostkrieg - alphall31 - 31.01.2024

Deutscher als israelischer Soldat gefallen

https://youtu.be/zJW0rYltrBg?si=U-OPkYr3FrLrmrxN


RE: Sechster Nahostkrieg - Nightwatch - 01.02.2024

(31.01.2024, 23:06)Quintus Fabius schrieb: Was für Gesetze gelten denn genau im Westjordanland? Da dieses ja nicht Staatsgebiet von Israel ist. Da es keine völkerrechtliche Anerkennung als israelisches Gebiet gibt, auf welcher Rechtsgrundlage agiert dann dort die israelische Polizei ?
Rechtsgrundlage ist Art. 43 der Haager Konvention.
Das Gebiet steht unter Israelischer Militärverwaltung, den Rechtrahmen dort bilden knapp 2.000 Regelungen und Verfügungen, die durch das Militär erlassen wurden.


RE: Sechster Nahostkrieg - Quintus Fabius - 06.02.2024

Über den immensen Reichtum der Hamas und die Verbindungen von Hamas und auch der Hisbollah zur organisierten Kriminalität und wie extrem diese Bundesrepublik dabei versagt etwas dagegen zu unternehmen:

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hamas-terror-israel-gaza-mossad-1.6332602?reduced=true

Die Bundesrepublik ist eine wesentliche Drehscheibe der Terrorismusfinanzierung - und wie zum Hohn finanzieren wir sogar staatlicherseits die Terroristen in Gaza noch darüber hinaus mit Steuergeldern durch die ganzen Hilfszahlungen dorthin.


RE: Sechster Nahostkrieg - Quintus Fabius - 08.02.2024

Aktuell gibt es eine wachsende (große) Zahl von Filmen welche Soldaten der IDF selbst erstellen und ins Netz stellen, auf welchen sie in ganz großem Stil zivile Infrastruktur zerstören, erkennbar ohne dass dies einen militärischen Grund hat. Die Soldaten kommentieren dazu selbst oft dazu, dass sie damit den Gazastreifen unbewohnbar machen wollen, damit die Palästinenser in ihm nicht mehr leben können. Die IDF untersucht diese Videos, aber natürlich ohne jede Folgen oder Konsequenz.


Hab noch mal zur aktuellen Stimmung bei Israelis wie Palistäninsener bezüglich einer 2-Staaten-Lösung nachrecherchiert, ob die Lage hier tatsächlich so negativ ist wie von Nightwatch dargestellt, den es gab dazu ja nicht nur eine Studie (die von Nightwatch zitierte) sondern mehrere. Aber die Stimmung ist durch den Krieg jetzt tatsächlich extrem gekippt. Auf beiden Seiten lehnt eine absolute Mehrheit (gemittelt über 70% der Bevölkerung) eine 2-Staaten-Lösung inzwischen vollständig ab, und dies selbst langfristig gesehen. Die Ablehnung schwankt je nach Umfrage usw. zwischen 70% und teilweise über 80%. Gleichzeitig gehen beide Seiten gleichermaßen davon aus, und zwar mit ungefähr den exakt gleichen Werten, dass die Gegenseite niemals einer 2-Staaten-Lösung zustimmen wird.

Die Israelis sagen also mit absoluter Mehrheit, die Palästinenser würden niemals eine 2-Staaten-Lösung akzeptieren und dies wird zugleich als primärer Grund dafür angegeben warum man selbst diese scharf ablehnt, und umgekehrt exakt dasselbe. Die einzige Ausnahme hiervon bilden ironischerweise die israelischen Araber. Diese sind auch jetzt noch weiter mehrheitlich für eine 2-Staaten-Lösung.

Völlig konträr dazu fordern die G 7, die USA, West-Taiwan, Deutschland, die EU und auch die meisten arabischen Länder wie Saudi-Arabien etc eine 2-Staaten-Lösung. Das einzige was dem also entgegen steht ist die Kindergartenartige Trotzhaltung von Israelis und Palästinenser, welche jeweils gegenseitig angeben, dass die Gegenseite ja niemals eine solche Lösung akzeptieren wird und man deshalb dagegen sei.

Der Konflikt ist daher meiner Ansicht nach aufgrund der Einstellungen der Betroffenen vor Ort durch diese selbst nicht lösbar. Es müsste also von außen mit Zwang durchgesetzt werden, aber abgesehen von der bloßen Absichtserklärung wird keine der wesentlichen Mächte sich dazu aufraffen.


RE: Sechster Nahostkrieg - MartiniX - 08.02.2024

(08.02.2024, 12:26)Quintus Fabius schrieb: Der Konflikt ist daher meiner Ansicht nach aufgrund der Einstellungen der Betroffenen vor Ort durch diese selbst nicht lösbar. Es müsste also von außen mit Zwang durchgesetzt werden, aber abgesehen von der bloßen Absichtserklärung wird keine der wesentlichen Mächte sich dazu aufraffen.

Tja, wenn die UN sich nicht durch ihre Veto-Rechte selbst blockieren würde, könnte man ja noch mal auf ein wirklich starkes Blauhelm-Mandat hoffen, welches eben nicht nur westliche Staaten sondern zu hoffentlich gleichen Teilen auch arabische, pakistanische, ostasiatische einschließt. Aber das ist wohl noch unwahrscheinlicher als alles andere je genannte...


RE: Sechster Nahostkrieg - Schneemann - 08.02.2024

Zitat:Völlig konträr dazu fordern die G 7, die USA, West-Taiwan, Deutschland, die EU und auch die meisten arabischen Länder wie Saudi-Arabien etc eine 2-Staaten-Lösung. Das einzige was dem also entgegen steht ist die Kindergartenartige Trotzhaltung von Israelis und Palästinenser, welche jeweils gegenseitig angeben, dass die Gegenseite ja niemals eine solche Lösung akzeptieren wird und man deshalb dagegen sei.

Der Konflikt ist daher meiner Ansicht nach aufgrund der Einstellungen der Betroffenen vor Ort durch diese selbst nicht lösbar. Es müsste also von außen mit Zwang durchgesetzt werden, aber abgesehen von der bloßen Absichtserklärung wird keine der wesentlichen Mächte sich dazu aufraffen.
Zwang ist in gewisser Weise illusorisch. Die EU, die USA und auch Deutschland innerhalb der EU weisen zwar auf die Notwendigkeit des Schutzes von Zivilisten hin, halten sich aber ansonsten sehr auffallend zurück und lassen Israel mehr oder minder freie Hand - eben weil man es will, und weil man diesen Terrorhort in Gaza schlichtweg beseitigt sehen will. China sieht das wohl ähnlich, wird es aber nicht offen sagen, da man gerne die westliche Unterstützung Israels als halbwegs glaubwürdiges Kritikargument, im Schwerpunkt international gesehen, sich erhalten will. Und Russland wird als moralischer Kritiker oder mit irgendwelchen Forderungen nach Friedenslösungen sowieso nicht mehr ernst genommen.

Übrigens: Die arabischen Nachbarn verhalten sich ebenso recht dubios. Die Hisbollah hat bislang, trotz vieler Befürchtungen, nicht viel gemacht - wie ich vermute, will man wegen sunnitischer Extremisten und wegen anderer Herausforderungen nicht in die Bresche springen (zumal man das im eh zerrütteten und labilen Libanon nicht gut verkaufen könnte, wenn Gegenschläge auf Beirut erfolgen). Ebenso Ägypten - die dortige Junta fürchtet die (ägyptisch-sunnitischen) Muslimbrüder und deren Ableger Hamas wie der Teufel das Weihwasser und lässt sogar Pro-Palästina-Demonstranten verhaften (!).

Selbst der Protest aus Saudi-Arabien und von den Emiraten ist recht überschaubar. Jordanien? Will im Grunde nur den Status Quo erhalten und definitiv keine weiteren Palästinenser aufnehmen, schon gleich dreimal keine Hamas-Leute oder verkappten Islamisten (die Gründe sind seit dem Schwarzen September mehr als nachvollziehbar). Syrien? Diktator Assad hat sein Land immer noch nicht ganz "befriedet" und hasst die sunnitischen Extremisten aus vollem Herzen, er hat seit dem Bürgerkrieg in Syrien auch sicherlich manchen Grund dazu. Bleibt noch die Türkei - aber auch hier, von offiziellem Erdogan'schen Gefluche und mancher kritischen Schlagzeile abgesehen, tut sich hier sehr wenig.

Insofern: Ein äußerer Zwang ist nicht zu sehen, genau genommen tut sich nichts. Man lässt Zahal weitgehend unkritisch weiter dieses Nest des Islamismus ausheben.

Schneemann


RE: Sechster Nahostkrieg - Quintus Fabius - 08.02.2024

Ginge ja eigentlich auch mehr um das Westjordanland. Dass man Gaza ausräuchern muss ist allgemeiner Konsens.

Aber so gesehen war der Angriff der Hamas im Sinne ihrer strategischen Zielsetzung ein erheblicher Erfolg: sie haben damit offenkundig nachhaltig jedwede Chance auf eine friedliche Einigung vernichtet und beide Bevölkerungen in extremer Weise gegeneinander positioniert, was vor dem Angriff in dieser Radikalität noch nicht der Fall war. Selten hat eine derart kleine und für sich selbst billige Aktion derart große politisch-strategische Auswirkungen erzielt.