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Sechster Nahostkrieg - Druckversion

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RE: Nahostkrieg 2023 - Nightwatch - 17.10.2023

(17.10.2023, 01:06)Quintus Fabius schrieb: Merkava Panzer mit Käfig über dem Dach - man lächelt ja oft über die Russen diesbezüglich, aber Israel kopiert nun anscheinend diese russische Methode:

Das ist umso auffälliger wen man bedenkt, dass die israelischen Panzer mit Hardkillsystemen eigentlich noch besser geschützt sein müssten als jedwede Panzer anderer Mächte. Daher richtet sich diese Maßnahme vermutlich primär gegen Kleindrohnen.

Könnte auch schlicht dem Kampf im Urbanen Gelände und der Angewohnheit geschuldet sein, vom Turm aus zu führen.
Dafür spricht, dass die Namer damit nicht ausgerüstet wurden.


RE: Nahostkrieg 2023 - Schneemann - 17.10.2023

Zitat:Könnte auch schlicht dem Kampf im Urbanen Gelände und der Angewohnheit geschuldet sein, vom Turm aus zu führen...
Das vermute ich eher. Wobei es bei den Israelis normierter aussieht als bei den Russen (ausgenommen manche aktuelle Bilder von neuen T-90M, die es wohl auch standardisiert teils haben).

Solcherlei improvisierter Dachschutz ist aber - hinsichtlich urbanem Kampf - nicht ganz neu. Im Zweiten Weltkrieg hatten Kampffahrzeuge mit nach oben offenem Kampfraum (bei den Deutschen etwa die Hummel-Panzerhaubitze oder manche Marder-Panzerjäger, bei den Amerikanern z. B. der M-10-Jagdpanzer) teils solche Schutzeinrichtungen auch, oftmals waren sie im Feld improvisiert worden. Hierbei war v. a. allem die Sorge, dass man Handgranaten in den Crewraum hineinwerfen könnte.

Da heutzutage das Risiko eines offenen Kampfraumes nicht mehr besteht, gehe ich mal in der Annahme, dass diese roof protection tatsächlich dem Schutz vor kleineren Loitering-Drohnen oder teils vor diesen von Drohnen abgeworfenen Bomblets (eigentlich umgebastelte Hohlladungen) dient.

@Quintus
Zitat:Ich schrieb explizit davon, dass man zunächst die Stadt komplett einkesseln muss, dann muss man diesen Kessel in kleinere Unterkessel zerteilen und diese dann belagern.

Das heißt, in diesen Unterkesseln zerstört man die Häuser eben nicht, weil man dort ja eben nicht hinein geht, sondern dort die Kämpfer durch Ausschaltung der Wasserversorgung durch Verdursten erledigt
Was aber ebenso bedingt, dass man reingehen muss. Die ganze Stadt einkesseln würde vermutlich schnell und könnte ohne größere Straßenkämpfe vonstatten gehen, diesen Kessel dann aber aufspalten in kleinere Kessel zwecks "Aushungerung" würde allerdings in jedem Fall Straßenkämpfe bedeuten, so oder so.

Und bei diesen Aufspaltungen sollte man auch auf ein gewisses Tempo setzen und nicht unbedingt sich Zeit lassen - womit wir wieder bei der Geschwindigkeit sind -, denn sonst drohen die Kessel wieder zu verschmelzen. Hinzu kommt, dass das ein sehr riskantes Vorgehen ist - denn man hat mehrere kleinere Kessel parallel zu bedienen. Die Riegelkräfte müssten im schlimmsten Fall nach zwei Seiten wirken, d. h. den einen Kleinkessel einhegen, den anderen Kleinkessel am Ausbruch hindern. In offenem Feld ist dies schon durchaus herausfordernd für eine Armee, im urbanen Kampf aber ein ziemlich chaotischer Alptraum. Der Wunschgedanke also, dass man mit einer solchen Kesseltaktik vorgeht, damit man verlustreiche Infanteriekämpfe vermeiden kann, wird sich kaum halten lassen.

Noch eine Anmerkung:
Zitat: Schuttberge welche aus Hochhäusern heraus entstehen sind dabei weniger ein Problem als wenn ich diese stehen lasse, zumal die Hamas solche Häuser sprengen und zum Einsturz bringen wird, selbst wenn sie nicht einmal betreten werden.
Es ist theoretisch denkbar, dass ein Feind Hochhäuser zur Sprengung vorbereitet oder zumindest größere Sprengladungen platziert (wobei ich hier eher Zeitzünder und keine Funkzünder annehmen würde, da die IDF sicher auch Jammer nutzt) - ähnlich wie die Rote Armee beim Rückzug aus Kiew 1941, was für die Wehrmacht eine böse Überraschung war -, aber es gibt im Nahen Osten hierzu aktuell keine wirklichen Beispiele. Selbst im Libanon, im Irak oder in Syrien gab es so etwas nicht.

Insofern: Ich rechne in jedem Fall mit verminten Häusern, ähnlich wie es auch der IS auf seinem Rückzug praktiziert hat, aber diese Ladungen wären zwar für Infanteristen sehr gefährlich (und könnten Reihenhäuser sicher auch stark beschädigen), sie könnten aber ein Hochhaus nicht zum Einsturz bringen. (Zumal das auch nicht so einfach ist, wie man oftmals denkt.)

Schneemann


RE: Nahostkrieg 2023 - Schneemann - 17.10.2023

Das weist immer mehr in die Richtung, dass es keine Bodenoffensive geben könnte:
Zitat:+++12:24 Israel: Bodenoffensive ist nicht einzige Möglichkeit +++

Das israelische Militär will eigenen Angaben zufolge im Gazastreifen nicht unbedingt zu einer Bodenoffensive übergehen. "Wir bereiten uns auf die nächsten Kriegsphasen vor", sagt ein Militärsprecher. "Wir haben bisher nicht mitgeteilt, worum es sich handelt. Alle sprechen von einer Bodenoffensive. Es kann auch etwas anderes sein."
https://www.n-tv.de/politik/12-44-Mehrheit-der-Deutschen-befuerchtet-Ausweitung-des-Krieges--article24447017.html

Schneemann


RE: Nahostkrieg 2023 - Nightwatch - 17.10.2023

Wenn das Ding ohne eine substantielle Bodenoffensive dahingeht und am Ende die Hamas mit ihren Geißeln weiterhin in Gaza sitzt wird das die israelische Gesellschaft zerreißen . Für die Regierungsparteien bis weit in die politische Mitte hinein wäre es politischer Selbstmord, die strategische Position des Landes wäre im höchstem Maße gefährdet und ein Folgekrieg gegen Iran und die Hisbollah absolut sicher. So dumm können sie nicht sein. Eigentlich.
Keine Ahnung was da momentan los ist. Ich war zu Beginn der Geschichte schon pessimistisch genug, aber zwischen abgeblasenen Offensiven und Polittheater mit einem Besuch des US Präsidenten (!) entwickelt sich das alles sehr in Richtung einer Farce. Führungsstärke, entschlossenes, unerschrockenes Handeln sehen anders aus.


RE: Nahostkrieg 2023 - Schneemann - 17.10.2023

Das Problem ist eigentlich noch ein weiterführenderes jenseits von innenpolitischer Spaltung oder von Polit-Krisen. Sollte es keine Bodenoffensive geben, so ist dies im geopolitischen und strategischen Sinne eine faktische Niederlage mit unkalkulierbaren Langzeitfolgen, denn es bietet den Feinden Israels den Spielraum anzunehmen, dass man quasi "ungestraft" in Israel einfallen und über tausend Menschen massakrieren kann, ohne dass das gravierende Folgen für die Täter hätte.

Und auch wenn in Gaza einige Schäden entstanden sind und hunderttausende Menschen auf der Flucht sind, so wurde die politische und militärische Machtbasis der Hamas bislang nicht wirklich beeinträchtigt, auch wenn hier oder da ein Kommandeur getötet wurde.

Würde der Konflikt also in der jetzigen Lage einfrieren, so könnte sich die Hamas in einigen Monaten und Jahren lauthals und fahnenschwingend rühmen, dass sie mit allenfalls moderaten eigenen Ausfällen einen "Sieg" über Israel hat erringen können. Die Propagandawirkung wäre fatal. Für die sunnitisch-arabische bzw. schiitisch-persische Seite hieße dies im Endeffekt, dass man faktisch mit vertretbaren "Ausfällen" Israel direkt angreifen und entsprechende Massaker anrichten kann, dass man dann zwar zunächst mit einigen Gegenschlägen rechnen muss, dass man aber danach umso stärker aus der Konfrontation hervorgeht, da Jerusalem vom Mut verlassen wurde. Quasi würde das die Aggression - übrigens erstmals in der Geschichte Israels - als erfolgversprechend darstellen, selbst wenn es nur im Sinne einer Salami-Taktik wäre.

Es wäre psychologisch-strategisch eine absolut verheerende Entwicklung, zumal das Risiko, dass es zu zukünftigen Kriegen oder solcherlei Massaker wie am 07.10. kommen könnte, drastisch erhöht. Anstatt dem Krokodil in den Kopf zu schießen, tritt man ihm nur auf die Pfoten und droht mit dem Zeigefinger, dass es in Zukunft bitte keine Raver oder israelischen Bürger mehr fressen soll - und wenn man Glück hat, dann schnappt es dabei nicht nach dem eigenen Finger...

Schneemann


RE: Nahostkrieg 2023 - Quintus Fabius - 17.10.2023

Schneemann:

Zitat:Was aber ebenso bedingt, dass man reingehen muss. Die ganze Stadt einkesseln würde vermutlich schnell und könnte ohne größere Straßenkämpfe vonstatten gehen, diesen Kessel dann aber aufspalten in kleinere Kessel zwecks "Aushungerung" würde allerdings in jedem Fall Straßenkämpfe bedeuten, so oder so.

Nein nicht zwingend, bzw. nicht ansatzweise in dem Ausmaß dass du dir hier vorstellst. Es gibt auch in Gaza breitere und längere Straßen. Entlang dieser Straßenzüge zerstört man mit Artillerie und Bomben die Häuser entlang dieser Straßenzüge so, dass die Straße als Sicht- und Feuerlinie trotzdem frei bleibt. Dann kann man diese entlang wirken, sowohl im Steilfeuer als auch mit Drohnen, als auch mit Kampfpanzern, als auch mit anderen Systemen. Entsprechend stehen entlang dieser Linie keine eigenen Kräfte, die sich nach zwei Seiten verteidigen müssten wie von dir hier dargestellt:

Zitat:Die Riegelkräfte müssten im schlimmsten Fall nach zwei Seiten wirken, d. h. den einen Kleinkessel einhegen, den anderen Kleinkessel am Ausbruch hindern.

Es gibt also keine Riegelkräfte in der Art bzw. der Vorstellung die du hier hast. Feuer, Bewegung und Kräfte sind austauschbare Größen, Räume werden also mit Drohnen und Feuer beherrscht und nicht durch dort vor Ort stehende Infanterie, gerade eben weil eine solche Lineartaktik im OHK nicht funktionieren kann, weil die Linie immer vom geballten Gewaltstoß durchdrungen wird, im schlimmsten Fall dann sogar aufgerollt werden kann, ohne dass man dann entsprechendes Feuer einsetzen kann weil die Eigenen dann dadurch auch gefährdet wären. Aber da hört es nicht auf: es ist im Gegensatz zu einer konventionellen Kesselschlacht im offenen gar nicht das Ziel, einen Kleinkessel daran zu hindern "auszubrechen", sondern ganz im Gegenteil ist die Verdichtung des Gegners sogar vorteilhaft, erhöht sie doch nur die Probleme für den Feind (Wasserversorgung). Wenn also Kräfte aus einem Kessel ausbrechen, dann nutzt man diese dabei ab, verhindert aber ihren Ausbruch sogar intenional nicht. Nach dem Ausbruch, also hinter den ausgebrochenen Kräften macht man dann mit Minen, Sprengfallen, flutet Keller und Niederungen mit Meerwasser (auf dieses im Idealfall in die Tunnel läuft) und dann wartet man nochmal in Ruhe ab und belagert das geleerte Gebiet weiter vor allem mit Scharfschützen und Drohnen als Free Fire Zone.

Entsprechend ist der Ausbruch - und damit die Verdichtung sogar explizit das Ziel des ganzen und gerade eben deshalb stellt man seine eigenen Kräfte nicht so auf, dass sie dies verhindern.

Zitat:Und bei diesen Aufspaltungen sollte man auch auf ein gewisses Tempo setzen und nicht unbedingt sich Zeit lassen - womit wir wieder bei der Geschwindigkeit sind -, denn sonst drohen die Kessel wieder zu verschmelzen.

Mit einem Wort nein - und als praktisches Fallbeispiel verweise ich hier mal auf die Eroberung von Grozny durch die Russen im Zweiten Tschetschenienkrieg. Stell dir das zunächst mal mehr wie bei einer Riegeljagd vor, und aus dieser entwickelt man dann langsam, bedacht und evolutionär eine sich immer mehr verengende Wabenstruktur.

Zitat:Der Wunschgedanke also, dass man mit einer solchen Kesseltaktik vorgeht, damit man verlustreiche Infanteriekämpfe vermeiden kann, wird sich kaum halten lassen.

Ich schrieb nirgends etwas von vermeiden, ich schrieb davon Verluste zu reduzieren. Man wird in jedem Fall hohe Verluste haben - rein persönlich würde ich schätzen, dass man selbst im Idealfall in vierstelliger Höhe Tote hat, und entsprechend ein vielfaches an Verletzten, dass ist natürlich unvermeidbar. Aber es macht halt einen erheblichen Unterschied ob 4000 Soldaten sterben oder 20.000. Und beides ist möglich, je nach den Umständen und je nachdem wie man vorgeht.

Zitat:Es ist theoretisch denkbar, dass ein Feind Hochhäuser zur Sprengung vorbereitet oder zumindest größere Sprengladungen platziert (wobei ich hier eher Zeitzünder und keine Funkzünder annehmen würde, da die IDF sicher auch Jammer nutzt) - ähnlich wie die Rote Armee beim Rückzug aus Kiew 1941, was für die Wehrmacht eine böse Überraschung war -, aber es gibt im Nahen Osten hierzu aktuell keine wirklichen Beispiele. Selbst im Libanon, im Irak oder in Syrien gab es so etwas nicht.

Das ist ja mal überhaupt kein Argument. Weil es bisher nicht war, wird es die Hamas also auch nicht tun. Was ist den das für eine Logik. Im übrigen brauche ich keine Jammer um eine IED auszulösen. Eine der beliebtesten Arten von Fernzündung bei der Hamas ist beispielsweise mit zwei dünnen Metallblechen mit einer Plastifolie dazwischen. Dann schießt man auf diese wenn man die Ladung umsetzen will wodurch sich entsprechend per Kugel der Stromkreis schließt. Nicht per Jammer störbar, nur mal so als ein Beispiel von dutzenden die ich diesbezüglich kenne.

Zitat:Insofern: Ich rechne in jedem Fall mit verminten Häusern, ähnlich wie es auch der IS auf seinem Rückzug praktiziert hat, aber diese Ladungen wären zwar für Infanteristen sehr gefährlich (und könnten Reihenhäuser sicher auch stark beschädigen), sie könnten aber ein Hochhaus nicht zum Einsturz bringen. (Zumal das auch nicht so einfach ist, wie man oftmals denkt.)

Es werden natürlich nicht alle Häuser entsprechend präpariert sein, aber doch einige. Darüber hinaus wird es entsprechende Ausschachtungen geben um Panzer von unten her zu zerstören (klassische Minen) und man kann auch sehr leicht per Wasser erhebliche Hohlräume durch Unterspülung erzielen die man dann mit relativ schwachen Sprengladungen zum Einsturz bringen kann und noch vieles vieles weitere.

Das primäre Problem werden also keineswegs einfache kleine Minen und Sprengfallen sei die sich gegen Infanteristen richten, sondern gerade eben diese großen Sprengfallen und sonstigen Vorrichtungen welche größere Effekte erzeugen.

Beschließend kann ich mich euch in Bezug auf die strategisch-politische Ebene nur anschließen: wenn jetzt keine Bodenoffensive bis zum bitteren Ende durchgeführt wird, wären die Auswirkungen katastrophal für Israel. Das aktuelle Herumzögern und Verpassen des Zeitfensters ist mir absolut unverständlich. Wie ist es möglich, das man die Gunst der Stunde jetzt derart verspielt ?


RE: Nahostkrieg 2023 - Nightwatch - 17.10.2023

@ Schneemann
Völlig richtig, aber längerfristige Implikationen sind nur das eine. Das Zögern von israelischer und das Verzögern von amerikanischer Seite ist bereits kurzfristig im Sinne der kommenden Tage fatal. Die Töne aus dem Iran werden seit dem Wochenende zunehmend schriller, die Hisbollah eskaliert den Grenzkonlfikt zunehmend und in Syrien versuchen Revolutionsgarden und Anhänger sich zu formieren.
Man nimmt Schwäche wahr und egal ob man damit recht hat oder nicht, mit unserem Verhalten drängen wir den Gegner geradezu in eine Eskalationsspirale, aus der er sich bald nicht mehr wird freischwimmen können. Mit jedem Tag mit dem Israel nicht mit entschiedener und überlegener Stärke handelt steigt die Wahrscheinlichkeit, dass nicht nur die Hisbollah sondern auch den Iran in den Krieg eintreten. Ab dem Punkt dann wird eine ganze Menge mehr benötigt werden als zwei Trägergruppen um das irgendwie noch wieder einzufangen und zu kontrollieren.


RE: Nahostkrieg 2023 - Quintus Fabius - 17.10.2023

Über die Tunnelfrage:

https://mwi.westpoint.edu/underground-nightmare-hamas-tunnels-and-the-wicked-problem-facing-the-idf/

Über den OHK in Gaza:

https://mwi.westpoint.edu/israel-gaza-and-the-looming-challenges-of-urban-warfare/

Allgemein über unkonventionelle Kriegsführung in der Stadt:

https://mwi.westpoint.edu/the-great-equalizer-irregular-warfare-in-the-city/

Allgemein:

Immerhin erklären verantwortliche Israelis öffentlich, dass sie schuld an der Katastrophe sind:

https://www.timesofisrael.com/idf-intel-chief-says-he-bears-full-responsibility-for-not-warning-of-hamas-attack/

Zitat:The head of the IDF Military Intelligence Directorate said Tuesday he bears responsibility for the intelligence failures that led to the Hamas terror group carrying out its surprise onslaught on October 7 that killed some 1,300 people in Israel, most of them civilians.

“In all my visits to Military Intelligence Directorate units in the last 11 days, I sat down and stressed that the beginning of the war was an intelligence failure,” Maj. Gen Aharon Haliva said in a missive.

“The Military Intelligence Directorate, under my command, failed to warn of the terror attack carried out by Hamas,” Haliva said. “We failed in our most important mission, and as the head of the Military Intelligence Directorate, I bear full responsibility for the failure.”

“What needs to be investigated, we will investigate, in the deepest and most comprehensive way, and draw the conclusions,” he added.

Über die Meinungen und Ansichten des israelischen Militärs in der aktuellen Fragestellung, in Form von Aussagen des früheren Oberbefehlshabers:

https://www.israeldefense.co.il/en/node/59960

Zitat:What if the government holds the army back?

If the government does not allow the IDF to eliminate Hamas, there is a fear of civil uprising. The government bears responsibility for the massacre in the Gaza Strip. I don't believe anyone in Israel will agree to another 'regular' round in Gaza that ends with Hamas still in power there. The government has no moral right to prevent the IDF from annihilating Hamas."

Anbei: ein Jugendfreund von mir, der mit mir zu Schule ging wanderte später mit seiner Familie als Jugendlicher nach Israel aus und dient inzwischen seit Jahren in der Golani Brigade. Laut ihm ist es für die meisten Israelis unbegreiflich, warum die Bodenoffensive noch nicht begonnen hat und es gärt ordentlich bei den Soldaten diesbezüglich. Man versteht die aktuelle Regierung Stunde für Stunde weniger.


RE: Nahostkrieg 2023 - Kos - 17.10.2023

Das Risiko der massiven Eskalation ist aber auch bei einem harten Schlag der IDF gg. Gaza vorhanden. Da sind schnell mehrere 10.000 Tote produziert und wie Quintus schrieb werden womöglich auch tausende israelischer Soldaten sterben. Das Problem der Geiseln ist auch noch da.

Wenn der Iran und damit natürlich auch die Hisbollah in den Konflikt eingreift so ist der Flächenbrand im nahen Osten programmiert. Es gibt da noch die schiitischen, irangesteuerten Milizen im Irak. Syrien ist auch problematisch und wer weiss was in Jordanien passiert. Was ist mit Ägypten? Das Volk der arabischen Staaten ist wohl den Palästinensern deutlich wohlgesonnener wie deren Regierungen.

Alles das kann überkochen und wenn das passiert wird das ein jahrelanger Konflikt und wir können uns über Unmengen an Flüchtlingen freuen Sad.

Das Zögern bedeutet hoffentlich, dass es noch Möglichkeiten gibt das anderweitig zu lösen, auch wenn ich es selber nicht glauben kann. Man sollte es aber trotzdem versuchen.

Hier steht für alle viel auf dem Spiel, auch für die Gegenseite wie Hisbollah und Iran. Diese müssen ihre Vernichtung bzw. massive Zerstörungen ihrer Machtbasis fürchten.


RE: Nahostkrieg 2023 - Quintus Fabius - 17.10.2023

Eine radikale Eskalation könnte genau die Lösung sein welche notwendig ist. Nun wird man mir vorwerfen, dies einfach so hinzuschreiben, aus der Sicherheit und Zurückgezogenheit eines Lehnstuhls, aber so ist es nicht. Besser jetzt durch extremste Gewalt allem eine komplett neue Richtung geben als eine lineare Fortsetzung des Status Quo die zwingend mit der Auslöschung Israels enden wird.

Das aktuelle Zaudern der israelischen Führung ist daher eine Katastrophe für die jüdische Sache - es verbleibt zumindest die Hoffnung, dass die Bodenoffensive vollumfänglich stattfindet nachdem der US Präsident dar war. Aber schon jetzt sieht man zunehmend Israel die Zeit davon laufen.


RE: Nahostkrieg 2023 - I_Need_A_Medic - 17.10.2023

(17.10.2023, 20:35)Nightwatch schrieb: @ Schneemann
Völlig richtig, aber längerfristige Implikationen sind nur das eine. Das Zögern von israelischer und das Verzögern von amerikanischer Seite ist bereits kurzfristig im Sinne der kommenden Tage fatal. Die Töne aus dem Iran werden seit dem Wochenende zunehmend schriller, die Hisbollah eskaliert den Grenzkonlfikt zunehmend und in Syrien versuchen Revolutionsgarden und Anhänger sich zu formieren.
Man nimmt Schwäche wahr und egal ob man damit recht hat oder nicht, mit unserem Verhalten drängen wir den Gegner geradezu in eine Eskalationsspirale, aus der er sich bald nicht mehr wird freischwimmen können. Mit jedem Tag mit dem Israel nicht mit entschiedener und überlegener Stärke handelt steigt die Wahrscheinlichkeit, dass nicht nur die Hisbollah sondern auch den Iran in den Krieg eintreten. Ab dem Punkt dann wird eine ganze Menge mehr benötigt werden als zwei Trägergruppen um das irgendwie noch wieder einzufangen und zu kontrollieren.

Der Iran wird nicht eintreten. Wie, warum und womit? Der Iran ist mehr als 900 Kilometer weit weg und hat keine Landgrenze. Wie wollen die die iranische Armee oder die Revolutionsgarden dahinschaffen? Wer im Iran will denn überhaupt für Palästina sterben damit die Mullahs ihre Achse des Widerstands haben? Auch die Mullahs wissen dass ein Krieg unkalkulierbare Folgen haben kann für ihren eigenen Machterhalt, der sich ja mittlerweile nur noch auf die Elite der Revolutionsgarden und der Basjid Milizen stützt; sonst wäre die Regierung in den Protesten der letzten Jahre schon gestürzt worden.

Der Iran wird schrille Töne spucken, einige Militärberater schicken und jede Menge Ausrüstung, vielleicht ein paar Freiwillige. Aber 100,000 Mann für einen konventionellen Militäreinsatz? Eher nicht. Zumindest kann ich mir es nicht vorstellen.


RE: Nahostkrieg 2023 - Kos - 17.10.2023

Bei einer radikalen Eskalation verliert man halt völlig die Kontrolle über das Geschehen.

Wenn man sich die neuesten Nachrichten anschaut ist das allerdings eh schon passiert. Angeblich wurde ein Krankenhaus in Gaza bombardiert, mit hunderten von Toten, Fakten bzw. Details sind sicher noch nicht verifiziert aber Abbas hat schon das Treffen mit Biden abgesagt und die moslemischen Staaten (Jordanien, Türkei) toben.

Wir sollten für einem Flächenbrand planen...

(17.10.2023, 22:23)I_Need_A_Medic schrieb: Auch die Mullahs wissen dass ein Krieg unkalkulierbare Folgen haben kann für ihren eigenen Machterhalt, der sich ja mittlerweile nur noch auf die Elite der Revolutionsgarden und der Basjid Milizen stützt; sonst wäre die Regierung in den Protesten der letzten Jahre schon gestürzt worden.

Das Problem ist, dass kein Krieg genauso unkalkulierbare Folgen haben kann für ihren Machterhalt. Wie ich gerade über das Krankenhaus schrieb, bei so was entgleitet die Kontrolle. Wenn das öfter passiert müssen der Iran und die Hisbollah handeln, ansonsten stehen sie als feige Maulhelden da. Das können sie sich nicht leisten.

Wegen dem Krankenhaus ist ja noch nichts sicher aber die Israelis behaupten es war eine Rakete vom islamischen Dschihad. Kann sein oder auch nicht, spielt keine Rolle sondern die Tatsache, dass andere Akteure die Möglichkeit haben das Geschehen massiv zu beeinflussen. Nehmen wir mal an eine Splittergruppe die sich nur für eine Eskalation interessiert und der 100.000 Tote Palästinenser völlig egal sind füllt einen LKW mit Sprengstoff (oder wie auch immer) und sprengt nochmal ein Krankenhaus. Jedes Mal wird der Druck in den arabischen Staaten / Iran / Hisbollah grösser einzugreifen. Das kann eigentlich nur schief gehen Sad.


RE: Nahostkrieg 2023 - Quintus Fabius - 17.10.2023

Exakt. Das ganze ist ohnehin nicht wirklich kontrollierbar, und somit verbleibt strategisch die Frage, ob man Handelnder oder Reagierender ist - und ob man die Initiative behalten kann. Die ganze Sache ist daher extrem zeitkritisch.

Wäre man bereits mit Bodentruppen in Gaza und hätte hunderte Mann Verluste aufwärts und rasant steigend, wäre beispielsweise die Bombardierung dieser Klinik viel weniger problematisch als sie es jetzt ist. Wenn man selbst extrem und schnell eskaliert, nimmt dies dem Feind erheblich an Möglichkeiten, nicht zuletzt auch im Informationsraum. Geschwindigkeit ist eine Qualität für sich selbst.

Und es wäre kein Hexenwerk Gaza einzunehmen, und die Hamas fast vollständig dort niederzumetzeln, dass ganze ist machbar. Je schneller und entschlossener und je radikaler man dies in möglichst kurzer Zeit tun würde, desto eher würde man auch den Krieg im Informationsraum für sich entscheiden oder zumindest ausreichend gestalten können.

Anbei Krieg im Informationsraum:

https://www.timesofisrael.com/liveblog-october-17-2023/

Israel says failed Islamic Jihad rocket caused devastating Gaza hospital blast

https://www.timesofisrael.com/liveblog_entry/saudi-arabia-bahrain-also-blame-israel-for-hospital-strike-despite-idf-denial/

Saudi Arabia, Bahrain also blame Israel for hospital strike despite IDF denial


Absolute Entschlossenheit, die Fähigkeit eigenes Blut einzusetzen und eine möglichst hohe Geschwindigkeit wären hier die wesenltichen Dinge gewesen. Stattdessen verschenkt man einfach alles, ohne Grund und Sinn und Verstand. Eskalation erzeugt Schock nur dadurch, dass sie schlagartig kommt - und sie versagt wenn sie stückchenweise kommt. Daher hätte man sofort auf der Stelle entsprechend handeln müssen, statt alles Stückchen für Stückchen zu eskalieren, was sowohl dem Feind zuviel Zeit lässt, den Krieg im Informationsraum beeinträchtigt als auch den Schock heraus nimmt und damit wesentlich die Wirkung der eigenen Waffen reduziert.


RE: Nahostkrieg 2023 - Kos - 17.10.2023

(17.10.2023, 22:41)Quintus Fabius schrieb: Wäre man bereits mit Bodentruppen in Gaza und hätte hunderte Mann Verluste aufwärts und rasant steigend, wäre beispielsweise die Bombardierung dieser Klinik viel weniger problematisch als sie es jetzt ist. Wenn man selbst extrem und schnell eskaliert, nimmt dies dem Feind erheblich an Möglichkeiten, nicht zuletzt auch im Informationsraum. Geschwindigkeit ist eine Qualität für sich selbst.

Absolute Entschlossenheit, die Fähigkeit eigenes Blut einzusetzen und eine möglichst hohe Geschwindigkeit wären hier die wesenltichen Dinge gewesen. Stattdessen verschenkt man einfach alles, ohne Grund und Sinn und Verstand. Eskalation erzeugt Schock nur dadurch, dass sie schlagartig kommt - und sie versagt wenn sie stückchenweise kommt. Daher hätte man sofort auf der Stelle entsprechend handeln müssen, statt alles Stückchen für Stückchen zu eskalieren, was sowohl dem Feind zuviel Zeit lässt, den Krieg im Informationsraum beeinträchtigt als auch den Schock heraus nimmt und damit wesentlich die Wirkung der eigenen Waffen reduziert.

Interessante Überlegungen die sich sehr plausibel anhören. Mit etwas Glück hätte man auch eine Panik unter der Bevölkerung auslösen können. Wenn die israelische 'Todeswalze' auf einen zurollt rennen normale Leute und die Hamas hätte kaum Zeit gehabt das zu blockieren bzw. die normale Leute keine Zeit darüber nachzudenken. Rennen oder die Granaten schlagen bei dir ein... Erinnert an die 'Shock and Awe'-Taktik.


RE: Nahostkrieg 2023 - alphall31 - 18.10.2023

Mit welchem Ziel soll Israel denn losschlagen ? Die Führung der Palästinenser ist vorrangig im Ausland, man könnte das Gebiet zwar unter enormen Verlusten besetzen und dann weiter? Will man es auf Dauer besetzen muss man die militärischen Kräfte, Versorgung der zurückgebliebenen Bevölkerung und Wiederaufbau der wichtigsten Infrastruktur finanzieren . Will man die Verluste einer Besetzung auf Dauer hinnehmen . Wenn man das alles nicht will warum dann hunderte oder tausende eigene Soldaten in den Tod schicken jetzt. Hunderttausend eingezogene Reservisten bedeuten auch genau so viele offene Arbeitsplätze zur Zeit in Israel. Wie lange kann eine Wirtschaft das aushalten? Noch 2solche Angriffe wie auf das Krankenhaus ist das Verständnis beim Rest der Welt ganz schnell weg .