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Iranisches Atomprogramm - Druckversion

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- Turin - 09.04.2006

@Erich:

zu 1.)

Versteh ich nicht. Zum einen pochst du auf klaren Erkenntnissen bzgl. der Problematik (siehe dein "großer Unterschied"), zum anderen verlässt du dich blind auf "sicherlich (vorhandene) Absicherungen" seitens der Russen. Das ist für mich naiv. Denn erstens weiß man nicht so wirklich, was die Russen wollen und zweitens sind Absicherungen selten wirklich sicher.

2.) Man hat Pakistan und Indien nie irgendwas zugestanden. Die beiden Staaten haben den Rest der Welt vor vollendete Tatsachen gestellt und genau die Wiederholung so eines Aktes, der die beiden Staaten bereits an den Rand eines Atomkrieges gebracht hat, würde man im Westen und speziell in den USA gerne verhindern.

3.) Hör bitte auf, dir Fakten aus den Fingern zu saugen! Die USA haben keinerlei Verpflichtung resultierend aus dem NPT, ihre A-Waffen abzuschaffen. Der Vertrag hält die betreffenden Staaten an, (internationale!) Verhandlungen zu suchen, die primär ein weiteres Wettrüsten verhindern (was die USA zusammen mit der SU/Russland getan haben) und sekundär im Rahmen internationaler Verhandlungen Wege der totalen Abrüstung zu finden. Aber man kann nur finden, was real vorhanden ist und derzeit sehe ich absolut keine internationale Basis für einen solchen Schritt. Zb. wird sich ganz bestimmt nicht Russland von A-Waffen abwenden, die derzeit seine einzige Machtlegitimation sind, vieles davon gilt auch für China. Und solange es Pariah-Staaten wie Nordkorea gibt, ist die Forderung nach Abrüstung himmelschreiend naiv.
Dem Staat, der bisher zusammen mit den Russen das meiste für nukleare Abrüstung getan hat und durch seine Kontrollinstanzen tut (namentlich in der Bunker-Buster-Angelegenheit) nun vorzuwerfen, Vertragsverletzungen zu begehen, ist lächerlich.

Zitat:Die einfache Konsequenz:
Iran unterstellt sämtliche Anlagen der IAEO Kontrolle und gut is....
Solange der Iran nicht das Zusatzprotokoll ratifiziert, ist eine derartige Kontrolle wertlos. Abgesehen davon hat der Iran auch in der Vergangenheit gezeigt, was er von kompletter Unterstellung hält.
Wie man es dreht und wendet, hier haben wir ein Dilemma, für das es eben keine einfachen Konsequenzen gibt. Der einzige Staat, der seinen guten Willen bezeugen könnte, tut dies nicht, namentlich der Iran. Von den USA oder gar Israel guten Willen zu erwarten, ist angesichts der strategischen Lage Israels, die hier bestimmt schon dutzendfach angesprochen wurde, aber offenbar gern stets wieder vergessen wird, unrealistisch.

PS: Nur damit wir uns nicht falsch verstehen. Ich befürworte sicher keinen nuklearen Schlag gegen den Iran, schon gar nicht unter den derzeitigen Vorraussetzungen und Begründungen. Zumal ich auch keinerlei Nutzen darin sehe, den Iran mit A-Waffen anzugreifen.
Die größte Stärke von A-Waffen ist Abschreckung. Der Einsatz stellt letztendlich immer ein Versagen dar und auch einen Legitimationsverlust, wenn es darum geht , den Iran als "trigger-happy" in dieser Beziehung darzustellen.
Aber ich weise auch darauf hin, dass im Rahmen von militärischen Einsatzplanungen alle möglichen Szenarien erwägt werden und ich denke, der nukleare Aspekt wird derzeit durch die Presse hochgespielt, mit gewissen, teilweise m.E. auch politischen Absichten.

@pio: Falscher Thread. Rolleyes


- Wolf - 09.04.2006

Zitat:Turin posteteAber ich weise auch darauf hin, dass im Rahmen von militärischen Einsatzplanungen alle möglichen Szenarien erwägt werden und ich denke, der nukleare Aspekt wird derzeit durch die Presse hochgespielt, mit gewissen, teilweise m.E. auch politischen Absichten.
Yup, das stimmt. Standardplanungen bei denen man für verschiedenste, oder besser für alle, vorstellbaren Szenarien, mögliche Antworten/Lösungen schriftlich fixiert. Das machen alle Staaten - militärisches Prozedere.


- Erich - 09.04.2006

Zitat:Turin postete
@Erich:

.....
3.) Hör bitte auf, dir Fakten aus den Fingern zu saugen! Die USA haben keinerlei Verpflichtung resultierend aus dem NPT, ihre A-Waffen abzuschaffen. Der Vertrag hält die betreffenden Staaten an, (internationale!) Verhandlungen zu suchen, die primär ein weiteres Wettrüsten verhindern (was die USA zusammen mit der SU/Russland getan haben) und sekundär im Rahmen internationaler Verhandlungen Wege der totalen Abrüstung zu finden. ....
Damit wir uns auf gleicher Basis verständigen können:
Zitat:Der Atomwaffensperrvertrag trat 1970 in Kraft. Er regelt, dass der Besitz atomarer Waffen auf die so genannten Atomwaffenstaaten beschränkt bleiben soll, und dass diese Länder kein atomwaffenfähiges Material an andere Staaten weitergeben dürfen. Als Atomwaffenstaaten gelten jene Staaten, die vor dem 1.1.1967 eine Atomwaffe hergestellt oder gezündet hatten, also die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China. Der Sperrvertrag beruht auf drei Säulen:
1. Atomwaffen dürfen nur die fünf Atommächte besitzen, alle anderen Vertragsstaaten verzichten darauf.
2. Dafür haben alle Unterzeichnerstaaten das Recht, Atomenergie für friedliche Zwecke zu erforschen und zu nutzen. Allerdings verpflichten sie sich, in Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die den Bau von Atomwaffen verhindern sollen.
3. Die fünf Atommächte verpflichten sich, „in redlicher Absicht“ über ein Ende des Wettrüstens und eine vollständige nukleare Abrüstung zu verhandeln.
Quelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.umweltinstitut.org/frames/all/m418.htm">http://www.umweltinstitut.org/frames/all/m418.htm</a><!-- m -->
konkret ist in Artikel VI des Nichtverbreitungsvertrages geregelt:

Zitat:Jede Vertragspartei verpflichtet sich, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle.
Quelle:
<!-- w --><a class="postlink" href="http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/infoservice/download/pdf/friedenspolitik/abruestung/nvv.pdf">www.auswaertiges-amt.de/www/de/infoserv ... ng/nvv.pdf</a><!-- w -->
also bitte erst den Text des Vertrages lesen, bevor Du anderen vorwirfst, sich "was aus den Fingern zu saugen"

Zitat:Turin postete
@Erich:
....
2.) Man hat Pakistan und Indien nie irgendwas zugestanden. Die beiden Staaten haben den Rest der Welt vor vollendete Tatsachen gestellt und genau die Wiederholung so eines Aktes, der die beiden Staaten bereits an den Rand eines Atomkrieges gebracht hat, würde man im Westen und speziell in den USA gerne verhindern.
....
auch hier ein kleiner Widerspruch: Pakistan und Indien waren - soweit ich das im Hinterkopf habe - durch den Atomwaffensperrvertrag nicht gebunden, weil keine Unterzeichnerstaaten (das wäre tatsächlich ein Gegenargument) während Nordkorea von deR Möglichkeit des Artikels X des Vertrages (Text woa) Gebrauch gemacht hat, nachdemdie USA - vertragswidrig - die Lieferung von Leichtwasserreaktoren verweigert haben und zugleich ("Achse des Bösen") genauso wie beim Irak mit einer kriegerischen Aktion gedroht haben. Dieselbe Begründung könnte auch der Iran heute anwenden, um seine Verflichtung aus dem Sperrvertrag abzulegen.
Nicht der Iran bedroht die USA, anders rum - die USA bedrohen den Iran.

zum Abschluss noch ein netter Denkansatz:
Zitat:Was also ist die Lösung des Konfliktes?

Nicht die Drohung mit Krieg, sondern im Gegenteil, Nichtangriffsgarantien für den Iran sind eine Voraussetzung dafür, dass es zu einer friedlichen Lösung kommt, die weltweit allen Sicherheitsinteressen Rechnung trägt.

Unter der ständigen Drohung eines militärischen Angriffs werden gewerkschaftliche, progressive und emanzipatorische Kräfte im Iran kaum eine Chance haben, für eine andere Gesellschaft einzutreten. Auch ein Diskussionsprozess über Altnativen zur Kernenergie wird so nicht möglich sein.

Das Recht auf die friedliche Nutzung der Atomenergie, auf dem der Iran besteht, ist völkerrechtlich und auch nach dem Atomwaffensperrvertrag sämtlichen Staaten garantiert. ....

Eine atomwaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten, ein ausdrücklicher Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen und letztlich die globale Vernichtung aller Atomwaffen, wie es der Atomwaffensperrvertrag vorsieht, das wäre auch eine Lösung des "Iranischen Atomproblems".

Solange die US-Regierung und ihre Verbündeten ganze Regionen mit Krieg, Terror und Folter überziehen und dabei mit dem Einsatz von Atomwaffen drohen, gibt es kein iranisches, sondern nur ein globales Atomwaffenproblem.
Quellle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.muenchner-friedensbuendnis.de/aktuelles/A06/060318FlBlVSeite.html">http://www.muenchner-friedensbuendnis.d ... Seite.html</a><!-- m -->


- Turin - 09.04.2006

@Erich:

Naturlich saugst du dir etwas aus den Fingern, wenn du schreibst:

Zitat:der Vertrag sieht auch und gerade eine Verpflichtung der "legalen A-Waffenstaaten" vor, diese Waffen abzuschaffen - und wenn die USA ihre Verpfichtung nicht einhalten, fehlt die moralische Legitimation, andere "auf Verdacht hin" mit atomaren Waffen anzugreifen.
Wo steht im NPT, und ich bitte dich, zu zitieren, dass die USA verpflichtet sind, ihre A-Waffen abzuschaffen?

Alles, wozu sie sich verpflichten, sind internationale Verhandlungen mit diesem Endziel. Nicht mehr. Punkt. Der Artikel VI ist eine leere Worthülse ohne praktische Bedeutung, daraus ist keine einseitige Abrüstungsverpflichtung der USA abzulesen.

Wie du es drehst und wendest, entweder du erfindest Handlungsverpflichtungen, oder du liest irgendetwas anderes als den NPT.


- Erich - 09.04.2006

Ich habe den Text wiedergegeben:
der Atomwaffensperrvertrag verpflichtet die USA - wie alle anderen Atommächte - seit 35 Jahren (!) einen Vertrag zur vollständigen nuklearen Abrüstung abzuschließen. :evil:


- Turin - 09.04.2006

Der Vertrag verpflichtet die USA lediglich, Anstrengungen in dieser Hinsicht zu unternehmen, mehr nicht. Ich weiß nicht, was daran mißverständlich sein soll, als ich zuletzt nachgeschaut habe, hab ich doch recht brauchbares Deutsch gesprochen. Du hast geschrieben, der Vertrag beinhalte eine Verpflichtung, die A-Waffen abzuschaffen. Das tut er nicht. Er beinhaltet eine Verpflichtung, in dieser Hinsicht Verhandlungen zu unternehmen. Was bitte ist daran für dich so schwer zu begreifen?!

Ich zitiere aus dem Originaltext:

<!-- m --><a class="postlink" href="http://disarmament2.un.org/wmd/npt/npttext.html">http://disarmament2.un.org/wmd/npt/npttext.html</a><!-- m -->

Zitat:Article VI

Each of the Parties to the Treaty undertakes to pursue negotiations in good faith on effective measures relating to cessation of the nuclear arms race at an early date and to nuclear disarmament, and on a treaty on general and complete disarmament under strict and effective international control.
Da der Vertrag noch nicht einmal die Art dieser Verhandlungen näher definiert hat, - und ich bin überzeugt, das war beabsichtigt - enthält der NPT keine klar einzugrenzende Verpflichtung seitens der USA, ihr Atomwaffenarsenal zu einem beliebigen datierbaren Zeitpunkt abzuschaffen. Zu deutsch: Man kann diese Abrüstungsgeschichte ewig hinauszögern, ohne gegen den Vertragstext zu verstoßen, und darum geht es doch hier. Da ist es herzlich egal, ob der Vertrag vor 35 oder 350 Jahren geschlossen wurde. Jetzt kannst du gern mit dem "Geist des Vertrages" kommen, aber das ist letztlich nil, denn was drin steht, ist entscheidend, nicht was irgendjemand daraus ableitet. Selbst der Terminus "at an early date" hat letzlich NULL Aussage, obwohl dieser Teil des Vertrages durch die Regelungen im NPT zur horizontalen Proliferation sowie anderen Abkommen (IRBM-Vertrag) und die daraus resultierenden Anstrengungen zur Begrenzung der Nuklearrüstung bzw. zur Abrüstung faktisch erfüllt ist. QED.
Bist du nicht Jurist? Du müsstest doch die Relevanz des Wortlautes klar einordnen können. Ist mir schleierhaft, warum wir noch diese Diskussion führen müssen. Rolleyes


- ThomasWach - 10.04.2006

Naja, so ganz Unrecht hat Erich aber nicht.

Die Wirkung solch Verträge - und wir müssen uns jetzt nicht darüber unterhalten, dass solch potenziell souveränitätseingrenzende Verträge mit möglichen Handlungseinschränkungen nie und nimmer mit klaren Daten und eineindeutigen Verpflichtungen abgeschlossen werden, das sidn alles immer noch möchtegernsouveräne Staaten, die sich ihren Handlungsspielraum sichern wollen - basiert darauf, dass der darin enthaltene Geist entsprechend auch gefördert wird und hochgehalten wird.

Nimmt man die juristischen Interpretationsvarianten - von der ich so nicht viel halten würde - dann kann man mit guter Rhetorik und schwammigem Text wie hier so ziemlich alles herauslesen, was man will,

Trotzdem steckt da immer noch eine politische Handlungsorientierung dahinter, ein politisches Ziel und das wird nunmal halt hintertrieben. Es gibt immer Lücken und was rechtlich nicht illegal ist muss noch lange nicht rechtlich völlig legal sein. Da steckt für mich viel Wortklauberei dahinter:

So oder so, mit dem Deal mit Indien und der zementierung des Atomclubs mit neuen de facto Mächten ist der NPT nicht gerade gescheitert, aber sicher auch nicht gerade sonderlich optimal.

Das das vielleicht das beste ist, was möglich ist, ist was anderes. Wenn aber nunmal keine Anstrengungen unternommen werden, um die Arsenale weiter zu reduzieren, so ist das in beständiger Fortschreibung ein Verstoß. Soviel kann man schon raus lesen...


- Turin - 10.04.2006

Zitat:Wenn aber nunmal keine Anstrengungen unternommen werden, um die Arsenale weiter zu reduzieren, so ist das in beständiger Fortschreibung ein Verstoß.
Das mag richtig sein, nur sind diese Anstrengungen im Vertragstext so schwammig umrissen, dass darunter alles und nichts fallen kann und deswegen eine Unterlassung absolut nicht nachzuweisen ist. Beispiel: Wenn Ms. Rice nach Moskau jettet, um mit den Russen über Außenpolitik zu sprechen und dabei nur einmal anspricht, ob man unter diesen und jenen Bedingungen nicht diese und jene Veränderungen beim nuklearen Status in Erwägung ziehen mag und die Russen daraufhin "Njet" sagen, dann gilt auch dieser lapidare wie sinnfreie Meinungsaustausch schon als internationale Verhandlung.

Wie man es dreht und wendet, es ergibt sich keine sinnvolle Verpflichtung, deren Nichtbefolgung man den USA ankreiden kann. Der betreffende Absatz ist, um es mal schroff zu formulieren, ein idealistischer Köder ohne realistischen Bezug, und jeder Unterzeichner sollte sich darüber im Klaren sein.
Alles, was darüber hinaus geht, zeigt wieder in Richtung "Geist des Vertrages" und ist Freiraum für beliebige Spekulation und Sichtweisen.

Was die indische Angelegenheit angeht, so mag man das so oder so sehen. Es ließe sich ebenso leicht argumentieren, dass durch die jüngsten Anstrengungen Indien eher einen Schritt auf den NPT zu gemacht hat. Dass die USA auch hier aus nationalem Interesse heraus handeln, sollte nicht überraschen. Dass dieser Schritt sachlich sinnvoll ist, ebensowenig. Auch hier betreten wir das Gebiet des "Vertragsgeistes", und dem dürfte es eher entsprechen, Indien einzubinden statt zum Selbstläufer werden zu lassen. Inwieweit nun der NPT dadurch gescheitert oder gestärkt ist, ist wahrlich eine Ansichtssache. Man mag auch anführen, dass ein Scheitern bedeuten würde, dass man schon längst einen Nuklearwaffenstaat Südafrika oder Brasilien hätte und weitere Anwärter sind schnell gefunden (zb. Südkorea).

Das iranische Dilemma bleibt davon, sehen wir einmal vom PR-mäßig ungünstigen Zeitpunkt ab, unberührt, denn hier geht es ja nach wie vor darum, die Etablierung einer neuen militärischen Atommacht zu verhindern. Irgendwie ein Ansinnen, das dem Versuch gleicht, ein abstürzendes Flugzeug aufzufangen, gewiß. Aber die Situation ist nun mal wie gesagt ein Dilemma und eine einfache Lösung gibts nicht. Iran will keine komplette IAEA-Kontrolle (Stichwort Zusatzabkommen), USA und Israel wollen aus wie gesagt nachvollziehbaren Gründen keinen nuklearen Iran.

Und wenn sich jemand fragt, warum ich früh um vier Beiträge schreibe...lange Geschichte... Wink


- flex - 10.04.2006

@Verträge
Die Diskussion ist ja niedlich, ich meine in einem militärischen Forum so über Verträge zu reden als ob diese mehr seien als Papier.....Big Grin
Kein Schwein schert sich um Verträge wenn er 1. keine Ahndung fürchten muß und/oder 2. man über die Formulierung, die Übersetzung dessen oder den Inhalt streiten kann.
Die Vorstellung das bei ABC Waffen, also einen Thema von enormer Tragweite, irgendwer sich an diverse moralische Regeln hält, hat entweder Verbündete mit ABC Waffen oder keine Feinde.

Grüsse


- Azrail - 10.04.2006

Dann sind wir genau dort wo wir waren nähmlich das eben der mit der Keule das sagen hat und dies Iran aus ihrer Sicht völlig normal ist sich Nukleatechnologie anzueignen erstmal auch nur zivil.


- bastian - 10.04.2006

Zitat:Nimmt man die juristischen Interpretationsvarianten - von der ich so nicht viel halten würde - dann kann man mit guter Rhetorik und schwammigem Text wie hier so ziemlich alles herauslesen, was man will
Dann machen wird doch mal was Thomas nicht mag, den Text systematisch nach juristischen Interpretationsschemata angehen;
Zunächst den Wortlaut bzw. die grammatikalische Auslegung; der Wortlaut verpflichtet nur dazu Verhandlungen zu unternehmen und zu keinerlei einseitigen Abrüstungschritten. Es soll über Abrüstung und nukleare Entwaffnung verhandelt und ein Vertrag geschlossen werden.

Jetzt wirds diffiziler; sehen wir uns den systematischen Zusammenhang der Bestimmung im Gesamttext des Vertrages an, schauen wir uns mal ein paar Bestimmungen an, die Präambel
Zitat:Desiring to further the easing of international tension and the strengthening of trust between States in order to facilitate the cessation of the manufacture of nuclear weapons, the liquidation of all their existing stockpiles, and the elimination from national arsenals of nuclear weapons and the means of their delivery pursuant to a Treaty on general and complete disarmament under strict and effective international control,
oder Article VII
Zitat:Nothing in this Treaty affects the right of any group of States to conclude regional treaties in order to assure the total absence of nuclear weapons in their respective territories
Ziel des Vertrages ist es also alle Nuklearwaffen in ferner Zukunft durch Verhandlungen abzuschaffen.
Vor allem wegen der eindeutigen Formulierungen in den ersten beiden Artikeln, die die Nichtweiterverbreitung von A-Waffen in wesentlich deutlicheren Worten regeln, würde ich aus Article VI keine Verpflichtung zur Abrüstung herleiten wollen, zumindest keine juristisch Handfeste. Wäre eine solche gewollt gewesen, hätte man Article VI wie Article I und II formulieren sollen.

Zur historischen Auslegung, ich würde den Vertrag als Besitzstandswahrervertrag interpretieren wollen, der in Article VI ein kleines unverbindliches Trostpflaster enthält. So etwas wie "Motive" bei einem Gesetz gibt es bei diesem Vertrag nicht. Interessant wären die Verhandlungsprotokolle zu Art. VI.

Eine systematische Auslegung nach Sinn und Zweck des Vertrages macht hier wohl kaum Sinn, da jeder dann genau das rein liest was er da drin finden möchte.

Grammatikalisch und systematisch kann man aus dem Vertrag aber nur mit sehr viel Winkeladvokatur eine unmittelbare Abrüstungsverpflichtung herauslesen und darüber kommt man mE nur sehr schwer hinweg.

Wenn ich die USA aus diesem Vertrag auf einseitige Abrüstung verklagen sollte, würde ich davon abraten.


- Erich - 10.04.2006

Zitat:Turin postete
Bist du nicht Jurist? Du müsstest doch die Relevanz des Wortlautes klar einordnen können. Ist mir schleierhaft, warum wir noch diese Diskussion führen müssen. Rolleyes
... um mit Ludwig Thoma zu sprechen: ich bin kein Volljurist sondern nur ein Halbdepp Wink - aber das macht nichts, denn bei zwei Juristen gibts mindestens drei Meinungen .....

Zitat:bastian postete
Zunächst den Wortlaut bzw. die grammatikalische Auslegung; der Wortlaut verpflichtet nur dazu Verhandlungen zu unternehmen und zu keinerlei einseitigen Abrüstungschritten. Es soll über Abrüstung und nukleare Entwaffnung verhandelt und ein Vertrag geschlossen werden.
....
....Wenn ich die USA aus diesem Vertrag auf einseitige Abrüstung verklagen sollte, würde ich davon abraten.
die USA wird ohnehin niemand verklagen, aber Du hast bei der philologischen Interpretation von Artikel VII drei Dinge übersehen:
Zitat:Jede Vertragspartei verpflichtet sich, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über (1) wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und (2) zur nuklearen Abrüstung sowie (3) über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle
es bestehen also die Verpflichtung, über redliche Verhandlungen drei Verträge abzuschließen, über:

1. wirksame Maßnahmen über die Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft

2. eine nukleare Abrüstung und

3. eine allgemeine und vollständige Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle.

Diese Reihenfolge ist nicht zufällig, und jetzt schauen wir uns die Ergebnisse an:

zu 1.
a) Der SALT-I-Vertrages wurde am 26. Mai 1972 während eines Staatsbesuches von Nixon in Moskau unterzeichnet.
Der SALT-I-Vertrag verpflichtete die beiden Supermächte "die Zahl ihrer ballistischen Raketenabwehrsysteme (ABM) zu begrenzen."
b)
Der SALT-II-Vertrag (Text unter <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.peterhall.de/treaties/salt2/salt21.html">http://www.peterhall.de/treaties/salt2/salt21.html</a><!-- m --> ) wurde am 18. Juni 1979 unterzeichnet. Er legte "eine genaue zahlenmässige Begrenzung jeden Typs und Untertyps der strategischen Trägermittel fest und führte zu jedem Typ spezielle Definitionen an. In ihm wurde die Vernichtung sämtlicher Trägermittel, die die vorgeschriebene Zahl überschritt, festgelegt, Tests und Weiterentwicklung bestimmter Trägermittelkategorien wurden aber nicht verhindert. Der SALT-II-Vertrag trat jedoch nie in Kraft, da er beim US-Senat auf heftigen Widerstand stiess. Dennoch hielten sich die Sowjetunion und die USA an die Abmachung
Quellen: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.wien-vienna.at/geschichte.php?ID=84">http://www.wien-vienna.at/geschichte.php?ID=84</a><!-- m -->
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.fas.org/nuke/control/salt2/">http://www.fas.org/nuke/control/salt2/</a><!-- m -->

zu 2.
Weitere ernsthafte Verhandlungen nach dem (vom US-Senat gekippten) SALT-II zur vollständigen nuklearen Abrüstung? - Fehlanzeige - und insoweit schon ein eindeutiger Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag
(die Verpflichtung in Art. XIV von SALT II
Zitat:Jede Vertragspartei verpflichtet sich, unmittelbar nach dem Inkrafttreten dieses Vertrages aktive Verhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen, sobald wie möglich zu einem Einvernehmen über weitere Maßnahmen für die Begrenzung und Verminderung der Strategischen Rüstungen zu gelangen. Es ist ferner Ziel der Vertragsparteien, weit vor 1985 eine Vereinbarung zu schließen, die die SOW begrenzt und nach dem Auslaufen dieses Vertrags an dessen Stelle tritt.
bindet nur die beiden Unterzeichnerstaaten von SALT II, und das auch erst nach dem Inkrafttreten, dessen Scheitern der US-Senat zu verantworten hat - aber die Verhandlungsverpflichtung aus dem Atomwaffensperrvertrag gegenüber den anderen Unterzeichnerstaaten besteht auch ohne SALT II weiter)

zu 3.
brauchen wir gar nicht erst zu diskutieren

Dann zur teleologischen Interpretation:
Ziel und Sinn des Atomwaffensperrvertrages war,

1.
das nukleare Wettrüsten zu beenden

2.
die Welt wieder atomwaffenfrei zu machen.
Dazu sollten
a) die nuklearen "Habenichtse" weiter auf Atomwaffen verzichten und
b) die Nuklearmächte auf ihre Atomwaffen - nach ernsthaften Verhandlungen - vollständig verzichten ....

3.
sollte danach eine vollständige Abrüstung aller (!) Vertragsstaaten erfolgen.

Von diesen Zielen sehe ich nichts erfüllt

zu 1.
das nukleare Wettrüsten geht weiter (jetzt mit immer kleineren Bomben und "schmutzigen Granaten")

zu 2.
seit dem vom US-Senat verursachten Scheitern von SALT II fehlen die ernsthaften Verhandlungen mit dem Ziel, auf die Atomwaffen vollständig zu verzichten

zu 3.
brauchen wir eh nicht drüber zu reden ....

Wir haben von den anerkannten juristischen Interpretationsmethoden schon mit zweien ein übereinstimmendes Ergebnis erreicht. Die historische Interpretation wird kein anderes Ergebnis bringen - und die systematische Interpretation unter Einbeziehung von Verträgen wie SALT I und SALT II lässt auch kein anderes Ergebnis erwarten. Aber bereits aus dem Vorliegenden ergibt sich eindeutig:

Schlußfolgerung:
1.
die Beendigung des nuklearen Wettrüstens "in naher Zukunft" ist schon an SALT II gescheitert, was in der Verantwortung der USA liegt.
Obwohl Tests und Weiterentwicklung bestimmter Trägermittelkategorien nicht verhindert wurden trat der SALT-II-Vertrag nie in Kraft, da er beim US-Senat auf heftigen Widerstand stiess.

2.
die vertragliche Verpflichtung, ernsthafte (redliche) Verhandlungen über eine nukleare Abrüstung zu führen .... liegt seit SALT II auf Eis und damit

3.
ist auch das vertraglich verpflichtete Ziel der Atomarstaaten, eine (vollständigen) nuklearen Abrüstung zu vereinbaren, nicht einmal im Ansatz erfüllt ....

4.
nachdem die Atomwaffenstaaten nicht einmal die von Turin konzedierte Verpflichtung zu Verhandlungen erfüllen (geschweige denn die ursprüngliche Zielsetzung der vollständigen nuklearen Abrüstung noch anzustreben scheinen) kann man es den "Habenichtsen" nicht verdenken, wenn diese inzwischen die Sinnhaftigkeit eines Vertrages hinterfragen, der anstelle einer vollständigen atomaren Abrüstung lediglich den Status der Atommächte absichert.
Damit wird der ursprüngliche Sinn und Zweck des Vertrages - eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen - in sein Gegenteil verkehrt.
Und damit sind wir wieder beim Thema: :ot:out
das iranische Atomprogramm ....


- bastian - 10.04.2006

Ich finde nicht, dass ich das übersehen habe, ich würde das Schwergewicht der Interpretation aber auf den Vergleich zu Article 1 und 2 legen, dort ist die Rede von Verpflichtungen bestimmte konkrete Handlungen nicht zu bezeichnen, während in Article VI nicht die Rede von einer Verpflichtung zu nuklearen Abrüstung ist, sondern lediglich dazu Verhandlungen in redlicher Absicht über diese Themen aufzunehmen.

Dort steht darüber wird verhandelt, aber nicht dass konkrete Schritte übernommen werden.
In Article 1 und 2 wird da ganz anders formuliert.

Zu deinem Punkt 2. Warum ein Verstoß es wurde doch in redlicher Absicht verhandelt, doch leider, leider ist da nix bei rausgekommen.

Das das ganze eine inhaltsleere Phrase war, um die "Habenichtse" zu beruhigen, sind man doch schon an der damals und heute komplett utopischen Verhandlungen über vollständige Abrüstung.

Deine teleologische Interpretation in allen Ehren, aber ich wage mal die Prognose das sich die klassischen Atommächte dieser Interpretation nicht anschliessen werden und sich auf den Standpunkt stellen, dass in redlicher Absicht verhandelt wurde, dabei aber nix rausgekommen ist und damit dem Vertrag voll und ganz gerecht geworden sind.

Da steht eben nicht wir verhandeln, WIE abgerüstet wird, sondern verhandelt wird ÜBER Abrüstung. Das ist ein erheblicher Unterschied.


- Erich - 10.04.2006

Bastian,
das steht wir verhandeln mit dem Ziel, DASS abgerüstet wird....
und
wo redlich verhandelt wird muss was bei rauskommen
- aber jetzt bräuchten wir einen Richter (wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte) - welchem Gerichtshof (der noch dazu in der Lage wäre, die USA und andere Atommächte zu verurteilen und einen Titel zu erwirken) könnten wir das denn vorlegen???


- Turin - 10.04.2006

Zitat:wo redlich verhandelt wird muss was bei rauskommen
Richtig, aber das Ergebnis muss nicht den ursprünglichen Zielen entsprechen. Das zeigt doch der Wortlaut des Vertrages. Nirgendwo steht, die Atommächte müssen sich einigen. Da steht nur, sie sollen Anstrengungen dazu unternehmen. Es ist kein Resultat festgesetzt, sondern ein Ziel, eine Ambition und das ist m.E. ein Unterschied.

Übrigens sehe ich die Diskussion eigentlich nicht so sehr als OT an, da sich die Auslegung des NPT direkt auf die Rechte und Pflichten des Iran niederschlägt. Aber die Positionen scheinen sowieso festzustehen, insofern gern zurück zu direkteren Fragen bzgl. des Themas Atomprogramm...