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(Allgemein) Bundeswehr – quo vadis? - Druckversion

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RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 07.01.2024

Nehmen wir den PUMA als ein Beispiel fürs allgemeine:

Exakt das was du hier völlig korrekt als Hauptproblem identifizierst, die ganzen Rechner, anfälligen Vernetzungen, Bildschirme, Hochtechnologie waren vor allem anderen etwas was man mit IKM und den vermeintlichen Notwendigkeiten eines Guerillakrieges angepriesen hat.

Die ganze Hochtechnologie sollte es ermöglichen, in einem solchen Szenario mit weniger Soldaten und unzureichenden Mitteln zu bestehen. Das greift über die ganze Elektronik, IT usw hinaus, man betrachte beispielsweise die ganzen Schutzsysteme von den überschweren Westen bis hin zum Minenschutz der Fahrzeuge.

Der wesentlichste Satz von dir dem ich absolut zustimme ist aber, dass wir uns immer mehr abhängig von solchen Systemen gemacht haben. Man hat nicht mehr parallel die Befähigung auch ohne diese Systeme den Auftrag weiter auszuführen.

Warum hat man sich aber von diesen Systemen so abhängig gemacht? Weil man die Verluste dadurch unter allen Umständen so extrem niedrig wie möglich halten wollte und dies das primäre Versprechen der Rüstungsindustrie war. Warum konnte die Rüstungsindustrie diese Hochtechnologie überhaupt an den Mann bringen, warum die Politik und die militärische Führung dazu bewegen sie zu kaufen und sich davon abhängig zu machen ?! Weil man Verluste vermeiden wollte. Weil Verluste in einem völlig sinnlosen Einsatz am Hindukusch untragbar sind.

Im Prinzip ist dass das gleiche Grundprinzip mit dieser ganzen Hochtechnologie wie mit den VPAM9 Westen. Warum diese Westen? Weil Verluste in einem von Anfang an völlig sinnlosen und absurden Einsatz untragbar sind und man diese daher so weit wie möglich reduzieren wollte.

Das Verluste reduzieren wurde im Laufe der Zeit zum Selbstzweck ! Das Ziel war gar nicht mehr den Feind auszuschalten, oder ein Gelände zu kontrollieren oder was auch immer da an angeblichen Zielen vorgeschoben wurde, dass primäre wahre Ziel dahinter war weit weit vor allem anderen die Vermeidung von Verlusten als Selbstzweck. Und gerade eben deshalb ist man auf diese Hochtechnologie-Schiene aufgestiegen.

Der PUMA krankt also mit der Wahnidee ihn mit dem A400M transportieren zu wollen bis hin zu einigen anderen Spezifika die er so aufweist an der gleichen grundlegenden Idee: mit viel zu wenig Quantität in einem Gueriallkrieg bestehen zu wollen, der vollkommen sinnlos ist und deshalb unter allen Umständen Verluste zu vermeiden. Das zieht sich als Prinzip durch weite Teile der heutigen Bundeswehr.

Nun vertrete ich keineswegs hier jetzt einen Ansatz dass wir mehr Verluste in Kauf nehmen sollen. Sondern ich will nur das ursprüngliche Motiv und den ursprünglichen Grund benennen. Davon ausgehend hat sich nämlich in einem klassischen Rebound-Phänomen die Sache nochmal ganz anders entwickelt. Ironischerweise ist es ja so, dass in ganz vielen Bereichen gerade eben aufgrund dieser Fehlentwicklung dann im Krieg extrem hohe Verluste zu erwarten wären, um es plakativ zu illustrieren betrachte man die aufgeblasenen Stäbe und was so ein Brigadestab beispielsweise für eine Überlebenschance heute hätte mit der technischen Ausgestaltung, Größe und Anfälligkeit die er heute hat.

Das nächste faszinierende Rebound-Phänomen welches eine Folge dieser Hochtechnologie ist, ist die Verlangsam aller Informations- und Entscheidungsprozesse. Die ganze Führung wollte ja durch die Hochtechnologie, Vernetzung usw. vor allem anderen schneller werden. Aber seit vielen Jahren schon werden wir immer langsamer, auf allen Ebenen, statt schneller zu werden. Und insbesondere gilt dies für die Führungsebenen, die Stäbe usw, die zunehmend aufgrund der Auswirkungen der Hochtechnologie immer dysfunktionaler für den richtigen Krieg werden.

Die Ironie daran ist, dass nicht nur die Technologie selbst ein Problem darstellt, wie du es hier so treffend darstellst (Kabel, digitale Gefechtsstände etc), sondern dass auch die indirekten Folgen dieser Technologie erheblich sind. Die ganze Vernetzung senkt Geschwindigkeit und Kampfkraft, obwohl sie diese doch hätte erhöhen sollen. Ein klassiches Jarvins Paradox.

Um es noch mal zusammen zu fassen: Warum haben wir diese Technologie und setzen sie darüber hinaus auch noch falsch ein ? (unabhängig vom Puma, in Bezug also auf ganz viele Systeme) - die Antwort ist höchst einfach: man hat diese Systeme zu sehr auf IKM ausgelegt - mit der Idee damit den Mangel an Quantität auszugleichen, die eigene Geschwindigkeit zu erhöhen und vor weit weit vor allem anderen um die Verluste extrem zu drücken.

Und das fällt uns in ganz vielen Bereichen auf die Füße, weil es in ganz vielen Aspekten mit der Zeit genau das Gegenteil von dem produziert hat was es eigentlich sollte.

Zitat:Von dem ganzen adblue Schwachsinn mal ganz zu schweigen.

Ja, wohl wahr. Big Grin

Umweltfreundliche Kriegsführung, mehr muss man dazu nicht sagen ...... Tongue

Man kann all diese Fehlentwicklungen meiner Meinung nach auch als ritualisierte Kriegsführung bezeichnen. Und wir haben uns aktuell extrem stark auf diese ritualisierte Kriegsführung hin ausgerichtet und überspezialisiert. Und IKM ist vor allem anderen exakt das, von ritualisierter Kriegsführung dominiert, aus einer Vielzahl von Gründen. Und damit werden wir immer unfähige was den freien Krieg angeht.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Schneemann - 09.01.2024

@Quintus
Zitat:Die verfügbaren Bilder, Filme und das ausgewertete russische Kriegsmaterial welches man untersuchen konnte (weil zerstört, weil aufgegeben etc.) sprechen eine komplett andere Sprache. Die russische Armee läuft in weiten Teilen mit eingelagertem Material. Auch das "neue" Material ist vorwiegend aus alten Teilen neu zusammen gebaut. Der prozentuale Anteil den man wieder funktionsfähig kriegen konnte war sicher gering, aber es gibt genug Luftaufnahmen von sich leerenden russischen Freiluftdepots aus denen immense Mengen von Systemen aller Art entnommen wurden. Es gibt genug Satellitenaufnahmen davon, wie auch Filmaufnahmen von solchem Material wie es an die Front gekarrt und genug Bildmaterial solchen zerstörten Materials an der Front.
Es gibt diese Bilder, ja. Aber wir sind uns doch einig, dass die Masse des zerstörten russischen Gerätes nicht aus T-62 oder BMP-1ern besteht, sondern zum überwältigenden Teil aus neuerem Gerät. Wobei natürlich "neuer" auch immer relativ ist, manche T-72 stammen wohl aus den 1980ern.
Zitat:Es gibt durchaus viele Hinweise darauf, dass die überhohen Verluste der Russen nicht zuletzt darauf zurück zu führen sind, dass ihr Material aus den Depots in vielen Aspekten obsolet war und ist.
Im Grunde die ähnliche Antwort. Die Masse der bisherigen Verluste setzt sich aus Fahrzeugen zusammen, die "neueren" Datums waren. Und hier traten Verluste auch ein, weil - wie wir im Russland vs. Ukraine-Strang auch erörtert hatten -, z. B. moderne Bauteile bis hin zu ERA-Komponenten zweckentfremdet wurden.

Aber vielleicht würden wir hier zu weit vom Thema abkommen, deswegen will ich es gerne darauf beruhen lassen. Smile
Zitat:Und ich schrieb ja nicht davon, hier und jetzt Eurofighter einzulagern, sondern Mörser, Mörsermunition, Artilleriemunition usw. Also exakt das was du selbst hier als nützlich benannt hast.
Hinsichtlich der Munition kommen wir sicher auf einen gemeinsamen Nenner. Ob wir aber die Massen an Mörsern benötigen, sei dahingestellt. Bzw. es käme darauf an, was wir unter Massen definieren? Wenn ich etwa an die finnische Armee denke, die ca. 1.500 bis 2.000 Mörsersysteme bis einschl. Kaliber 120 mm hat, dann ist das ein noch sinnvoller Rahmen. Aber ich lagere keine 10.000 Systeme ein.
Zitat:So wie man aktuell schnell Artilleriemunition ersetzt hat ?! Die Wahrheit ist, dass selbst die "Kleinsysteme" sich sehr schnell verbrauchen und keineswegs so schnell nachgeordet werden können. Man sehe sich die aktuelle Problematik mit der Nachproduktion von Stinger-Raketen an. Meiner Einschätzung nach unterschätzt du etwaig den notwendigen Verbrauch eines ernsthaften großen Krieges.
Nein, das unterschätze ich nicht. Wenn die Produktion wieder angelaufen ist, dann ist es im Grunde kein Problem, kleinere Systeme rasch zu produzieren. Das gilt auch für die Munition. Bzgl. der Ukraine ist es aber eher so gewesen, dass man das Hochfahren der Kapazitäten leider etwas abwartend beäugt hat.

Nach der Devise: Nachdem die Russen 2022 derart versagt hatten, müssen wir mal schauen, ob wir dieses Hochfahren tatsächlich umsetzen müssen, kostet nur Geld und die Ukrainer kriegen das ja eh hin mit dem gelieferten Zeug.

Das rächt sich natürlich derzeit etwas. Insgesamt gesehen kann man deswegen aber nicht von ausgehen, dass ein Ersetzen von Kleinsystemen tatsächlich problematisch wäre oder mit der langwierigen Beschaffung von Großsystemen vergleichbar ist. Dass wir hier Engpässe sehen ist also eher die Folge einer Fehleinschätzung und nicht eines Produktionsprozesses.
Zitat:Wer alles defendieren will, der defendiert am Ende gar nichts. Wer alle möglichen Szenaien mit Ausrüstung abdecken will, der deckt am Ende gar keine Szenarien mehr ab. Genau das ist der Bundeswehr passiert.
Erster Satz ist bekannt und auch richtig. Ansonsten denke ich aber, dass das Problem bei der Bundeswehr nun nicht unbedingt daher rührt, dass man alles abdecken wollte. Eher sehe ich es so, dass man sich vor 20 oder 25 Jahren spezialisieren wollte/sollte/musste auf Krisen- und Stabilisierungseinsätze und heute bemerkt, dass diese seinerzeit unter gewissen Sparzwängen umgesetzte Doktrin bzw. Orientierung sich einer neuen, andersgearteten Bedrohungslage gegenübersieht und man nun wieder umsteuern muss.
Zitat:Du denkst meiner Ansicht nach zu Ausrüstungs-Zentrisch. [...] Wir benötigen keine Spezialisierung hier und jetzt auf bestimmte Szenarien, sondern stattdessen eine Armee deren Anpassungsfähigkeit aus ihren Fähigkeiten resultiert und nicht aus ihrer Ausrüstung...
Das ich (auch) ausrüstungsfixiert denke, das mag teils durchaus stimmen. Aber es ist meiner Meinung nach eben enorm wichtig. Eine Anpassungsgabe, so wie du es nennst, ist zwar auch wichtig. Aber entscheidend in einem Krieg sind Ausrüstung, Aufklärung und Logistik - zumindest im direkten Kontext. Weitergefasst könnte man auch sagen Stahl, Öl, Technologie und Geld bzw. Produktionsbefähigungen, die die Technologie einbinden können.

Schneemann


RE: Bundeswehr – quo vadis? - alphall31 - 09.01.2024

Zitat: dass diese seinerzeit unter gewissen Sparzwängen

Das man sparen musste hieß ja nicht das man nichts bekommen hat . Das weit größere Problem ist ja das das Material was sie bekommen hat nicht funktioniert . Sparmaßnahmen kommen aller paar Jahre mal vor . Aber man hat doch alles abgenommen obwohl man wusste das nicht funktioniert , mit oft jahrelanger Verspätung und das auch noch völlig überteuert . Man lässt sich auch immer wieder von den gleichen Firmen vorführen . Ebenso solch fragwürdige Entscheidungen wie die Wartung der F35 an rheinmetall und Lufthansa Technik zu vergeben. Der Marineschiffbau ist ja noch ein extra Kapitel für sich .


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Schaddedanz - 09.01.2024

(07.01.2024, 16:01)Quintus Fabius schrieb: Aktuell produziert man keinesweges neue modernere Großsysteme, sondern ganz im Gegenteil überwiegend ältere Systeme die technologisch zurück hängen, und auch dies ginge nicht ohne den steten Fluss an Material aus den Depots, denn da werden eben nicht alle Teile neu produziert, sondern die Depots nach Teilen ausgeschlachtet. Und die Anstrengungen um eine massive Erhöhung der Rüstungsproduktion sind natürlich völlig uanbhängig davon notwendig, weil auch die Depots sich was brauchbares Material angeht rasant leeren. Dazu muss auch bedenken, dass diese Depots immens wichtig für die Ersatzteilversorgung sind, die ganze russische Inst läuft in weiten Teilen damit.

Fazit: die Lager waren und sind absolut entscheidend für die Russen gewesen. Ohne diese wäre dieser Krieg so nicht führbar gewesen.

Ich hatte das schon mal in einem Nebensatz erwähnt, ich persönlich wundere mich nicht darüber.

Der kommunistische Ansatz spezialisierte Industrieproduktionsstandorte begünstigt/benachteiligt bestimmte vorgehen, was sich auch in der Sowjetischen Militärstrategie wieder spiegelt, z.B. Raketen, balistisch oder Flugabwehr. Vorteil: gut vor zu produzieren auf effizienten Montagestrecken im bevölkerungsreichen Westen RUS und mit wenig personal schnell Gefechtsbereit gemacht im Bevölkerungsschwachen Sibirien/Fernen Osten.
Nachteil: entsprechend große Lagermengen sind erforderlich von dieser relativ teuren Munition.

Selbiges Muster hat man und wendet man immer noch bei den Panzern an, fahren bis kaputt, Mannschaft raus, schnapp euch einen neuen Panzer und nochmal (auch ein Sicherheitsaspekt für die Crew im spärlich besiedelten RUS, da niemand wirklich erwartet das die Crew in Reichweite des Feindfeuers irgendeine provisorische Gefechtsbereitschaft wieder herstellt). Entsprechend groß sind die bevorrateten Panzerbestände.

Aber anders als in der BRD, gibt es der RUS-Haushalt eben nicht her tausende Panzer unbenutzt zu verschrotten #Marder
Und da mag die west Propaganda noch solange auf Putin mit Autokratie rum kauen, auch er bekommt so eine Verschrottungsaktion nicht durch die Duma dafür hat das Land nach wie vor zu viele andere Baustellen.
Ändern tut dies allerdings nichts daran das auch das Russische Gerät überaltert.

Der jetzige Konflikt ist neben Exporten in praktisch jedes 3te. Welt Land dieses Planeten die einzige Chance im ersten Schritt die Lager zu leeren und sich im zweiten Schritt die Lager mit neuem Gerät wieder zu füllen (mit dem Segen von Duma und Volk)

Warum sonst sollte man penibel darauf achten keine T-14 und speziell dessen PzH variante in dieser realen Gefechtssituation auf Herz und Nieren zu testen.
Nur mal so zum drüber nachdenken: Der Leopard 2, premium Waffensystem der Landstreitkräfte der EU, wird erbeute freundlich in der Ukraine aufs Feld geworfen. Und wie auch immer dieser Krieg ausgehen wird, eines steht jetzt schon fest, der Leo2 und all Panzer die auf identische Komponenten setzen (120er Glattrohr) sind dann genauso verlachte Relikte des kalten Kriegs wie die in Afrika verheizten T72 Wink


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Jack Ryan - 10.01.2024

Wie geht es eigentlich im Jahr 2024 für die BW bzgl. Beschaffungen weiter?

Gibt es schon Termine für die nächsten 25 Millionen Vorlagen und wenn ja, was wird der Inhalt sein?


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Ottone - 10.01.2024

Es gilt die vorläufige Haushaltsführung und damit in Q1 2024 keine 25 Mio Vorlagen.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Jack Ryan - 10.01.2024

(10.01.2024, 12:23)Ottone schrieb: Es gilt die vorläufige Haushaltsführung und damit in Q1 2024 keine 25 Mio Vorlagen.

Danke Dir! Dies ist keine gute Voraussetzung für die Truppe...


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 11.01.2024

Schneemann:

Zitat:wir sind uns doch einig, dass die Masse des zerstörten russischen Gerätes nicht aus T-62 oder BMP-1ern besteht, sondern zum überwältigenden Teil aus neuerem Gerät. Wobei natürlich "neuer" auch immer relativ ist, manche T-72 stammen wohl aus den 1980ern.

Die Masse des in den Depots eingelagerten Gerätes waren aber ebenso keine T-62 und BMP-1. Die haben auch alles mögliche „modernere“ Material eingelagert. Zudem siehst du mir meiner Meinung nach zu stark auf die Kampfpanzer und Schützenpanzer. Viel relevanter waren und sind beispielsweise Artilleriegeschütze und eingelagerte Rohre für diese, eingelagerte Lastkraftwagen, eingelagerte Schlepper, Pioniermaschinene etc etc Du musst dir mal ansehen was da alles in der Ukraine an „Antiken“ Systemen aufgetaucht ist. Das reicht doch weit über die bloße Betrachtung der Zusammensetzung der Kampfpanzer hinaus.

Das man nun darüber hinaus auch noch angefangen hat viel zu produzieren ist davon völlig unabhängig. Und auch die Neuproduktion verwertet vieles von dem Material aus den Depots und gerade eben deshalb produziert man mehrheitlich nicht die neuesten Systeme.

Zitat:Ob wir aber die Massen an Mörsern benötigen, sei dahingestellt. Bzw. es käme darauf an, was wir unter Massen definieren? Wenn ich etwa an die finnische Armee denke, die ca. 1.500 bis 2.000 Mörsersysteme bis einschl. Kaliber 120 mm hat, dann ist das ein noch sinnvoller Rahmen. Aber ich lagere keine 10.000 Systeme ein.

Ich hatte bewusst keine Zahl genannt. Aber gehen wir mal auf genaue Zahlen ein: Wieviele Mörser hat die Bundeswehr denn? Und von dort zu den genannten 2000 sind es Welten. Mit Massen meinte ich also durchaus etwas im Bereich dessen was die Finnen so haben. Rein theoretisch könnte ich übrigens auch locker 10.000 Mörser beschaffen oder mehr, für den Preis eines einzigen größeren Kriegsschiffes. Was aber nun in einem Krieg mehr bringen wird sei mal dahingestellt. 1 Kriegsschiff oder 10.000 Mörser plus Munition. Egal ob nun zur Unterstützung von Verbündeten oder für den Eigenbedarf, die viel größere Zahl von „Kleinsystemen“ wäre meiner Meinung nach besser und würde insgesamt mehr zur Kampfkraft beitragen.

Zitat:Wenn die Produktion wieder angelaufen ist, dann ist es im Grunde kein Problem, kleinere Systeme rasch zu produzieren.

In der reinen Theorie. Denn auch wenn man selbst eine größere industrielle Kapazität hat und mehr Reichtum, so ist diese wie der Reichtum auch in anderen gesellschaftlichen Anforderungen gebunden. Solange der Sozialstaat um die 1200 Milliarden Euro pro Jahr benötigt, kann ich nicht nach Belieben rasch „Kleinsysteme“ produzieren. Noch darüber hinaus muss man die Produktion ja auch erst mal aufbauen und aktuell scheitert man schon daran wenn man über mehrere Jahre hinweg eine neue Fabrik für Pulver hinstellen will. Nun kannst du behaupten: das könne man ja ebenso einfach rasch ändern, aber dem ist nur in der Theorie so, in der praktischen Realität wird dies vor Ausbruch eines großen Krieges gegen unseren Staat praktisch real nicht der Fall sein.

Und du räumst ja selbst ein, dass die Produktionskapazitäten bei uns hier und jetzt zu gering sind. Aber den wesentlichsten Punkt übersiehst du hierbei: dass sich das nicht ändern wird.

Zitat:Ansonsten denke ich aber, dass das Problem bei der Bundeswehr nun nicht unbedingt daher rührt, dass man alles abdecken wollte.

Doch, gerade eben. Die Bundeswehr verfolgte sehr lange Zeit ein grundsätzliches Konzept der Breite vor der Tiefe. Man verzichtete insgesamt auf eine ausreichende Tiefe gerade eben um eine möglichst große Breite an Fähigkeiten vorhalten zu können. Intentional um damit diese Fähigkeiten weiter zu haben und damit man dann auf diesen falls notwendig aufbauen kann. Und gerade weil man trotz der Spezialisierung auf Afghanistan diese Konzeption beibehalten hat, gerade eben deshalb ist die Tiefe in der gesamten Breite noch weiter degeneriert.

Zitat:Eher sehe ich es so, dass man sich vor 20 oder 25 Jahren spezialisieren wollte/sollte/musste auf Krisen- und Stabilisierungseinsätze und heute bemerkt, dass diese seinerzeit unter gewissen Sparzwängen umgesetzte Doktrin bzw. Orientierung sich einer neuen, andersgearteten Bedrohungslage gegenübersieht und man nun wieder umsteuern muss.

Man hat Teile der Armee spezialisiert, aber trotzdem versucht eine möglichst große Breite an Fähigkeiten vorzuhalten und damit wie nicht unüblich in der real existierenden Bundesrepublik lauter verschwiemelte Kompromisse erzeugt - vor allem aber die Tiefe in den Fähigkeiten zu weit vermindert. Das umsteuern ist nun heute vor allem deshalb ein Problem, weil die Tiefe verloren gegangen ist, nicht weil die Breite verloren gegangen ist.

Zitat:Das ich (auch) ausrüstungsfixiert denke, das mag teils durchaus stimmen. Aber es ist meiner Meinung nach eben enorm wichtig. Eine Anpassungsgabe, so wie du es nennst, ist zwar auch wichtig. Aber entscheidend in einem Krieg sind Ausrüstung, Aufklärung und Logistik - zumindest im direkten Kontext. Weitergefasst könnte man auch sagen Stahl, Öl, Technologie und Geld bzw. Produktionsbefähigungen, die die Technologie einbinden können.
Exakt das was ich meinte: eine zu starke Fixierung auf die materielle Seite des ganzen. Keine Ausrüstung der Welt nützt etwas, wenn diejenigen welche sie verwenden unfähig sind. Gerade eben Russland sollte hier als mahnendes Beispiel dienen. Natürlich sind Rohstoffe, Industriekapazität, Technologie, Geld usw. immens wichtig, aber sie sind nur ein Faktor und es gibt andere Faktoren die genau so wichtig sind oder sogar noch wesentlicher.
Greifen wir mal als theoretisches Beispiel die Aufklärung auf, da du sie explizit in diesem Kontext genannt hast und postulieren eine vollkommen technische Aufklärung in welcher Maschinen aller Art die Aufklärung betreiben und herrausragende Aufklärungsergebnisse erzielen. Dann benötigt man immer noch die Fähigkeit diese zu verwenden, zu interpretieren, einzusetzen, und dies unter Zeitdruck - sehr oft wird im Krieg durch die Aufklärung die richtige Information geliefert, aber seitens der Führung einfach ignoriert oder falsch verwendet, was ebenso regelmässig scheinbar unverständliche Niederlagen und militärische Katastrophen verursacht: denn: alles war doch bekannt und aufgeklärt!
Je mehr ich aber Fähigkeiten durch Ausrüstung und Technologie kompensieren will, desto teurer wird der Krieg - bis hin zur Unbezahlbarkeit - und desto abhängiger werde ich von dieser Ausrüstung und dieser Technologie und im Krieg kommt es sehr leicht dazu, dass Ausrüstung und Technik gekontert werden, und dann fehlt mir jedwede Befähigung etwas neu und anders zu tun oder auch nur handlungsfähig zu bleiben.

Die Fixierung auf die Ausrüstung, dass ausrüstungszentrische Denken ist daher ein schwerwiegendes militärisches Problem, weil es in der praktischen Realität immer dazu führt, dass sich zu viele zu weitgehend von der Technik abhängig machen und damit von ihren Fähigkeiten noch weiter degenerieren als sie es ohnehin schon sind.

Überlegene Technik plus Überlegene Fähigkeiten wäre natürlich insgesamt am besten. Aber die praktische Realität bleibt immer weit unter diesem Ideal und man kann es meiner Meinung nach auch gar nicht erreichen, weil dies sowohl der menschlichen Natur als auch dem Wesen des Krieges an sich zuwider läuft.

Deshalb ist das Ausrüstungszentrische Denken gefährlich und führt durch die Umstände und seine Wechselwirkungen eher zu größerer militärischer Schwäche, als dass es die Kampfkraft stärkt. Und wir haben in der Realität einfach nicht die finanziellen und wirtschaftlichen Mittel um diesen Verlust an Kampfkraft dann einfach durch noch mehr Quantität zu kompensieren, denn es ist gerade eben dies: der Mangel an Quantität welcher bei uns das Problem darstellt und die Idee diesen Mangel an Quantität durch noch mehr Technologie kompensieren zu wollen funktioniert meiner Ansicht nach nicht oder nur sehr bedingt, entgegen den Heilsversprechungen der Rüstungsindustrie, welcher in einer hochtechnologisierten Gesellschaft wie der unseren natürlich auf fruchtbaren Boden fallen.

Meiner Einschätzung nach überschätzen wir gerade eben aufgrund unserer Lebensumstände hier und heute und der daraus resultierenden Sozialkultur welche wir haben, wie die Verhältnisse der einzelnen Faktoren zueinander im Krieg sind und gewichten daher die Ausrüstung und die Frage der Hochtechnologie falsch, zu unserem Schaden.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - alphall31 - 11.01.2024

Bis 2000 ca hat man die Einsätze größtenteils mit dem gemacht was da war . Erst da kam die dingos auf und erst 2006 oder sogar später hat man doch die ganzen Beschaffungen begonnen . Bis 2004 hat man mit ungefähr 140 Dingos alle Einsätze abgedeckt. Wir haben allerdings damals den Anschluss bei anderen Fähigkeiten verloren. Satcom wurde durch Telekom gestellt , die haben sich dumm und dämlich verdient . Wir hatten da einen minutenpreis von 18,- Euro ungefähr. Solche Sachen haben mehr Finanzmittel geschluckt wie so paar Fahrzeuge . Und das waren ja wiederkehrende Summen Monat für Monat.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Schaddedanz - 11.01.2024

(11.01.2024, 11:13)Quintus Fabius schrieb: ... , wie die Verhältnisse der einzelnen Faktoren zueinander im Krieg sind und gewichten daher die Ausrüstung und die Frage der Hochtechnologie falsch, zu unserem Schaden.

Du lässt dabei außeracht das praktisch alles an LV/BV Gerät der Bundeswehr aus Zeiten der Wehrpflichtarmee stammen.
Und da eine Wehrpflichtarmee ganz praktisch auf Null Erfahrung seitens der Soldaten zurückgreifen kann, wurde auf Ausrüstung gesetzt die vergleichbar gute Ergebnisse liefert aber maximal einen Deutschen Schulabschluss von 1990 als Erfahrung benötigt z.B. Hunter/Killer-Fähigkeit im Leo2 für unerfahrene Kommandanten bei denen es an der Zielansprache hapert.
Entsprechend konnte und kann (Bremer Abitur) man nicht auf die Hochtechnologie verzichten solange im Raum steht das auf unerfahrene Reserven zurückgegriffen werden muss.
Übrigens bedingt die spärliche Rohstoffförderung in Deutschland auch einen sehr hohen Vorratsbestand dieses Hochtechnologiegerätes (Spare in der Zeit, dann hast du in der Not).


RE: Bundeswehr – quo vadis? - 26er - 11.01.2024

ohne Kommentar:

"Bundeswehr-Flugbereitschaft
Bundesregierung will drei neue Hubschrauber für 200 Millionen Euro kaufen

Die Bundesregierung will drei neue VIP-Hubschrauber für die Flugbereitschaft der Bundeswehr beschaffen und im Haushalt 2024 dafür Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen, wie aus einer Mitteilung des CDU-Verteidigungspolitikers Ingo Gädechens hervorgeht. Seinen Angaben zufolge sollen mit dem Geld die von der Bundeswehr aktuell genutzten Hubschrauber des Typs „Cougar“ ersetzt werden. Die Hubschrauber dienen der Mitteilung zufolge insbesondere dazu, Mitglieder des Bundeskabinetts zumeist innerhalb Deutschlands zu transportieren..."

https://www.hartpunkt.de/bundesregierung-will-drei-neue-hubschrauber-fuer-200-millionen-euro-kaufen/


RE: Bundeswehr – quo vadis? - iRUMO - 11.01.2024

(11.01.2024, 19:19)26er schrieb: ohne Kommentar:

"Bundeswehr-Flugbereitschaft
Bundesregierung will drei neue Hubschrauber für 200 Millionen Euro kaufen

Die Bundesregierung will drei neue VIP-Hubschrauber für die Flugbereitschaft der Bundeswehr beschaffen und im Haushalt 2024 dafür Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen, wie aus einer Mitteilung des CDU-Verteidigungspolitikers Ingo Gädechens hervorgeht. Seinen Angaben zufolge sollen mit dem Geld die von der Bundeswehr aktuell genutzten Hubschrauber des Typs „Cougar“ ersetzt werden. Die Hubschrauber dienen der Mitteilung zufolge insbesondere dazu, Mitglieder des Bundeskabinetts zumeist innerhalb Deutschlands zu transportieren..."

https://www.hartpunkt.de/bundesregierung-will-drei-neue-hubschrauber-fuer-200-millionen-euro-kaufen/

Unfassbar ...


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Schaddedanz - 12.01.2024

(11.01.2024, 22:30)iRUMO schrieb: Unfassbar ...

Wohl eher: "sollen sie doch Kuchen essen wen es kein Brot gibt"


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Broensen - 13.01.2024

AUs einem anderen Strang, da zu sehr offtopic:
(13.01.2024, 17:32)ObiBiber schrieb:
(13.01.2024, 17:10)HansPeters123 schrieb: Und wenn die CDU wieder am Ruder ist will ich erstmal sehen, dass sie da Ernst machen und wo sie das Geld dann einsparen werden.
Geld einsparen lässt sich im sozial Bereich…ganz schnell 20-30 Mrd €… Ich behaupte sogar 50 Mrd€
das geht aber auch nur mit den passenden Mehrheitsverhältnissen… und die sind schwer erreichbar…
Mehrheiten genügen da nicht. Die Union suggeriert nur gerne, dass soziale Einschnitte viel bringen würden, das heißt aber nicht, dass das auch BVerfG-sicher wäre. Einfach nur im Sozialen kürzen funktioniert nicht. Da braucht es schon etwas tiefergreifende Ansätze, um tatsächlich relevante Einsparungen zu generieren und dafür habe ich noch keine brauchbaren Vorschläge der Union gehört. Denn die würden u.a. gut situierte Rentner treffen und auch die gehobene Mittelschicht.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - voyageur - 13.01.2024

(13.01.2024, 18:26)Broensen schrieb: AUs einem anderen Strang, da zu sehr offtopic:
Mehrheiten genügen da nicht. ......

Für mich ist der "Wehrwille der Bevölkerung" das grundsätzliche Problem. Solange die Menschen nicht mehrheitlich von der Notwendigkeit der Verteidigung der Nation innerhalb Europas überzeugt ist; ist der Rest doch nur eine theoretische Diskussion