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(Allgemein) Bundeswehr – quo vadis? - Druckversion

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RE: Bundeswehr – quo vadis? - Schneemann - 05.01.2024

Zitat:...die Wahrheit ist aber das es schon mit "Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen (hat Herbert Ernst Karl Frahm sehr gerne genutzt)" und mit der Einführung des Zivildienstes (Westdeutschland) begonnen hat.
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Einerseits fallen die Zivildienstleistenden nicht wirklich ins Gewicht (2,7 Mio. Personen in 50 Jahren), wenn zugleich rund 10 Mio. seit der Einführung der Wehrpflicht in den 1950ern gedient haben - im Schnitt 178.000 je Jahr in den 1980ern, 2009 waren es noch ca. 90.000. Andererseits sind die Zivil- bzw. Ersatzdienstleistenden auch nicht entscheidend, wenn man bedenkt, dass selbst zur (zweiten) Hochphase des Kalten Krieges Anfang der 1980er geschätzt nur rund jeder dritte Wehrpflichtige überhaupt eingezogen wurde, was aber nur in sehr geringem Umfang mit der Verweigerungsoption zusammenhing.

D. h. der Zivildienst ist hier nicht das Problem, er ist allenfalls eine argumentative Ausflucht und wenig sinnhafte Ablenkung, vielmehr geht es auch um die Frage nach der Wehrgerechtigkeit und nach der Organisation einer Wehrpflicht. Und auch wenn aus verständlichen Gründen derzeit der Ruf nach ihr wieder lauter wurde, so sehe ich bislang rein organisatorisch die Wehrgerechtigkeit nicht erfüllt. (Mal von der Verfassung der Rekruten abgesehen.) Ebenso ist die Zeitspanne auch unklar und die Politik überbietet sich mit möglichst kurzen "Dienstzeiten" - was vermutlich rein psychologischer Natur sein dürfte, um die Wähler nicht zu verschrecken. Die ganze Diskussion über die Wehrpflicht ist also bislang wenig ausgereift.

Schneemann


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 05.01.2024

Helios:

Zitat:
Zitat:Wie man es aber hinkriegen könnte, dass eine Regierung (gleich welche) diese systeminhärenten Fehler (Sozialindustrie, Unfähigkeit in der Verteidigung) beseitigt, kann ich auch nicht sagen.

Schade, das wäre nämlich wesentlich wichtiger als die beständige Feststellung des Status Quo.

Wohl wahr, aber wie man diesen Staat von der Sozialindustrie entflechten könnte, wo diese allein schon volkswirtscahftlich derart an Bedeutung gewonnen hat (es dreht sich ja zunehmend die gesamte Gesellschaft nur noch um diese), kann ich wirklich nicht sagen.

Jedoch rein in Bezug auf den Bereich der Verteidigung, habe ich ja schon seit längerer Zeit konkrete Ideen, nämlich die einer Art "Prokonsularischen Imperiums". Hört sich immer erst befremdlich an wegen des Begriffes, also was meine ich nun damit :

Eine Regierung (gleich welche) müsste in der Generalskaste einen besonders befähigten, sehr gut vernetzten, allgemein geachteten Offizier identifizieren, dem es zudem nur um die Sache (Kriegsfähige Armee) geht und um nichts anderes und der insbesondere keinerlei Interessen an Geld und materiellen Vorteilen für sich selbst erkennen lässt, sonderm dem Macht und tatsächliche Gestaltungsmöglichkeiten darüber stehen. Dieser erhält nun den höchsten Rang und wird zum Generalinspekteur ernannt. Dann erhält er von der Regierung den Auftrag, die Streitkräfte mit den verfügbaren Geldmitteln so kriegsfähig wie möglich zu machen, und erhält dazu einen uneingeschränkten tatsächlichen militärischen Oberbefehl und die uneingeschränkte Macht über alle Entscheidungen in Bezug auf Rüstung, sicherheitspolitische Ausrichtung usw. Praktisch wird das so umgesetzt, dass der Verteidigungsminister alles abzeichnet was dieser General im vorlegt und es damit praktisch so ist, als hätte der Minister es selbst beschlossen. Wo notwendig zeichnet auch der Kanzler ab und nutzt dazu seine Richtlinienkompetenz. Dies wird vorher gesetzlich so festgelegt, dass damit dieser Oberbefehlshaber tatsächlich absolut frei gestalten kann, frei von Parteien, frei von Lobbyisten, frei von Großkonzernen. Er kann alles absolut frei gestalten wie er es sich vorstellt.

Dieser Oberbefehl mit der Möglichkeit tatsächlich selbst real die gesamte Armee nach seinen Vorstellungen gestalten zu können wird dann darüber hinaus über eine Legislaturperiode hinaus festgelegt. Das heißt er behält auch nach Neuwahlen weiter seine Position - und deshalb nenne ich diese Stellung die eines Prokonsuls (auch wenn sie so natürlich heißen würde - der Begriff dient nur der Illustration). Das heißt auch der nächste Verteidigungsminister / Kanzler muss weiterhin abzeichnen. Diese extreme Machtfülle geht zum einen einher mit der direkten persönlichen Verantwortung - denn wie sich die Armee im weiteren nun entwickelt hängt allein und direkt und persönlich von diesem Oberbefehlshaber ab. Und sie ist wird vorher gesetzlich beschränkt - auf zwei reguläre Legislaturperioden, zumindest aber auf acht Jahre. Da sie über die Neuwahlen hinaus reicht nenne ich sie dem Verständnis halber eben ein Prokonsularisches Imperium.

Damit wird dann eine echte Militärreform möglich. Es wird dann an ganz vielen Stellen nicht das dabei heraus kommen, was ich als ideal ansehen würde, oder was du als ideal ansehen würdest, aber das ist eben gar nicht so relevant. Viel entscheidender ist, dass die dadurch erfolgende Militärrreform die Streitkräfte wieder für den Krieg befähigt, so weit wie dies mit den Finanzmitteln nun mal möglich ist. Die exakte Ausformung in allen Details ist dabei weniger relevant als die Frage wie es insgesamt aussieht. Meiner Meinung nach ist ohne eine solche Bevollmächtigung eines entsprechenden kenntnisreichen Technokraten der selbst Soldat ist keine Militärreform in dieser Bundeswehr möglich. Es ist aber eben eine echte Militärreform zwingend notwendig, und diese kann nicht aus dem Parteienproporz, dem Einfluss der Großkonzerne, der führungslosen Generalskaste und von zivilen Parteipolitikern erfolgen. Sie muss daher unter straffer Führung durch einen entsprechenden tatsächlichen militärischen Oberbefehlshaber erfolgen.


Schneemann:

Spätestens seit Ende der 1990er, allerspätestens seit 2001 war die Prämisse, dass der Schwerpunkt der Bundeswehr nicht mehr die Panzerschlacht im Fulda Gap ist, sondern der internationale Stabilisierungs- und/oder Anti-Terror-Kampf. Das generierte dann auch Entscheidungen, die z. B. zum Typ F125 führten, den wir heute wiederum als unzweckmäßig ansehen, weil sich die Parameter wieder verschoben haben. D. h. so ganz ist der Vorwurf an die Politik, sie habe kopflos die Bundeswehr zu sehr abgerüstet oder falsch ausgerichtet, nicht haltbar, ja er ist etwas wohlfeil. Denn die Weichenstellungen waren durchaus aus bestimmten, nicht zu leugnenden Gründen erfolgt.

Auch bei einer Ausrichtung auf IKM, Anti-Terror-Operationen usw. hätte man durchaus eine komplett andere Bundeswehr rüsten können, welche zugleich viel tauglicher für den großen konventionellen Krieg gewesen wäre und von der aus man sehr viel leichter die Armee nun wieder umstellen könnte.

Ein praktisches Beispiel: auch und gerade in Afghanistan wären Leopard Kampfpanzer eine immense Hilfe gewesen, und hätten sehr viel bewirkt. Statt einer F-125, die in Afghanistan naturgemäß rein gar nichts brachte. Ein einfaches plakatives Beispiel ! aber eines welches exakt den wesentlichsten Punkt aufgreift: eine Ausrichtung auf IKM usw. heißt eben nicht, dass man zwingend komplett andere hochspezialisierte Waffensysteme benötigt, sondern dass man sich überlegen muss, wie man die Waffensysteme die sind und die auch im normalen Krieg am nutzbringendsten sind anders einsetzt und welche Systeme für beide Welten besonders geeignet sind. Noch einfacher, schlichter und plakativer:

120mm Mörser sind sowohl im Bereich IKM, Stabilisierung, Anti-Terror immens wertvoll. Als auch im Bereich der LV / BV. Sie sind extrem günstig (im Vergleich zu anderen Systemen) und ihr Kampfwert erhält sich. Sie sind technisch einfach, sehr leicht, extrem einfach strategisch global verlegbar und trotzdem im großen konventionellen Krieg von immensen Wert. Statt nun also der F-125 hätte man für das gleiche Geld immense Mengen von Mörsern und noch viel immensere Mengen an Munition für diese beschaffen können. Damit wäre der Bundeswehr sehr viel mehr geholfen (gewesen).

Und so pflanzt sich das durch alle Waffensysteme und die gesamte Ausrichtung der Bundeswehr hindurch. Es fehlt an der Basis, stattdessen bereichert man die Industrie mit untauglichen und/oder untauglich zusammen gestellten Großsystemen. Statt andere sinnvollere Großsysteme einfach jeweils anders einzusetzen. Und genau deshalb fehlt es an den Grundlagen. Und genau deshalb muss man diese zuerst wieder herstellen, bevor man zusätzliches Zierwerk beschafft.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Schneemann - 05.01.2024

@Quintus
Zitat:Ein praktisches Beispiel: auch und gerade in Afghanistan wären Leopard Kampfpanzer eine immense Hilfe gewesen, und hätten sehr viel bewirkt. Statt einer F-125, die in Afghanistan naturgemäß rein gar nichts brachte. Ein einfaches plakatives Beispiel !
Entschuldige, aber das ist ein wenig arg plakativ. Zwar wäre der eine oder andere Leopard in Afghanistan sicherlich hilfreich gewesen, aber bezogen auf eine Größenordnung oder die Herausforderungen, die wir aktuell und unabhängig von Afghanistan erörtern, ist das überhaupt nicht entscheidend. Zudem kann ich gegen die F125 schlecht mit mit dem Bsp. Afghanistan argumentieren. Ich sage ja auch nicht, dass der Leopard ein schlechter Panzer sei, nur weil seine U-Jagd-Fähigkeiten zumindest "leicht" eingeschränkt sind.
Zitat:Auch bei einer Ausrichtung auf IKM, Anti-Terror-Operationen usw. hätte man durchaus eine komplett andere Bundeswehr rüsten können...
Man stattet eine Streitmacht mit dem aus, was man glaubt zu brauchen, je nachdem wie sich eine Konfliktlage darstellt. Und die Rahmenbedingungen waren vor 20 Jahren eben andere als heute. Hinzu kommt, dass du bei "hätte" und "können" immer auch bedenken musst, dass es sowas wie Haushaltsvorgaben gibt. Wenn die wirtschaftliche Lage eher mau ist (wie es Ende der 1990er in Deutschland durchaus der Fall war), dann gebe ich nicht entsprechende große Summen für eine Streitmacht aus, wo ich schon vorab weiß oder zumindest annehme, dass ich eigentlich ein anderes Szenario zukünftig vorliegen habe, wo der große Teil des georderten Materials gar nicht genutzt werden wird können.

Und wenn wir nur anfangen auf Halde zu bauen, dann haben wir irgendwann eine sowjetische Situation, wo wir Geld verpulvern und die Systeme dann irgendwann aufgereiht in den Wäldern verrotten (was du bzgl. Russland schon einmal kritisiert hattest bzw. was du in Russland selbst gesehen hast). Und wie man am russischen Beispiel auch sieht, war dieses massenhafte Produzieren und dieses Anlegen von gewaltigen Fuhr- und Artillerieparks dahingehend Unsinn, als dass man dieses Gedöns heute nicht mehr braucht oder nutzen kann und man stattdessen nun versucht modernere Systeme zu bauen.
Zitat:Statt nun also der F-125 hätte man für das gleiche Geld immense Mengen von Mörsern und noch viel immensere Mengen an Munition für diese beschaffen können.
Das hängt vom Szenario ab. Wenn ich mich in FOBs am Hindukusch einigeln will und nur ab und an Mörserduelle mit irgendwelchen Insurgenten ausfechten möchte, dann sind Mörser sicherlich hilfreich (aber auch nicht entscheidend). Aber wenn ich eine schwimmende Absprungplattform für Kommandokräfte oder Evakuierungen vor z. B. Afrika benötige, dann helfen mir Lagerhallen voller Mörser und stapelweise Geschosse auch recht wenig.

Schneemann


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Helios - 05.01.2024

(05.01.2024, 09:26)Quintus Fabius schrieb: Jedoch rein in Bezug auf den Bereich der Verteidigung, habe ich ja schon seit längerer Zeit konkrete Ideen, nämlich die einer Art "Prokonsularischen Imperiums".

Das Problem dabei ist aber, dass die Vorstellung dermaßen unrealistisch ist, dass sie gerade deshalb maximal Frustration erzeugt, uns aber nicht weiter bringt. Letztlich ist das doch nur eine Stufe unter "ein Finger streckt sich aus dem Himmel und macht alles gut". Wink
Selbst wenn wir annehmen, dass man sich politisch und juristisch auf ein solches Verfahren einigen könnte, woran ich so meine Zweifel habe, gibt es eine Person, die diese von dir genannten Eigenschaften in der nötigen Exzellenz aufweist und dadurch zu derartigen Entscheidungen befähigt ist, meines Erachtens nicht. Und wenn sie eine solche gäbe, wäre sie nicht identifizierbar, ohne durch solche, die zumindest prinzipiell ähnliche Eigenschaften besitzen und erstmal in die nötige Position kommen.
Hinzu kommt, dass die maximal mögliche persönlich übernehmbare Verantwortung in keinem Verhältnis zu der Machtfülle eines solches Postens steht, was wiederum bedeutet, dass ein einziger Fehler in der Gesamtkette bereits deutlich dramatischere Auswirkungen auf den Zustand der Bundeswehr haben könnte, als dies durch die jahrzehntelange Praxis real der Fall ist.
Insofern mag das eine Utopie sein, die gut als Gedankenpapier taugt um die tatsächliche Problemfelder zu identifizieren und mögliche realistische Lösungen zu finden, aber mehr sehe ich darin nicht. Und selbst bei er Utopie bin ich mir nicht so sicher. Wink

Zitat:Ein einfaches plakatives Beispiel

Leider ein ganz schlechtes Beispiel für das, was du eigentlich ausdrücken möchtest, weil es viel zu viel Grund für Kritik an dem Vergleich selbst und viel zu viele Möglichkeiten zur Verschiebung der Diskussion erlaubt - wie man an Schneemanns Beitrag ja sieht. Wink

Grundsätzlich stimme ich dir zu, ich sehe aber durchaus auch Schwächen, die sich in der Realität daraus ergeben können. Als plakatives Beispiel dafür sei etwa der Puma genannt, ein Schützenpanzer, der sowohl LV/BV als auch Vorwärtsverteidigung am Hindukusch können sollte und gerade deshalb zu dem Problem wurde, dass er bisher war. Nun mag der durchaus berechtigte Einwand kommen, dass man dies ja auch wieder anders hätte Regeln können, nur liegt eine solche alternative Lösung unter den damaligen Kenntnissen nicht einfach auf der Hand, und eine Beurteilung hinterher ist logischerweise immer entsprechend einfacher.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - alphall31 - 05.01.2024

Zitat: Wohl wahr, aber wie man diesen Staat von der Sozialindustrie entflechten könnte, wo diese allein schon volkswirtscahftlich derart an Bedeutung gewonnen hat (es dreht sich ja zunehmend die gesamte Gesellschaft nur noch um diese), kann ich wirklich nicht sagen.
Wurde nicht durch die EU ein Anfang gemacht ? Damit das man nur noch sammellager zulässt entzieht man einen der größten Verdienstmöglichkeiten . Das muss halt konsequent durchgesetzt werden . Damit fallen auch die ganzen pseudoschulstätten weg wo mannen vier Wochen zum Programmierer wird.
Ebenso die abschiebepolitik. Wenn die Abschiebung per Gesetzfestgeschrieben wird müsste man natürlich auch die immunität der Abgeordneten in den Landesparlamente aufheben . So als Anreiz . Schon mit der Aufhebung der immunität würden wahrscheinlich noch weitere kleine Sachen die wenn auch entfernt dieser Sozialindustrie wegfallen ,z.B. der staatlich finanzierte demotourismus der meist in den Etat für Sport oder soziales durch die Länder mit finanziert wird oder die Finanzierung der antifa.


Auf das Militär bezogen ist es eigentlich einfacher . Es kann schon mal nicht sein das ein dahergelaufener Landespolitiker Einfluss auf Beschaffungen hat oder die Karriere eines Militärs ruinieren kann weil eine kaserne geschlossen werden soll. Das ganze Rückgrat lose Verhalten sind doch nur solchen Sachen zuzuschreiben.

Und zu guter letzt muss für Politiker , Beamte , Staatssekretäre und wie sie alle heißen das gleiche gelten wie für jeden Arbeiter , jeder ist für seine Handlungen verantwortlich und auch zu Belangen im Notfall . Solange das nicht ist wird sich auch nichts ändern.
Das beste Beispiel ist die Bw , wie kann es sein das der InspH nicht für sein Material verantwortlich ist was im Heer vorhanden ist . Wie kann man sowas zulassen, ganz einfach , weil das ganze nicht über die Jahre passiert ist sondern eingeplant war und somit niemand verantwortlich ist.
Die Verteidigungsfähigkeiten zu steigern würde in erster Instanz nicht einmal Geld kosten


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 06.01.2024

Schneemann:

Zitat: Zudem kann ich gegen die F125 schlecht mit mit dem Bsp. Afghanistan argumentieren. Ich sage ja auch nicht, dass der Leopard ein schlechter Panzer sei, nur weil seine U-Jagd-Fähigkeiten zumindest "leicht" eingeschränkt sind.

Und die U-Jagd Fähigkeiten der F-125 sind also gut ?! Es geht mir aber gar nicht um konkrete Systeme, sondern um ein ganz allgemeines Prinzip:

Man kann Waffen die für LV / BV geeignet sind auch so einsetzen, dass sie für IKM mehr als ausreichend sind. Entsprechend benötigt man gar keine für IKM spezialisierten Systeme, sondern man kann jede Art von solchem Einsatz mit den exakt gleichen Systemen leisten, die auch für LV / BV geeignet sind.

Da Helios hier den PUMA angeführt hat: dieser krankt daran, dass man ihn zu stark auf IKM auslegen wollte, aber das war zu keinem Zeitpunkt notwendig. Wie der äußerst erfolgreiche Einsatz der Marder in Afghanistan gezeigt hat, benötigt man eine solche Auslegung eben nicht.

Oder bleiben wir bei Schiffen: wir benötigen keine F-125 und alles was diese leisten kann, könnten stark auf ASW hin spezialisierte Fregatten genau so leisten. Zwar nicht in jedem denkbaren Spezialfall derart spezialisiert, also nicht derart spezialisiert auf diesem Niveau, aber absolut ausreichend. Es bedarf daher keiner solcher Schiffe wie einer F-125, es bedarf aber in jedem Fall einer dezidierten ASW Fregatte.

Und so pflanzt sich das durch alle Bereiche fort. Kurz und einfach: Man benötigt keine Spezialsysteme für IKM, aber man benötigt eine Reihe Spezialsysteme für LV / BV - was aber kein Problem darstellt, da diese ganz genau so oder teilweise (Leopard 2) sogar noch besser im Bereich IKM sind.

Zitat:Man stattet eine Streitmacht mit dem aus, was man glaubt zu brauchen, je nachdem wie sich eine Konfliktlage darstellt. Und die Rahmenbedingungen waren vor 20 Jahren eben andere als heute.

Und exakt das ist es, was ich schon vor 20 Jahren kritisiert habe, was ich hier im Forum schon vor 15 Jahren kritisiert habe und was ich heute immer noch genau so kritisiere. Man sollte eben nicht die Armee auf spezifische Konflikte hin ausrichten, denn dann wird man wieder und wieder von neuen Lagen überrascht werden. Vor allem anderen (und so schrieb ich es schon vor 15 Jahren hier) muss die Armee kriegsfähig sein für den großen konventionellen Krieg. Dem folgend kann man mit den exakt gleichen Strukturen und Systemen auch alles andere abdecken. Der Kleine Krieg kann mit den Systemen und Strukturen des Großen Krieges geführt werden, dazu müssen diese nur anders eingesetzt werden und damit entfällt jedwede Notwendigkeit für eine Spezialisierung der gesamten Streitkraft auf den Kleinen Krieg. Exakt das aber hat die Bundeswehr getan, sie hat sich als Streitkraft insgesamt zu sehr auf eine Einsatzweise hin ausgerichtet (Auslandseinsätze für Stabilisierung usw).

Zitat: Wenn ich mich in FOBs am Hindukusch einigeln will und nur ab und an Mörserduelle mit irgendwelchen Insurgenten ausfechten möchte, dann sind Mörser sicherlich hilfreich (aber auch nicht entscheidend). Aber wenn ich eine schwimmende Absprungplattform für Kommandokräfte oder Evakuierungen vor z. B. Afrika benötige, dann helfen mir Lagerhallen voller Mörser und stapelweise Geschosse auch recht wenig.

Eine schwimmende Absprungplattform kann auch ein anderes Schiff sein als eine F-125 und das Absetzen von Truppen ist kein Selbstzweck mit dem dann magisch irgend etwas geschieht. Und will ich also Truppen an der Küste Afrikas absetzen oder dort evakuieren - auch dann helfen Mörser ganz genau so. Und zwar insbesondere weil sie so leicht sind und deshalb so leicht an die Küste Afrikas transportiert werden können und weil sie dann dort eine erhebliche Feuerkraft gegen dortige irreguläre Feinde zur Verfügung stellen welche sowohl Sondereinheiten nutzen können - oder die auch für eine Evakuierung benötigt werden.

Was man beschaffen muss sind solche Systeme des militärischen Fundamentes, auf denen alles andere aufbaut.

Zitat:Und wenn wir nur anfangen auf Halde zu bauen, dann haben wir irgendwann eine sowjetische Situation, wo wir Geld verpulvern und die Systeme dann irgendwann aufgereiht in den Wäldern verrotten

Nicht, wenn wir hier von einer grundlegenden militärischen Basis sprechen und die Unfähigkeit der Russen in Bezug auf die korrekte Lagerung von Material sollte hier auch nicht der Vergleich sein. Bleiben wir konkret bei einfachen Mörsern: daas Einlagern von Mörsern und Munition für diese ist weder ein verpulvern von Geld, noch verrotten diese Systeme dann und sie nehmen wenig Platz weg im Vergleich und sind technisch leicht einlagerbar. Solche Systeme der Basis, des militärischen Fundamentes müssen in immenser Stückzahl beschafft und vorgehalten werden, dass ist eine viel sinnvollere Investition als Großsysteme in großer Stückzahl vorzuhalten, weil diese viel eher technologisch und auch sonst verfallen.

Was man vorhalten muss sind Technologiekiller, einfache Systeme, Grundlagen.

Zitat:Und wie man am russischen Beispiel auch sieht, war dieses massenhafte Produzieren und dieses Anlegen von gewaltigen Fuhr- und Artillerieparks dahingehend Unsinn, als dass man dieses Gedöns heute nicht mehr braucht oder nutzen kann und man stattdessen nun versucht modernere Systeme zu bauen.

Ukraine-Krieg Rolleyes ?!

Das massenhafte Produzieren und "Lagern" hat es Russland ermöglicht diesen Krieg überhaupt erst zu führen und dies obwohl man das Material in einer Art und Weise behandelt hat, die jede Grenze von Dummheit und Ignoranz überschritten hat. Das ganze "Gedöns" ist exakt das, was die Russen trotz ihrer bizarren Verluste immer noch Kriegsfähig hält und sie brauchen es dringendst und sie produzieren neue Systeme nur in völlig unzureichenden Stückzahlen und primär wird gerade eben dieses Gedöns einfach nur wieder hergerichtet. Fast alle Waffensysteme welche die Russen an die Front karren sind solches Gedöns dass man irgendwie wieder zum laufen gekriegt hat.

Während die Bundeswehr und jede andere europäische Armee nach solchen Verlusten wie sie die Russen jetzt erlitten haben nicht einmal mehr existent wäre.

Und im Gegensatz zu den Russen und ihrer bizarren Verschwendung von Material durch falsche Lagerung kann man solches natürlich auch ganz leicht richtig einlagern, so dass es auch nach langer Zeit noch absolut neuwertig und funktionsfähig ist.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 06.01.2024

Helios:

Zitat: gibt es eine Person, die diese von dir genannten Eigenschaften in der nötigen Exzellenz aufweist und dadurch zu derartigen Entscheidungen befähigt ist, meines Erachtens nicht. Und wenn sie eine solche gäbe, wäre sie nicht identifizierbar, ohne durch solche, die zumindest prinzipiell ähnliche Eigenschaften besitzen

Die Frage ist vielmehr, welches Ausmaß an Exzellenz tatsächlich notwendig ist?! Meiner Ansicht nach verfolgen wir in der Bundeswehr viel zu sehr 100% Lösungen und scheitern damit dann ständig, statt mit wesentlich weniger Ehrgeiz und Anspruch an die Angelegenheit heran zu gehen. Das ständige Streben nach Perfektion erzeugt dann nur noch mehr Bürokratie und scheitert und am Ende hat man weniger und schlechtere Qualität als wenn man es von Anfang an mit weniger "Exzellenz" versucht hätte. Wir versuchen 100% zu erreichen, und schaffen es dann deswegen (!) nur auf 50%. Statt von vornherein 80% anzustreben um dann deshalb 70% zu erreichen. Alles was die Bundeswehr so tut und anstrebt läuft einfach der Natur des Krieges an sich zuwieder.

Jede ernsthafte Militärreform kann zudem nur von einer kleinen Gruppe um einen Entscheider herum durchgeführt werden. Das hat nichts mit Finger aus dem Himmel zu tun, dass ergibt sich aus der Sache selbst und war auch kriegsgeschichtlich durchgehend so. Und dazu muss diese Reformer-Gruppe ausreichende Macht erhalten und dies geht nur, indem ein Primus inter Pares innerhalb dieser Gruppe diese Macht auch tatsächlich hat.

Man nehme beispielsweise mal die Position und die Reformen von George C. Marshall, welche vom Präsidenten Roosevelt allesamt gedeckt wurden. Oder man nehme die Preußische Heeresreform - und die Position Gerhard von Scharnhorsts in dieser ! als Chef des Kriegsministeriums wie des Generalstabes und Vorsitzender der Reorganisationskommission.

In beiden Fällen war übrigens eine drastische Selbstreinigiung des Offizierskorps eine der wesentlichsten Maßnahmen ! Aber ohne eine reale Machtfülle und eine solche besondere Position innerhalb der Hierarchie hätten weder die USA ihre Streitkräfte für den 2WK funktionsfähig bekommen, noch die Preußen sich wieder erheben können.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Helios - 06.01.2024

(06.01.2024, 10:32)Quintus Fabius schrieb: Die Frage ist vielmehr, welches Ausmaß an Exzellenz tatsächlich notwendig ist?!

Du interpretierst das als Wunsch oder Gedanken meinerseits, hier die perfekte Lösung zu bekommen. Darum geht es aber bei der Fragestellung nicht. Exzellenz ist mehr als nur ein paar abgehakte Punkte im Fragebogen, letztlich im Vorfeld großer Entscheidungen schwer zu erkennen und mitunter recht schwankend, abhängig davon, auf was sie trifft. Du führst hier etwa Marshall als ein Beispiel an, dessen Entscheidungen bzw. Empfehlungen bezüglich Pearl Harbour, wenn Roosevelt diesen Nachgekommen wäre, zu einer vermutlich katastrophalen Situation im Pazifik geführt hätten. Völlig egal, ob es nun Roosevelt selbst (der ja durchaus Expertise in maritimen Fragen besaß) oder sein Stab war, am Ende hatte ein Korrektiv eine Fehlentscheidung verhindert.
Wie viele derartige Posten gab es denn in der neueren Militärgeschichte, nicht nur auf ganz großer Ebene, insgesamt, und wie viele Männer waren weit weniger Erfolgreich als die, an die man sich gern erinnert und die entsprechend als Beispiel dienen?


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 06.01.2024

Dann habe ich das nicht so gut formuliert: ich postuliere nicht dass du hier eine 100% Exzellenz anstrebst (keineswegs!), sondern dass die Bundeswehr zu oft eine solche anstrebt und genau wegen dieses Bestrebens man dann mit höheren Kosten bei schlechteren Lösungen, also bei einer schlechteren Leistung endet.

Und ja, dass kann zu Fehlentscheidungen führen, aber die wird es in jedem Fall geben. Gerade eben im Krieg, gerade dort vor allem anderen ist das dominierende Element ständiges Versagen, sowohl auf der eigenen Seite als auch auf der anderen Seite. Beide Seiten bleiben weit unter den theoretischen Möglichkeiten, beide Seiten stümpern, beide Seiten machen haarsträubende Fehler, und die Seite welche etwas weniger Fehler macht gewinnt.

Und auch Marshall oder gar ein Scharnhorst haben massig Fehler gemacht, aber das ist immer der Fall und daher die Fehlerkultur das entscheidende Element. Und ja, man benötigt gewisse Korrektive - aber umgekehrt darf man eben die Verantwortung nicht zu weit diffundieren.

Und um die Bundeswehr Kriegsfähig zu kriegen, benötigt man nun mal einen militärischen Genius im Sinne von Clausewitz. Und ich behaupte hier und jetzt, dass es davon etliche in der Bundeswehr gibt, selbst in der Generalskaste.

Das Problem vieler Generale, insbesondere der Inspektoren ist ja nicht, dass sie nicht fähig wären, sondern dass sie zu wenig Macht und zu wenig Gestaltungsmöglichkeiten haben. Und daraus - aus diesem Macht- und Verantwortungsmangel entsteht die Generalskaste aus Politiker-Naturen wie wir sie heute vorliegen haben. Weil diese in der Erkenntnis ihrer Macht- und Bedeutungslosigkeit dann dem folgend eine andere Agenda als die Wiedererrichtung der militärischen Schlagkraft der Deutschen Nation verfolgen.

Militärgeschichtlich gab es natürlich auch viele Beispiele die nicht erfolgreich waren, aber dann hat man keinen Unterschied zu der dysfunktionalen Kriegsunfähigkeit der aktuellen real existierenden Bundeswehr. Es gab aber auch endlos viele Beispiele wo es erfolgreich war.

In der neueren (!) Militärgeschichte nehmen diese Beispiele dann drastisch ab, weil die Zivile Politik, die Bürokratie und der Einfluss der Großkonzerne und der Wirtschaft im allgemeinen sowie die immer extremere Komplexität von allem darauf einwirken, dass Einzelpersonen um welche herum kleine Gruppen wirken immer weniger Gestaltungsspielraum und Macht inne haben. Die Moderne wie sie nun einmal ist, erzeugt allein schon aufgrund der Komplexität der Technologie und dem folgend allem was sich daraus ergibt bis hin zur Sozialkultur eine immere größere Diffundierung von Macht und Verantwortung und realen Gestaltungsmöglichkeiten. Und das ist bedingt auch gut, aber ab einem gewissen Ausmaß vor allem im militärischen Kontext katastrophal. Und entsprechend degenerieren die Streitkräfte mit ganz wenigen Ausnahmen aktuell weltweit. Das ist auch ein indirekte Fernwirkung der technologischen Evolution und allem was dies für die Gesellschaft insgesamt mit sich bringt.

Und trotzdem: es wäre meiner Einschätzung nach der einzige Weg für eine echte Militärreform. Und eine solche ist zwingend notwendig. Evolutionär ist die Bundeswehr meiner Überzeugung nach nicht mehr in den Griff zu kriegen. Willenskraft, Mut und Taten sind notwendig, nicht bürokratisch-juristisches Zerlegen jedes einzelnen Gedanken in subatomare Unterteilchen bis jedes davon nichtssagend wird und alles realtiviert wird einschließlich der Relativierung selbst.

Und um konkret einen deutschen Offizier zu benennen, der in einer außerordentlichen Position als Generalinspekteur imeiner Meinung nach fähig wäre eine solche Militärreform durchzuführen: Brigadegeneral Jared Sembritzki hätte beispielsweise die notwendige Exzellenz für diese Aufgabe ! Dessen bin ich mir absolut sicher. Ebenso sicher gäbe es noch weitere Namen welche man nennen könnte, aber es ist gar nicht so relevant wer exakt von denen die Fähig sind dies in die Hand nimmt, es müsste nur endlich angefangen werden, gehandelt werden, etwas getan werden. Andere kenne ich halt nicht so, aber nur rein persönlich würde ich jederzeit Brigadegeneral Sembritzki mein uneingeschränktes Vertrauen und meine uneingeschränkte Treue geben. Würde er jetzt anrufen und erklären ich müsse kostenlos bis zum Umfallen für ihn arbeiten, es wäre keine Frage was ich tun würde, Unterkunft in der Kaserne und Essen würden mir reichen. Aber er ist auch nach eigener Auffassung nicht das einzige Vorbild welches in der Bundeswehr gibt, um ihn selbst zu zitieren:

„Vorbilder gibt es auf jeder Ebene. Jeder Kamerad, dessen Aussagen und Handlungen für mich Sinn ergeben und soldatischen Charakter zeigen.“

Gesunder Menschenverstand und soldatischer Charakter sind absolut ausreichend. Denn wir brauchen keine ins allerkleinste relativierte Schein-Perfektion, wie benötigen gesunden Menschenverstand und ein echtes Soldatentum. Und beides ist in der Bundeswehr zu finden.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Helios - 07.01.2024

(06.01.2024, 14:46)Quintus Fabius schrieb: Und ja, dass kann zu Fehlentscheidungen führen, aber die wird es in jedem Fall geben. Gerade eben im Krieg, gerade dort vor allem anderen ist das dominierende Element ständiges Versagen, sowohl auf der eigenen Seite als auch auf der anderen Seite. Beide Seiten bleiben weit unter den theoretischen Möglichkeiten, beide Seiten stümpern, beide Seiten machen haarsträubende Fehler, und die Seite welche etwas weniger Fehler macht gewinnt.

Und auch Marshall oder gar ein Scharnhorst haben massig Fehler gemacht, aber das ist immer der Fall und daher die Fehlerkultur das entscheidende Element. Und ja, man benötigt gewisse Korrektive - aber umgekehrt darf man eben die Verantwortung nicht zu weit diffundieren.

Genau das ist aber aus meiner Sicht (unabhängig von der politischen und juristischen Realisierbarkeit) der inhaltliche Schwachpunkt deiner Utopie, du setzt einem definitiv viel zu breit gefächertem und daher auch im einzelnen gar nicht greifbaren System eine andere Form von strukturellem Extremismus gegenüber, ohne externem Korrektiv und ohne die Chance, überhaupt außerhalb eines Geistes eine Fehlerkultur zu etablieren. Natürlich sind Fehler unvermeidlich. Das ist aber genauso eine Binse wie der Umstand, dass es darauf ankommt, wie wir mit Fehlern umgehen. Und in dieser Form behaupte ich nicht nur, dass es eine Person, die dem gewachsen ist, nicht gibt, sondern auch dass jeder, der auch nur darüber nachdenkt einen solchen Posten zu übernehmen, dafür nicht geeignet ist.

Natürlich ist der von dir aufgezeigte Umstand ein Kernproblem der heutigen Bundeswehr, aber deine Utopie stellt keinen Lösungsansatz zur Verfügung, sondern ist für mich letztlich auch nur ein weiterer Hinweis auf das bereits Bekannte. Gleichzeitig werden durch die Fokussierung rein auf das militärische für mich auch wesentliche Faktoren außerhalb außer acht gelassen, wie etwa die auf lange Sicht durchaus auch für die tatsächliche Kampfkraft entscheidenden Fragen zur rüstungsindustriellen Souveränität. Hier bräuchte es in einem System der Machtkonzentration weit über die Bundeswehr hinausgehende Kompetenzen zur Neustrukturierung, die (wenn juristisch überhaupt umsetzbar) auch einen gesellschaftlichen Einfluss in einer zumindest unüblichen Größenordnung ausüben würden (was wiederum ihre politische und gesellschaftliche Umsetzung verkompliziert).

Deshalb bleibe ich dabei, die Denkrichtung hin zu einer Verschlankung von Strukturen, von einer stärkeren Konzentration von Entscheidungskompetenzen, von einer klareren und langfristigen, von der Politik losgelösten Strategie für die Bundeswehr ist definitiv richtig. Aber es handelt sich von der Einfachheit und Logik her um einen Deus ex machina.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 07.01.2024

Zitat:Und in dieser Form behaupte ich nicht nur, dass es eine Person, die dem gewachsen ist, nicht gibt, sondern auch dass jeder, der auch nur darüber nachdenkt einen solchen Posten zu übernehmen, dafür nicht geeignet ist.

Zweifelsohne und ich wette jederzeit, dass beispielweise Brigadegeneral Sembritzki einen solchen Posten ablehnen würde, nur um zugleich seine Hilfe darin anzubieten, einen besseren als ihn selbst zu finden.

Und ja natürlich, ein "Entscheider" mit einer kleinen Gruppe um sich kann angesichts der immensen Komplexität nicht ansatzweise alles bearbeiten. Insbesondere da es ja um weiter um sich greifende Dinge geht wie die Frage der Rüstungsindustrie usw. es hat ja seine Gründe, warum durch die immer größer werdende Überkomplexität und Überfunktionalität alles immer Handlungsunfähiger wird.

Dessen ungeachtet haben aber auch schon früher alle Militärreformer das ganze nicht alleine geschmissen, sondern sie hatten entsprechende Personen welche sie selbst ausgesucht haben, die dann in entsprechenden Fachbereichen besser qualifiziert waren und daher in diesen entsprechend gestaltet haben. Sieh dir doch die preußischen Heeresreformen an: das war auch nicht das Werk von Scharnhorst allein, sondern entsprechend gab es eine Kommission und für bestimmte Fachgebiete wurde dann entsprechend Bevollmächtigte eingesetzt und die Verantwortung dort an diese delegiert.

Die Aufgabe eines außerordentlich bevollmächtigten Generalinspekteurs wäre es daher vor allem anderen, selbst wieder geeignete Leute zu identifizieren und zu bevollmächtigen und das ganze also mehr insgesamt zu orchestrieren und zu koordinieren. Und man muss weg von diesem Gedanken von makelllos ins letzte Detail durchgeplanter und alles zerlegender und alles absolut relativierender Perfektion. Denn indem ich ständig alles relativiere und ins Detail zerlege wähle ich nicht nur einen falschen Maßstab, ich führe exakt jene Handlungsunfähigkeit herbei die das heutige Primärproblem darstellt.

Zitat:die Denkrichtung hin zu einer Verschlankung von Strukturen, von einer stärkeren Konzentration von Entscheidungskompetenzen, von einer klareren und langfristigen, von der Politik losgelösten Strategie für die Bundeswehr ist definitiv richtig. Aber es handelt sich von der Einfachheit und Logik her um einen Deus ex machina.

Ja richtig, eine Deus ex machina, was als Begriff heute zwar negativ belegt ist, was aber das Funktionsprinzip durchaus korrekt aufgreift und eben nicht per se schlecht sein muss. Jeher hat in der Militärgeschichte wieder und wieder eine unerwartet auftretende Person, Begebenheit oder Entwicklung eine Lösung herbei geführt, sowohl im Kampf als auch in Bezug auf die Reform von Streitkräften.

Und um das beschließend noch mal zu betonen: es geht nicht darum dass ein Einzelner dann alles entscheidet und wie sollte das auch gehen, wo jeder Mensch pro Tag nur eine beschränkte Zeit zur Verfügung hat. Sondern dass von einer außerordentlichen Machtposition aus Strukturen geschaffen werden, die dann eine echte Militärreform durchführen, gerade eben indem man Entscheidungskompetenzen konzentriert. Damit diese aber überhaupt konzentriert werden können und eine langfristige strategische Ausrichtung unabhängig von der Politik möglich wird, bedarf es meiner Meinung nach eben außerordentlicher Vollmachten die über eine Legislaturperiode hinaus reichen.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Helios - 07.01.2024

Ich befürchte, da werden wir hinsichtlich der Realisierbarkeit (wie gesagt abseits politischer und juristischer Fragen) nicht auf einen Nenner kommen, und auch nicht hinsichtlich der Sinnhaftigkeit.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Schneemann - 07.01.2024

@Quintus
Zitat:Und die U-Jagd Fähigkeiten der F-125 sind also gut ?!
Da bin ich wohl auch etwas plakativ gewesen. Wobei - für Afghanistan sind sie ausreichend... Wink
Zitat:Und exakt das ist es, was ich schon vor 20 Jahren kritisiert habe, was ich hier im Forum schon vor 15 Jahren kritisiert habe und was ich heute immer noch genau so kritisiere. Man sollte eben nicht die Armee auf spezifische Konflikte hin ausrichten, denn dann wird man wieder und wieder von neuen Lagen überrascht werden.
Wie gesagt: Es gibt so etwas wie Haushaltszwänge. Ich rede nun nicht von politischen Fehlern oder Pfründen von Führungsoffizieren oder Unwillen bei den Entscheidungsträgern. Eine Streikraft, die so aufgestellt ist, dass sie faktisch alle möglichen Szenarien irgendwie abdecken könnte, wäre durchaus sehr umfangreich und teuer, und selbst dann hätte ich noch nicht alle Szenarien abgedeckt. Hast du aber eine angespannte Haushaltslage und Sparvorgaben und du nimmst an, dass sich ein Szenario X zumindest sehr wahrscheinlich ergeben könnte, dann wirst du dich darauf konzentrieren müssen. Alles andere wäre in einem föderaldemokratischen Staat wirtschaftlich bzw. fiskalpolitisch auch nicht erklär- und haltbar - so lange man nicht par ordre du mufti wie der kleine dicke Kim alles entscheiden kann.

Hinzu kommt, dass man bei der Schaffung eines Streitkräfte-Allrounders darauf achten müsste, dass man nicht alles irgendwie ein wenig kann, aber am Ende dann nichts richtig. Und genau dieses Risiko wäre schon bei guter Haushaltslage mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorhanden. Insofern bleibt dir nur der Gang in eine speziellere Ausrichtung, je nachdem zu welchen Einschätzungen man hinsichtlich zukünftiger Bedrohungslagen kommt.
Zitat:Der Kleine Krieg kann mit den Systemen und Strukturen des Großen Krieges geführt werden, dazu müssen diese nur anders eingesetzt werden und damit entfällt jedwede Notwendigkeit für eine Spezialisierung der gesamten Streitkraft auf den Kleinen Krieg.
Nicht zwingend. Hängt - wieder einmal - stark vom Szenario ab. Am Hindukusch in den 1980ern haben die sowjetischen Panzerverbände keine entscheidende Rolle gespielt. Und Vietnam wurde mit US-Material geradezu zugeschüttet, inkl. einer geradezu überwältigenden Feuerkraft. Trotzdem gingen beide Kriege für die Supermächte verloren.
Zitat:Eine schwimmende Absprungplattform kann auch ein anderes Schiff sein als eine F-125 und das Absetzen von Truppen ist kein Selbstzweck mit dem dann magisch irgend etwas geschieht. Und will ich also Truppen an der Küste Afrikas absetzen oder dort evakuieren - auch dann helfen Mörser ganz genau so...
Abhängig von der Größenordnung des Eingreifens. Die genannten 120-mm-Mörser wären wohl fast nur auf Fahrzeugen anzutreffen. Muss man Kommandokräfte absetzen oder Evakuierungen vornehmen in einem LIC, dann reicht die F125 mir ihrer 127-mm-Kanone durchaus als nettes Stabilisierungsgerüst aus. Will ich aber Mörser ins Spiel bringen, dann müssten mindestens noch Landungsfahrzeuge zugegen sein, die Fahrzeuge anlanden können (oder ein großes Mutterschiff, von dem aus Fahrzeuge oder Waffensysteme per schwereren Transporthelikoptern verbracht werden können). Und damit sind wir schon bei einer recht ausgewachsenen Operation...
Zitat:Bleiben wir konkret bei einfachen Mörsern: daas Einlagern von Mörsern und Munition für diese ist weder ein verpulvern von Geld, noch verrotten diese Systeme dann und sie nehmen wenig Platz weg im Vergleich und sind technisch leicht einlagerbar. Solche Systeme der Basis, des militärischen Fundamentes müssen in immenser Stückzahl beschafft und vorgehalten werden, dass ist eine viel sinnvollere Investition als Großsysteme in großer Stückzahl vorzuhalten, weil diese viel eher technologisch und auch sonst verfallen.
Großsysteme wie Schiffe oder auch Jets werden im Regelfall immer aufwendiger und sorgsamer gepflegt als Kleinsysteme, schlichtweg weil sie entsprechend teuer sind; auch wird ihre Einsatzzeit normal über mehrere Jahrzehnte bemessen. Kleinsysteme indessen sind leicht ersetzbar und können schneller dem Vergessen in einer Lagerhalle anheim fallen. Ich erinnere an die schimmelnden MANPADS.

Hinzu kommt: Ein Kleinsystem kannst du - normal, wenn nicht irgendwelche bürokratischen Hürden dem entgegenstehen - recht schnell ersetzen, bestellen oder nachordern. Bei einem Großsystem kann es indessen selbst bei "einfacher" Nachbestellung schnell mehrere Jahren dauern, bis es verfügbar ist. Insofern macht es mehr Sinn, Großsysteme - zumindest im vertretbaren Rahmen - zu unterhalten als "immense Stückzahlen" von Kleinsystemen zu horten.
Zitat:Das massenhafte Produzieren und "Lagern" hat es Russland ermöglicht diesen Krieg überhaupt erst zu führen...
Das sehe ich anders. Den Krieg hat man in erster Linie und im ersten Jahr mit vorhandenem Material bestritten. Erst als dieses immer mehr und reihenweise zerstört wurde, griff man auf die riesigen Lagerbestände aus Sowjetzeiten als temporäre Lückenfüller zurück - und man hat vermutlich dennoch nur wenige Prozent von dem eingelagerten Zeugs überhaupt noch nutzen und wieder nach vorne schaffen können.

Die einzigen Lagerbestände, die sich überwiegend als nützlich erwiesen, waren die an Minen und an Artilleriemunition. Alles andere jedoch - also auch das eingelagerte schwere Gerät - war entweder verrottet oder derart obsolet, dass man es besser gleich eingeschmolzen hat. Und wenn die Lager wirklich so gewichtig wären, dann würde man russischerseits nicht derzeit diese massiven Anstrengungen unternehmen, die Rüstungsindustrie anzukurbeln und neue, modernere Großsysteme zu produzieren. Insofern: Entscheidend zum Führen des Krieges waren diese riesigen Lager nicht.

Schneemann


RE: Bundeswehr – quo vadis? - Quintus Fabius - 07.01.2024

Schneemann:

Zitat:man hat vermutlich dennoch nur wenige Prozent von dem eingelagerten Zeugs überhaupt noch nutzen und wieder nach vorne schaffen können.

Die verfügbaren Bilder, Filme und das ausgewertete russische Kriegsmaterial welches man untersuchen konnte (weil zerstört, weil aufgegeben etc.) sprechen eine komplett andere Sprache. Die russische Armee läuft in weiten Teilen mit eingelagertem Material. Auch das "neue" Material ist vorwiegend aus alten Teilen neu zusammen gebaut. Der prozentuale Anteil den man wieder funktionsfähig kriegen konnte war sicher gering, aber es gibt genug Luftaufnahmen von sich leerenden russischen Freiluftdepots aus denen immense Mengen von Systemen aller Art entnommen wurden. Es gibt genug Satellitenaufnahmen davon, wie auch Filmaufnahmen von solchem Material wie es an die Front gekarrt und genug Bildmaterial solchen zerstörten Materials an der Front.

Und wie schon geschrieben, nur weil die Russen irgendwelche BMP in einem Sumpf halb unter Wasser "lagern" heißt das ja nicht, dass wir das Material nicht sinnvoll einlagern könnten.

Zitat:Die einzigen Lagerbestände, die sich überwiegend als nützlich erwiesen, waren die an Minen und an Artilleriemunition. Alles andere jedoch - also auch das eingelagerte schwere Gerät - war entweder verrottet oder derart obsolet, dass man es besser gleich eingeschmolzen hat.

Es gibt durchaus viele Hinweise darauf, dass die überhohen Verluste der Russen nicht zuletzt darauf zurück zu führen sind, dass ihr Material aus den Depots in vielen Aspekten obsolet war und ist. Dessen ungeachtet hat man erhebliche Massen aus diesen Depots heraus generiert.

Und ich schrieb ja nicht davon, hier und jetzt Eurofighter einzulagern, sondern Mörser, Mörsermunition, Artilleriemunition usw. Also exakt das was du selbst hier als nützlich benannt hast. Die Grundlagen also, auf denen alles andere aufbaut bzw. drauf gesetzt wird.

Zitat: Und wenn die Lager wirklich so gewichtig wären, dann würde man russischerseits nicht derzeit diese massiven Anstrengungen unternehmen, die Rüstungsindustrie anzukurbeln und neue, modernere Großsysteme zu produzieren. Insofern: Entscheidend zum Führen des Krieges waren diese riesigen Lager nicht.

Aktuell produziert man keinesweges neue modernere Großsysteme, sondern ganz im Gegenteil überwiegend ältere Systeme die technologisch zurück hängen, und auch dies ginge nicht ohne den steten Fluss an Material aus den Depots, denn da werden eben nicht alle Teile neu produziert, sondern die Depots nach Teilen ausgeschlachtet. Und die Anstrengungen um eine massive Erhöhung der Rüstungsproduktion sind natürlich völlig uanbhängig davon notwendig, weil auch die Depots sich was brauchbares Material angeht rasant leeren. Dazu muss auch bedenken, dass diese Depots immens wichtig für die Ersatzteilversorgung sind, die ganze russische Inst läuft in weiten Teilen damit.

Fazit: die Lager waren und sind absolut entscheidend für die Russen gewesen. Ohne diese wäre dieser Krieg so nicht führbar gewesen.

Und mit sinnvollen Systemen und Verbrauchsmitteln bestückte Lager die man zudem nach unseren Standards führt, wären für uns noch mal wesentlich wertvoller. Nicht nur für uns selbst, sondern auch um damit etwaig andere Partner militärisch unterstützen zu können.

Frage: du willst doch nicht ernsthaft den militärischen Wert von Depots mit Grundlagensystemen/wirkmitteln bestreiten ?

Zitat:Hinzu kommt: Ein Kleinsystem kannst du - normal, wenn nicht irgendwelche bürokratischen Hürden dem entgegenstehen - recht schnell ersetzen, bestellen oder nachordern.

So wie man aktuell schnell Artilleriemunition ersetzt hat ?! Die Wahrheit ist, dass selbst die "Kleinsysteme" sich sehr schnell verbrauchen und keineswegs so schnell nachgeordet werden können. Man sehe sich die aktuelle Problematik mit der Nachproduktion von Stinger-Raketen an. Meiner Einschätzung nach unterschätzt du etwaig den notwendigen Verbrauch eines ernsthaften großen Krieges.

Zitat:Kleinsysteme indessen sind leicht ersetzbar und können schneller dem Vergessen in einer Lagerhalle anheim fallen. Ich erinnere an die schimmelnden MANPADS.

Nur weil man Sachen falsch gelagert hat oder die Russen diese falsch lagern, heißt das nicht, dass man solche Systeme nicht auch umgekehrt richtig einlagern könnte. Dann hätte man diese Probleme erst gar nicht.

Zitat:Insofern macht es mehr Sinn, Großsysteme - zumindest im vertretbaren Rahmen - zu unterhalten als "immense Stückzahlen" von Kleinsystemen zu horten.

Sehe ich genau umgekehrt. Desweiteren schrieb ich nicht allein von Kleinsystemen, sondern beispielsweise auch vor allem von Technologiekillern und von Wirkmitteln und Verbrauchsmitteln.

Großsysteme unterliegen zwei Problemen: 1. sie überholen sich technisch schneller und 2. sie werden schneller durch Großsysteme des Gegners gekontert - entsprechend entsteht das was ich immer eine gegenseitige Aufhebung nenne. Ich erhöhe meine Kampfkraft um einen Faktor n - dem folgend erhöht der Gegner seine Kampfkraft um einen Faktor n und man hat keinen Vorteil mehr, sondern beide Seiten sind relativ zueinander gleich stark wie vorher. Das ist bei Großsystemen viel eher der Fall. Immense Mengen der beschriebenen Grundlagen-Systeme (mMn der bessere Begriff als Kleinsysteme) sind daher etwas, was auch im Krieg heute eben nicht mehr so einfach nach Belieben nachgeordert werden kann, auch wenn man weiter der Illusion anhängt, "die Industrie" könnte dass dann schon in kürzester Zeit. Zudem werden große Krieg etwaig sogar noch kürzer werden bevor sie völlig aus dem Ruder laufen - dann erübrigt sich auch jede Nachproduktion da nicht mehr möglich - oder aus Angst vor diesem aus dem Ruder laufen zu schnell enden.

Und um das nochmal zu betonen: ich betonte nicht die Kleinsysteme, sondern ich betonte die Grundlagen-Mittel. Es wäre in jedem denkbaren Fall von Nutzen, etliche Millionen Artilleriegranaten, Bomben und Minen eingelagert zu haben. Hier und heute reichen die Vorräte diesbezüglich gerade mal wenige Tage.

Zitat:Hängt - wieder einmal - stark vom Szenario ab. Am Hindukusch in den 1980ern haben die sowjetischen Panzerverbände keine entscheidende Rolle gespielt. Und Vietnam wurde mit US-Material geradezu zugeschüttet, inkl. einer geradezu überwältigenden Feuerkraft. Trotzdem gingen beide Kriege für die Supermächte verloren.

Ich schrieb explizit, dass man das vorhandene Material dann anders einsetzen muss. Ich kann beispielsweise mit einer scharf geschliffenen Schaufel sowohl gut graben als auch kleinere Bäume fällen. Mit einer Axt kann ich die Bäume besser fällen, aber in keinster Weise so graben. Entsprechend brauche ich Systeme die ich höchst unterschiedlich einsetzen kann - und dann ist es höchst einfach: man muss sie dann halt auch verschieden einsetzen. Wenn ich wie die Sowjets versuche Panzer in Afghanistan so einzusetzen wie es für Mitteleuropa angedacht war, scheitert das nicht an den Panzern, sondern an der falschen Einsatzweise. Man hätte sie ja auch ganz anders einsetzen können.

Und in Vietnam hat man gegen den Vietcong gewonnen, mit konventionellem Militärmaterial, und den Krieg dort hat man verloren als Südvietnam von einer konventionellen Streitmacht, den regulären Streitkräften Nordvietnams ganz konventionell erobert wurde. Das war ja ein ganz konventioneller regulärer Krieg der zum Ende Süd-Vietnams führte.

Zitat:Wie gesagt: Es gibt so etwas wie Haushaltszwänge.

Und gerade eben deshalb muss das Primat bei den Grundlagen-Mitteln sein und nicht bei technisch hochkomplexen Großkampfsystemen. Gerade eben deshalb ! Denn diese generieren mehr Kampfkraft insgesamt gesehen pro Geldeinheit.

Damit einhergehend fordere ich seit jeher eine Spezialisierung in den Streitkräften auf bestimmte Systembereiche. Und eben keine ganzheitliche allumfassende Streitkraft. Denn auch mit einem Auszug von Systemen kann man bei einer funktionierenden und kriegsfähigen Basis immens viel erreichen.

Zitat:Eine Streikraft, die so aufgestellt ist, dass sie faktisch alle möglichen Szenarien irgendwie abdecken könnte, wäre durchaus sehr umfangreich und teuer, und selbst dann hätte ich noch nicht alle Szenarien abgedeckt.

Das ist nur dann der Fall, wenn man so wie die Bundeswehr versucht alles mit lauter spezialisierten Großsystemen der Hochtechnologie abzudecken, aber das ist ja auch nur deshalb der Fall, weil man damit die Industrie am meisten berreichern kann.

Man kann mit sehr viel weniger praktisch alle Szenarien abdecken. Dazu müsste man halt nur mal anfangen unkonventioneller zu denken, abseits der Truppenübungsplatzkünstlichkeit und der hyperkonventionellen Betrachtung des Krieges an der Führungsakademie. Man könnte ganz viele Systeme streichen, und wäre trotzdem vollumfänglich Kriegsfähig im gesamten Spektrum der denkbaren Aufträge. Vieles kann man auch substituieren und dann ist es noch so, dass man auch bewusst Lücken lassen kann.

Wer alles defendieren will, der defendiert am Ende gar nichts. Wer alle möglichen Szenaien mit Ausrüstung abdecken will, der deckt am Ende gar keine Szenarien mehr ab. Genau das ist der Bundeswehr passiert.

Man sollte daher Anfangen Ausrüstung mit Fähigkeiten zu ersetzen, was kein zusätzliches spezialisiertes Material für jeden denkbaren Spezialfall benötigt.

Zitat:Muss man Kommandokräfte absetzen oder Evakuierungen vornehmen in einem LIC, dann reicht die F125 mir ihrer 127-mm-Kanone durchaus als nettes Stabilisierungsgerüst aus.

1 (in Worten EINE) Kanone ist ein nettes Gerüst, ja das ist wohl die richtige Wortwahl, aber sie wäre in Wahrheit für einen Gros allerdenkbaren Szenarien unzureichend. Ich will auch gar nicht zu sehr auf diesem einen Beispiel herum reiten, da man sowohl Kommandokräfte auch noch ganz anders absetzen kann und ebenso auch ganz anders Evakuierungen vornehmen kann und angesichts der Geschwindigkeit heutigen Geschehens es höchst fragwürdig ist, ob man dann überhaupt noch zeitgerecht eine Fregatte vor Ort kriegt, weil die nicht dort sein wird wo es stattfindet und daher erst dorthin verlegen muss.

Der zukünftige Krieg ist ein Rennen zur Geschwindigkeit, und wir sind zu langsam. Nicht in unserer Ausrüstung als deren technischen Fähigkeiten, sondern in unseren Konzepten, Entscheidungs- und Handlungsabläufen.

Die Umstände dass 1 (in Worten EINE) F-125 ausreicht sind derart extrem selten und besonders, dass es erheblich in Frage steht, ob man dafür überhaupt Ausrüstung vorhalten sollte, da jeder solche Hyperspezialfall auch anders abgehandelt werden kann.

Aber nochmals: ich will gar nicht so sehr auf der F-125 herum reiten, sondern auf dem allgemeinen Funktionsprinzip: ich kann fast jeden Auftrag auch anders erledigen, es gibt immer mehrere Wege, also ist der entscheidende Punkt, dass ich das vorhandene Material jeweils anders einsetze, die Wege also durch Fähigkeiten anstelle von auf den jeweiligen Weg spezialisierter Ausrüstung beschreite.

Selbst die F-125 könnte man daher auch ganz anders einsetzen, auf viel mehr Weisen als hier angedacht. Es fehlt einfach an jedwedem unkonventionellen Denken.

Zitat:Hinzu kommt, dass man bei der Schaffung eines Streitkräfte-Allrounders darauf achten müsste, dass man nicht alles irgendwie ein wenig kann, aber am Ende dann nichts richtig. Und genau dieses Risiko wäre schon bei guter Haushaltslage mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorhanden. Insofern bleibt dir nur der Gang in eine speziellere Ausrichtung, je nachdem zu welchen Einschätzungen man hinsichtlich zukünftiger Bedrohungslagen kommt.

Du denkst meiner Ansicht nach zu Ausrüstungs-Zentrisch. Und das ist etwas, was ich ganz allgemein sowohl in der Bundeswehr als auch sonst in dieser Bundesrepublik beobachte. Wir müssen weg von dieser Fixierung auf die spezifische Ausrüstung. Man kann immens viel kompensieren, anders machen, kreativer lösen. Und was sollen wir dann erst tun, wenn der Feind dies tut ?! Wenn wir uns auf ein Szenario vorbereiten, warum sollte sich der Feind überhaupt auf dieses einlassen ?! Stattdessen sollte man da zuschlagen wo der Feind nicht ist, wo er nicht vorbereitet ist, wo seine Schwachstellen sind. Statt danach zu suchen, wollen wir durch Ausrüstung alles so absichern, dass es bei uns keine Lücken gibt. Statt diese Lücken zuzulassen und ebenfalls zu explorieren weil sie den Feind anziehen.

Diese ausrüstungs-zentrische Sichtweise entspricht der Vollkasko Mentalität dieser Gesellschaft, diese läuft aber der Natur des Krieges an sich entgegen / zuwieder. Es ist diese Absicherungs- Versicherungs- und Rückversicherungs-mentalität, welche hier spricht und welche in jedwedem ernsthaften Krieg scheitern muss.

Jeder Krieg ist einzigartig. In jedem herrschen Friktion, Versagen und mangelnde Vorbereitung vor. Entsprechend benötigt man Streitkräfte die sowohl mit Chaos und ständigem Versagen besser zurecht kommen als die des Feindes, als auch mit der jeweils einzigartigen Situation und sich daher von ihren Fähigkeiten an diese anpassen können.

Wir benötigen keine Spezialisierung hier und jetzt auf bestimmte Szenarien, sondern stattdessen eine Armee deren Anpassungsfähigkeit aus ihren Fähigkeiten resultiert und nicht aus ihrer Ausrüstung, und deren Anpassungsfähigkeit es ermöglicht mit viel weniger sehr viel mehr Aufträge abzuarbeiten. Das gilt für alle Ebenen von ganz oben bis ganz unten.

Ein echter Krieg benötigt einen radikalen maximalen Opportunismus, und dafür eine maximal denkbare Anpassungsfähigkeit. Und fehlt diese wird keine Ausrüstung der Welt dies kompensieren können.


RE: Bundeswehr – quo vadis? - alphall31 - 07.01.2024

Zitat: Da Helios hier den PUMA angeführt hat: dieser krankt daran, dass man ihn zu stark auf IKM auslegen wollte, aber das war zu keinem Zeitpunkt notwendig. Wie der äußerst erfolgreiche Einsatz der Marder in Afghanistan gezeigt hat, benötigt man eine solche Auslegung eben nicht

In welcher Hinsicht ist der Puma zu sehr auf IKM ausgelegt ? Ist nicht eher unser Problem das uns von der Industrie Hochtechnologie angepriesen wird die nicht ausgereift ist , durch die man sich dauerhaft abhängig macht in Form der Wartung , die man nicht ausreichend mit Ersatzteilen versorgen kann und die mannstellenweise überhaupt nicht braucht .

Haben wir da nicht eher das Problem des Pumas . Für was muss jeder Soldat einen Computer auf dem Rücken mitschleppen ? Der Zugführer sollte eigentlich wissen wo seine Männer sind, dazu braucht er keinen Bildschirm . Die höhere Führung interessiert es nicht . Der Einbau von solchen Kram verursacht doch die Probleme . Wenn die Temperaturen Richtung null gehen weis doch jeder was wie die Funktion seines Handys ist , meist null. Wir machen uns aber von ganzen Systemen abhängig . Das wichtigste bei AMF Übungen in Norwegen war in den fünf Wochen immer der Motor , das aggregat oder gerät darf nie ausgehen. Und heute wird alles mit halbleitern Steuerteilen und Batterien vollgestopft. Unsere digitalen gefechstände das gleiche, was passiert wohl mit LWL Kabel bei -35 Grad ? Von dem ganzen adblue Schwachsinn mal ganz zu schweigen.