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Russland vs. Ukraine - Druckversion

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RE: Russland vs. Ukraine - KheibarShekan - 03.01.2023

(03.01.2023, 09:59)Schneemann schrieb: Es sind nun sicher keine Hochpräzisionssysteme und auch keine Bunkerbrecher

Das Navigationssystem der Shahed-136 ist selbst unter Anwendung von GNSS/GPS Störmaßnahmen metergenau präzise. Bei einem 30-40kg leichten Sprengkopf ist die Wirkung nicht so hoch, bzw. gegen Bunker wirkungslos.

Zitat:Gleichwohl aber sind diese Drohnen leicht abzufangen, ihre Geschwindigkeit ist sehr gering.

Mit elektrooptischer Zielführung ja.

Zitat:Vor allem Rohrsysteme wie Flakpanzer oder CIWS sind bzw. wären hier die erste Wahl (Raketen wären im Normalfall einfach zu teuer), und da wäre auch die Resonanzfläche zu vernachlässigen, denn diese Rohrsysteme sind im Regelfall auch zur Abwehr von deutlich schneller anfliegenden Flugkörpern mit kleinerem Querschnitt geeignet. Und das zeigt sich auch aktuell, so gibt es vorsichtige Hinweise darauf, dass leichte Flak recht erfolgreich ist bei der Abwehr, und neben den deutschen Geparden und (einer Handvoll) Tunguskas mit den 30-mm-Rohrwaffen hat sich auch der alte sowjetische ZSU-23-4 anscheinend mehrfach schon bewährt.

Die 136 ist exakt zur direkten Bekämpfung von Flugabwehr konzipiert und aus radarabsorbierenden Materialien gefertigt. Das die Russen sie für etwas anderes einsetzen, liegt eher daran, dass ihnen für strategische Bombardements die entsprechenden Raketen fehlen und mit der Lancet über sein System verfügen, was ersteres mindestens genauso gut kann. Die 136 ist keinesfalls unsichtbar, auch über größere Entfernung zu erkennen, aber sehr schwer zu erfassen. Eine Tomahawk hat bspw. das >20-Fache der Radarrückstrahlfläche einer S136. Oder anders ausgedrückt, ist sie für Radar so leicht zu erfassen, wie eine F-35 oder ein Vogel. Das leistungsfähigste Radar gegen LO Ziele dürfte die S-300 sein, die wiederum kann aber nur 6 Ziele gleichzeitig bekämpfen, ist in der Ukraine aufgrund des Konvoluts an Systemen nicht in ein IADS integriert und die Raketen dürften begrenzt verfügbar sein. Das sieht bei den nachgelieferten westlichen Systemen nicht viel anders aus. Ergo bleibt den Ukrainern in den meisten Fällen nur die (elektro-)optisch basierte Punktverteidigung am Ort des Geschehens. Das ist dann wiederum tatsächlich entsprechend einfach bei einer kleinen Angriffswelle. Dafür tut es auf Sicht ein Suchscheinwerfer, eine MK 14,5mm - 35mm bzw. Manpads und mittemäßig geübtes Personal. Aber das erklärt nicht die behauptete Abfangrate von 80%, die sich zudem ja auch gar nicht mit dem Schadensbild deckt.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 03.01.2023

Zur Frage der Fläche und Lücken in der Luftraumverteidigung: die Fläche ist zwar insgesamt natürlich sehr groß, aber die relevanten Ziele nehmen nur einen Bruchteil dieser Fläche ein. Entsprechend ist es irrelevant wieviele Quadratikilometer Wälder, Äcker und irgendwelche Dörfer einnehmen. Die zentralistisch ausgerichtete kritische Infrastruktur welche hier gezielt angegangen wird lässt sich durchaus konzentrierter mit Verteidigungssystemen abstellen.

Stichwort Altertümliche Methoden ala Melder die zur Fuß rumrennen: in der Ukraine erlebt gerade der gewöhnliche Luftraumbeobachter seine Widerkehr. Die sitzen also da und suchen den Himmel nach iranischen Drohnen ab, mit optischen Systemen. Springen auch wieder genug leichte Flugabwehreinheiten mit Maschinengewehr auf Dreibein mit Fliegerabwehrvisier herum.


RE: Russland vs. Ukraine - 26er - 03.01.2023

Jetzt werden sogar private Volvo Bandvagn Bv 202 in die Ukraine geliefert:

"The Ukrainian army has received a batch of Swedish all-terrain vehicles Bandvagn 202, en.topwar.ru reports. According to the Ukrainian press, this is not an official supply from the Swedish Ministry of Defense: these vehicles were purchased by a private person and donated to the Armed Forces of Ukraine..."

https://www.armyrecognition.com/defense_news_january_2023_global_security_army_industry/ukrainian_army_receives_swedish_bandvagn_202_all-terrain_vehicles.html


RE: Russland vs. Ukraine - Ottone - 03.01.2023

(03.01.2023, 14:19)Quintus Fabius schrieb: Die sitzen also da und suchen den Himmel nach iranischen Drohnen ab, mit optischen Systemen.
Plus Meldungen per App aus der Zivilbevölkerung. Die Distanzen sind groß und die Flugzeiten der Drohnen lang, was einer Entdeckung zuträglich ist. Die Starts wird man ebenfalls auf die eine oder andere Art und Weise beobachten, wenn auch nicht vollumfänglich. Smart Shooter und ähnliche ballistische Aufsteckrechner für MGs wären für die Ukraine jetzt das richtige.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 04.01.2023

Diese ganzen Melde-Apps welche dann in entsprechende Geographische Informationssysteme eingebunden werden können, sind militärisch Gold wert. Solche Apps benötigen wir auch dringend. Ganz allgemein ist bei uns die Einbindung und Verwendung der Zivilbevölkerung für die Kriegsführung viel zu wenig auch nur im Blickfeld. Dabei ist sie in sehr vielen Bereichen eigentlich absolut wesentlich. Die Bundeswehr, Streitkräfte im allgemeinen werden viel zu weitgehend als etwas von der Zivilbevölkerung und allem sonstigen getrenntes verstanden. Der moderne konventionelle Krieg hat aber immer Züge des totalen Krieges und kann daher nicht siegreich geführt werden, wenn man die Zivilbevölkerung nicht in jeder Weise zum Zwecke der Kriegsführung einbindet. Die Ukraine beweist dies meiner Überzeugung nach.


RE: Russland vs. Ukraine - Broensen - 04.01.2023

(04.01.2023, 00:34)Quintus Fabius schrieb: Ganz allgemein ist bei uns die Einbindung und Verwendung der Zivilbevölkerung für die Kriegsführung viel zu wenig auch nur im Blickfeld.

Das brauchen wir auch nicht, weil wir ja nicht vorhaben, dort zu kämpfen, wo unsere Zivilbevölkerung lebt. Cool


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 04.01.2023

Um mal enger bei den Apps zu bleiben: eine solche wäre noch vorteilhafter, wenn sie NATO weit einheitlich wäre. Also die gleiche App und die gleichen GIS Systeme in allen NATO Staaten, für die Zivilbevölkerung aller NATO Länder - oder alternativ für alle EU Staaten. Und damit wäre es dann egal, ob unsere Zivilbevölkerung "mithilft" oder die von Polen, es wäre die gleiche App und das gleiche GIS System.


RE: Russland vs. Ukraine - Helios - 05.01.2023

Welche App oder welche GIS verwendet werden spielt im Grunde keine Rolle, das wichtige ist der Datenbestand selbst.


RE: Russland vs. Ukraine - KheibarShekan - 06.01.2023

(03.01.2023, 14:19)Quintus Fabius schrieb: Zur Frage der Fläche und Lücken in der Luftraumverteidigung: die Fläche ist zwar insgesamt natürlich sehr groß, aber die relevanten Ziele nehmen nur einen Bruchteil dieser Fläche ein. Entsprechend ist es irrelevant wieviele Quadratikilometer Wälder, Äcker und irgendwelche Dörfer einnehmen. Die zentralistisch ausgerichtete kritische Infrastruktur welche hier gezielt angegangen wird lässt sich durchaus konzentrierter mit Verteidigungssystemen abstellen.

Stichwort Altertümliche Methoden ala Melder die zur Fuß rumrennen: in der Ukraine erlebt gerade der gewöhnliche Luftraumbeobachter seine Widerkehr. Die sitzen also da und suchen den Himmel nach iranischen Drohnen ab, mit optischen Systemen. Springen auch wieder genug leichte Flugabwehreinheiten mit Maschinengewehr auf Dreibein mit Fliegerabwehrvisier herum.

Wahrscheinlich reden wir ein wenig aneinander vorbei. Ich sage nicht, dass die Drohnen auf dem Radar der Luftraumüberwachung unsichtbar sind oder zu wenig Zeit zur Vorbereitung bieten. Sofern entsprechende noch vorhanden sind. Da bräuchte es die Melder eigentlich nicht unbedingt. Das Aufschalten für das Feuerleitradar ist der schwierigere Part für Flugabwehrsysteme gegen LO Ziele. Gerade Nachts sind auch Melder und Flugabwehreinheiten mit "Maschinengewehr auf Dreibein mit Fliegerabwehrvisier" nur bedingt hilfreich. Das folgende Video demonstriert den von mir geschilderten Sachverhalt ganz gut: https://twitter.com/Trollstoy88/status/1610378174461870082?s=20
--> Die behauptete Abfangquote von 80% halte ich für übertrieben, ist aber am Ende auch akademisch, weil es im Endeffekt schon ausreicht wenn nur 2/10 das Ziel erreichen.


RE: Russland vs. Ukraine - Venturus - 06.01.2023

Kann jemand die Echtheit dieser beiden Spots bestätigen?

Spot 1 und Spot 2

Natürlich ist die russische Denkweise eine andere und im Gegensatz zu den meisten Kommentatoren, sehe ich hier eher verzweifelte Gestalten, die für ihre Angehörigen sorgen möchten. Also Menschen mit durchaus nachvollziehbaren Motiven.

Aber trotzdem wären diese Spots doch Offenbarungseide der russischen Seite.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 06.01.2023

Die sind tatsächlich echt Big Grin ich habe sie selbst hier im Forum auch schon irgendwo mal vernetzt von einer anderen Adresse her. Ich dachte auch am Anfang, dass sei halt ukrainische Propaganda um die Russen zu trollen, aber so merkwürdig dass für uns aussehen mag, die meinen das anscheinend ernst.

Russische Medien sind ganz allgemein ungeheuer unterhaltsam !

Das köstlichste finde ich die Kausalkette mit dem Auto: Opfere deinen Enkel und du kriegst einen Lada ... nein, keinen neuen, sondern du darfst deinen alten den du schon hast behalten .....

Köstlich !

Allgemein:

Seit einiger Zeit schon lese ich auf russischen Telegram Kanälen von US Minen in der Ukraine. Jetzt auch bei Rybar in Englisch:

Zitat:Earlier the Voenkor Reservist channel wrote about the fact that American mines appeared in the Donetsk direction. This all suggests that there are arms deliveries to Ukraine from NATO countries which are not advertised in the media.

https://twitter.com/rybar_en/status/1611440260906422282?cxt=HHwWlMC4gaWY_twsAAAA

Diese Minen sind für die Russen anscheinend ein ziemliches Problem bzw. werden ziemlich hoch gewichtet / gefürchtet. Und entsprechend eine weitere Bestätigung für mich, dass Minen absolut wesentlich sind und wir unendlich mehr davon benötigen würden, einschließlich und insbesondere Anti-Personen Minen. Entsprechende moderne Technologie vorausgesetzt hinterlassen diese auch kaum Langzeitprobleme.

Ansonsten im Osten nichts neues:

Die Russen behaupten dass zur Zeit Soledar fällt - das ist nördlich von Bakhmut und es gibt dort eine gewaltige Salzmine. Das entsprechende Fabrikgelände und die Mine könnten für die Ukrainer erneut eine Festung darstellen welche die Russen länger belagern müssen.

Zudem gibt es jede Menge Gerüchte über erhebliche ukrainische Umgruppierungen, angeblich werden zwei komplette Armee-Korps neu gebildet und dafür in erheblichem Umfang Material und Männer von anderen Einheiten abgezogen. Könnte ein erstes Indiz auf Vorbereitungen für einen Stoß in Richtung Melitopol (oder auch andernortens) sein. Die Truppen werden angeblich im Raum östlich von Dnipro massiert.

Zudem berichten russische Quellen zunehmend von Nachtangriffen und Infiltrationsangriffen ukrainischer Einheiten in größerer Zahl - könnte ein Hinweis auf mehr / neu gelieferte westliche Nachtsichtgeräte etc sein.


Im Norden versuchen die Ukrainer weiter nach Sawtowe durchzukommen,

https://twitter.com/rybar_en/status/1611026618125848576/photo/1

hier gibt es besonders viel Nachtaktivitäten und großangelegte Infiltrationsversuche, inwieweit diese erfolgreich sind kann man aktuell nciht sagen:


Bei Kherson steht derweilen alles am Fluss

https://twitter.com/rybar_en/status/1611025019546599426/photo/1

und beschränkt sich auf das Artillerieduell über diesen hinweg. Von den amphibischen Landungen und Sondereinheiten am Kinburn Spit hört man überhaupt nichts mehr, angeblich mussten die Ukrainer von dort fliehen. Die Frage ist allerdings ohnehin, inwieweit das nicht nur einfach eine Ablenkung / Beschäftigung war.


Die russische Armee rennt derweilen weiter frontal gegen Bakhmut an,

https://twitter.com/rybar_en/status/1610689687353528346/photo/1

die Lage vor Ort ist in Wahrheit höchst unklar. Die Ukrainer verstärken hier angeblich zur Zeit Truppen südlich von Bakhmut und in Richtung von Torezk (das liegt südöstlich von Kostjantyniwka wo ich ja vor einiger Zeit einen ukrainischen Schwerpunkt angenommen hatte)


Und in Richtung Melitopol nutzen die Ukrainer die russische Logistik ab, was auch ein Indiz dafür ist, dass hier ihre nächste strategische Linie liegt, was aber aus Gründen der Logik und Vernunft ja ohnehin schon seit Wochen gemeinhin vermutet wird:

https://twitter.com/rybar_en/status/1610687686074929161/photo/1


Und hier noch tagesaktuell die Darstellung der Lage aus ukrainischer Sicht:

https://militaryland.net/news/invasion-day-316-summary/


RE: Russland vs. Ukraine - lime - 06.01.2023

(06.01.2023, 23:04)Quintus Fabius schrieb: Die Russen behaupten dass zur Zeit Soledar fällt - das ist nördlich von Bakhmut und es gibt dort eine gewaltige Salzmine. Das entsprechende Fabrikgelände und die Mine könnten für die Ukrainer erneut eine Festung darstellen welche die Russen länger belagern müssen.

Warum sollte sich Rußland auf eine Eroberung dieses Minengeländes einlassen? In Mariupol ergab es ja noch Sinn aber in Soledar? Das ist doch nur eine unbedeutende Kleinstadt?


RE: Russland vs. Ukraine - Venturus - 06.01.2023

OK, danke.

Man muss ihnen wenigstens eines lassen ... sie sind verdammt ehrlich. Krieg ist scheiße, du hast danach ne fette PTBS und findest nicht ins Zivilleben zurück. Ach ja, die Arbeitgeber zahlen übrigens keinen Lohn und die Rente ist auch scheiße.

Komm doch lieber zur Armee.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 07.01.2023

Die sind nicht ehrlich, die sind einfach vollkommen prall in der Birne.

lime:

Und was für einen Sinn macht der Schwachfug bei Bakhmut ? Und ganz allgemein: waren die russischen Aktionen in der Ukraine an sich bisher überwiegend sinnvoll?


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 07.01.2023

Noch etwas anderes, auch die deutschen Geheimdienste haben offenbar ihre Augen und Ohren auf dem Schlachtfeld:
Zitat:Putins begehrte Wracks

Deutsche BND-Spione erbeuten in Ukraine offenbar russische Militärtechnik [...]

Wie nun der WDR berichtet, sind die russischen Wracks aus Kreml-Chef Wladimir Putins Angriffskrieg begehrt bei westlichen Geheimdiensten - auch beim Bundesnachrichtendienst (BND). So sammeln BND-Spione unter mithilfe der ukrainischen Streitkräfte angeblich russisches Rüstungsmaterial und Ausrüstungsgegenstände, insbesondere von jenem Militärmaterial, das bislang im Westen noch unbekannt war. Wie zum Beispiel vom Kampfpanzer T-90M. [...]

In Deutschland werde das Kriegsgerät dann gemeinsam mit der Bundeswehr untersucht, heißt es in dem WDR-Bericht. Demnach habe es etwa Beschusstests an Panzerungen und Abwehrtechnologien gegeben. Russische Lenkflugkörper, Zielerfassungssysteme und von Moskau eingesetzte iranischen Shahed-Drohnen stünden zudem weit oben auf der Wunschliste des BND, wird vom Westdeutschen Rundfunk weiter berichtet. [...]

Weder von der Bundesbehörde noch von der Bundeswehr oder dem Bundesverteidigungsministerium wurde laut WDR indes bestätigt, dass Deutschland fremde Wehrtechnik der Russen beschafft und die Erkenntnisse dazu mit seinen Nato-Partnern teilt.
https://www.merkur.de/politik/deutschland-bnd-putin-panzer-wrack-russland-militaertechnik-ukraine-krieg-geheimdienste-91984913.html

Schneemann