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United States of America - Druckversion

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RE: United States of America - Quintus Fabius - 25.11.2021

Bei den Zuständen dort war das Verhalten von Ryttenhouse nichts anderes als Nothilfe. Es ging auch nicht allein darum andere zu schützen, sondern seine Familie lebt auch in genau dieser Gegend, beispielsweise nicht weit davon entfernt sein Vater.

Eine Absichtsprovokation lag hier zudem ebenfalls nicht vor, da Ryttenhouse auf den Angriff zunächst mit Flucht reagierte und diese auch konsequent fortführen wollte. Gemäß der rechtlichen Selbstschutztheorie ist Notwehr in einem Fall wie dem vorliegenden absolut statthaft, wenn keine andere Schutz- bzw. Ausweichmöglichkeit mehr besteht, und dies selbst dann, wenn es vorher eine Absichtsprovokation gab. Nun müsste man eine solche Absichtsprovokation hier überhaupt erstmal nachweisen. Aber selbst wenn dies gelänge, so wäre es dennoch ganz eindeutig, den Ryttenhouse hat ja zuerst versucht zu fliehen und sich anderweitig der Situation zu entziehen.

Er begab sich auch nicht gezielt in die rassistisch motivierte Gewaltorgie, sondern er wollte dort Leben und Eigentum seiner Familie sowie von Bekannten schützen, was angesichts der Umstände dass zu dieser Zeit dort nicht einmal mehr die Polizei kam wenn man den Notruf wählte und der Staat sein Gewaltmonopol nicht mehr durchsetzte ebenfalls absolut legitim und legal war. Es wäre auch nach deutschem Recht entsprechend legal.

Das offene Tragen der Waffe war eine Folge der Ausschreitungen, es hat also nicht die Notwehrsituation absichtlich provoziert, den diese Ausschreitungen und massiven Gewalttätigkeiten fanden ja auch schon statt bevor Ryttenhouse mit den Randalierern zusammen traf, welchen er nachweislich dann im weiteren durch Flucht ausweichen wollte.

Über die Skandalurteile in dieser Bundesrepublik in Notwehr-Fällen brauchen wir hier im weiteren nicht zu diskutieren. Hierzulande wird regelmässig in absolut eindeutigen Fällen das Recht auf Notwehr aberkannt, und umgekehrt in ebenso absolut eindeutigen Fällen in denen es keine Notwehr war dem Täter ein Recht auf Notwehr zuerkannt. Die Urteile der Justiz in dieser Bundesrepublik im Bereich Notwehr spotten jeder Beschreibung. Da töten dann Berufsverbrecher Polizeibeamte mit der Schußwaffe und es ist Notwehr und ein Jugendlicher der Angreifer welche ihn mit Messern und der Aussage: wir bringen dich jetzt um bedrohen wird ins Gefängnis geworfen weil er einen der Angreifer in die Schulter gestochen hat, da schießen Polizeibeamte einen Mann ohne echten Grund mit 109 Schüssen in Grund und Boden und es ist Notwehr, da tritt einer einen Angreifer um der mit einer Axt auf ihn zurennt und nach seinem Kopf geschlagen hat und es ist keine Notwehr.

In dieser Bundesrepublik bilden wir uns ein wir seien ja ach so viel besser als die USA, unsere Rechtsprechung, unser (lachhaftes) Waffengesetz, unsere Gesellschaft seien derart überlegen und sooo viel besser. Wer sich aber spezifisch mit dieser Materie hierzulande auskennt und beschäftigt erkennt schnell, dass bei uns vieles in keinster Weise besser ist. Und manches noch schlechter. Die Arroganz gegenüber den USA ist in Deutschland leider weit verbreitet und Unkenntnis und Vorurteile führen hierzulande schnell zu einer verächtlichen Haltung gegenüber den Amerikanern die gerade uns bei den Missständen hierzulande in diesem Bereich wirklich nicht gut ansteht.

Rein persönlich ist mir das Amerikanische Stand your Ground zudem wesentlich lieber als die Opfermentalität welche der Staat hierzulande den Menschen aufoktroyieren will. Ironischerweise ist das deutsche Notwehrrecht in Wahrheit, seinem Wortlaut und seinem Gesetzessinn her mit dem Stay your Ground weitgehend identisch, auch wenn das viele hierzulande in ihrer Selbstwahrnehmung gar nicht wahrnehmen wollen. Die praktische Realität vor Gericht ist natürlich eine ganz andere.


RE: United States of America - Broensen - 25.11.2021

Das per Video dokumentierte Auftreten von Ryttenhouse war eindeutig kein defensives, sondern ein provokatives. Es ist etwas anderes, wenn legal bewaffnete Anwohner, vielleicht auch mit Unterstützung von Freunden und Verwandten, vor ihren Häusern und Geschäften ihre Abwehrbereitschaft demonstrieren, weil die Polizei versagt, oder ob jemand mit dem Gewehr vor der Brust durch die Straßen zieht. In den USA gibt es dazu eine andere Einstellung, aber in Deutschland wäre das so nicht durch die Nothilfe gedeckt gewesen.

Aber nochmal: Es war Notwehr, dem widerspreche ich nicht.
Aber auch die Tatsache, dass er vor dem Angriff geflohen ist, ändert nichts daran, dass er sich zuvor selbst in diese Situation begeben und sie durch sein provokatives Auftreten erst herbeigeführt hat. Egal, ob er das Recht dazu hatte oder nicht. Somit ist es nach deutscher Rechtsprechung zumindest im Rahmen des Möglichen, ihn deswegen juristisch zu belangen. Ob man das nun für richtig hält, oder nicht.


RE: United States of America - Quintus Fabius - 26.11.2021

Da sieht man mal wieder wie unterschiedlich die gleichen Bilder wahrgenommen werden können.

Für mich war das Auftreten in keinster Weise offensiv. Ganz im Gegenteil. Hier mal als komplette Darstellung:

Detailiert ab 17:40

https://www.youtube.com/watch?v=VpTW2AJE9MQ

Ab ca 17:50 Angriff von Rosenbaum auf Ryttenhouse, wirft Beutel mit Dose darin nach ihm, 17:56 ein weiterer "Demonstrant" in der Nähe feuert eine Pistole ab, 18:04 ff Rosenbaum holt den fliehenden Ryttenhouse ein und greift nach dessen Waffe. 19:01 Ryttenhouse flieht weiter und rennt weg. 19:28 der nächste greift an, obwohl Ryttenhouse vor ihm wegläuft. 19:46 Ryttenhouse liegt am Boden weil er umgestoßen wurde. Angriffe mit Tritten in Richtung Kopf und von Anthony Huber mit einem Skateboard mit der Seitenkante (!) ebenfalls in Richtung Kopf. Und versucht danach ihm das Gewehr wegzureißen. Das ist nichts anderes als versuchter Totschlag. 19:57 Grosskreutz zieht seine Pistole und zielt auf Ryttenhouse.

Ja, alles sehr offensiv.


RE: United States of America - voyageur - 26.11.2021

Zitat:Für mich war das Auftreten in keinster Weise offensiv. Ganz im Gegenteil. Hier mal als komplette Darstellung:

Warum wird versucht für den Sch... (Wahnsinn) der Amerikaner irgendeine Begründung zu finden, und den Donald Trump Anhängern das Bett zu machen.
Wer eine Waffe trägt, ist (sollte) bereit sein diese zu benutzen, wer eine Waffe benutzt ist bereit seinen vis-à-vis zu töten, bzw zu neutraliseren.
Hoffentlich unter Beachtung von Einsatzregeln, und der entsprechenden Ausbildung (moralisch, technisch und psychologisch) und einer kollektiven Integration.
Waffen sind (müssen) ein Gewaltmonopol des Staates sein, und nicht in den Händen von isolierten Halbstarken oder in diesem Fall Milchgesichtern.
Ok das ist heute auch in Europa nicht der Fall, bloss die Lösung kann nicht sein immer mehr Waffen zu verteilen, sonden im Gegenteil diese wieder einzusammeln und richtig zu neutralieren.
Ich unterstütze (die meisten) Jäger, ich unterstütze Sportschützen (aber eine 22 LR gut aufbewahrt reicht ), Sammler verstehe ich nicht (aber gut verschweisst ist OK)


RE: United States of America - Quintus Fabius - 26.11.2021

Warum ist jeder Amerikaner der für freien Waffenbesitz, die Selbst-Verantwortung des Individuums und die Freiheit eintritt ein Trump-Anhänger? Das ist doch ganz genau so nur ein Schubladendenken. Natürlich widerspricht dass dem deutschen (oder französischem) Etatismus und der hierzulande vorherrschenden Kultur des Neo-Sozialismus, aber das heißt nicht dass diese Ansichten falsch wären, ganz im Gegenteil. Der Etatismus der Gegenwart ist eben nicht die Antwort auf die Herausforderungen der Gegenwart, ganz im Gegenteil!

Wenn ich selbst einen US Politiker benennen müsste den ich aufrichtig bewundere und dessen Ideen ich weitgehend teile so wäre das Ron Paul. Dass er inzwischen leider zu alt geworden ist und aus der Politik ausschied ist ein Verlust für die USA. Das war noch ein Mann der für echte Werte eintrat.


RE: United States of America - Broensen - 26.11.2021

(26.11.2021, 12:49)Quintus Fabius schrieb: Für mich war das Auftreten in keinster Weise offensiv. Ganz im Gegenteil. Hier mal als komplette Darstellung:

Detailiert ab 17:40...

Ja, alles sehr offensiv.

Du willst meinen Punkt nicht sehen: Alles was du beschreibst, passierte nachdem das von mir kritisierte passiert ist: Er hat sich mit einer offen getragenen Waffe auf nicht privatem Grund in einer angespannten Sicherheitslage aufgehalten, ohne dass er dazu in besonderer Weise berechtigt, verpflichtet oder befähigt gewesen wäre. Im Gegenteil. Der Typ hatte da einfach nichts verloren! Das ist es, was ich ihm als Provokation unterstelle. Das hat nichts damit zu tun, wie er sich im Rahmen des Angriffs verhalten hat, das habe ich bereits als Notwehr benannt. Er hätte aber dort gar nicht bewaffnet auftreten sollen, dann wäre er auch nicht in dieser Weise angegriffen worden.
Auch wenn es nach Amerikanischen Recht legal sein mag, ändert es nichts daran, dass er sich selbst in diese Lage gebracht hat und das wäre nach deutschem Rechtsverständnis durchaus justiziabel.


RE: United States of America - Quintus Fabius - 26.11.2021

Der hatte da mehr verloren als der brandschatzende, randalierende und plündernde Mob auf welchen er da gestoßen ist. Zudem war er vorher nicht allein unterwegs, da war eine ganze Gruppe von Bewaffneten. Mit diesem zusammen geriet er schon vorher in der Nähe einer Tankstelle mit dem Mob aneinander. Warum er sich dann von der Gruppe trennte und allein loszog weiß ich nicht, es ist aber auch nicht relevant.

Wenn er nach dem Gesetz das Recht hatte dort mit seiner Waffe entlang zu gehen, so ist das weder offensiv noch ist das eine Provokation. Das ganze Gerede von Provokation speziell in dieser Bundesrepublik kann ich ohnehin nicht mehr hören. Da ist die Polizei beispielsweise bereits allein dadurch provokativ dass sie Helme aufsetzt wenn sie mit Pflastersteinen und Glasflaschen vollgeworden wird. Man glaubt durch ständige Deeskalation und ständiges zurück ziehen und nachgeben und ständiges Nur ja nicht Provozieren wäre die Sicherheitslage besser. Sie ist aber in Wahrheit nur deshalb besser, weil wir es uns aktuell noch leisten können den sozialen Frieden zu erkaufen.

Wohin das nur ja nicht provozieren und immer zurück stecken führt kann man von Köln über Stuttgart bis Berlin allenorten bewundern. Und sobald mal das fragile Kartenhaus des Sozialstaates in sich zusammen fällt (bei der nächsten ernsthaften Wirtschaftskrise) wird man sich verwundert umsehen und fragen, was aus all den etatistischen Vorstellungen vom allmächtigen Staat geworden ist.

Eine Gesellschaft in der allein der Staat in der von dir beschriebenen Weise handeln darf muss zwingend eine totalitäre Gesellschaft werden. Anders ist die Kontrolle gar nicht aufrecht erhaltbar, sobald die Umstände auch nur etwas widriger werden. Der Staat wird hierzulande viel zu sehr als eine Art gottgleiche Entinität wahrgenommen, der sich alles und jeder unterzordnen hat, dabei besteht er im Prinzip aus einer inkompetenten bis systemisch korrupten Elite und allerlei inkompetenten Beamten, spezifisch benennbaren Einzelpersonen und deren Entscheidungen also, die im günstigsten Fall blind anhand von Vorschriften entlang verlaufen.

Genau deshalb versagt der Staat auch fortwährend so weitreichend, was aber spezifisch in Deutschland nicht dazu führt den Staat als das eigentliche Problem und die Ursache der Fehlentwicklung zu begreifen, sondern nach noch mehr Nanny-Staat, noch mehr Regulierung und noch mehr staatlicher Kontrolle zu rufen. Das ist meiner Auffassung nach zum einen ein Symptom von gesellschaftlicher und sozialkultureller Unsicherheit, von empfundener oder tatsächlicher Schwäche und Feigheit und zum anderen ein spezifisches Erbe der deutschen Kultur in ihrer Verwurzelung im Heiligen römischen Reich und dessen Idee der Restauration Westroms (weshalb es sich in Russland auch so verhält). Deshalb auch diese blinde Staatsgläubigkeit und Staatstreue in diesem Land. Das teilt so kaum ein anderes Volk weltweit.

Damit geht zugleich einher die Hybris dass man ja ach so viel besser ist als die anderen, und die Wahnidee unser Staat würde besser funktionieren als andere. Tatsächlich geht es Deutschland besser als anderen Ländern trotz unseres Staates und nicht wegen ihm.

Lange Rede, kurzer Sinn: wir werden da nie auf einen Nenner kommen, weil schon das ganze grundsätzliche Gedankengerüst und die dahinter stehende Auffassung einfach diametral verschieden sind.


RE: United States of America - Broensen - 26.11.2021

(26.11.2021, 23:17)Quintus Fabius schrieb: Lange Rede, kurzer Sinn: wir werden da nie auf einen Nenner kommen, weil schon das ganze grundsätzliche Gedankengerüst und die dahinter stehende Auffassung einfach diametral verschieden sind.

Das stimmt wohl, wobei ich gerne noch klarstellen möchte, dass ich die von dir beschriebene Haltung in Teilen der deutschen Gesellschaft hinsichtlich unserer Polizei auf gar keinen Fall teile und damit nicht in Verbindung gebracht werden will.


RE: United States of America - Quintus Fabius - 27.11.2021

Das ist mir völlig klar, ich vermute sogar dass es sich bei dir genau anders herum verhält. Schließlich vertrittst du hier ja eine Etatistische Position, was ja zwingend voraus setzt dass die Polizei das angenommene und vor allem angestrebte Gewaltmonopol des Staates auch durchsetzt und durchsetzen kann.


RE: United States of America - Schneemann - 27.11.2021

@Quintus
Zitat:Und wer wohlfeil die US Waffenpolitik kritisiert sollte erst mal realisieren, dass Deutschland auch zu den eher hochbewaffneten Ländern gehört, mit einem immensen privaten Waffenbesitz. Und dennoch passiert hierzulande mit Legalwaffen extremst wenig. Oder nehmen wir Kanada oder die Schweiz: dort ist das Waffenrecht querschnittlich lockerer als in den USA, dort passiert aber noch weniger als in dieser Bundesrepublik.
Jein, also das kann man nicht vergleichen. Ich habe in den USA ca. 330 Mio. Menschen und kann quasi jeden bewaffnen mit den Waffen, die im Umlauf sind. Grob kommen auf einen Einwohner der USA 1,2 Waffen. In Deutschland kommen bei ca. 83 Mio. Menschen auf einen Einwohner 0,2 Waffen. In Kanada sind es 0,35 Waffen pro Einwohner.

Hier mal ein aktueller Link dazu (ganz interessante Graphiken): https://edition.cnn.com/2021/11/26/world/us-gun-culture-world-comparison-intl-cmd/index.html

Insofern: Es gibt schon einen deutlichen Zusammenhang zwischen Schusswaffentoten und der Anzahl der Waffen, die im Umlauf sind bzw. der Leichtigkeit, mit der man an solche Waffen gelangen kann. Und sorry, auch wenn ich das Ryttenhouse-Urteil in weiten Teilen selbst nachvollziehen kann, so habe ich absolut kein Verständnis dafür, dass Teenies mit Sturmgewehren auf der Straße herumlaufen können, selbst wenn sie nur halbautomatisch sind. Und da krankt die ganze Sache eben daran, egal, ob ich nun Bürgerwehren brauche oder nicht oder hier Notwehr, Provokationen oder sonstwas sehen will.

Schneemann


RE: United States of America - Quintus Fabius - 27.11.2021

In Deutschland sind ca 5,4 Millionen Feuerwaffen staatlich registriert. Dazu kommen noch ca. 20 Millionen illegale Feuerwaffen, lassen wir es zusammen ca. 25 Millionen Feuerwaffen in Deutschland sein.

Damit kommt 1 Feuerwaffe auf ca 3,3 Menschen hierzulande. Wenn man nun Kleinkinder, pflegebedürftige Senioren usw heraus rechnet, kann man de facto die gesamte wehrfähige Bevölkerung in Deutschland damit bewaffnen. Und mehr als 1 Feuerwaffe pro Person bringt auch nicht viel - dass in den USA einzelne hunderte von Waffen horten ändert daher auch nichts daran, dass sie sinnvoll zugleich immer nur eine davon führen und einsetzen können.

Und natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen Schußwaffentoten und der Verfügbarkeit von Waffen, nur ist dieser nicht linear überall der gleiche. Und auch in den USA gibt es in einigen Gebieten sehr strenge Waffengesetze und trotzdem werden dort Unmengen von Straftaten mit Feuerwaffen begangen. Die Waffengesetze sind in den USA nicht überall gleich, dass wird auch zu wenig beachtet.


RE: United States of America - aramiso - 27.11.2021

@ Schneemann:

Auf den ersten Blick stimmt natürlich, dass ein Zusammenhang zwischen Schusswaffentoten und der Verfügbarkeit von Schusswaffen besteht. In einem Land, das null Schusswaffen hat, kann niemand durch solche Waffen zu Tode kommen.
Trotzdem ist der Sachverhalt etwas komplexer. Ein Beispiel:
Im Staat Vermont haben rund 35% der Einwohner eine oder mehrere Schusswaffen. Die Mordrate pro 100.000 Einwohner liegt bei 0,7. In New York haben nur 11% der Einwohner eine Waffe. Die Mordrate liegt dort aber bei 13.2 Toten pro 100.000 Einwohnern. Die Rechnung weniger Waffen, weniger Tote geht nicht ohne weiteres auf.

Ich habe vor ein paar Jahren eine Reportage über eine Stadt und den USA gesehen (habe leider vergessen wo genau, glaube in Oklahoma), wo die Einwohner sogar mit der Waffe in die Restaurants gehen. Schießereien gab es dort aber praktisch nicht. Die Erklärung des Bürgermeisters: Wer eine Waffe zieht, muss damit rechnen, dass gleich mehrere Bürger gleichzeitig die Waffe gegen ihn ziehen. Ein Amoklauf würde in Sekunden beendet. Einbrüche gäbe es keine, weil Einbrecher damit rechnen müssten, sogar von Rentnern sofort niedergestreckt zu werden. In Bundesstaaten mit restriktiveren Waffengesetzen, so der Bürgermeister weiter, hätten nur Waffennarren, Kriminelle und die Polizei Schusswaffen. Ein Mensch, der sich entscheidet, eine Waffe zu benutzen, ginge dort ein verhältnismäßig geringes Risiko ein.

Ich will mir diese Argumentation nicht unbedingt zu eigen machen, möchte aber darauf hinweisen, dass eine hohe Dichte von Waffenbesitzern nicht zwangsläufig zu einer höheren Tötungsrate führt.


RE: United States of America - Schneemann - 28.11.2021

Das mag sicherlich so sein, dennoch bleibt der Umstand bestehen, dass ich in den USA (leider) mehr als 10.000 Schusswaffentote pro Jahr habe, während es in Deutschland nur weniger als 200 sind, obgleich die USA "nur" etwa viermal so viele Einwohner haben. Damit bleiben die USA jenes Land der westlichen Hemisphäre, das die höchsten Risiken mit sich bringt für einen Bürger, durch eine Schusswaffe zu Tode zu kommen (bürgerkriegsähnliche Zustände einmal außen vor gelassen).

Zumal bekanntermaßen auch das Risiko bzw. die Wahrscheinlichkeit, das/die man dahingehend hat, wenn man eine Waffe in den eigenen vier Wänden hat, dass man sich versehentlich selbst oder einer dritten Person versehentlich Schaden zufügt, höher ist als dass man diese Waffe gegen einen Einbrecher oder Gewalttäter nutzen müsste.

Schneemann


RE: United States of America - Quintus Fabius - 28.11.2021

Den grundsätzlichen Zusammenhang hat keiner bestritten, aber er ist eben nicht so einfach linear wie du es hier darstellst. Da spielt sehr viel mehr hinein, vor allem die Frage wieviel organisierte Kriminalität und Armut es gibt, wie stark die Drogenproblematik ist, die Gefängniskultur, die Sozialen Sicherungssysteme, die ethnische Zusammensetzung, die Sozialkultur im allgemeinen usw usf. deshalb auch diese gewaltigen Unterschiede in den USA selbst zwischen verschiedenen Bundesstaaten und auch innerhalb der Bundesstaaten selbst.

Die von dir nun in den USA genannten Toten durch Feuerwaffen entstehen primär durch die Kriminalität. Also durch die Verwendung von Feuerwaffen bei Straftaten. Wir haben hier in Deutschland nicht ansatzweise die kriminellen Strukturen wie sie in den USA vorhanden sind.

Statt also zu behaupten, dass mehr Feuerwaffen mehr Tote durch Feuerwaffen verursachen, könnte man genau so gut behaupten, dass mehr Kriminalität mehr Tote durch Feuerwaffen verursacht. Und genau das kann man auch beobachten wenn man beispielsweise mal Mittelamerika und Südamerika mit hinzu zieht. Dort ist der Waffenbesitz nicht legal wie in den USA, aber trotzdem gibt es dort noch sehr viel mehr Tote durch Feuerwaffen und das bei deutlich geringerer Einwohnerzahl. In Caracas werden jedes Jahr mehr als 100 Menschen pro 100.000 Einwohner getötet, der Gros davon erschossen. Dass ist das zehnfache dessen was in den schlimmsten Ecken der USA vor sich geht oder das mehr als Einhundertfache dessen was in Vermont geschieht obwohl dort legaler Waffenbesitz sehr verbreitet ist.

Deine Aussage mehr Schusswaffen = mehr Tote durch Schusswaffen ist daher so nicht haltbar. Das ist eine zentralreduzierte Hypothese die einfach widerlegbar und falsch ist. Es gibt für die Frage wieviele Menschen durch Feuerwaffen umkommen eine ganze Reihe von Faktoren und die Frage der legalgen Verfügbarkeit ist nicht der Hauptfaktor sondern nur ein Nebenfaktor.

Und ein rigides Waffengesetz und die strikte Einschränkung des Waffenbesitzes führt wie in Deutschland schlicht und einfach zu einem sehr hohen illegalen Waffenbesitz. Man geht von ca. 20 Millionen illegalen Feuerwaffen in Deutschland aus, dass ist 1 Waffe pro 4 Personen.

Das entspricht übrigens der Bewaffnungsrate mit illegalen Feuerwaffen in Mexiko. Und Mexiko kommt auf ca. 25 Morde pro 100.000 Einwohner im Vergleich zu den 0,7 in Vermont, USA. Oder nehmen wir Kolumbien mit dem ungefähr gleichen Wert von 25 Morden pro 100.000 Einwohner usw.

Und dann nehmen wir mal die Schweiz im Vergleich (die ich bereits angeführt hatte und welche du im weiteren natürlich außen vor gelassen hat, würde sie doch deine Argumentation sofort wiederlegen). Die Schweiz hat ein sehr liberales Waffenrecht und eine immense Menge an Feuerwaffen in der Bevölkerung: Dennoch liegt die Rate nur bei 0,5 pro 100.000 Einwohner und davon die Mehrheit nicht mit Feuerwaffen.

Und diese Bundesrepublik kommt auf einen Wert von 0,7, also exakt den Wert den Vermont in den USA auch hat, nur dass dort mehr als ein drittel der Bevölkerung legal Waffen besitzt und es ca. fünfmal so viel Feuerwaffen gibt wie in Deutschland.

Ich hoffe damit schlüssig dargelegt zu haben dass die hierzulande in dieser Bundesrepublik allgemein verbreitete Ansicht dass mehr LEGALE Feuerwaffen immer schlecht sind einfach nicht stimmt.


RE: United States of America - aramiso - 28.11.2021

Hinzu kommt, dass eine beträchtliche Anzahl der Toten durch Schusswaffengebrauch in den USA auf Suizide zurückzuführen sind. Ich suche mal nach den genauen Zahlen, die ich jetzt nicht im Kopf habe. Der Prozentsatz der Suizide durch Waffen ist enorm. Gäbe es weniger Selbstmorde, wenn es keine Schusswaffen gäbe?
Sehr schwer zu sagen. Sich eine Pistole an den Kopf zu halten und abzudrücken ist vielleicht einfacher, als andere, mühseligere und vielleicht schmerzvollere Todesarten zu wählen. Gut, ich will hier bestimmt keinen Zynismus in die Diskussion bringen. Ich wollte nur die Selbstmorde erwähnen.