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(Allgemein) Bundeswehr im Ausland - Druckversion

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- Erich - 26.12.2009

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.ftd.de/politik/international/:keine-demokratie-guttenberg-gibt-afghanistan-auf/50054283.html?page=2">http://www.ftd.de/politik/international ... tml?page=2</a><!-- m -->
Zitat:...

Neue Details zur Kundus-Affäre

In der Kundus-Affäre sind neue Details bekannt geworden.
In einer ersten ausführlichen Stellungnahme vom Tag nach dem Luftangriff, aus der der "Spiegel" zitierte, rechtfertigte sich der deutsche Befehlshaber Oberst Georg Klein,
...

Er habe "den Waffeneinsatz gegen den Antrag der Piloten nur auf die Tanklastzüge und die sie umringenden Personen und nicht gegen weitere, am Flussufer beiderseits aufgeklärte Personen und Kfz freigegeben", heißt es laut "Spiegel" in dem Bericht.
...

Sein Bericht ... war Verteidigungsminister Guttenberg erst im November vorgelegt worden und hatte maßgeblich zu dessen Meinungsumschwung beigetragen, den Einsatz als "nicht angemessen" zu bewerten.
...



- Quintus Fabius - 27.12.2009

Thomas:

Zitat:Verrechtlichung hat uns unsere Staaten gebracht und jetzt davon abzusehen, wäre so, wie uns selbst zu verraten

Diese -„unsere“ ?! Staaten sind in Wahrheit Verrat an uns selbst.

Zitat:Zudem muss man schlicht sehen, dass "bei uns" Krieg eben noch lange kein Selbstzweck ist, sondern eben immer noch das Clausewitz´sche Diktum des Krieges als Fortsetzung der Politik.

Genau im Gegenteil: Der „Einsatz“ ist zum Selbstzweck geworden!

Gerade eben wird das Diktum von Clausewitz nicht beachtet und dieser Krieg dient eben nicht unserer Politik und hat keine politischen Ziele.

Zitat:Ein regelloser Anti-Partisanenkrieg könnte uns schnell die Gegnerschaft von Abermillionen an Paschtunen einbringen und man darf fragen, ob solch ein Konflikt wirklich mit unseren politischen Zielen übereinstimmen.

Das politische Ziel war ein dauerhafter Sitz im Sicherheitsrat. Dieses Ziel wurde nicht erreicht (wie sollte es auch). Nun ist der Einsatz ein Selbstläufer und der Krieg zum Selbstzweck geworden.

Abermillionen von Paschtunen sind im weiteren bereits unsere Gegner. Neueste Analysen zeigen klar, daß die auch von Erich schon genannnten Zahlen realistisch sind und um die 70 % der Afghanischen Bevölkerung unsere Präsenz feindselig betrachten. Und das heißt das deutlich über 90% der Paschtunen unsere Präsenz als die eines Feindes wahrnehmen.

Es ist bizarr und lächerlich wenn man nun davon redet, man solle doch die Herzen und Köpfe der Afghanen gewinnen. Die kann man nicht mehr gewinnen.

Der Krieg wurde vor zwei Jahren ungefähr endgültig verloren.

Ein Totes Pferd kann man nicht weiter reiten, aber genau das wird versucht.

Zitat:Ein regelloser Anti-Partisanenkrieg

Der Partisanenkrieg muß regellos geführt werden, sonst verliert man ihn. Regellos heißt aber eben nicht, die Zivilisten niederzuschlachten obwohl das auch ein Weg sein kann (neuestes Beispiel Gaza Streifen). Regellos heißt ohne abstruse Zivile Einschränkungen.

Zitat:Die Einhegung des Krieges war und ist keine leere ethische Kategorie, sondern war eine durchaus funktionale und vom Kosten-Nutzen-Denken getriebene Begrenzung und Schutz gegen grenzenloses Ausufern

Die Einhegung des Krieges wird aber nicht durch juristische Regeln erreicht. Im weiteren entwickelt sich jeder Krieg mit der Zeit hin zum totalen Krieg, gleich ob man versucht ihn einzuhegen oder nicht.

Die Einhegung des Krieges ist daher immer eine temporäre Angelegenheit. Nur in einem bestimmten und begrenzten Zeitfenster ist sie funktional indem sie die Kosten senkt.

Dieses Zeitfenster liegt nun in Afghanistan mehrere Jahre in der Vergangenheit.

Das heißt aber nicht, daß ich für eine Ausweitung, ein Ausufern der Kämpfe in Afghanistan bin, im Gegenteil.

Fakt ist:

Wir haben den Krieg dort bereits verloren.

Daraus folgt für mich zwingend: Wir sollten abziehen und zwar innerhalb weniger Monate.

Zwar gäbe es theoretisch noch Wege die man gehen könnte, aber rein praktisch können wir! diese Wege die ich ja schon beschrieben habe eben nicht gehen.

Deshalb sofortiger Abzug, den der Krieg ist verloren.


- ThomasWach - 28.12.2009

@ Quintus

Was den Selbstzweck angeht, so muss man unterscheiden imho, ob es ein politischer Zweck mit ner mächtigen Portion Eigendynamik ist oder ob der Krieg an sich zum Selbstzweck wird und alles andere ihm untergeordnet wird. Und letzteres sehe ich einfach nicht. Gerade du monierst doch nicht mal völlig zu Unrecht, dass so wenige Ressourcen in diesen Kampf gesteckt werden. Wo ist denn da der Krieg, der sich selbst ernährt, der zum Zweck an sich geworden ist. Es ist gerade das Gegenteil der Fall: Der Krieg ist ein Stiefmütterchen, das am möglichst am Rande behandelt wird. Dagegen ist Afghanistan und die dortige Bekämpfung des Terrors als politischer Zweck und Ziel unserer Politik sicher "ins Irreale" abgeglitten. Denn als Ziel gibt es nur die relativ vage Bekämpfung des Terrors, eine ziemlich abstrakte und unkonkrete Zielstellung, in der man sich verrannt hat und die man in allen Konsequenzen und Kosten nicht tragen will. Aber dennoch ist für uns Krieg hier nur die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, auch wenn gerade und in erster Linie die Politik etwas undurchdacht und konfus ist. Und genau dies manifestiert sich auch in der Kriegsführung. Schließlich ist deine Kritik an der politischen Ausrichtung sicherlich in einigen Punkten durchaus gerechtfertigt.

Was den Partisanenkrieg und die Regellosigkeit angeht: Ist denn nicht die Anerkennung der Unterscheidung Partisanen/Zivilisten eine Regel?? Bedeuten bestimmte, wenn auch großzügige RoE auch Regeln?? Braucht man nicht immer bzw. hat man nicht immer irgendwelche Regeln? Ist denn nicht letztlich die Frage, welche Regeln gelten?

@ Nightwatch
Welche besonderen Bedingungen erlauben denn CAS, abgesehen von der direkten und immanenten Bedrohung von Koalitionstruppen im Rahmen von Kampfhandlungen?
Dass die Verschärfung der Regeln letztlich aus lessons learned seitens der Amerikaner resultieren, spricht ja nicht dagegen, die Ergebnisse dieser Lernprozesse zu beachten.
Das grundlegende Problem ist wohl, dass abseits dieses lucky hit seitens Oberst Klein die Bundeswehr nicht viel getan hat und tut. Und auch wenn der Tod der Zivilisten aus regionalen Gründen keine Relevanz hat, hat die Bundeswehr hier mit gewissen zivilen Kosten "ihre Arbeit nachgeholt", ganz so wie die Amerikaner es in früheren Zeiten auch getan haben.
Was nun McChrystal angeht, so würde ich gerne wissen, worauf du anspielst.


- Nightwatch - 28.12.2009

ThomasWach schrieb:@ Nightwatch
Welche besonderen Bedingungen erlauben denn CAS, abgesehen von der direkten und immanenten Bedrohung von Koalitionstruppen im Rahmen von Kampfhandlungen?
Das ist eigentlich ausführlich behandelt worden, insb. von Wiegold.
Die relevante RoE Abschnitte sind 421 bis 424 und vor allem 429 a und b.
Demnach ist ein Angriff auf Personen oder Gruppen erlaubt, die ISAF "in ihrer Mission Widerstand leisten" (a) oder die "vollständige ungehinderte Bewegungsfreiheit" der Isaf behindern (b).

ThomasWach schrieb:Dass die Verschärfung der Regeln letztlich aus lessons learned seitens der Amerikaner resultieren, spricht ja nicht dagegen, die Ergebnisse dieser Lernprozesse zu beachten.
Die RoEs wurden nicht entschärft, im Gegenteil. Deutschland hat seine Nationalen Vorbehalte ím Vorfeld aufgegeben.
McChrystal hat derweil an den RoEs nichts geändert sondern lediglich die exzessive Anwendung von Luftschlägen der eigenen Truppen eingeschränkt.
Oberst Klein handelte nach den RoEs, sein Verhalten ist nicht zu kritisieren.

ThomasWach schrieb:Das grundlegende Problem ist wohl, dass abseits dieses lucky hit seitens Oberst Klein die Bundeswehr nicht viel getan hat und tut. Und auch wenn der Tod der Zivilisten aus regionalen Gründen keine Relevanz hat, hat die Bundeswehr hier mit gewissen zivilen Kosten "ihre Arbeit nachgeholt", ganz so wie die Amerikaner es in früheren Zeiten auch getan haben.
Natürlich tut die Bundeswehr etwas. Nur tut sie nicht genug, geht nicht aggressiv genug mit ausreichender Feuerkraft und Mannstärke vor.

ThomasWach schrieb:Was nun McChrystal angeht, so würde ich gerne wissen, worauf du anspielst.
Im Irak sollen Spezialkräfte unter seinem Kommando recht exzessiv gefoltert haben.
In Afghanistan (und nicht nur dort) sollen seine spezielleren Einheiten durch überproportional hohe Kollateralschäden aufgefallen sein.
Und in der Tillman Affäre hat er auch keine rühmliche Rolle gespielt.

McChrystal hat mit seiner Terroristenjagd ohne Zweifel viel erreicht, ein Offizier der wie man sosagt auch mit zivilen Verlustquoten von 20 zu 1 keine Probleme hat, sollte den Mund in diesem Fall dann doch nicht zu weit aufsperren.
ALs JSOC hat er lange genug im Dreck gewühlt um zu wissen was Sache ist.


- Quintus Fabius - 28.12.2009

Thomas:

Zitat:Denn als Ziel gibt es nur die relativ vage Bekämpfung des Terrors, eine ziemlich abstrakte und unkonkrete Zielstellung, in der man sich verrannt hat

Terror ist bloß eine Methode des kampfes. Man kann daher Terror ebenso wenig bekämpfen wie man das Gefecht verbundener Waffen bekämpfen kann.

Wie wäre es mit einem Krieg gegen das Gefecht verbundener Waffen? Oder mit einem Krieg gegen den Krieg?

Das ganze ist gar kein Ziel. Es ist nicht vage, abstrakt oder unkonkret, sondern es ist in Wahrheit gar kein Ziel und das wissen die Politiker auch.

Mit dieser Worthülse, dieser Phrase soll das Volk davon abgelenkt werden, daß unser Einsatz kein Ziel hat !

Zitat:Gerade du monierst doch nicht mal völlig zu Unrecht, dass so wenige Ressourcen in diesen Kampf gesteckt werden

Gesteckt wurden. Bei meinen Ausführungen ging es im weiteren um theoretische Wege mit denen man in Afghanistan siegen könnte.

Reine Sandkastenspiele!

Wenn wir ein Ziel hätten (und ich habe explizit betont das vor einer Ausweitung die Definition eines Zieles stehen muß!), dann müssten wir mehr Ressourcen verwenden!

Ich habe es so geschrieben: Zuerst brauchen wir überhaupt ein Ziel, dann brauchen wir mehr Ressourcen.

Ein realistisches Ziel wäre beispielsweise die Beherrschung eines Großteils (um die 70 bis 80% der Fläche) von Afghanistan durch eine bestimmte Gruppe.

Dagegen ist Afghanistan und die dortige Bekämpfung des Terrors als politischer Zweck und Ziel unserer Politik sicher "ins Irreale" abgeglitten.

Die Bekämpfung der Terroristen in Afghanistan war nie das wahre Ziel unseres Einsatzes in Afghanistan !

Daher ist dieses Ziel auch nicht ins Irreale abgeglitten, sondern wir haben unser eigentliches Ziel, einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat nicht erreicht.

Da unser Ziel eben nicht erreicht wurde, ist der Einsatz in Afghanistan ohn Ziel. Den Terror zu bekämpfen ist kein Ziel wie ich es ja schon ausgeführt habe, sondern eine leere Propaganda Worthülse.

Zitat:Ist denn nicht die Anerkennung der Unterscheidung Partisanen/Zivilisten eine Regel?? Bedeuten bestimmte, wenn auch großzügige RoE auch Regeln?? Braucht man nicht immer bzw. hat man nicht immer irgendwelche Regeln? Ist denn nicht letztlich die Frage, welche Regeln gelten?

Funktionierende Strategie im Krieg ist ein System der Aushilfen. Desweiteren ist jeder Krieg einzigartig und bedarf daher einzigartiger Ansätze und Lösungswege. Das gleiche gilt auf der Operativen und Taktischen Ebene.

Jede Form von Einschränkung, jede Form von Regel ist daher im Krieg ein Nachteil. Das man eventuell zwischen Zivilisten und Partisanen unterscheidet kann daher richtig sein, es kann aber auch falsch sein. Entscheidend wäre hier, einfach Handlungsfreiheit zu haben. Das heißt eben nicht, daß man dann einfach die Zivilisten niedermetzelt, aber es heißt, daß man es könnte, und um das Potential geht es.

In einem Partisanenkrieg muß man selber vollständige Handlungsfreiheit haben.

Und gerade weil westliche Armeen diese Handlungsfreiheit nicht haben, haben die westlichen Armeen seit 1945 jeden Guerillakrieg außer Malaysia verloren. Und gerade Malaysia zeigt auf, wie wichtig Handlungsfreiheit vor Ort ist, wie entscheidend Dezentralisierung, handlungsfreiheit für die Offiziere vor Ort und für die Truppen ist.

Das gleiche im Krieg im Gazastreifen vor einem Jahr, als die Israelis ein ganz anderes Vorgehen als im Südlibanon verfolgten.

Wir gehen hingegen den völlig entgegen gesetzten Weg und von Deutschland aus wird von ganz oben bis in einfache Patrouillenfahrten hinein dirigiert.

Die Bundeswehr geht immer mehr weg von der Auftragstaktik hin zu einer total von der Obrigkeit gedrückten und überkontrollierten Vorgehensweise.

So kann man keinen Krieg führen, insbesondere keinen Guerillakrieg.


- Erich - 28.12.2009

Nightwatch schrieb:....
Oberst Klein handelte nach den RoEs, sein Verhalten ist nicht zu kritisieren.
...
der SPIEGEL hat schon sehr früh (Nr. 38/2009) berichtet, das Oberst Klein die Einsatzregeln der NATO gebrochen und den US-Piloten gegenüber falsche Angaben gemacht haben soll.
Bisher habe ich diese Aussagen noch nicht widerlegt erhalten.

Und eine sehr deutliche Kritik kommt auch von der Untersuchungskommission, den ISAF-Kommandanten McChrystal eingesetzt hatte.
Diese Kritik wäre nicht erfolgt, wenn sich Oberst Klein an die Regeln gehalten hätte.

Quintus Fabius schrieb:....

In einem Partisanenkrieg muß man selber vollständige Handlungsfreiheit haben.
....

So kann man keinen Krieg führen, insbesondere keinen Guerillakrieg.
die Sowjets haben in Afghanistan verloren, obwohl (oder gerade weil) sie wesentlich härter vorgegangen sind.
So wurde nach Methoden aus dem zweiten Weltkrieg die Einwohner ganzer Dörfer ermordet, wenn aus dem Dorf auf sowjetische Soldaten geschossen wurde.
Dass man mit solchen Methoden nicht gegen Partisanen ankommt, hat die Deutsche Wehrmacht mit ihren SS-Einheiten schon im 2. Weltkrieg (Griechenland, Jugoslawien, Italien ...) erfahren müssen, genauso wie die Franzosen im Algerien-Krieg. Mit diesen Methoden schafft man sich nur noch mehr Feinde.


- Nightwatch - 28.12.2009

Erich schrieb:
Nightwatch schrieb:....
Oberst Klein handelte nach den RoEs, sein Verhalten ist nicht zu kritisieren.
...
der SPIEGEL hat schon sehr früh (Nr. 38/2009) berichtet, das Oberst Klein die Einsatzregeln der NATO gebrochen und den US-Piloten gegenüber falsche Angaben gemacht haben soll.
Bisher habe ich diese Aussagen noch nicht widerlegt erhalten.
Der Spiegel hat in der Angelegenheit schon viel Blödsinn verzapft.
Im Übrigen habe ich dargelegt wie dein Troops in Contact zu bewerten ist.

Erich schrieb:Und eine sehr deutliche Kritik kommt auch von der Untersuchungskommission, den ISAF-Kommandanten McChrystal eingesetzt hatte.
Sicher, schließlich wollte man auch so ein Ergebnis haben.

Erich schrieb:Diese Kritik wäre nicht erfolgt, wenn sich Oberst Klein an die Regeln gehalten hätte.
Och nö du, die Amerikaner haben nur längst die Schnauze voll von unserem Affentheater in Kundus, Oberst Klein ist da nur der reichlich unglückselige Punching Ball.


- Erich - 28.12.2009

darüber haben wir ja schon diskutiert:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E7D98AB49A1C24BE0B392B347C2749A93~ATpl~Ecommon~Scontent.html">http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1 ... ntent.html</a><!-- m -->
Zitat:Debatte über Afghanistan-Einsatz
Boykott-Drohungen nach dem Ende eines Mythos

28. Dezember 2009 Drei von vielerlei Ungewissheiten geprägte Faktoren sind es, die in der deutschen Innenpolitik die Debatten über das künftige Engagement in Afghanistan prägen. Zunächst ist es die Entwicklung in der betroffenen Region selbst; die Sicherheitslage dort ist nicht besser geworden, und auch die Bundesregierung setzt sich von dem Mythos ab, aus dem Land könne eine Demokratie nach westlichen Maßstäben werden. Die Afghanistan-Konferenz Ende Januar und deren Ausgang sind der zweite Faktor. Hinzu kommt die Arbeit des Verteidigungsausschusses in Gestalt eines Kundus-Untersuchungsausschusses.
...

Eine Ausweitung des Bundeswehrkontingents über die bisherige Obergrenze von 4500 Soldaten hinaus müssten nach dem Stand der bisherigen Äußerungen aus den Parteispitzen die Koalitionsfraktionen im Bundestag gegen die drei Oppositionsfraktionen durchsetzen. Sie werden es nicht gerne tun. Sie wissen, dass der Einsatz in der Wählerschaft nicht beliebt ist.
...

Doch ist die Sache auch innerhalb der Koalition nicht einfach. Mitte Dezember hatte der CSU-Vorsitzende Seehofer die Spitzen CDU und FDP mit der Bemerkung konfrontiert, er habe „wenig Sympathie“ für eine Vergrößerung des deutschen Truppenkontigents.
...

Westerwelle tat in der Zeitschrift „Stern“ so, als drohe er mit einem Boykott internationaler Beratungen. „Wenn die Afghanistan-Konferenz in London eine reine Truppenstellerkonferenz wird, fahre ich nicht hin“, sagte er. „Was wir brauchen, ist ein breiter politischer Ansatz und eine Gesamtstrategie.“
...



- Quintus Fabius - 28.12.2009

Erich:

Die Rote Armee hat mit exakt der gleichen Methode mehrmals Guerilla-Bewegungen erfolgreich und nachhaltig niedergeschlagen.

Ein Beispiel sind die Islamistischen Basmatschi in Zentralasien, die von Frunse mit exakt denselben Methoden dauerhaft ausgelöscht wurden.

Auch in der Ukraine, im Kaukasus usw hat die Rote Armee mit exakt solchen Methoden Guerillabewegungen erfolgreich und nachhaltig zerschlagen.

Und hätte die Sowjetunion in Afghanistan so wie zur Zeit Stalins agiert, hätte sie auch dort gewonnen. Tatsächlich haben sich die Sowjets in Afghanistan aufgrund des Drucks der Weltöffentlichkeit militärisch zurück gehalten. Zugleich aber hatten die sowjetischen Soldaten nicht mehr die Disziplin die sie früher hatten!! Der Terror kam von unten, von den Soldaten selbst, und nicht von Oben auf Befehl der Führung hin.

Im weiteren vergleichst du Äpfel und Birnen. Wenn die Taliban heute eine solche Unterstützung hätten wie die Wiederstandskämpfer gegen die Sowjetunion damals, könnte sich die NATO im Land gar nicht halten und würde verjagt werden.

Das ist ein ganz anderer Krieg, der mit dem heutigen Krieg überhaupt nicht vergleichbar ist.

Es gibt im Krieg keine Axiome, das bedeutet:

Es kann so sein wie du es sagst, daß also diese Methode zu mehr Feinden und zur Niederlage führt.

Es kann aber auch genau so gut sein, daß sie Erfolg hat.

Jeder Krieg ist für sich selbst einzigartig, deshalb ist es falsch was du schreibst, den es gibt im Krieg eben keine Axiome.

Das heißt nicht im Umkehrschluß, daß das Abschlachten der Zivilisten immer funktioniert. Es kann genau so gut scheitern wie deine Strategie scheitern kann.

Für jede Situation braucht es eine eigene Lösung.

In Afghanistan bräuchten wir für eine Lösung erstmal drei Dinge:

1 Das Eingeständnis das der Krieg dort bereits verloren ist, erst durch das Eingeständnis und die Akzeptanz der Niederlage kann man neu beginnen

2 Ein realistisches, erreichbares Ziel

3 Mehr Ressourcen.

Da keines dieser drei Dinge erfüllt ist oder je erfüllt werden wird, ist Abzug die einzige Option.


- Erich - 28.12.2009

Quintus Fabius schrieb:....

In Afghanistan bräuchten wir für eine Lösung erstmal drei Dinge:

1 Das Eingeständnis das der Krieg dort bereits verloren ist, erst durch das Eingeständnis und die Akzeptanz der Niederlage kann man neu beginnen

2 Ein realistisches, erreichbares Ziel

3 Mehr Ressourcen.

Da keines dieser drei Dinge erfüllt ist oder je erfüllt werden wird, ist Abzug die einzige Option.
hmm, das kommt mir bekannt vor, ich habe auf der letzten Seite geschrieben:
Erich schrieb:....
Wir sind an einem Punkt angelangt, wo sich politische Fragen stellen, die wir insbesondere auch in Deutschland beantworten müssen:
  • 1. Wollen wir in Afghanistan an einem realen Kriegseinsatz beteiligt sein?
    2. Wen verteidigen wir dort - ausser korrupten Politikern und Drogenbaronen?
    3. Welche(s) andere (realistische) Kriegsziel(e) haben wir?
    4. Was hat die bisherige Strategie gebracht (ausser einer Stärkung der Taliban) und welche andere Strategie könnte sinnvoll sein, um diese(s) Kriegsziel(e) zu erreichen und
    5. Welches Ausstiegszenario gibt es für uns - und zwar in jeder Situation?
...

die Frage ist nur - reichen Deine Punkte aus, oder müssen wir die von mir genannten Punkte auch lösen, bevor wir weiter machen oder gar die Truppen aufstocken?


- Quintus Fabius - 28.12.2009

Erich:

Ein Beispiel für eine harte Lösung erst vor einem Jahr, wobei ich ausdrücklich betonen möchte, das man daraus eben keine !! Ableitungen für Afghanistan treffen darf:

Im Gaza Streifen haben die Israelis ungefähr 1500 Menschen getötet in kürzester Zeit, davon waren um die 500 Frauen und Kinder. 20 000 Menschen wurden im Gaza Streifen verletzt.

Das Kriegsziel war realistisch und begrenzt, man wollte den Beschuss mit Raketen und Mörsern auf unter 100 Angriffe pro Jahr drücken.

Vorher gab es um die 4000 Raketen und Mörserangriffe pro Jahr aus dem Gaza Streifen auf Israelisches Gebiet. Nach dem Schlag gegen den Gaza Streifen sank die Zahl der Angriffe jetzt auf um die 80 Raketen Angriffe pro Jahr.

Das Kriegsziel wurde erreicht.



Ein anderes Beispiel für die Zerschlagung einer Islamistischen Bewegung findet man in der Frühzeit der Sowjetunion:

Die Basmatschi waren eine Islamistische Bewegung in Zentralasien, mit sehr konkreten Vorstellungen von einem Islamischen Staat. Von 1919 bis 1920 eroberten sie große Teile Zentralasiens, obwohl die Rote Armee bereits zu dieser Zeit ihnen erbitterten Widerstand leistete.

Die Rote Armee war zu dieser Zeit in den Basmatschi Gebieten heillos in der Unterzahl und kämpfte daher selbst als Partisanentruppe gegen die Basmatschi. Dadurch erlangten die Kämpfer der Roten Armee eine enorme Kenntnis des Geländes und der Guerillakriegsführung da sie selbst anfangs jahrelang als Guerilla agierten.

Von 1920 bis 1930 ging die Rote Armee dann in die Gegenoffensive über. Die ersten Jahre leitete Frunse den Krieg gegen die Basmatschi sehr erfolgreich und zerschlug sie weitgehend, nach seinem Tod konnten die Basmatschi aber wieder an Boden gut machen.

Die Basmatschi konnten sich den neu nach Zentralasien gesandten sowjetischen Armeen jedoch nicht offen entgegen stellen und gingen nun selber dazu über als Guerilla zu agieren. Der Kampf dauerte 10 Jahre.

In den Gebirgen und abgelegenen völlig unerschlossenen Gebieten Zentralasiens leisteten die Basmatschi erbitterten Widerstand.

Zwischen 1928 und 1930 löschte dann die Rote Armee mit unvorstellbarer Brutalität auf direkten Befehl Stalins die Basmatschi regelrecht aus. Stalin hatte das so befohlen, und zwei Jahre Zeit gegeben, also hörte die Bewegung innerhalb dieses Zeitraums auf.

Dabei gingen die Sowjets durchaus nicht nur mit bestialischer Gewalt vor, sie nutzten zugleich Stammeskonflikte und Ethnische Konflikte und schürten sogar gezielt Gewalt zwischen den Ethnischen Gruppen. Im weiteren wurden Gruppen der Basmatschi selber in die Rote Armee aufgenommen! Es gab paralell zum Abschlachten, Morden und Niederfoltern auch eine ganze Reihe Kooperationen und eine erstaunliche Flexibilität der sowjetischen Truppenführer vor Ort.



Wie man also sieht, kann man auch in abgelegenen unerschlossenen Gebirgen eine Islamistische Guerilla die sich auf die Bevölkerung stützen kann innerhalb einiger Jahr mit Gewalt auslöschen. Und zwar so nachhaltig auslöschen das nichts davon übrig bleibt.

Und ich möchte nochmal betonen, daß man daraus für den heutigen Einsatz in Afghanistan eben gar nichts ableiten kann.

Man kann aber eben auch umgekehrt nicht !! sagen, daß Gewalt immer zu mehr Widerstand führt. Das ist eben nicht der Fall. In Nordafghanistan wird der deutsche Luftschlag gegen die Tanker beispielsweise allgemein begrüßt, und warum? Weil er sich gegen Paschtunen richtet und die Afghanen im Norden größtenteils eben nicht Paschtunen sind.

Eine Lehre der Sowjetischen Kriege gegen Islamisten ist eigentlich, die Rassenfrage für sich zu nutzen.

Etwas was die Sowjetuion in Afghanistan auch nicht gemacht hat, daß sie aber früher unter Stalin durchaus verstanden hatte.


- Quintus Fabius - 28.12.2009

Zitat:reichen Deine Punkte aus, oder müssen wir die von mir genannten Punkte auch lösen, bevor wir weiter machen oder gar die Truppen aufstocken?

Weiter machen würde heißen, wir versuchen ein Totes Pferd zu reiten! Die Truppen aufstocken heißt auch ein Totes Pferd zu reiten. Das ist alles völlig nachrangig weil das Pferd tot ist. Egal was wir dort machen, das Pferd ist Tot. Daher ist es egal ob wir abziehen, aufstocken, weiter machen, reduzieren, das Pferd bleibt Tot.

Meine Punkte reichen daher durchaus aus.

Im Gegensatz zu deinen Punkten steht bei mir an erster Stelle vor allem anderen das Eingeständnis das wir verloren haben.

Wir haben den Krieg dort verloren!

Dann steht an zweiter Stelle das Ziel!

Erst danach folgt alles andere.

Abhängig vom Ziel könnte auch eine Truppenreduzierung die Folge sein, was genau dann notwendig ist hängt ab vom Ziel.

Truppenaufstockung oder weiter machen oder truppen reduzieren oder komplett abziehen, das hängt ab vom Ziel! Erst muß ein NEUES Ziel definiert werden. Zur Zeit haben wir kein Ziel und wir haben verloren.

Da wir kein Ziel haben und da wir verloren haben ist jede Frage was nun dort gemacht werden sollte sinnlos !!!


- Erich - 28.12.2009

Quintus Fabius schrieb:Erich:

Ein Beispiel für eine harte Lösung erst vor einem Jahr, wobei ich ausdrücklich betonen möchte, das man daraus eben keine !! Ableitungen für Afghanistan treffen darf:

Im Gaza Streifen haben die Israelis ungefähr 1500 Menschen getötet in kürzester Zeit, davon waren um die 500 Frauen und Kinder. 20 000 Menschen wurden im Gaza Streifen verletzt.

Das Kriegsziel war realistisch und begrenzt, man wollte den Beschuss mit Raketen und Mörsern auf unter 100 Angriffe pro Jahr drücken.

Vorher gab es um die 4000 Raketen und Mörserangriffe pro Jahr aus dem Gaza Streifen auf Israelisches Gebiet. Nach dem Schlag gegen den Gaza Streifen sank die Zahl der Angriffe jetzt auf um die 80 Raketen Angriffe pro Jahr.

Das Kriegsziel wurde erreicht.

...
auch wenn mancher Nachtwächter jetzt wieder Zeter und Mordia schreit: dieses Kriegsziel hätte auch anders erreicht werden können.
Der Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen war nämlich die Reaktion auf die vorhergehende Abreigelung und Blockade durch Israel, und eine Aufhebung dieser wirtschaftlichen (!) Erdrosselungsversuche (hunderte von Pallis aus dem Gaza-Streifen haben in Israel gearbeitet) hätte die Raktenangriffe gar nicht erst provoziert bzw. von alleine ohne diese hunderte von Toten zum Erliegen gebracht.


- Quintus Fabius - 28.12.2009

Erich:

Die Wirtschaftsblockade besteht aber weiter. Und das Ziel wurde trotzdem errreicht.

Eine Aufhebung der Wirtschaftsblockade hätte zwar VIELLEICHT auch die Zahl der Raketenangriffe herunter gesetzt, aber es hätte die Hamas zugleich gestärkt.

Die Hamas hätte durch die Aufhebung der Blockade sehr viel stärker aufrüsten können.

Die ständigen Angriffe gab es übrigens schon vor der Blockade, deshalb möchte ich das Wort vielleicht in diesem Kontext betonen. Schon vor der Blockade gab es ungefähr 1000 Angriffe pro Jahr mit Mörsergranaten usw

Deine Strategie Erich hätte also die Hamas deutlich gestärkt, aber zugleich die Zahl der Angriffe nur vielleicht so stark vermindert.

Die Angriffe sind nämlich nicht einfach nur eine Reaktion auf die Blockade.

Sie sind AUCH eine Reaktion auf die Blockade. Mit der Betonung des Wortes auch.

Die Wirtschaftliche Erdrosselung der Palis ist aber eben nur ein Grund von mehreren. Schon vor der Blockade gab es massenweise Angriffe, viel viel mehr als es jetzt gibt.

Eine Aufhebung der Blockade stärkt die Hamas zu stark.

Item war die israelische Strategie richtig.


- Ingenieur - 29.12.2009

@Quintus

Allzu erfolgreich können die Sowjets in Zentralasien nicht gewesen sein, noch 1933 wurde die erste Kolchosenvorsitzende und Vorzeigekommunistin von den Basmatschi ermordet.

Was die westlichen Staaten und die Sowjetunion als Hemmschuh gemeinsamen haben, dass ihre Werte absolut zu setzen sind und in ihren Einflusszonen die Flexibilität der lokalen Statthalter einschränken. Genauso wie die marxistische Ideologie per Definition alle lokalen Bräuche, Kulturen und Religionen ersetzen muss, könnte der Humanismus westeuropäischer Prägung es nicht ertragen, ein Kalifat in Afghanistan zu hinterlassen.