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Kulturen im Konflikt - Druckversion

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Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Shahab3 - 30.06.2011

@Samun

Es ist absolut nachvollziehbar, dass Du meinen Einwand nicht verstehen kannst, wenn "Begriff" und "Bezeichnung" für Dich das gleiche bedeuten. Kulturbegriffe hat es vermutlich schon immer gegeben, also lange bevor der erste Deutsche Lesen und Schreiben gelernt hat.

Irgendwann hat jemand für diesen hiesigen Sprachraum einen bereits von Römern im Lateinischen mit einer Bedeutung belegten Bezeichnung ("cultura") mit einer neuen Bedeutung versehen. Das ist ja konkret das was man unter Begriffsbildung versteht. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass das Wort "Kultur" für eine Sprachgemeinschaft eine neue semantische Referenz auf einen existenten Referenten der Realwelt erhält. Oder noch einfacher, die Bedeutung eines Zeichens wird damit für eine Gruppe von Menschen (neu) definiert. Siehe etwa "Gammelfleischparty" als neue Bezeichnung in der jugendlischen Subkultur für den Begriff einer Party für über 30 Jährige. Dabei wusste auch vorher jeder, was eine Ü-30 Party ist. Den Begriff der Gammelfleischparty haben anfangs aber nur Insider verstanden. Niemand hat aber die Ü-30 Parties erfunden. Erstrecht keine verpickelten Teenies. Das ist ganz entscheidend für das Verständis dessen, was ich Dir sagen will.

Keinesfalls ist die Begriffsbildung übrigens auch nur ansatzweise deckungsgleich unter allen Sprachteilnehmern. Debatten zum Thema "Was ist Deutsche oder Europäische Kultur" führen dies vorzüglich vor. Das alles ist aber vollkommen davon losgelöst, dass es einen (wie auch immer gearteten) Begriff für den abstrakten Sachverhalt der Kultur vermutlich schon immer in menschlichen Gemeinschaften gegeben hat. Fälschlicherweise Gegenteiliges anzunehmen, a la "Die Deutschen haben die Kultur erfunden", zeugt von maßlosem Unverständnis einer ellenlangen Reihe von Dingen. Das ist nämlich nicht nur aus sprachwissenschaftlicher Sichtweise vollkommener Quatsch.

Die Kultur als abstrakes Realwelt-Ding kann ein Sprachwissenschaftler/Philosoph/Irgendwer ebensowenig "erfinden", wie er nur schwer (in der Regel nicht) ein einheitliches Begriffsverständnis für ein Zeichen/Wort erzeugen kann, welches auf dieses Realwelt Ding verweist/"meint". Die ganzen Überlegungen zur Semiotik hätte man sich sparen, wenn dem so wäre.

Der Begriff der Kultur -schon garnicht der Begriff der Kultur (-> Semiotik)- kann also prinzipiell keine Deutsche Erfindung gewesen sein. Das ist logisch unmöglich.


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Samun - 01.07.2011

Ein Wort mit dem Inhalt dessen was wir im Deutschen als "Kultur" bezeichnen, gibt es in anderen Sprachen nicht.
Und das bedeutet sehr wohl, dass die Deutschen "Kultur" als semantischen Begriff erfunden haben. Aber niemanden sonst hats interessiert, weil der Inhalt des Begriffes gelinde gesagt ohne praktischen Wert ist.
Ach ja und "Kultur" ist nur ein Sammelsurium für einen Haufen nicht weiter definierter Begriffe, der in Realwelt, wie du es nennst, keine Bedautung hat.
Ich kann auch einen Begriff erfinden unter dem ich einen Haufen andere Begriffe zusammenfasse, wie Schrauben, Hühner und Iraner. Das heißt noch lange nicht, dass das irgendwelchen praktischen Wert hätte.


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Shahab3 - 01.07.2011

Samun schrieb:Ein Wort mit dem Inhalt dessen was wir im Deutschen als "Kultur" bezeichnen, gibt es in anderen Sprachen nicht.

Was bezeichnen wir denn im Deutschen mit "Kultur", was sich inhaltlich von den Kulturbegriffen anderer Sprachgemeinschaften unterscheidet?

Zitat:Und das bedeutet sehr wohl, dass die Deutschen "Kultur" als semantischen Begriff erfunden haben. Aber niemanden sonst hats interessiert, weil der Inhalt des Begriffes gelinde gesagt ohne praktischen Wert ist.

Doch, Sprache dient ja der Kommunikation. Und mit einem Wort lässt sich über den entsprechenden Referenten sprechen und jeder weiß was gemeint ist.

Zitat:Ach ja und "Kultur" ist nur ein Sammelsurium für einen Haufen nicht weiter definierter Begriffe, der in Realwelt, wie du es nennst, keine Bedautung hat.

Was Du auch immer damit sagen willst, denn wenn "Kultur" Dinge bezeichnet, die nicht definiert sind, dann kann Kultur selbst nicht definiert sein, dann kann es keinen Zweck für eine Sprachgemeinschaft erfüllen dieses Wort zu verwenden. Niemand weiß dann was es bedeudet und kann die Intention mit der Du es verwendest nicht verstehen.

Zitat:Ich kann auch einen Begriff erfinden unter dem ich einen Haufen andere Begriffe zusammenfasse, wie Schrauben, Hühner und Iraner. Das heißt noch lange nicht, dass das irgendwelchen praktischen Wert hätte.

Du könntest diese Realweltentitäten gemeinsam mit einem einzigen Wort bezeichnen. Das wäre doch eine bahnbrechende Erfindung! Jetzt brauchst Du nur noch ein paar Leute innerhalb Deiner Sprachgemeinschaft, denen Du Wort und Bedeutung näher bringst und die dann mitmachen. Und wer weiß, vielleicht wirst Du noch berühmt weil Du den Begriff des Schraubhuhniraners maßgeblich geprägt hast?! :mrgreen:


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Samun - 01.07.2011

Der Punkt ist, das andere Sprachen diesen deutschen Kulturbegriff nicht kennen.
Das was man landläufig ins deutsche als "Kultur" übersetzt, hat in der anderen Sprache meist eine Bedeutung, die dem deutschen "Zivilisation" entspricht, nicht aber den Begriff Kultur.


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Erich - 02.07.2011

als Autor des ersten Postings möchte ich nun doch meine Meinung eingeben, wie dieser Strang von mir gedacht war:

es geht um verschiedene Kulturen - und wie der Titel "Übermacht des Westens" deutlich macht, um eine globale Sichtweise. Dabei gehe ich durchaus vom deutschen Begriff aus, der sich ja auch in der Geschichtswissenschaft etwa im Begriff der "Hochkultur" spiegel.t

Ich lese gerade Henry Kissinger's "Zwischen Tradition und Herausfordung - CHINA" und gleich im ersten Kapitel mach Kissinger deutlich, dass sich China und Chinesen als Teil einer Kulturgemeinschaft verstehen. Chinas Hochkultur hat über tausende von Jahren hin sein ganzes Umfeld in Ostasien dominiert. Träger dieser Kultur waren primär die Han-Chinesen, aber auch andere Völker und Ethnien wurden in dieser Kulturgemeinschaft integriert oder besser inkulturiert. Die fremden Eroberer, denen es immer wieder gelang, China zu erobern, haben sich als neue Dynastie etabliert und sich kulturell angepasst - mit der Übernahme des konfuzeanistischen Beamtenstaates bis hin zur Stellung des chinesischen Kaisers als der höcshten Verkörperung der Gemeinschaft, als höchster Instanz einer universalen politischen Hierarchie, die auch von dne Nachbarstaaten anerkannt wurde (es gab auch weniger Handelsbeziehungen als "Tribute" und "Geschenke" zwischen diesen Nachbarstaaten und dem chinesischen Reich als Zentrum von Schrift und Kultur).

Ein "Gegenbild" sind etwa Indien, das auch den Chinesen durchaus bekannt war und mit dem über die Seidenstraße auch Handelskontakt bestanden - und vor allem auch die römische Zivilisation. Während in Indien mit Hinduismus und Buddhismus eine religiöse Prägung besteht (und bestand) sind die Aspekte der chinesische Kultur im Wesentlichen säkular.
Das chinesische "Bauernreich" unterscheidet sich historisch massiv vom römischen Imperium, dessen Expansion durch die Legionen und nicht durch Inkulturation erfolgte.

Und heute? Nehmen wir doch die fast schon missionarische Haltung, den Universalismus, mit der die US-Amerikaner ihren "way of life", ihre Werte global verbreiten wollen. Chinas Expansion beschränkt(e) sich bislang darauf, die "Barbaren" in seiner unmittelbaren Umgebung "im Zaum" zu halten, zu disziplinieren (Indien, Vietnam), aber nicht zu kolonialisieren. Die Anerkennung der Überlegenheit der chinesischen Zivilisation sollte immer freiwillig erfolgen, nicht zwangsweise. Das Ziel der chinesischen Diplomatie war eine willfährige und gespaltene Peripherie (deren Streitigkeiten untereinander durchaus geschürt wurden) aber keine Peripherie, die direkt unter chinesischer Herrschaft stand. Auf diese Weise wurde die chinesiche Kultur und damit die Herrschaft der chinesischen Kaiser durch Inkulturation ausgedehnt. Die Eroberer wurden integriert ode sinisiert - zuletzt die Mandschu, deren angestammtes Stammland weit nördlich der chinesischen Mauer inzwischen rein chinesisch geprägt ist.

Ein anderer Hintergrund ist Huntington's "Clash of Zivilisations", wobei sich Huntington für meinen Geschmack zu sehr auf den islamischen Kulturkreis versteift. Dabei sind uns die islamischen Länder - auch aufgrund der religiös begründeten montheistischen Denkweise - viel "näher" als andere Kulturen, etwa China oder Indien. Auf unserer Hauptseite habe ich hier "klick" einmal einen Grobüberlick über die verschiedenen globalen Kulturkreise versucht.
Zitat: Kulturen im Konflikt

* Geopolitische Weltordnung ( 3 Articles )
I. Detailierte Übersichtsliste der einzelnen Kulturen/Länder
II. Geändertes geopolitisches Verständnis
IIa. weiterführende kritische Kommentierung
* Westliche Staaten - das christliche Abendland ( 50 Articles )
1. Lateinamerika (Spanisch, Portugiesischsprachige Staaten ab Mexiko + südl., Katholisch)
2. Nordamerika (Englisch, Protestantisch)
3. Westeuropa (EU + Aufnahmeländer ohne Weißrussland)
4. Osteuropa (Russland, Weißrussland, Ukraine)
5. Ozeanien (Australien, Neuseeland)
* Islamische Kulturen und Israel ( 39 Articles )
6. Hamito-Semitische Staaten (Arabische Liga, Ostafrikas Küste bis Tansania)
7. Turkstaaten (Türkei, Aserbaidschan, Zentralasiatische Türkstaaten, Hsinkiang)
8. Iranische Staaten (Iran, Afghanistan, Pakistan ca. bis zum Siedlungsgebiet der Paschtunen und Tadschikistan)
* Ostasiatische Kulturen ( 6 Articles )
9. China, Taiwan ('Greater China' von Konfuzius geprägt)
10. Japan, Korea, Mongolei (am Rande Chinas)
* Buddhistische Kulturen ( 6 Articles )
11. Burma, Thailand, Kambodscha, Laos und Vietnam)
* Malayische Völker ( 8 Articles )
12. mit Philippinen, Malaysia, Indonesien und Madagaskar
* Hindu-Kultur ( 7 Articles )
13. Indischer Kulturkreis mit Indien, den Himalaya Staaten wie Nepal usw.
* Afrikanische Kulturen ( 24 Articles )
14. Sudan-Afrika (Südlich der Sahara mit einer Grenze quer durch den Sudan incl. Äthiopien - als die Staaten, in denen Sudan-Sprachen gesprochen werden und der Islam von Arabien aus ausstrahlt)
15. Bantu-Afrika ab der Südgrenze Tansanias (Benin) ostwärts bis Kenia, die Ostafrikanische Küste (Einfluss von Arabern und Indern) und Südafrika (Einfluss der Europäer)
, die sich natürlich noch viel feiner ziselieren lassen. Alle diese Kulturen reagieren unterschiedlich auf die globalen Herausforderungen, auf den Kontakt mit anderen Kulturen.

Huntington mit seinem viel zitierten Buch ist ein typischer Vertreter der Konfrontationstheorie, die im westlichen Gedankenkreis dominiert. Das wiederum hat seinen Ursprung schon im römischen Umgang mit fremden Völkern und ist verstärkt worden durch die Entwicklung Europas mit vielen, mehr oder weniger gleich starken Staaten, die einerseits untereinander um Dominanz bemüht waren, dies aber andererseits nie geschafft hatten - bis zur Herausbildung des heutigen Völkerrechts und der Dioplomatie als eine Möglichkeit des Umgangs von souveränen Staaten miteinander.

Diese Unterschiede der Vorgehensweise herauszuarbeiten und zu bewerten, wäre mir wichtig.


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Erich - 29.10.2011

ich denke, das passt ganz gut hier her:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.fr-online.de/wirtschaft/in-der-hand-der-konzerne-147-firmen-kontrollieren-die-welt,1472780,11055250.html">http://www.fr-online.de/wirtschaft/in-d ... 55250.html</a><!-- m -->
Zitat:Datum: 24 | 10 | 2011

Mächtige Konzerne
147 Unternehmen kontrollieren die Welt

Eine Schweizer Studie kommt zu dem Ergebnis, dass lediglich 147 Konzerne die Weltwirtschaft kontrollieren. Besonders Banken und Rentenfonds stehen mit ihrem Einfluss ganz weit vorne.

...
Nun haben Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich erstmals genau nachgewiesen, welche Konzerne die Weltwirtschaft dominieren und wie weit ihr Einfluss reicht. Sie kommen zu einem genauso präzisen wie erschreckenden Ergebnis. Demnach kontrollieren lediglich 147 Konzerne große Teile der Weltwirtschaft. Sie haben gemessen an ihrer Größe überproportional viel Einfluss. Besonders dominant sind der Untersuchung zufolge Unternehmen aus dem Finanzbereich, also Banken und Rentenfonds. Als einflussreichstes Unternehmen der Welt stellte sich die britische Barclays Bank heraus.
....

Die Analyse zeigt die große Macht der Finanzinstitute. Der Kreis der 50 mächtigsten Unternehmen ist ein fast exklusiver Club von Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen. Nur die China Petrochemical Group schaffte es in diesen kleinen Kreis. Insgesamt sind drei Viertel der Unternehmen der Super-Einheit Finanzfirmen.
...

In der Fachwelt wird die Studie heiß diskutiert. Gregory Jackson, Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Freien Universität Berlin, hält die Untersuchung für hochinteressant.
...
dazu <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.youtube.com/watch?v=ucqcZm0QKH4&feature=fvwrel">http://www.youtube.com/watch?v=ucqcZm0Q ... ure=fvwrel</a><!-- m -->


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Schneemann - 19.12.2011

Aus dem Ägypten-Strang (von Erich):
Zitat:Die Mächtigkeit "des Westens" hat mehrere Ursachen:
1. die Kleingliedrigkeit Europas, die geographisch die Voraussetzung für Seefahrt und Entdeckungsreisen bot
2. die Übernahme wissenschaftlicher Kenntnisse aus dem Islam, die half, das "finstere Mittelalter" zu überwinden und frei für Entdeckungsreisen zu machen,
3. die Überbevölkerung und Autokratie in der beginnenen Neuzeit, die Auswanderung begünstigte und im gegenseitigen Krieg ständig verbesserte Waffensysteme zur Folge hatte
4. die industrielle Revolution, die "den Westen" zur globalen wirtschaftlichen Dominanz befähigte und
5. die Entwicklung der Menschenrechte und freiheitlichen Demokratie, die zu einem Wettlauf der besseren Ideen führte
- wobei wir diese Diskussion dann gerne in einem anderen Thread fortführen können;
Zu 2.) Es gab auch schon während des sogenannten "finsteren Mittelalters" (tatsächlich war es gar nicht so finster) Entdeckungsreisen, z. B. die von Marco Polo oder Luca Tarigo, ja meinetwegen selbst die von Leif Eriksson. Auch die Pilgerreisenden, die ins Heilige Land zogen (nicht nur während der Kreuzzüge, erste Reisen gab es bereits um 500 n. Chr., also schon bevor es den Islam überhaupt gab) brachten eine Vielzahl von Reiseerinnerungen ins Abendland, die inspirierend waren...

Schneemann.


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Quintus Fabius - 26.12.2011

Meiner Meinung nach spielen sich die meisten Konflikte heute gar nicht so sehr zwischen Meta-Kulturen, sondern innerhalb dieser Meta-Kulturen ab. Die jeweiligen Unter-bzw. Regionalkulturen liegen viel mehr im Konflikt miteinander als dies die größeren Überkonstruktionen tun. Musterbeispiel Islamische Welt: in der die Konflikte zwischen Muslimen und der Kampf Muslim gegen Muslim viel verbreiteter, heftiger und mit viel größere Opferzahlen aufwarten können, denn der Kampf zwischen den Islamischen Kulturen und den Westlichen.

Diesbezüglich eine These: die heute bestehende Übermacht des Westens könnte auch daher rühren, dass es zwischen den westlichen Kulturen heute intern weniger Konflikte gibt als dies in anderen Meta-Kulturen der Fall ist. Die Islamische Welt wäre dann umgekehrt gerade deshalb so schwach, weil sie intern derart Konfliktbeladen ist, sich also schlicht und einfach selbst bekämpft und dadurch schwächt.

Dies ist natürlich nur ein Faktor von mehreren, aber meiner Ansicht nach könnte er einige Dinge erklären. Die Konflikte innerhalb der Kulturen sind meiner Meinung nach etwas, was zu wenig Beachtung findet und zu sehr hinter den Großen "Kampf der Kulturen" zurück tritt. Als Konflikte sind hierbei nicht nur ethnische und religiöse Konflikte innerhalb der Kulturräume, sondern auch solche zwischen Klassen und zwischen Staaten und Organisierter Kriminalität zu verstehen.

So sind beispielsweise in Brasilien Konflikte rückläufig, während paralell dazu Brasilien aufsteigt. Während wiederum weite Teile Mittelamerikas und Südamerikas drastisch absteigen, während sie zugleich immer heftigeren Konflikten zwischen Staat und Organisierter Kriminalität ausgesetzt sind (Mexiko, Honduras, aber auch Staaten wie Venezuela usw)

Europäer und Nord-Amerikaner aber haben heute de facto fast gar keine Konflikte bzw gar keine ernsthaften (bewaffneten) Konflikte mehr innerhalb ihres Kulturraumes und auch dadurch eine Übermacht gegenüber anderen, innerlich konflitkreicheren Kulturräumen. Soweit meine These. Auch innerhalb einzelner Länder kann man auf diese Weise den Zusammehang zwischen innerer Ruhe und Ordnung und der Machtzuwächse oder -verluste der jeweiligen Länder auf diese Weise auch in einem höheren Kontext bestimmte Auswirkungen zuordnen.


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Shahab3 - 27.12.2011

@Quintus
Sicherheit und Frieden gehören sicherlich zu den wichtigsten Grundlagen für Prosperität. Insofern ist der aufgezeigte Gedankengang von Dir schwer von der Hand zu weisen. Andererseits gehört militärische Stärke und ein funktionierendes Staatswesen ebenfalls ganz elementar dazu; bildet die Voraussetzung für die erstgenannten Punkte. In den letzten Jahrhunderten konzentrierten sich diese Fähigkeiten/Eigenschaften vorwiegend (also als Regel mit vereinzelten Ausnahmen) auf den Siedlungsraum Europas und der USA. Den Nahen/Mittleren Osten sehe ich noch weit davon entfernt, da es neben Israel, Türkei und Iran keine "Staaten" gibt, die diesen Begriff auch nur annähernd verdienen ("Staatskultur" vs "Stammeskultur"). Auch wenn muslimisch wie christlich angehauchte Politiker oder Beobachter das anders sehen oder aus gutem Grund darstellen mögen, Religion stellt im Prinzip "nur" ein vereinendes Element einer Gemeinschaft dar. Religion ist damit ein bedeutendes Element von Kultur, aber die Religion ist für die o.g. staatlichen Erfordernisse vollkommen unerheblich. Insofern machen Unterschiede in der Religion bestimmt nicht den entscheidenden Faktor für Analysen oder Prognosen aus.


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Quintus Fabius - 28.12.2011

Zitat:Andererseits gehört militärische Stärke und ein funktionierendes Staatswesen ebenfalls ganz elementar dazu; bildet die Voraussetzung für die erstgenannten Punkte. In den letzten Jahrhunderten konzentrierten sich diese Fähigkeiten/Eigenschaften vorwiegend (also als Regel mit vereinzelten Ausnahmen) auf den Siedlungsraum Europas und der USA.

Hierzu könnte man geschichtlich ergänzen, dass vor dem 19 Jahrhundert nicht die Europäer militärisch stark waren, sondern das ihre Gegner schlicht und einfach aufgrund innerer Schwächen militärisch schwach waren. Die Militärische Stärke der Europäer entstand erst aus ihren immensen Siegen über andere Kulturen. Diese Siege aber resultierten nicht aus Europäischer Militärischer Stärke sondern aus immenser Schwäche der Gegner. Die Europäer stießen genau zu einer Zeit in andere Kulturräume vor, als diese eine Phase extremer militärischer Schwäche durchmachten (Indien, China).

Erst durch die Erschaffung Europäischer Weltreiche entstand dann eine vorübergehende tatsächliche militärische Überlegenheit der Europäer. Diese militärische Übermacht war aber eben nicht Ursache, sondern Folge der Übermacht des Westens zuvor.

Hier kann man meiner Meinung nach leicht Ursache und Wirkung verwechseln. Zuerst kam die Europäische Übermacht (aufgrund der Inneren Schwäche der anderen Kulturen dieser Zeit), dann entstand aus dieser erst eine tatsächliche militärische Überlegenheit. Insbesondere lässt sich dies für den Raum von Indien und China beobachten, und ebenso für den Niedergang des Osmanischen Reiches und der Islamischen Welt, der erheblich militärischen Druck vom Westen nahm.

Als einzige Ausnahme könnte man hier Amerika anführen, und die Eroberung Amerikas ist auch ein wesentlicher Faktor für die Übermacht des Westens gewesen. Aber auch hier gelang die nachhaltige Eroberung in Wahrheit nicht durch europäische Waffenüberlegenheit, sondern durch eine Vielzahl von Faktoren (Krankheiten und Seuchen, in der Folge dessen Zusammenbruch starker indianischer Militärmächte, Stammesstrukturen und Innere Schwäche der Indianischen Gegner usw)

Im Endeffekt wurde die Macht der Europäer durch diverse Machtvakuen in anderen Kulturräumen überhaupt erst so aufgebläht.


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Samun - 02.01.2012

Ich würde bei der Eroberung Amerikas keine Ausnahme machen. Sowohl in Nord- als auch in Südamerika waren die Eroberer den Eroberten faktisch nie überlegen. Aber die "Amerikaner" haben sich lieber gegenseitig bekämpft, weil sie in ihren traditionellen Feinden immer die größere Bedrohung sahen und nicht in den Europäern. Und das selbst dann noch, als es augenscheinlich war, dass die Europäer immer mächtiger wurden.

Hier mochte ich eine These aus einem anderen Thread aufgreifen. Im Thread "Klimaveränderung" haben wir gesagt, dass das Problem der Menschen in der Unfähigkeit zur Anpassung an sich verändernde Umstände liegt. Und ich behaupte, das ist auch hier der Fall. Nicht nur Naturkatastrophen/-ereignisse erzeugen die Notwendigkeit sich anzupassen, sondern auch technologische, gesellschaftliche und andere Entwicklungen. Und hier dominiert immer der, der am besten in der Lage ist sich anzupassen.
Daraus würde ich schließen, dass es die Fähigkeit der Europäer war, dynamisch zu agieren und flexibel auf die sich ergebenen Umstände zu reagieren und sich bietende Chancen zu nutzen, die sie von den anderen "Kulturen" unterschied und die ihnen die Mittel gab letztlich die Dominanz über die anderen Kulturen zu erlangen.
Wenn man sich die Geschichte betrachtet, sieht man, dass zu Anfang der Kolonialisierungszeit die Europäer ihren Gegnern immer weit unterlegen waren, aber durch das konsequente Nutzen von verfügbaren Mitteln und durch das Ausnutzen der vorhandenen Mächtekonstellationen letztlich die Oberhand gewinnen konnten.
Man sieht aber auch, dass da wo die anderen Mächte selbst konsequent agierten der eropäische Vormarsch - zeitweise -aufgehalten werden konnte.
Erst in späterer Zeit griffen die - nun voll entwickelten - Kolonialmächte zu brachialer Gewalt, die aber oft voll gegen den Baum ging, trotz Einsatz von Mitteln, die ein vielfaches dessen war, das "früher" notwendig war um größere Gebiete zu erobern. Beispiele hierfür sind die Burenkriege. Der britische Versuch Afghanistan zu besetzen, die italienischen Niederlagen in Äthiopien oder die spanischen Katastrophen bei Annual.


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Tiger - 02.01.2012

@Samun
Die These mit der Unfähigkeit zur Anpassung an sich verändernde Umstände hat was - auch im kulturellen Bereich.
Die Conquista in Amerika taugt hier durchaus als passendes Beispiel. Cortez setzte sich ja eigentlich nur an die Spitze eines Aufstandes gegen die Azteken und ermöglichte Spanien, das entstehende Machtvakuum auszufüllen. Unter anderen Umständen hätte eben Tlaxcala die Kontrolle über die Region an sich genommen, und der Staat der heute Mexiko heißt würde heute wohl Tlaxcala heißen und den weißen Reiher als Wappentier führen.
Ähnlich war es in Südamerika mit den Inka.
Kein Machtvakuum führt dagegen der Islam in Europa aus. Er bleibt weitgehend abgeschlossen - vielleicht durch die auch in der Religion stellenweise festgeschriebene Xenophobie, die ihn mit ihrer Einteilung der Welt in Dar al-Harb, also "Haus des Krieges" und Dar al-Islam in ein Nischendasein zwingt. Das Wohlstandsgefälle zwischen einheimischer Bevölkerung und muslimischen Migranten bzw. deren Nachfahren festigt das ganze erst recht. Im Grund sind die Muslime in Europa, um Ralph Peters zu zitieren, gerade mal willkommen um den Abfall von Europas Spielplatz aufzulesen.


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Samun - 03.01.2012

Im Prinzip ist es nichts anderes als die fehlende Fähigkeit sich anzupassen oder flexibel zu agieren.
Die die "gerade mal willkommen um den Abfall von Europas Spielplatz aufzulesen" sind, sind die die ihre Kultur mitgebracht haben und sie nicht anpassen können oder wollen. Die die sich angepasst haben, bemerken wir größtenteils garnicht. Denn die nutzen die sich hier bietenden Möglichkeiten und sind im öffentlichen Leben kaum von der Stammbevölkerung zu unterscheiden. Während die anderen das nicht tun. Sie nutzen die Dinge, die es bei ihnen vorher nicht gab nicht und bleiben deswegen zurück.


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Quintus Fabius - 05.01.2012

Samun und Tiger:

Speziell zu Amerika möchte ich noch anmerken, dass man die entscheidende Militärische Seite der Eroberung vielleicht zu sehr hinter Bürgerkriegen, Pocken usw versteckt. Die Spanier waren selbst zahlenmässig weit überlegenen Heeren von Eingeborenen militärisch weit überlegen. Sie waren natürlich insgesamt militärisch unterlegen.

Aber ohne ihre militärische Überlegenheit hätten die sie begleitenden Indianerheere keine Chance gehabt, die Spanier bildeten Schwerpunkte und waren in diesen immer weit überlegen. Sie brachen dadurch die feindlichen Heere auf und diese verloren ihren Zusammenhalt bzw wurden durchstoßen und gerade dadurch allein war es den indianischen Verbündeten möglich, den Rest zu besiegen. Für sich alleine hätten die Spanier natürlich nicht so schnell so extreme Erfolge erzielt, aber auf Dauer wäre es auch nicht anders gekommen.

Zu Tlaxcala sollte man beispielsweise bedenken, dass die Tlaxcalteken die Spanier zunächst angriffen und sich mit diesen mehrere Feldschlachten lieferten in denen Tlaxcala von den Spaniern besiegt wurde. Durch Erschöpfung wäre das spanische Heer aber aufgrund der numerischen Übermacht ihrer Gegner auf Dauer vernichtet worden, kurz bevor die Spanier nicht mehr konnten, bot Tlaxcala dann das Bündnis an.

Davor aber siegten die Spanier in offener Feldschlacht gegen die Streitkräfte Tlaxcalas. Ebenso wie bei anderen Gelegenheiten sehr kleine Europäische Heere über sehr große Indianische Heere siegten. Abgesehen von der bloßen Zahl hatten die Einheimischen der damals bestehenden Europäischen Militärtechnologie fast nichts entgegen zu setzen. Insbesondere die Kombination von Rondartschen (Stahlschilden) mit Plattenrüstungen und Degen war für indianische Gegner im Nahkampf vernichtend, noch dazu wenn man als Formation kämpfte. Die Gegner der Spanier hatten eigentlich nur die Möglichkeit, diese durch bloße Abnutzung in Form von Erschöpfung zu erledigen.

Ein besseres Beispiel für die These des Machtvakuums stellen wie von Tiger genannt die Inka dar. Hier war es tatsächlich primär der Bürgerkrieg in Kombination mit der Pockenepedemie der für die Spanier den Ausschlag gab.

Aber insgesamt bin ich der Überzeugung, dass die Europäer auch ohne diese Verhältnisse sich in Amerika mit der Zeit durchgesetzt hätten, nur halt nicht so schnell, sondern viel langsamer. Insgesamt aber war Europa den Indianischen Kulturen schlicht und einfach militärisch weit überlegen.

Um nun Samuns Flexibilitätsthese aufzugreifen: Was insbesondere in Amerika auffällt ist, dass die meisten Indianischen Kulturen schlicht und einfach nicht in der Lage waren, sich an die ihnen überlegene Kriegsführung der Europäer anzupassen. Von daher ist die Eroberung Amerikas durch die Europäer meiner Ansicht nach ein weiterer guter Beleg für die These, dass die Frage der Anpassungsfähigkeit entscheidend ist. Fast alle indiansichen Gegner der Europäer waren bis zum Schluß nicht in der Lage, ihre Kriegsführung anzupassen. Sie führten selbst in ihren letzten Schlachten noch die ritualisierte Kriegsführung durch, die ihren Untergang herbei zwang. Umgekehrt gelang es den Europäern, sich wenn notwendig, ihren indianischen Gegnern anzupassen, wenn dies bestimmte Umstände erzwangen.

Auch hierfür bietet Südamerika das beste Beispiel: die Inka waren nicht in der Lage, ihre Kriegsführung zu modernisieren und ihre Kultur an die Europäer anzupassen. Daher scheiterte ihr Widerstand selbst dann, als sie sich dann geschlossen gegen die Spanier stellten.

Die Mapuche Indianer gleich südlich der Inka hingegen passten ihre Kriegsführung extrem schnell an die Europäer an, genau so wie sie ihre Kriegsführung zuvor an die Inka angepasst hatten. Sie konnten von den Spaniern nie besiegt werden (genau so wenig wie die Inka sie zuvor besiegen konnten), und erst der moderne Staat Chile konnte die Mapuche im 19 Jahrhundert wirklich unterwerfen.

Wenn man also nun die These der Anpassungsfähigkeit hernimmt, stellt sich nun die Frage, warum die Europäer anpassungsfähiger waren als andere Kulturen bzw Völker ?

Warum waren die Europäischen Völker flexibler und anpassungsfähiger ?

Sind sie es noch heute ?

Wann begann diese Anpassungsfähigkeit und woraus genau resultierte sie ?


Re: Kulturen im Konflikt - Übermacht des Westens? - Exirt - 05.01.2012

Ich denke das der Islam großen Anteil hatte an dieser Fähigkeit zur Anpassung.
Zitat:Kein Machtvakuum führt dagegen der Islam in Europa aus. Er bleibt weitgehend abgeschlossen - vielleicht durch die auch in der Religion stellenweise festgeschriebene Xenophobie, die ihn mit ihrer Einteilung der Welt in Dar al-Harb, also "Haus des Krieges" und Dar al-Islam in ein Nischendasein zwingt. Das Wohlstandsgefälle zwischen einheimischer Bevölkerung und muslimischen Migranten bzw. deren Nachfahren festigt das ganze erst recht. Im Grund sind die Muslime in Europa, um Ralph Peters zu zitieren, gerade mal willkommen um den Abfall von Europas Spielplatz aufzulesen.

Nein, nur weil der Islam nicht agressiv vorgeht heißt das noch lange nicht das er erfolglos ist.
Es geht dem Islam mehr um die Menschen und ihr Seelenheil und nicht um mögliche Reichtümer, und das war schon immer so.