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Großbritannien - Druckversion

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RE: Großbritannien - Helios - 17.08.2016

(17.08.2016, 11:53)Mitleser schrieb: Sind evtl auch nur Latrinenparolen, aber die deutsche Hysterie um den Brexit sprach ja schon Bände.

Die deutsche Hysterie war eine Mediensache, die für ein paar Tage das Sommerloch ausgefüllt hat. Nach zwei Wochen war das Thema Brexit dann wieder weitgehend irrelevant. Und Boulevardmedien sind hier wie da keine gute Informationsquelle für eine seriöse Diskussion. Wink


RE: Großbritannien - Schneemann - 11.06.2017

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Großbritannien haben die Tories von Premierministerin May einen Dämpfer erlitten. Im Kontext des Brexit kamen manche Hardliner-Töne vermutlich bei den Wählern, denen langsam die möglichen negativen Folgen des Brexit bewusst werden, nicht gerade gut an. Allerdings dürften lt. Beobachtern auch interne politische und wirtschaftliche Probleme (Altersarmut, Bildungsfragen, Infrastruktur) die Wahlniederlage begünstigt haben.
Zitat:Wahl in Großbritannien

Die Tür zurück zur EU steht einen Spaltbreit offen [...]

Auf den zwei Bildschirmen bei der Wahlparty der Pro-Europäer von „Best for Britain“ und „InFact“ blitzt es immer öfter rot auf. Mehr und mehr Sitze gehen überraschend an Labour. Für die Gäste hier im West End klar ein Votum gegen Theresa Mays Plan vom harten Ausstieg. [...] Die britische Parlamentswahl am Donnerstag hat der Premierministerin nicht das von ihr erhoffte „starke Mandat“ gegeben, im Gegenteil. Aber das heißt noch lange nicht, dass der Brexit nun ganz anders ausgeht. [...]

Gerade eine angeschlagene Premierministerin „könnte jetzt noch mehr auf die Konfrontation mit Brüssel setzen“, warnt Simon Tilford vom Centre for European Reform. Denn in ihrer Tory-Partei sind die brennenden Euroskeptiker gegenüber den Moderaten noch immer in der Überzahl. Angesichts der knappen Mehrheit, die May sich gerade zusammenklaubt, klingt Tilfords Warnung nicht weit hergeholt. [...]

Momentan gibt es nur eine Folgerung, auf die sich die Experten einigen können: dass dem Königreich eine lange Zeit wirtschaftlicher wie politischer Instabilität bevorsteht. Zumal die Brexit-Verhandlungen, die am 19. Juni beginnen sollen, nur eine der riesigen Herausforderungen sind, vor denen die Regierung steht. Schon vor der Wahl haben die Briten die steigende Inflation zu spüren bekommen, jüngste Zahlen zum Wirtschaftswachstum sind dürftig. Es knirscht an allen Ecken und Enden: bei der Gesundheitsversorgung, der Altersabsicherung, im Wohnungsmarkt, im Bildungssystem. [...]

Doch immerhin: „Die Regierung wird in den Brexit-Gesprächen nun weit demütiger auftreten“, glaubt Adam Thomson, Direktor des European Leadership Network. Bis dato hat May den Europäern beispielsweise unverhohlen gedroht, die Kooperation im Sicherheitsbereich aufzukündigen, sollte es keinen guten Deal geben. „Jetzt wird London vermutlich viel mehr betonen, was es in Europa alles beitragen kann.“
https://www.welt.de/politik/ausland/article165412360/Die-Tuer-zurueck-zur-EU-steht-einen-Spaltbreit-offen.html

Ferner: Die Gespräche zwischen Tories (die eine Minderheitsregierung planen) und der DUP (die diese Regierung "dulden" soll) sind bislang nicht so ganz erfolgreich gewesen, wie den ersten Meldungen zufolge man hätte annehmen können. Und auch hier überschattet der Brexit anscheinend die Verhandlungen. Es wird sogar darüber spekuliert, dass May, die mit der vorgezogenen Wahl ein starkes Mandat angestrebt hatte, zurücktritt...
Zitat:Großbritannien: Mays Regierung wackelt wieder

Tories und rechte nordirische DUP haben sich, anders als gemeldet, noch nicht geeinigt. Premierministerin May strebt eine von der DUP tolerierte Minderheitsregierung an.

Die Verhandlungen zwischen den britischen Konservativen und der nordirischen Partei DUP über eine Zusammenarbeit im Parlament dauern entgegen früherer Meldungen an. "Die bisherigen Gespräche waren positiv", teilte DUP am Sonntag mit; die Diskussionen würden nächste Woche fortgesetzt. Mays Büro hatte zuvor gemeldet, es gebe im Grundsatz eine Verständigung. Eine offizielle Koalition sei nicht geplant, aber die DUP habe zugesagt, bei wichtigen Abstimmungen im Parlament für die konservative Regierung zu stimmen. [...]

Ein Streitpunkt in den Gesprächen dürfte die Grenze zwischen Irland und Nordirland nach dem EU-Austritt der Briten sein. Die Brexit-Verhandlungen sollen am 19. Juni starten. Die DUP will keine geschlossene EU-Außengrenze zu Irland, für Theresa May ist die Kontrolle über die Grenzen aber einer der wichtigsten Punkte in den Verhandlungen. [...] May hat in der vorgezogenen Parlamentswahl am Donnerstag ihre Regierungsmehrheit verloren und strebt nun eine Minderheitsregierung an. [...] Beobachter halten es für möglich, dass die Premierministerin zurücktritt, sobald sie eine Minderheitsregierung gebildet hat.

Mays Ansehen hat auch in den eigenen Reihen schwer gelitten.

http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-06/grossbritannien-theresa-may-dup-tories-verhandlungen

Schneemann.


RE: Großbritannien - Schneemann - 17.03.2018

Die Geschichte um die Vergiftung des ehemaligen, mittlerweile in England lebenden GRU-Agenten Sergej Skripal und seiner Tochter vor knapp zwei Wochen in Salisbury, beide leben noch, sind aber aktuell in einem kritischen Zustand, mit einem bislang unbekannten Nervengift (manche Quelle spricht von Nowitschok, einem in vielen Derivaten existierenden Nervengift aus spätsowjetischen Zeiten), zieht diplomatisch allmählich immer weitere Kreise. Laut britischen Quellen weist die Art des Anschlags, man denke auch an den Fälle Litwinenko und Gluschkow, eindeutig nach Russland bzw. in Richtung russischer Geheimdienstkreise. Nachdem Großbritannien daraufhin am 14. März rund zwei Dutzend russische Diplomaten vor die Türe gesetzt hatte, hat sich Russland nun revanchiert und seinerseits 23 britische Diplomaten ausgewiesen, zudem wurden Kultureinrichtungen mit Sanktionen belegt.
Zitat:Nach Anschlag auf Skripal

Russland weist britische Diplomaten aus

Das russische Außenministerium weist im Streit um den Giftanschlag auf den Ex-Spion Skripal 23 britische Diplomaten aus dem Land. Damit reagiert es wie angekündigt auf die britischen Sanktionen nach dem Attentat.

Im Streit mit Großbritannien über den Giftanschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal im englischen Salisbury verweist Russland 23 britische Diplomaten des Landes. Die Betroffenen hätten eine Woche Zeit das Land zu verlassen, teilte das Außenministerium mit. [...] Das britische Außenministerium bestätigte die Ausweisung seiner Diplomaten und kündigte an, in der kommenden Woche im nationalen Sicherheitsrat über weitere Schritte in dem Streit zu beraten. Zunächst wolle man aber erst einmal den betroffenen Mitarbeitern in Russland bei der Rückkehr nach Großbritannien helfen. [...]

Nach dem Attentat hatte Moskau ein britisches Ultimatum zur Aufklärung des Attentats verstreichen lassen. Die Regierung in London verwies daraufhin 23 der Spionage beschuldigte russische Diplomaten des Landes. Russland hat jegliche Verwicklung in die Affäre zurückgewiesen. Deutschland, Frankreich und die USA stellten sich hinter Großbritannien. Italien und Australien sicherten London ebenfalls Rückendeckung zu. Auch die NATO hat nach eigenen Angaben keine Zweifel daran, dass Russland für den Anschlag verantwortlich ist.
https://www.tagesschau.de/ausland/skripal-russland-diplomaten-101.html

Schneemann.


RE: Großbritannien - Facilier - 07.05.2022

https://www.cicero.de/aussenpolitik/nordirland-wahlen-irland-sinn-fein-oneill-brexit

Zitat:Machtwechsel erschüttert das Vereinigte Königreich
Nach den Wahlen in Nordirland stellt zum ersten Mal die nationalistische Partei Sinn Fein die Regierungschefin. First Minister Michelle O’Neill kündigt als Erstes ein Referendum über die Wiedervereinigung Nordirlands mit den Rest der Insel an. Doch ihre Partei kann nicht allein regieren. Und der Brexit sorgt für zusätzliche Spannungen.



RE: Großbritannien - Schneemann - 07.07.2022

Zitat:GROSSBRITANNIEN

Boris Johnson stimmt Rücktritt als britischer Premierminister zu

Nach Medienberichten tritt Boris Johnson noch am Donnerstag als Parteichef der Tories zurück. Regierungschef will er bis zum Herbst bleiben. Sein Büro kündigt eine Ansprache an. [...] Nach einer offenen Revolte gegen ihn wird der britische Premierminister Boris Johnson laut Medienberichten noch am Donnerstag als Parteichef der Konservativen zurücktreten. Johnson wolle aber noch bis Herbst Regierungschef bleiben, meldete der britische Sender BBC am Donnerstag. Nach einer ganzen Reihe von Skandalen waren seit Dienstagabend mehr als 50 Minister und andere Regierungsvertreter aus Protest gegen Johnson zurückgetreten. [...]

Zuvor hatte Johnson zunehmend an Rückhalt verloren. Mehrere Kabinettsmitglieder waren zurückgetreten, weitere Tory-Mitglieder legten ihre Ämter nieder. Selbst der erst am Dienstag in seinen Posten berufene Finanzminister Nadhim Zahawi rief Johnson öffentlich zum Rücktritt auf. „Premierminister, in Ihrem Herzen wissen Sie, was das Richtige ist. Gehen Sie jetzt“, schrieb Zahawi in einem auf Twitter veröffentlichten Brief an Johnson. Bis zuletzt hatte der sich kämpferisch gezeigt und einen Rücktritt abgelehnt. [...]

Die Serie von Rücktritten begann in dieser Woche kurz nach einer Stellungnahme Johnsons, in der dieser sich dafür entschuldigt hatte, einen unter dem Verdacht der sexuellen Belästigung stehenden Tory-Politiker zum stellvertretenden Parlamentarischen Geschäftsführer gemacht zu haben. Chris Pincher war Ende vergangener Woche von diesem Posten zurückgetreten, nachdem er zwei Männer sexuell belästigt hatte.
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/boris-johnson-stimmt-ruecktritt-als-britischer-premierminister-zu-18155692.html

Schneemann


RE: Großbritannien - Schneemann - 06.09.2022

Ich denke, die hier auflaufenden Probleme sind nicht mehr nur alleine mit dem Brexit erklärbar (wenngleich es sicherlich auch übergreifende Einflüsse gibt), insofern stelle ich es nicht in den Brexit-Strang im Spekulationenbereich, sondern hier ins Landesdossier. Generell scheint das Vereinigte Königreich in eine seiner schlimmsten Rezessionen seit der frühen Thatcher-Zeit hineinzurutschen...
Zitat:Johnsons fatales Erbe

Der britische Patient

Rekordinflation, ein marodes Gesundheitssystem und jede Menge Arbeitskämpfe - die künftige britische Premierministerin Truss hat von ihrem Vorgänger Johnson etliche Baustellen geerbt. Klar ist: Sie anzugehen, wird teuer. [...]

Großbritannien leidet unter der höchsten Inflation innerhalb der G7-Industriestaaten, im Juli waren es 10,1 Prozent - der höchste Wert seit 40 Jahren, mit Prognose in Richtung 20 Prozent. Die Labour-Opposition spricht angesichts steigender Preise von einem nationalen Notstand. Der Chef der Bank of England, Andrew Bailey, warnt, das Land könnte in die längste Rezession seit der globalen Finanzkrise rutschen. [...]

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass die stark gestiegenen Preise für Gas und Strom schon jetzt knapp die Hälfte der Menschen in Großbritannien finanziell an ihre Grenzen bringt. 45 Prozent der Befragten geben an, sie könnten sich den ab Oktober geltenden Energie-Preisdeckel, der für einen durchschnittlichen Haushalt auf umgerechnet rund 4100 Euro jährlich gestiegen ist, nicht mehr leisten. Fast 20 Prozent erklären, dass sie inzwischen Mahlzeiten auslassen. Verbraucherschutzexperte Martin Lewis verwies in der BBC darauf, dass die ab Oktober geltende Preisdeckelung für Energiekosten 37 Prozent der staatlichen Rente ausmache; bei Sozialhilfeempfängern sei es sogar ein noch größerer Teil des ihnen zur Verfügung stehenden Geldes. Alarmismus? Den Vorwurf wies Lewis von sich: "Ich sage: Das ist eine Katastrophe, einfach weil es eine ist. Schlichtweg unbezahlbar." [...]

Während die Inflationsrate und die Preise steigen, stiegen die Löhne nicht im gleichen Maße mit, beklagen die Gewerkschaften. Großbritannien schlittert in einen Streik-Herbst. Seit Monaten schwelen Arbeitskämpfe in den unterschiedlichsten Branchen." Angemessene Bezahlung, und zwar jetzt", fordern streikende Hafenarbeiter am größten Überseehafen in Felixstowe ebenso wie die Müllabfuhr in Edinburgh, wo während des berühmten Kulturfestivals im August Ratten zwischen verrottenden Müllbergen durch die Stadt liefen. Immer wieder kommt es zu Arbeitsniederlegungen bei der Post, tagelang liegt das Land wegen wiederkehrender Bahnstreiks lahm. [...]

Ein besonderer Schmerzpunkt ist der Gesundheitsdienst NHS. Gesundheitsminister Steve Barclay wurde jüngst während eines Interviews auf offener Straße von einer Passantin beschimpft, weil Krankenwagen wegen überfüllter Kliniken oft stundenlang warten müssen, bis sie Patienten einliefern können: "Menschen mussten sterben und Sie haben nichts getan!", wurde er angeherrscht. Und nicht nur bei Notfällen gibt es gefährliche Verzögerungen. Landesweit warten fast sieben Millionen Menschen auf sogenannte "nicht dringende" Behandlungen, wie Hüftoperationen, aber auch Krebstherapien verzögern sich. Darüber hinaus fehlen 100.000 Pflegekräfte in Kliniken und mehr als 4000 Allgemeinmediziner - unter anderem Folge des Brexits. [...]

Und was den schwelenden Streit mit der Europäischen Union wegen der ungeklärten Brexit-Probleme rund um das Nordirland-Protokoll angeht, muss die Regierung auch zeitnah entscheiden, ob die derzeitige Situation günstig ist, um einen Handelskrieg mit der EU zu riskieren.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/truss-aufgaben-101.html

Schneemann


RE: Großbritannien - lime - 06.09.2022

(06.09.2022, 07:33)Schneemann schrieb: Ich denke, die hier auflaufenden Probleme sind nicht mehr nur alleine mit dem Brexit erklärbar (wenngleich es sicherlich auch übergreifende Einflüsse gibt), insofern stelle ich es nicht in den Brexit-Strang im Spekulationenbereich, sondern hier ins Landesdossier. Generell scheint das Vereinigte Königreich in eine seiner schlimmsten Rezessionen seit der frühen Thatcher-Zeit hineinzurutschen...
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/truss-aufgaben-101.html

Schneemann

Ein Punkt ist die völlig verfehlte Energiepolitik, die durch den Ukrainekrieg nun zum Desaster wird. Für die Zukunft fast rein auf Gaskraftwerke zu setzen war ein schwerwiegender Fehler. Tatsächlich können die Briten sogar froh darüber sein, dass dieses Kartenhaus jetzt schon zusammen zu brechen droht. Noch haben sie Substanz und Know How in Sachen Atom- und Kohlekraft. In 10-20 Jahren hätte es da schon anders ausgesehen. Jetzt fehlt allerdings noch eine Regierung die diesen Fehler auch zugibt bzw. zumindest rückgängig macht.


RE: Großbritannien - Nightwatch - 08.09.2022

Zitat: Queen Elizabeth II has died, Buckingham Palace announces

Queen Elizabeth II, the UK's longest-serving monarch, has died at Balmoral aged 96, after reigning for 70 years.
https://www.bbc.com/news/uk-61585886

RIP


RE: Großbritannien - Schneemann - 09.09.2022

Ein Ruhepol, eine moralische Institution und ein Stabilitätsanker (im psychologischen Sinne) ist von uns gegangen.

Schneemann


RE: Großbritannien - Schneemann - 21.10.2022

So, damit wäre das Kapitel "kürzeste Amtsperiode eines Premierministers" auch abgeschlossen - inmitten einer der schwersten wirtschaftlichen Krisen der Nachkriegszeit.
Zitat:ANHALTENDE KRITIK

Britische Premierministerin Truss tritt zurück

Die britische Premierministerin und Chefin der konservativen Torys, Liz Truss, ist am Donnerstag nach nur rund sechs Wochen im Amt zurückgetreten. Sie werde noch bis zur Ernennung eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin im Amt bleiben, so Truss in einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz. Sie habe bereits mit König Charles III. darüber gesprochen. [...] Da die Torys die Mehrheit im Parlament haben, stellen sie auch automatisch die Premierministerin bzw. den Premierminister. [...]

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte eine Neuwahl. „Eine Neuwahl ist nun ein demokratischer Imperativ“, schrieb Sturgeon von der linksliberalen Scottish National Party am Donnerstag auf Twitter, nachdem Truss ihren Rücktritt verkündet hatte. „Es gibt gar keine Worte, um diesen Scherbenhaufen angemessen zu beschreiben“, so Sturgeon. Normale Bürgerinnen und Bürger müssten dafür den Preis zahlen. Die Interessen der konservativen Tory-Partei, die innerhalb einer Woche eine Nachfolge für Truss finden will, dürften nun keine Rolle spielen. [...]

Erst am Freitag hatte Truss ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng entlassen und durch den früheren Außenminister Jeremy Hunt ersetzt. Hunt machte am Montag fast alle Bestandteile ihrer erst Ende September verkündeten Steuerpolitik rückgängig. Er kündigte an, die eigentlich für zwei Jahre vorgesehene Energiepreisdeckelung auf sechs Monate zu beschränken. [...] Die von der oppositionellen Labour-Partei anberaumte Abstimmung Mittwochabend geriet völlig aus den Fugen. Bei der Abstimmung über Fracking, bei der nicht klar war, ob sie auch eine Vertrauensfrage war, war es zu chaotischen Szenen und Rangeleien unter den Abgeordneten gekommen. [...] Das Chaos werfe „in jeder Hinsicht ein erbärmliches Licht auf die Konservative Partei und die aktuelle Regierung“, sagte der Abgeordnete Charles Walker der BBC. Aus dieser Situation gebe es kein Zurück mehr, in seinen 17 Jahren im Parlament habe er noch nie etwas Vergleichbares gesehen. „Das ist ein Scherbenhaufen und eine Schande. Ich bin unfassbar entsetzt, ich bin wütend“, sagte Walker. „Ihre Position ist unhaltbar geworden“, twitterte die Abgeordnete Sheryll Murray.
https://orf.at/stories/3290589/

Aber die...ähm...gute Nachricht ist, dass es vielleicht sogar schon einen Ersatz gibt, der gar nicht so unbekannt ist. Wenn ich das Land nicht mögen würde - und angesichts des zerbröselnden NHS und der maroden Infrastruktur, Brexit, Lieferengpässen, Teuerungen, Nordirland etc. tun mir die Briten echt leid -, würde ich sagen: Besser als jede Netflix-Serie...
Zitat:Bei Wettanbieter hoch gehandelt

Boris Johnson sammelt seine Truppen

In Großbritannien erreicht die innenpolitische Krise einen weiteren Tiefpunkt. Nun will offenbar ausgerechnet Boris Johnson es richten. Medienberichten zufolge erwägt er eine Rückkehr als Premier und schart schon seine Unterstützer um sich. Offenbar glaubt er, die Tories umkrempeln zu können.

Der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson erwägt Medienberichten zufolge eine Rückkehr in die Downing Street. Wie die Zeitungen "Times" und "Telegraph" übereinstimmend schreiben, spielt Johnson nach dem Rücktritt seiner Nachfolgerin Liz Truss bereits Gedanken durch, um ihr wiederum nachzufolgen. [...] Wie die "Times" berichtet, bat der ehemalige Premierminister bereits Verbündete, Spender und das Team, das ihm zum Sieg bei den Parlamentswahlen 2019 verholfen hat, seine Kampagne für eine Rückkehr in die Downing Street zu führen. Am Donnerstagabend hatte Johnson demnach bereits 20 Unterstützer. Jacob Rees-Mogg, der Wirtschaftsminister, soll ihm bei der Durchführung seiner Kampagne helfen. Sky News zitierte ein Kabinettsmitglied mit den Worten, dass Johnson in der Lage sei, die für eine Kandidatur nötigen Stimmen von 100 Tory-Abgeordneten zu erreichen.
https://www.n-tv.de/politik/Boris-Johnson-sammelt-seine-Truppen-article23665648.html

Schneemann


RE: Großbritannien - Nightwatch - 21.10.2022

Ja, nach der vorzeitigen/vorläufigen Absetzung der Trump-Show legt sich das britische Original mächtig ins Zeug Wink

Aber im Ernst, die Rückkehr von Johnson ist doch gesteigert wahrscheinlich IMO. Ich bin jetzt sicher kein Experte für Torrie-Parteinnenpolitik Rolleyes, aber wer soll denn da jetzt mehr Stimmen auf sich vereinigen können? Das sind immernoch die selben Gestalten wie im September und schon damals wollte die Parteibasis Johnson eigentlich behalten.
In verschiedenen Umfragen sprach sich in einem Dreikampf zwischen Truss, Sunak und Johnson immer eine deutliche Mehrheit für Johnson aus, seit Rücktritt wurde jeweils von einer Mehrheit gar als falsch verachtet. Etwa:
https://yougov.co.uk/topics/politics/articles-reports/2022/08/19/two-and-half-weeks-go-liz-truss-now-leads-rishi-su
Was soll da jetzt anders sein?

Johnson kann sich als Mann des Volkes /der Basis inszenieren der von den Machtgeilen Eliten ins aus gedrängt und jetzt als Retter in der Not bereit steht es diesen Totalversagern hiemzuzahlen. Oder irgendwie so.
Insofern, wenn er wirklich 100 Tory-Abgeordnete hinter sich bringen kann (keine Ahnung) wird er es auch.

Und warum auch nicht, so schlecht war seine Politik jenseits persönlicher Skandälchen und Skandale auch nicht.


RE: Großbritannien - Schneemann - 25.10.2022

Zitat:LETZTER KANDIDAT

Rishi Sunak wird britischer Premierminister

Das Vereinigte Königreich wird erstmals von einem indischstämmigen Premierminister regiert. Am Ende war keine Abstimmung in Fraktion oder Partei nötig: Es gab keine Konkurrenz mehr. [...]

Der frühere britische Schatzkanzler Rishi Sunak wird Premierminister des Landes. Graham Brady, der Vorsitzende des für Führungsfragen in der Konservativen Partei zuständigen „1922 Committee“ im Unterhaus, teilte am Nachmittag in London mit, dass es zum Ablauf der Frist keine weiteren Anwärter für das Amt des Anführers der Konservativen Partei gebe. [...] Sunak war nach dem Rücktritt des damaligen Premierministers Boris Johnson im September bei einer Urabstimmung der Konservativen Partei der Ministerin Liz Truss unterlegen. Sie wurde sodann Premierministerin und kündigte nach nur 45 Tagen im Amt am vorigen Donnerstag ihren Rücktritt an. Sunak hatte in dem parteiinternen Wahlkampf den Sommer über immer wieder hervorgehoben, dass Truss' wirtschaftliche Vorhaben unrealistisch und gefährlich seien. [...]

Rishi Sunak ist der erste indischstämmige Premierminister des Vereinigten Königreichs. Der 42 Jahre alte Politiker hatte Johnson von Februar 2020 an als Finanzminister gedient und musste sich sogleich mit den Folgen der Corona-Pandemie befassen. Sein Rücktritt im Juli dieses Jahres hatte maßgeblich zum Sturz Boris Johnsons beigetragen. [...]

Angesichts der fehlenden Abstimmung bezweifelt die Opposition Sunaks demokratisches Mandat und verlangt Neuwahlen. Der Chef der Liberaldemokraten, Ed Davey, sagte, in Sunak hätten die Tories abermals einen „abgehobenen Premierminister installiert, ohne Plan, den Schaden zu beheben und ohne dem britischen Volk ein Mitspracherecht zu geben“. Labour-Vizechefin Angela Rayner kritisierte: „Die Tories haben Rishi Sunak zum Premierminister gekrönt, ohne dass er ein einziges Wort darüber gesagt hat, wie er das Land regieren würde, und ohne dass irgendjemand die Möglichkeit hatte, abzustimmen.“ Der Fraktionschef der Schottischen Nationalpartei, Ian Blackford, rief Labour-Chef und Oppositionsführer Keir Starmer auf, ein Misstrauensvotum gegen Sunak im Unterhaus zu beantragen.
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/rishi-sunak-wird-premierminister-grossbritanniens-und-tory-anfuehrer-18410570.html

Es ist in gewisser Weise eine Ironie der Geschichte: Quasi hat die ehemalige Kronkolonie damit das Mutterland erobert...

Schneemann


RE: Großbritannien - lime - 25.10.2022

(25.10.2022, 12:23)Schneemann schrieb: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/rishi-sunak-wird-premierminister-grossbritanniens-und-tory-anfuehrer-18410570.html

Es ist in gewisser Weise eine Ironie der Geschichte: Quasi hat die ehemalige Kronkolonie damit das Mutterland erobert...

Schneemann

Nicht wenn der man sich als Brite fühlt und nicht als Inder. Und davon gehe ich einfach mal aus.


RE: Großbritannien - Schneemann - 22.12.2022

Großbritannien wird derzeit von einer massiven Streikwelle heimgesucht, auch im Gesundheitswesen. Und es kommt eigentlich alles zusammen: Brexit, Corona-Nachwirkungen, Inflation (über 10%), steigende Mieten und Energiekosten - so wie überall -, ein recht jämmerliches Sozialsystem und ein chronisch unterversorgter und kaputtgesparter NHS (dieser wird über eine jährlich festgelegte Verfügungssumme bedient und nicht über Beiträge wie in Deutschland). Und in der Folge streiken nun die total überlasteten Gesundheitsdienste - übrigens hat erstmals seit seiner Gründung vor 106 Jahren sich auch der RCN (Royal College of Nursing - quasi die Gewerkschaft des Pflegepersonals) an den Streiks beteiligt. Mit entsprechenden Folgen.

Es ist eine prekäre Mischung, die hier zusammenkommt - und man hätte es sehen können, aber gerade die Tories, die seit 2010 regiert hatten, haben die Augen verschlossen...
Zitat:Ambulance strike: Warning of very challenging days ahead

Hospitals were quieter than normal during Wednesday's ambulance strikes, but Thursday is likely to be "very challenging" with lots of patients turning up, health bosses say.

Only the most serious 999 calls were responded to. But there was no evidence of people going to A&E in taxis or their own cars, NHS Providers told the BBC. Thousands of paramedics, call handlers and technicians took action in England and Wales on Wednesday. Saffron Cordery, interim chief executive of NHS Providers, which represents hospital trusts, mental-health trusts and ambulance services in England, said it was still too early to know the full impact of the strike, but she said category-one calls - which are life-threatening situations - "had been answered". [...]

Thursday and Friday were going to be "incredibly difficult days across the NHS because there is a lot of unseen demand and risk out there", she said. [...] People were also being urged to use their own transport or take a taxi to get to hospital. But Ms Cordery said that "as far as we can tell", people had not been attending A&E in taxis or by their own vehicles. [...]

A spokesperson for West Midlands Ambulance Service - one of nine where industrial action was taking place in England - said there had been a reduction in calls and staff were grateful to the public for heeding advice to call 999 only in life-threatening situations.

Unions had agreed that ambulance workers would respond to category-one 999 calls and the most serious category-two calls (emergencies, including strokes and major burns) during strikes, but there would be no guarantee of a response to less urgent calls, such as falls. This prompted Health Secretary Stephen Barclay to accuse unions of taking a conscious decision to inflict harm on patients - an accusation that Unite union leader Sharon Graham said was a "blatant lie". [...] Ambulance waits for calls classed as emergencies have doubled in two years - from an average of around 20 minutes to more than 40 minutes. The target is 18 minutes.
https://www.bbc.com/news/health-64053080

Schneemann


RE: Großbritannien - Schneemann - 04.01.2023

Zitat:Arbeitskampf im Königreich

Großbritannien erlebt die größte Streikwelle seit Jahrzehnten

Krankenschwestern, Bahn-Angestellte und Grenzschützer fordern höhere Löhne. Doch die Regierung sagt, es fehle schlichtweg das Geld, um die Folgen der Inflation voll abzufedern. [...] Nicht nur Grenzschützer sind in den Arbeitskampf gezogen, auch Angestellte von Post und Bahn, Krankenschwestern und Pfleger. Sie alle fordern höhere Löhne, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten in den Griff zu kriegen. Die Inflationsrate liegt in Großbritannien mittlerweile bei gut zehn Prozent.

Die Regierung hat bereits klargemacht, dass es sich der Staat schlichtweg nicht leisten kann, den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eine Lohnerhöhung zu gewähren, die die Folgen der hohen Inflation voll abfedern würde. Für Premierminister Rishi Sunak stellt sich daher die Frage, wie er auf die Streikwelle reagieren soll - ohne dabei selbst zu sehr unter Druck zu geraten. [...]

Sunak hat bereits angekündigt, das Streikrecht einzuschränken. Ansonsten dürfte er sich vor allem von Meinungsumfragen leiten lassen. Denn das Verständnis für die Streiks fällt in der Bevölkerung je nach Branche unterschiedlich aus. So unterstützen die Britinnen und Briten mehrheitlich die Anliegen von Pflegern und Krankenschwestern. Dass hingegen Grenzschützer und Polizistinnen die Arbeit niederlegen, stößt auf weitaus weniger Zustimmung. [...]

Politisch gesehen hat Sunak vor allem ein Problem: den unterfinanzierten staatlichen Gesundheitsdienst NHS. Dessen Krankenschwestern und Pfleger, die in Großbritannien als Heldinnen und Helden der Corona-Pandemie gelten, fordern 19 Prozent mehr Lohn. Die Regierung hält das für maßlos übertrieben, bislang bietet sie nur ein Plus von fünf Prozent. Die Fronten sind ziemlich verhärtet. Es dürfte allerdings nur eine Frage der Zeit sein, bis die Regierung wieder an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Denn gerade im Winter offenbart sich der teils katastrophale Zustand des Gesundheitssystems. [...] Allein im November mussten demnach knapp 38 000 Menschen mehr als zwölf Stunden in der Notaufnahme ausharren, bevor sie auf eine Krankenhausstation verlegt wurden - dreieinhalb Mal so viele wie im Vorjahr.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/grossbritannien-streiks-1.5726263

Schneemann