![]() |
|
United States of America - Druckversion +- Forum-Sicherheitspolitik (https://www.forum-sicherheitspolitik.org) +-- Forum: Blickpunkt Europa und der Westen (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=89) +--- Forum: Sicherheitspolitik und Wirtschaft (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=93) +--- Thema: United States of America (/showthread.php?tid=1897) Seiten:
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
98
99
100
101
102
103
104
105
106
107
108
109
110
111
112
113
114
115
116
117
118
119
120
121
122
123
124
125
126
127
128
129
130
131
132
133
134
135
136
137
138
139
140
141
142
143
144
145
146
147
148
149
150
151
152
153
154
155
156
157
158
159
160
161
162
163
164
165
166
167
168
169
170
171
172
173
174
175
176
177
178
179
180
181
182
183
184
185
186
187
188
189
190
191
192
193
194
195
196
197
198
199
200
201
202
203
204
205
206
207
208
209
210
211
212
213
214
215
216
217
218
219
220
221
222
223
224
225
226
227
228
229
230
231
232
233
234
235
236
237
238
239
240
241
242
243
244
245
246
247
248
249
250
251
252
253
254
255
256
257
258
259
260
261
262
263
264
265
266
267
268
269
270
271
272
273
274
275
276
277
278
279
280
281
282
283
284
285
286
287
288
289
290
291
292
293
294
295
296
297
298
299
300
301
302
|
RE: United States of America - Schneemann - 17.07.2022 Ich denke mal, dass die Streitkräfte eine auf einzelne Bundesstaaten beschränkte bürgerkriegsähnliche Situation durchaus bewältigen könnten. Einen landesweiten Bürgerkrieg dürfte es so im "klassischen Sinne" nicht geben, von einigen Hinterwäldlern in den Appalachen oder den Wäldern Oregons abgesehen, die aber auch die lokale Polizei in den Griff kriegen würde. Zumindest hat bspw. die Nationalgarde massive Ausschreitungen, wie etwa die Rodney-King-Riots 1992 oder auch die Lage nach Hurrikan Katrina 2005, recht zügig in den Griff bekommen. Zudem sind von diesen 400 Mio. Feuerwaffen die meisten Pistolen oder Flinten und keine Kriegswaffen, d. h. auch wenn medienwirksam mit Sturmgewehren bewaffnete Milizen sich in der Öffentlichkeit sehen lassen, so ist dies wiederum nicht die "private Standardausstattung" im Wandschrank und die Feuerkraft würde zwar für einen Bandenkrieg, aber nicht für einen Bürgerkrieg gegen ein regulär ausgestattetes Militär ausreichen. Das Risiko sehe ich dann, wenn zunehmend Militärwaffen ins Spiel kämen. Wenn also etwa Militärs selbst Waffen an die Fraktionen der Auseinandersetzung verkaufen oder wenn gar aus dem Ausland Waffen ins Land geschmuggelt werden (bspw. von Ländern, die den USA Schaden zufügen wollen, indem sie einen Bürgerkrieg befeuern). Interessant als Vgl. hierzu wäre z. B. die Entwicklung in Nordirland während der Troubles zu betrachten. Zunächst hatte das britische Militär die Lage relativ gut unter Kontrolle (und genügend Flinten und Pistolen gab es da schon im Land), nach der politischen Verhärtung der Lage - v. a. nach dem "Blutsonntag" 1972 - kamen indessen mehr und mehr Kriegswaffen ins Land, darunter per Schiff geschmuggelte M60-Maschinengewehre, 12,7-mm-DShK-MGs, Semtex und RPG-7. Einen Teil dieser Lieferungen, wobei da Libyen die Finger drin hatte, konnten u. a. die Franzosen abfangen, aber eben nicht alles. Und ab diesem Zeitpunkt, grob Mitte der 1970er, kippte die Lage und die Briten verloren nach und nach die Kontrolle. Sicherlich konnten sie nicht voll zuschlagen, es wären ja quasi die eigenen Bürger und Städte gewesen (in den USA wäre es ja genauso, wenn es zu einem Krieg zwischen radikalen Gruppen käme), aber am Ende stand eben ein Friedensprozess, der nicht vom Militär erzwungen wurde, sondern der durch innenpolitischen Druck entstand, nachdem die verschiedenen Milizen und Terrorsplittergruppen sich durch sinnlose und blutige Bombenanschläge völlig desavouiert hatten unter den Menschen auf beiden Seiten des Konfliktes. Zudem hatten die Briten fast 800 Militärangehörige verloren, während die Verluste der radikalen Konfliktparteien (durch britische Waffenwirkung, nicht bei Kämpfen untereinander) sich bei wohl ca. 300 bis 400 Mann bewegten. D. h.: Die US-Streitkräfte werden ähnlich wie die Briten die Lage in den Griff bekommen können, so lange sich nur übergewichtige Milizionäre mit ihren Poser-Halbautomaten im Gangsterstyle bekämpfen, sobald aber tatsächliche Kriegswaffen ins Spiel kommen, könnte die Lage tatsächlich kritisch werden, da schlicht nicht voll zugeschlagen werden kann in den eigenen Siedlungsgebieten. Hier könnte es dann so sein, dass nur eine Kriegsmüdigkeit und der Zorn der Bevölkerung auf die beiden Konfliktparteien einen Frieden wieder erzwingen könnte. Schneemann RE: United States of America - Schneemann - 19.07.2022 Es zeigt sich, überspitzt ausgedrückt, dass nicht nur Waffenfreizügigkeit und Übergewicht problematisch sein können hinsichtlich "Lebenserwartung", sondern dass auch Ignoranz durchaus verheerende Folgen haben kann... Zitat:People in Republican Counties Have Higher Death Rates Than Those in Democratic Countieshttps://www.scientificamerican.com/article/people-in-republican-counties-have-higher-death-rates-than-those-in-democratic-counties/ Aber ich erinnere mich da auch an einen (Dokumentar-)Film, in dem es um die Theorie einer Erdscheibe ging (was natürlich Schwachsinn ist), wo Vertreter dieser These in den USA anmerkten, sie würden es nicht glauben, dass ihnen die Beine fehlten, so lange sie nicht von einer Bombe weggerissen würden... Schneemann RE: United States of America - Quintus Fabius - 20.07.2022 Schneemann: In Bezug auf einen Bürgerkrieg / den bewaffneten Kampf gegen die eigenen Bürger sind die Streitkräfte in den USA keineswegs allesamt so ausreichend loyal zur Zentralregierung, dass man davon ausgehen kann, dass die Befehle dieser Regierung allesamt befolgt würden. Bei der Nationalgarde ist dies noch wesentlich fragwürdiger. Entsprechende Spannungen traten bereits vor kurzem bei Manövern auf, als beispielsweise der Gouverneur von Texas die Nationalgarde dort anwies Truppen der US Army bei einem Manöver zu begleiten und engmaschig zu beobachten, weil das Manöver von ihm als eine Aggression und Drohgebärde (ernsthaft) gegen Texas dargestellt wurde. Desweiteren ist es keineswegs so, dass der Gros der 400 Mio aufwärts an Waffen einfach nur Pistolen und Flinten wären. Es sind völlig ausreichend Militärwaffen, teilweise sogar Maschinengewehre im Umlauf. Ebenso unterschätzt zu meiner Ansicht nach sowohl das militärische Niveau als auch den Umfang von Milizen und anderen paramilitärischen Gruppen in den USA. Im weiteren steht in den vernetzten Artikeln explizit, dass der nächste Bürgerkrieg eben keineswegs die Form einer offenen militärischen Auseinandersetzung zwischen "Streitkräften" hätte, sondern ein landesweiter Guerilla- / Partisanenkampf wäre. Diese Auffassung habe ich ebenso und exakt darauf bereiten sich die entsprechenden Gruppen vor. Die Annahme, dass die Streitkräfte der Zentralregierung mit hunderttausenden schwer bewaffneten Guerillas im eigenen Land fertig werden könnten ist darüber hinaus abenteuerlich. Man ist ja nicht mal mit ein paar wenigen tausend Taliban fertig geworden, deren Können und Bewaffnung deutlich schlechter waren. Die US Streitkräfte werden die Lage also keineswegs in den Griff kriegen, sondern mit einer Ausweitung des Aufstandes / Partisanenkrieges in den USA werden sie in Teilen zunehmend zu einer Quelle für die Aufständischen / Partisanen werden. Dazu kommt noch das reale Problem der Sezession von Bundesstaaten. Es gibt bereits hier und heute mehrere Bundesstaaten in denen eine starke Sezessionsbewegung aktiv ist. Sollte diese dort überhand nehmen, würde die Nationalgarde dieser Staaten zu einer Quelle für die Aufständischen was Kämpfer und militärisches Material angeht. Dann würde der Bürgerkrieg sehr schnell noch ganz andere Formen annehmen. Kurz und einfach: das von dir vorgetragene Bild übergewichtiger Milizionäre mit Poser-Halbautomaten könnte falscher nicht sein. In den USA ist man längst ganz woanders. Und keineswegs würden sich die Kämpfe auf irgendwelche abgelegenen Waldgebiete beschränken, ganz allgemein planen die meisten solchen Gruppen in den USA eine urbane Guerilla und die systematische Zerstörung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in den Städten. Und keineswegs würde die lokale Polizei diese Dinge in den Griff kriegen, zumal es in manchen Ecken inzwischen immer weiter reichende Überschneidungen zwischen Polizeikräften und irgendwelchen lokalen Milizen gibt. Gerade die teilweise schwerst bewaffneten Sheriff-Departments (welche größtenteils Veteranen beschäftigen) sind hier ein zunehmendes Problem. Kurz und einfach: die Lage ist wesentlich problematischer und labiler als dies hierzulande gemeinhin wahrgenommen wird. RE: United States of America - Schneemann - 20.07.2022 @Quintus Zitat:Entsprechende Spannungen traten bereits vor kurzem bei Manövern auf, als beispielsweise der Gouverneur von Texas die Nationalgarde dort anwies Truppen der US Army bei einem Manöver zu begleiten und engmaschig zu beobachten, weil das Manöver von ihm als eine Aggression und Drohgebärde (ernsthaft) gegen Texas dargestellt wurde.Ich bin mir nun nicht sicher, welches Ereignis du genau meinst bzw. wann es sich ereignet haben soll. Ich habe da ein wenig herumgesucht und letztlich nur ein Ereignis von 2015 gefunden, das aber in einem etwas differenzierteren Licht zu betrachten wäre, wenn man nachfolgenden Artikel liest: Zitat:Hysteria over Jade Helm exercise in Texas was fueled by Russians, former CIA director sayshttps://www.texastribune.org/2018/05/03/hysteria-over-jade-helm-exercise-texas-was-fueled-russians-former-cia-/ Also wenn ich das so durchgehe, dann sehe ich da eher eine gewisse Informationswirrnis, gepaart mit dem gezielten, populistischen Versuch, sich seitens des Gouverneurs ggü. Obama irgendwie als Retter des Bundesstaates zu inszenieren vor dem "bösen" Washington, was aber nicht einfach auf die Gesamtheit der Menschen im Bundesstaat bzw. auf deren Selbstverständnis übertragen werden sollte. Zumindest kann man es nicht als Anzeichen einer Sezession oder dergleichen deuten. Zitat:Desweiteren ist es keineswegs so, dass der Gros der 400 Mio aufwärts an Waffen einfach nur Pistolen und Flinten wären. Es sind völlig ausreichend Militärwaffen, teilweise sogar Maschinengewehre im Umlauf. Ebenso unterschätzt zu meiner Ansicht nach sowohl das militärische Niveau als auch den Umfang von Milizen und anderen paramilitärischen Gruppen in den USA.Das kann man aber nicht auf die Bevölkerung direkt übertragen, denn die meisten Besitzer von feuerstärkeren Waffen haben mehr als eine dieser Waffen, im Schnitt sind es etwa acht Waffen pro US-Haushalt. Aber: 60% der US-Haushalte sind unbewaffnet. Wenn also nun der Schnitt bei acht Waffen je Haushalt liegt, aber 60% gar keine Waffen haben, haben also einige Haushalte (wobei ich da leider keine genauen Zahlen finden konnte) quasi eine kleine Lagerhalle mit dutzenden Waffen. Und die meisten übrigen Menschen, so sie denn eine Waffe haben, haben eben eine Pistole im Safe oder in der Handtasche oder vielleicht eine Flinte in der Scheune, aber eben keine Sturmgewehre. Zitat:Im weiteren steht in den vernetzten Artikeln explizit, dass der nächste Bürgerkrieg eben keineswegs die Form einer offenen militärischen Auseinandersetzung zwischen "Streitkräften" hätte, sondern ein landesweiter Guerilla- / Partisanenkampf wäre. Diese Auffassung habe ich ebenso und exakt darauf bereiten sich die entsprechenden Gruppen vor.Das hatte ich durchaus so verstanden. Zitat:Die Annahme, dass die Streitkräfte der Zentralregierung mit hunderttausenden schwer bewaffneten Guerillas im eigenen Land fertig werden könnten ist darüber hinaus abenteuerlich. Man ist ja nicht mal mit ein paar wenigen tausend Taliban fertig geworden, deren Können und Bewaffnung deutlich schlechter waren.Selbst wenn es wirklich hunderttausende Personen wären, so vermute ich sehr stark, dass diese sich alles andere als einig wären (anders als die Taliban). Es gibt eine große und doch unübersichtliche Zahl von von ziemlich undisziplinierten, ideologisch teils indoktrinierten Gruppen und Grüppchen, die sich teils überhaupt nicht mögen. Die meisten würden sich vermutlich gegenseitig an die Gurgel gehen, noch ehe der erste Humvee der Zentralregierung im Ort auftaucht - die Reste müssten dann eben von der Army noch aufgesammelt werden. Zitat:Kurz und einfach: das von dir vorgetragene Bild übergewichtiger Milizionäre mit Poser-Halbautomaten könnte falscher nicht sein.Das ist aber das Bild, das ich sehe. Und die Aufmärsche dieser Gruppen sehen fast alle gleich aus. Und ich denke mir dann immer: Wer von diesen sonnenbebrillten Rauschebartträgern mit den sechs Magazinen vor der Wampe könnte wohl aus dem Stand 200 oder 300 Meter sprinten? Naja, fünf bis zehn Prozent vermutlich... Zitat:Und keineswegs würden sich die Kämpfe auf irgendwelche abgelegenen Waldgebiete beschränken, ganz allgemein planen die meisten solchen Gruppen in den USA eine urbane Guerilla und die systematische Zerstörung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in den Städten.Das kommt darauf an. Man würde vermutlich wohl anfangs beides haben, ja, in der Tendenz denke ich aber, wird man die Städte in jedem Falle nachfolgend verlieren. Denn der klassische Untergrundkämpfer braucht die Unterstützung der Menschen in den Städten, als Versorgungs-, Versteck- und Rückzugsoption. Wenn man aber in diesen urbanen Zentren den Kampf beginnt, was ziemliche Schäden verursachen wird, wird sich die Stimmung der Menschen, die ihren durchaus teils materialistischen Standpunkt dann massiv gefährdet sehen, sehr rasch gegen diese Gruppen wenden und sie werden die Ordnungskräfte unterstützen. Und ohne Unterstützung in den Städten selbst bzw. aus der Bevölkerung heraus, bleibt nur das Ausweichen in die Peripherie, d. h. in die abgelegeneren Regionen. Schneemann RE: United States of America - lime - 20.07.2022 Für einen Bürgerkrieg in den USA bräuchte es erst einmal eine signifikante Unterstützung seitens der Zivilbevölkerung für die "Rebellen". Und da sehe ich aktuell keine militante Gruppe in den USA die diese bekommen könnte. Rassistische weiße oder schwarze Milizen hätten vermutlich ein gewisses Potential an Sympathisanten aber dieses dürfte kaum für einen Aufstand reichen. Insofern sehe ich die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs in den USA gegen Null gehen, außer es würde vielleicht ein "Gamechanger"-Ereignis auftreten, zum Beispiel wenn die Versorgung aus welchen Gründen auch immer völlig zusammen brechen würde. RE: United States of America - Quintus Fabius - 20.07.2022 lime: Signifikant bedeutet im Kontext eines solchen modernen Krieges ausreichend, und ausreichend bedeutet in diesem Kontext durch eine Minderheit. Es ist ein sehr tpyischer Irrglaube, dass man für einen Sieg in einem Guerilla-Krieg die Bevölkerungsmehrheit auf seiner Seite haben muss, sondern ganz im Gegenteil: diese wird sich ganz von selbst den Aufständischen anschließen, sobald diese eine gewisse kritische Masse überschreiten (immer noch als Minderheit) und sobald sie bestimmte Kriegsziele erreichen. Die Minderheit treibt dann die Mehrheit in die von ihr gewünschte Richtung, sowohl direkt wie indirekt. Auf einen weiteren Aspekt hat Schneemann schon hingewiesen: die unregistrierten leistungsfähigen Waffen sind in der Bevölkerung höchst ungleich verteilt. Die Mehrheit hat nicht einmal ernsthaft Waffen oder überhaupt Waffen. Entsprechend stehen hier schwerst bewaffnete Minderheiten einer de facto wehrlosen Mehrheit gegenüber, die sich entsprechend auf die fragwürdige Loyalität der Sicherheitskräfte, Nationalgarde usw. verlassen müsste und damit de facto verlassen ist. Schneemann: Zitat:Ich habe da ein wenig herumgesucht und letztlich nur ein Ereignis von 2015 gefunden Das meinte ich. Ist das schon wieder so lange her!? Hatte nicht nachgesehen und gedacht es wäre vor wenigen Jahren passiert. Zu Texas aus dem Jahr 2022 im Kontext von Sezessionsbestrebungen: https://www.newsweek.com/texas-secede-us-2023-gop-pushes-referendum-1717254 https://www.thebulwark.com/texas-republicans-deadly-serious-toying-around-with-secession/ https://www.politifact.com/article/2022/jun/27/texas-republicans-want-vote-texas-independence-can/ Zitat:Das kann man aber nicht auf die Bevölkerung direkt übertragen, denn die meisten Besitzer von feuerstärkeren Waffen haben mehr als eine dieser Waffen, im Schnitt sind es etwa acht Waffen pro US-Haushalt. Aber: 60% der US-Haushalte sind unbewaffnet. Wenn also nun der Schnitt bei acht Waffen je Haushalt liegt, aber 60% gar keine Waffen haben, haben also einige Haushalte (wobei ich da leider keine genauen Zahlen finden konnte) quasi eine kleine Lagerhalle mit dutzenden Waffen. Exakt ist das Problem in diesem Kontext. Den es sind die Radikalen welche hier diese Waffen und entsprechende Munitionsgebirge horten, während die Mehrheit der Bevölkerung dem gegenüber de facto nicht bewaffnet ist. Entsprechend müsste man das Militär einsetzen, den die Polizei würde damit eben nicht mehr fertig werden, nicht im Ansatz. Der Einsatz des Militärs gegen die eigene Bevölkerung aber wäre genau so ein erster Dominostein der dann ganz andere Prozesse in Gang setzen kann. Zitat:Selbst wenn es wirklich hunderttausende Personen wären, so vermute ich sehr stark, dass diese sich alles andere als einig wären (anders als die Taliban). Es gibt eine große und doch unübersichtliche Zahl von von ziemlich undisziplinierten, ideologisch teils indoktrinierten Gruppen und Grüppchen, die sich teils überhaupt nicht mögen. Die meisten würden sich vermutlich gegenseitig an die Gurgel gehen, noch ehe der erste Humvee der Zentralregierung im Ort auftaucht - die Reste müssten dann eben von der Army noch aufgesammelt werden. Es ist völlig korrekt dass die untereinander alle verfeindet und zersplittert sind, dennoch haben die größten dieser Gruppen teilweise mehrere tausend Mitglieder und noch viel wesentlicher: es eint sie allesamt der blinde Hass auf die Zentralregierung. Das einigende Banner ist die Feindschaft gegenüber dem Zentralstaat, die über alles gestellt wird, auch über die Feindschaft zur Nachbargruppe. Im weiteren gibt es längst weitreichende Verbindungen dieser Gruppen ins Militär und insbesondere in die Polizei- und sonstigen Sicherheitskräfte. Und umgekehrt setzen sich diese Gruppen teilweise sehr weitgehend aus Polizisten, Soldaten (sowohl aktiv wie nicht-aktiv) und Veteranen zusammen. https://theconversation.com/police-soldiers-bring-lethal-skill-to-militia-campaigns-against-us-government-153369 https://www.nytimes.com/2020/09/11/us/politics/veterans-trump-protests-militias.html Einer der wesentlichsten Punkte aber entgeht dir hier meiner Meinung nach: die Zersplitterung und dezentrale dislozierte Struktur ist für diese Gruppen in einem Guerilla-Krieg in den USA eher ein Vorteil als ein Nachteil. Wenn das einzig verbindende die Ideologie ist, dann kann man so einen Feind wesentlich schlechter zerschlagen und vernichten als wenn man einer einzigen straff organisierten Gruppe gegenüber steht. Je kleiner und zersplitterter, desto schwieriger wird das in den Griff zu kriegen sein, weil dann die Zentralregierung ihre wesentlichsten Vorteile (Informationsübermacht etc) nicht so ausspielen kann. Entsprechend wird das als Leaderless Resistance auch geplant. Und auch die Taliban waren bis vor kurzem keineswegs nur eine Organisation, nur ein monolithischer Block, sondern ganz im Gegenteil, ebenso höchst zersplittert und zerteilt und mehr eine Art Sammelbegriff für ganz verschiedene Gruppen, welche dann erst im letzten Jahr der Besatzung dort zu einer einheitlichen Organisation zusammen fanden. Zitat:Das ist aber das Bild, das ich sehe. Und die Aufmärsche dieser Gruppen sehen fast alle gleich aus. Und ich denke mir dann immer: Wer von diesen sonnenbebrillten Rauschebartträgern mit den sechs Magazinen vor der Wampe könnte wohl aus dem Stand 200 oder 300 Meter sprinten? Naja, fünf bis zehn Prozent vermutlich... Die wirklich problematischen Gruppen marschieren nicht auf. Und auch die welche da aufmarschieren sollte man keinesfalls unterschätzen, es ist dabei völlig egal wie es um eine etwaige körperliche Fitness bestellt ist. Viel relevanter ist die Frage, inwieweit sie in der Lage wären Terror zu verbreiten, welcher das wesentliche Element des modernen Krieges darstellt. Es ist eine weitere typische Fehlannahme, dass sich militärische Aktionen im modernen Krieg primär gegen feindliche Streitkräfte richten, nichts könnte falscher sein. Folgerichtig werden diese Gruppen in den USA selbst völlig anders gesehen als du es hier tust: https://thehill.com/policy/national-security/590928-more-than-half-of-americans-view-right-wing-militia-groups-as-a/ nämlich als eine der größten Bedrohungen denen die USA aktuell gegenüber stehen. Zitat:in der Tendenz denke ich aber, wird man die Städte in jedem Falle nachfolgend verlieren. Denn der klassische Untergrundkämpfer braucht die Unterstützung der Menschen in den Städten, als Versorgungs-, Versteck- und Rückzugsoption. Wenn man aber in diesen urbanen Zentren den Kampf beginnt, was ziemliche Schäden verursachen wird, wird sich die Stimmung der Menschen, die ihren durchaus teils materialistischen Standpunkt dann massiv gefährdet sehen, sehr rasch gegen diese Gruppen wenden und sie werden die Ordnungskräfte unterstützen. Und ohne Unterstützung in den Städten selbst bzw. aus der Bevölkerung heraus, bleibt nur das Ausweichen in die Peripherie, d. h. in die abgelegeneren Regionen. Die Schäden und sonstigen Beeinträchtigungen in den urbanen Zentren werden aber eben nicht durch die Aufständischen, sondern durch die staatlichen Sicherheitskräfte verursacht und delegitimieren damit zunehmend den Staat. Es ist daher keineswegs gesagt dass man sich in Städten nicht wird halten werden, ganz im Gegenteil. Zwei Buchempfehlungen für dich: https://www.amazon.de/OUT-MOUNTAINS-David-Kilcullen/dp/0199737509/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keywords=out+of+the+mountains&qid=1658335820&sr=8-1 Und die "Bibel" etlicher US Milizen, welche sie als Textbuch für ihren zukünftigen zweiten Bürgerkrieg verstehen: https://www.amazon.de/Fry-Brain-Sniping-Guerrilla-Warfare/dp/0971413398/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=JJWOYI0MO4LU&keywords=urban+sniping&qid=1658335869&sprefix=urban+sniping%2Caps%2C164&sr=8-1 RE: United States of America - Quintus Fabius - 20.07.2022 Ergänzend: https://www.businessinsider.com/texas-gop-floats-possibility-of-seceding-from-the-us-2022-6 https://www.brookings.edu/blog/fixgov/2021/12/13/how-seriously-should-we-take-talk-of-us-state-secession/ https://www.brookings.edu/blog/fixgov/2021/09/16/is-the-us-headed-for-another-civil-war/ Und ein Insider-Bericht über das Innenleben einer solchen Miliz (wenn auch schon ebenfalls etwas älter, von 2016 - die Lage hat sich seitdem aber nur drastisch verschlimmert) https://www.npr.org/2016/10/25/499318590/what-a-reporter-learned-when-he-infiltrated-an-arizona-militia-group?t=1658341072025 https://www.motherjones.com/politics/2016/10/undercover-border-militia-immigration-bauer/ RE: United States of America - Broensen - 20.07.2022 Bei der Verteilung der Waffen sei noch festgehalten, dass von den ideologisch getriebenen Extremisten eigentlich nur die rechte Seite massiv bewaffnet ist. Auf der linken Seite stehen dann Teile der Staatsmacht und ansonsten nur im geringen Umfang bewaffnete Bürger. Denn die größeren Waffenbestände auf dieser Seite sind nicht bei Ideologen zu finden, sondern bei Kriminellen. Natürlich können auch die in einem links-rechts-Konflikt aktiv sein, aber zumeist mit anderer Intention und stark individuell-egoistischen Motiven. Daher kann man das mMn als bewaffneten Konflikt begrenzt betrachten auf Staatsgewalt vs. nationalistisch-konservative Gruppen. Alles andere werden Rand- und Begleiterscheinungen sein, die nicht entscheidend für den Ausgang des Konflikts sind. RE: United States of America - Quintus Fabius - 20.07.2022 Eine der für mich interessantesten Gruppen welche sich gerade in der Polizei breit macht sind die sogenannten Constitutional Sheriffs, welche dezidiert sich an die Sheriff Dempartments wenden und deren einzigartige Position ausnutzen. Die Zahl der Mitglieder ist zwar vergleichsweise klein und liegt dieses Jahr bei ca 500, aber es handelt sich überwiegend um Sheriffs (insgesamt gibt es in den USA davon ca 3000). Und diese haben in den USA tatsächlich eine sehr spezielle Stellung, sowohl rechtlich als auch von ihren sonstigen Möglichkeiten her. Kern ihrer Ideologie ist, dass sie als Sheriffs über jedweden Bundesagenten / Bundespolizisten stehen und diese ihnen in ihrem jeweiligen County untergeordnet sind. Aufgrund der Möglichkeiten die ein Sheriff für die Beschaffung von Waffen, gepanzerten Fahrzeugen, Granaten usw hat, stellt diese Vereinigung ein erhebliches Sicherheitsproblem dar. Noch eine interessante Fragestellung die ich noch gar nicht angerissen habe ist, was mit den Milizen weiter sein wird, wenn Trump wieder gewählt wird bei der nächsten Wahl (oder ein anderer vergleichbarer Scharfmacher dort an die Macht käme). Meiner Einschätzung nach könnte man dann mit einer nicht unerheblichen staatlichen Förderung und Tolerierung dieser Gruppen rechnen, so dass diese ab der Widereinsetzung Trumps einen immensen Aufstieg erleben würden. Mit den entsprechenden Folgen. RE: United States of America - Broensen - 20.07.2022 (20.07.2022, 21:10)Quintus Fabius schrieb: Aufgrund der Möglichkeiten die ein Sheriff für die Beschaffung von Waffen, gepanzerten Fahrzeugen, Granaten usw hat, stellt diese Vereinigung ein erhebliches Sicherheitsproblem dar. Meiner Meinung nach stellt das System der Sheriff's Departements an sich schon ein Problem dar. Hochrangige Sicherheitskräfte, die ihren Posten nicht durch Qualifikation sondern durch Wahlen erhalten und dann ihr Handeln im Zweifelsfall eher anhand der öffentlichen Meinung ausrichten, anstatt ausschließlich an der Gesetzeslage, halte ich für höchstgefährlich. Besonders auch mit Blick auf die hier diskutierten Entwicklungen. RE: United States of America - lime - 20.07.2022 (20.07.2022, 21:45)Broensen schrieb: Meiner Meinung nach stellt das System der Sheriff's Departements an sich schon ein Problem dar. Ich glaube dass die "Institution" Sheriff hier etwas falsch verstanden wird. Die Kandidaten müssen nämlich durchaus eine Qualifikation haben und zusätzlich eben noch eine Mehrheit der Wähler hinter sich bringen. Im Regelfall werden da keine Hilfsrambos gewählt sondern eher eine Art Sicherheitspolitiker die für ihre Wähler auch mal einen kritischen Blick auf die Polizeibehörden im County werfen. Auch glaube ich nicht dass ein von oben eingesetzter Beamter im Gegensatz zum Wahlsystem automatisch besser für diesen Posten qualifiziert wäre. Im Gegenteil ist davon auszugehen dass man dort Personen einsetzen würde die im Laufe der Jahre schön rundgelutscht wurden und damit auch alles schön abnicken was von Oben angeordnet wird. Da könnte man zum Beispiel Berlin mal als Gegenbeispiel hernehmen, wo sich zeigt was passiert wenn man von oben her immer nur Ideologen einsetzt. Da würden mir als Stichwort sofort die aktuellen Klimastraßenkleber oder diverse Hausbesetzergruppen einfallen und der Umgang mit diesen durch die Behörden. RE: United States of America - Quintus Fabius - 20.07.2022 Zwei weitere interessante Aspekte der Sheriff-Kultur sind, dass die Sheriff-Departments überwiegend weit rechtsnational bis rechtskonservativ ausgerichtet sind (natürlich keineswegs alle, aufgrund des demokratischen Faktors, aber doch sehr viele, weil gerade in Gegenden mit einer solchen politischen Einstellung Sheriff-Departments einfach häufiger vorkommen. Und dass die Sheriffs sehr gerne Veteranen einstellen, was in den letzten zwei Jahrzehnten eine bizarre Militarisierung dieser US Polizei zur Folge hatte. Etliche Sheriffs-Departments sind eher eine Art paramilitärische Einheit denn eine Polizeieinheit. Teilweise mit bizarrer Feuerkraft und Ausrüstung. Viele Sheriffs versuchen zudem selbst eine Art Miliz zu gründen und gerade die Constitutional Sheriffs sind dafür berüchtigt. Beispielsweise hatte der Gründer dieser Gruppe in seiner Zeit als Sheriff zwischen 200 und 300 Bewaffnete als Untergebene die größtenteils "ehrenamtlich" für sein Sheriffs-Department tätig waren, mit allen entsprechenden Vorrechten. De facto also hatte er seine eigene Miliz aufgestellt, offiziell aber waren dass alles Hilfspolizisten des Sheriff-Departments und wurden aus dessen Mitteln und mit dessen rechtlichen Möglichkeiten mit Waffen aufgerüstet, gepanzerten Fahrzeugen, Nachtsichgeräten, Tarnanzügen gegen Thermalsicht / IR Aufklärung und was man halt sonst alles noch für die "Polizeiarbeit" benötigt. Ein amüsanterer Blick auf dies Sheriff Thematik im Allgemeinen von John Oliver: https://www.youtube.com/watch?v=v_kak7kAdNw RE: United States of America - Schneemann - 03.08.2022 Das überrascht mich nun doch etwas, gerade in Kansas, das nun ja unter den Bundesstaaten eher als einer mit einer konservativen Ausrichtung gelten kann. Gut möglich, dass die Supreme Court-Entscheidung noch ein ziemliches Durcheinander nach sich ziehen wird... Zitat:Verfassungsänderung abgelehnthttps://www.n-tv.de/politik/Abtreibungsbefuerworter-erringen-Sieg-in-Kansas-article23502836.html Schneemann RE: United States of America - Nightwatch - 03.08.2022 Mich überrascht das weniger. Der Konservatismus hat in den USA zwischen einzelnen Bundesstaaten schon deutliche, regional unterschiedliche Schattierungen, auch wenn das vielleicht oft vom Getöse auf Bundesebene übertönt wird. Nicht alles was da seit vor dem Bürgerkrieg republikanisch wählt ist strukturell so sozialkonservativ dominiert wie der Biblebelt. Kansas ist da ein ganz passendes Beispiel. Klar republikanisch dominiert, aber mal wählt sich 2019 eine Demokratin zur Gouverneurin weil der Republikanische Kandidat zu sehr rechtspopulistisch unterwegs war. 2020 stimmt man dann aber wieder mit 56% für Trump. RE: United States of America - Schneemann - 06.08.2022 Und noch ein anderer Bundesstaat hat sich entschieden - dieses Mal dagegen. Und was schon befürchtet wurde, scheint einzutreten: Egal, wie man zum Urteil des Supreme Court stehen mag, eines haben die Richter erreicht - ein heilloses Durcheinander und jeder Staat, je nach politischer Färbung, macht nun was er will... Zitat:INDIANAhttps://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/parlament-in-indiana-beschliesst-fast-vollstaendiges-abtreibungsverbot-18226055.html Schneemann |