(20.10.2023, 11:47)26er schrieb: [ -> ]Bevor man über die Technik redet, stellt sich für mich die Frage, wo hier Macht projiziert werden sollte?
Genau. Welche potentiellen Konfliktgebiete, die ein europäisches Eingreifen in der Dimension einer CSG erfordern und die dafür erforderlichen Mittel rechtfertigen, liegen außerhalb der Reichweite von für uns verfügbaren Stützpunkten? Das trifft weder auf Nordafrika, noch auf die Levante zu. Dort kann von Stützpunkten in Spanien, Italien, Griechenland und Zypern aus agiert werden, selbst wenn die Türkei oder andere Partner in der Region sich quer stellen sollten. Dementsprechend wären eigene Träger hier nur ein nice-to-have und dabei ein extrem teures.
Aber davon abgesehen wäre die realistischste (wenn auch trotzdem unwahrscheinliche) Variante eines europäischen Trägers doch die, dass eine stehende CSG gebildet wird, der einzelne Nationen jeweils für eine bestimmte Zeit ihre Träger und andere Schiffe unterstellen, also eine
Standing European Carrier Strike Group. Damit das verlässlich funktioniert, müssten die Träger-stellenden Nationen aber vermutlich selbst über min. zwei Träger verfügen, um während dieser Unterstellung selbst noch einen Träger für nationale Anliegen zur Verfügung zu haben. Das würde bei jeweils drei Trägern vermutlich von drei Nationen abgebildet werden können, wohingegen man bei nur jeweils zwei Trägern eher 5-6 Nationen bräuchte und nur recht kurze Standzeiten hätte.
Sowas lässt sich aber innerhalb der EU nicht auf dem Niveau von CdG/QE/PoW abbilden, sondern maximal in der Kategorie von Juan Carlos & Co. Und selbst das ist eigentlich eine utopische Vorstellung.
Man könnte das aber für die Generation FCAS im Auge behalten, je nachdem welche Länder dort letzendlich mitmachen werden. Kommt es zu einer Trägerversion des NGF, der dann von Frankreich, Spanien und Italien beschafft wird und theoretisch auch durch Deutsche, Niederländer etc. genutzt werden könnte, dann kann man durchaus über solch einen Verband nachdenken und entsprechend eine gemeinsame Nachfolgegeneration der in diesen Ländern vorhandenen Flugzeug- und Hubschrauberträger entwickeln.
(20.10.2023, 14:41)Bairbus schrieb: [ -> ]Aber ja, am Ende bräuchte man vermutlich 3 bis 4 Träger plus 10 zusätzliche Fregatten und einige schnelle U-Boote (Frankreich) und Versorger. Sollte man hinbekommen.
Um bei deiner Schätzung zu bleiben: Um dauerhaft und zu jeder Zeit 10 zusätzliche Fregatten zu stellen, kannst du diese mit dem Faktor 3 multiplizieren (Ausbildung, Werftaufenthalte etc.).
Bei Flugzeugträgern geht es nicht nur um eigene Machtprojektion sondern auch darum Machtprojektion anderer Staaten entgegenzutreten. Wenn die USA nicht mehr Weltpolizei spielen sollten werden wir unsere Interessen selber vertreten müssen.
Praktisch sehe ich aber keine Option das umzusetzen. Wie Broensen schrieb werden das Träger einzelner Nationen sein. Für EU-Träger bräuchten wir erst einmal überhaupt eine EU-Armee. Eine EU-Armee setzt eine gemeinsame EU-Aussenpolitik voraus und erfordert, dass EU-Staaten keine eigene Aussenpolitik mehr machen,
Einzelne Träger können aber nur von den grossen und wirtschaftlich starken Nationen betrieben werden. Das sind nur Frankreich, Deutschland und vielleicht noch Italien. Frankreich würde ich eventuell einen 2ten Träger zutrauen, aber für Deutschland ist das völlig unrealistisch. Da müssten wir tatsächlich 2% oder mehr ausgeben pro Jahr...
Träger sollten auf alle Fälle CATOBAR sein. Ohne Aufklärungsflugzeuge ist ein Träger nicht sinnlos aber sehr eingeschränkt. Vielleicht können das in Zukunft Dronen übernehmen, trotzdem erlaubt ein Katapult ein höheres Startgewicht und damit mehr Reichweite bzw. Zuladung.
(20.10.2023, 22:37)Kos schrieb: [ -> ]Einzelne Träger können aber nur von den grossen und wirtschaftlich starken Nationen betrieben werden. Das sind nur Frankreich, Deutschland und vielleicht noch Italien. Frankreich würde ich eventuell einen 2ten Träger zutrauen, aber für Deutschland ist das völlig unrealistisch. Da müssten wir tatsächlich 2% oder mehr ausgeben pro Jahr...
So sehe ich das auch. Allerdings ist die Umsetzung auch für Frankreich schwierig. Alle trägerführenden Nationen in Europa sind froh, wenn sie Fregatten aus anderen Ländern in ihre Kampfgruppen einreihen können. Das sieht man auch sehr gut am Bsp. der Royal Navy, wenn auch nicht EU. Dort kommt man auf knapp 20 Zerstörer und Fregatten.
Schaut man sich die Zahlen der größeren EU-Marinen an, kommt man auf diese Zahlen an Zerstörer und Fregatten:
Frankreich:
2x Horizon
8x Fremm
5x FDI (zukünftig)
Spanien:
5xF100
5xF110 (zukünftig)
Italien:
4x Zerstörer
10x FREMM
7x PPA, wobei die Klasse eher für Patrouillen gedacht ist, weniger für Kampfgruppen
Portugal:
5 Fregatten
Griechenland:
13 Fregatten
Niederlande + Belgien:
8 Fregatten
Dänemark:
5 Fregatten
Polen:
3 Fregatten, hier wird zwar über 4 zusätzliche Schiffe diskutiert, aber nicht mal die ersten drei sind alle vollständig ausgerüstet
Deutschland:
12 Fregatten
3x F125, s. PPA
fehlt noch was?
Ich komme somit auf 85 Überwasserkampfschiffe, ohne PPA, F125. Die Zahl sieht zuerst mal beeindruckend aus, aber hierbei dürfen nationale Aufgabenstellungen und sonstige Verwendungen der Schiffe nicht vergessen werden. Die Drittel-Regelung gilt auch hier.
Schaut man sich die rein nationalen Zahlen der tragerfahren Nationen an, dann stellt sich auch die Frage, wie man mit 10 bis 15 Kampfschiffen eine Trägerkampfgruppe bildet + sonstige Aufgaben erfüllen möchte?
(20.10.2023, 22:37)Kos schrieb: [ -> ]Einzelne Träger können aber nur von den grossen und wirtschaftlich starken Nationen betrieben werden. Das sind nur Frankreich, Deutschland und vielleicht noch Italien. Frankreich würde ich eventuell einen 2ten Träger zutrauen, aber für Deutschland ist das völlig unrealistisch. Da müssten wir tatsächlich 2% oder mehr ausgeben pro Jahr...
2%? Der eigentliche Witz ist dass man hier glaubt dass das viel wäre. Israel gibt schon seit Ewigkeiten 5-7% oder mehr für die Verteidigung aus. Und trotzdem würgt es die dortige Wirtschaft nicht ab, sondern Israel steht beim BSP nominal und nach KKP besser da als Deutschland. Und dafür gibt es einen einfachen Trick, man verschenkt sein Geld nicht an alle Welt sondern gibt es für und im eigenen Land aus. Aber dazu braucht es natürlich auch den politischen Willen.
(21.10.2023, 06:00)26er schrieb: [ -> ]Schaut man sich die rein nationalen Zahlen der tragerfahren Nationen an, dann stellt sich auch die Frage, wie man mit 10 bis 15 Kampfschiffen eine Trägerkampfgruppe bildet + sonstige Aufgaben erfüllen möchte?
Die drei Nationen in der EU mit Flugzeugträgern haben jeweils 6 Schiffe mehr oder minder fest den Trägern als Begleitschutz zugeordnet. Dies sowie die durch diese zu erfüllende Aufgabenprofil ist dabei NATO-Standard.
Die übrigen Fregatten dieser Nationen sind im Bündnisfall
ausschließlich als Begleitschutz und Unterstützung für amphibische Landungsgruppen vorgesehen sowie (Sonderfall Frankreich) zur Absicherung des Einsatzgebietes der Atomwaffenträger-U-Boote. "Sonstige Aufgaben" werden aus diesem Pool im F-Fall mit bedient.
Reine Fregatten-Taskgroups wie sie Deutschland führt, aber auch im F-Fall die NATO als Präsenztruppe vorsieht (SNMG), gibt es in diesen Ländern im V-Fall schlicht nicht.
(21.10.2023, 06:00)26er schrieb: [ -> ]Alle trägerführenden Nationen in Europa sind froh, wenn sie Fregatten aus anderen Ländern in ihre Kampfgruppen einreihen können....
Schaut man sich die Zahlen der größeren EU-Marinen an...
Einer stehenden CSG müsste permanent je ein Träger, Schiff oder U-Boot aus den genannten Ländern unterstellt werden:
- Frankreich
- Italien
- Deutschland
- Griechenland
- Portugal/Spanien
- Dänemark/Niederlande/Belgien
- Polen/Schweden/Norwegen?
Da eins davon der Träger wäre, sind wir also bei einer kleinen CSG mit 6 Begleitschiffen. Zwei EGV dafür könnte man wahrscheinlich gemeinsam anschaffen und betreiben. Also hätten wir ein U-Boot, 2xAAW, 2xASW und noch irgendein Multifunktionales Schiff, weil die kleinen Marinen keine Spezialisten haben.
Hinzu kommen Helis, Drohnen und Jets, wodurch sich auch noch kleinere Marinen beteiligen könnten.
Für einen Träger unterhalb der US-Dimensionen wäre das eigentlich so gerade noch tragbar und permanent ein Schiff abzustellen, sollten die Staaten auch hinbekommen. Schwierig wären nur die Träger an sich, vor allem wenn man bedenkt, das bspw. Frankreich nicht bereit wäre, seinen Träger an die Gemeinschaft abzugeben, solange es nicht wenigstens einen zweiten Träger einsatzbereit für nationale Interessen hätte. Deutschland hätte da wohl weniger ein Problem mit. Würden wir einen Träger bauen, stände der wahrscheinlich permanent der europäischen Gruppe zur Verfügung, weil wir ihn politisch eh lieber nicht alleine einsetzen würden, aber auch gar keine anderen Schiffe für den Verband zur Verfügung hätten. Für Werftzeiten müssten dann Franzosen und Italiener abwechselnd die Vertretung übernehmen. Könnte funktionieren.
Braucht nur kein Mensch.
(21.10.2023, 08:39)alphall31 schrieb: [ -> ]Noch dazu wo sollte dieser eingesetzt werden auf der nord oder Ostsee ?
Der europäische Träger? East of Eden. Oder vor Westafrika. Das ist natürlich unnötig. Aber WENN man einen europäischen Träger haben wollen würde, dann wäre der primär zwischen Suez und Taiwan unterwegs, je nach Bedarf noch im Südatlantik. In Nor- und Ostsee wäre er genauso unnötig wie im Mittelmeer.
Zitat:genauso unnötig wie im Mittelmeer.
70 000 Tonnen Diplomatie
ansonsten 2 Bemerkungen
Der zweite französische Träger wird ja auch in Frankreich diskutiert. Selbst ohne Begleitschiffe würde er eine enorme Herausforderung für die Personalgewinnung der Marine darstellen.
Verwendung als europäischer Träger. Eine internationale Begleitung erfordert ein enormes Vertrauen, das keiner der Teilnehmer "aus der Reihe tanzt", und der Träger plötzlich ohne oder mit gemindertem Begleitschutz dasteht. Und eine fast permanente Zurverfügungstellung. Eine effiziente U Boot Jagd erfordert 2 Fregatten die eng zusammenarbeiten müssen, und das bedeutet Training, Training und noch einmal Training
(21.10.2023, 15:37)voyageur schrieb: [ -> ]70 000 Tonnen Diplomatie
Wofür braucht man dafür einen Flugzeugträger?
Es werden zwar immer Flugzeugträger durch die Gegend geschickt, aber sie werden nur als militärisches Werkzeug eingesetzt.
Welchen Krieg hat der französische Flugzeugträger verhindert?
Wenn Frankreich alleine einen zweiten Flugzeugträger baut, dann können ja die Benelux-Staaten, Deutschland und Norwegen verbindlich zusagen, in Nordsee und Nordatlantik 2 (-3) Begeltschiffe zu stellen.
Im Mittelmeer sind dann Spanien, Italien und Griechenland dran.
Möchte Frankreich damit eigene Aussenpolitik vor Afrika betreiben, dann ist es seine eigene Sache - oder bei gemeinsamen Interessen entsendet ein Land Begleitschiff(e).
Wo man einen Flugzeuträger bräuchte wäre im Nordatlantik um evt. die Seerouten offen zu halten (ASW/Geleitschutz/à la Invincible-Class).
Und die sich in der Entwicklung befindlichen Kampfflugzeuge werden erheblich höhere Reichweiten haben.
Damit wird man dann über dem G-I-UK-Gap mit Tankern die Luftüberlegenheit sicherstllen können.
(21.10.2023, 15:37)voyageur schrieb: [ -> ]70 000 Tonnen Diplomatie
Im Mittelmeer? Wozu? Da ist ein europäischer Träger einfach nur eine Belastung, weil er sehr viel gefährdeter wäre als es bspw. eine Basis auf Zypern oder Sizilien wäre.
Zitat:Verwendung als europäischer Träger. Eine internationale Begleitung erfordert ein enormes Vertrauen, das keiner der Teilnehmer "aus der Reihe tanzt", und der Träger plötzlich ohne oder mit gemindertem Begleitschutz dasteht. Und eine fast permanente Zurverfügungstellung.
Nicht
fast permanent.
Absolut permanent. Die Sämtliche der CSG unterstellten Kräfte müssten für ihren Einsatzzeitraum unwiderruflich dem Kommando der CSG unterstellt werden. Das stellt auch eine enorme Hürde für ein solches Projekt dar, speziell im Falle von Deutschlands Parlamentsarmee.
(21.10.2023, 16:35)Kopernikus schrieb: [ -> ]Damit wird man dann über dem G-I-UK-Gap mit Tankern die Luftüberlegenheit sicherstllen können.
Genau das. Und nicht nur da gilt das, sondern eben auch in Nordafrika und der Golfregion. Der europäische Träger wird erst dann "rentabel", wenn die Alternative verfügbarer Basen und Luftbetankung für ein Szenario nicht mehr besteht.
Realistischer und auch interessanter würde ich sowas bewerten mit Blick auf eine amphibische oder besser gesagt triphibische Einsatzgruppe. Also das gleiche Kampfgruppenkonzept, nur mit einem Träger in der Art der Trieste oder Juan Carlos, also mit Welldeck und LCM sowie einer gemischten fliegenden Gruppe aus je einer Staffel F35B, NH90 und AH64 o.ä., außerdem zukünftig vermehrt UAV der Klassen 4-5.
Die Zeit der großen amphibischen Pötte dürfte so langsam vorbei sein, Niederländer und Briten planen schon die nächste Generation etwas kleiner und wenn Frankreich sich einen zweiten Träger gönnen sollte, dann werden sie auch nur noch schwer drei Hubschrauberträger zusätzlich betreiben können.
Da könnte es sich durchaus anbieten, in Europa aufzuhören, solche amphibischen Angriffsschiffe in allen Marinen mehrfach vorzuhalten und stattdessen einen europäischen Interventionsverband aufzustellen und national auf kleinere amphibische Einheiten zu setzen.
Es gibt da aktuell in der EU die Juan Carlos, vier Enforcer, die Trieste, drei Mistral und die drei San Giorgios sollen auch noch größere Nachfolger bekommen. Da könnte sich das Zusammenlegen sogar insgesamt rechnen und so ein gemeinsamer Verband, der meistens eher bei Naturkatastrophen und MilEvacOps zum Einsatz käme, würde auch besser zur EU passen als eine CSG, deren Aufgabe primär Machtprojektion ist.
@Kopernikus
Zitat:Es werden zwar immer Flugzeugträger durch die Gegend geschickt, aber sie werden nur als militärisches Werkzeug eingesetzt.
Welchen Krieg hat der französische Flugzeugträger verhindert?
Die Frage ist zwar zulässig, aber dennoch falsch gestellt.
Genau genommen gibt es nur eine sehr überschaubare Anzahl an Vorgängen, wo Flugzeugträger als
show of force wirklich einen Krieg zu Lande
verhindert haben (man könnte hier z. B. Laos 1961 oder auch die Kuwait-Krise von 1961 anführen). Im Regelfall war es eher so, dass Flugzeugträger erst dann vor Ort eintrafen, wenn ein Krieg bereits ausgebrochen war und sie dann eben entsprechend eingegriffen haben. (Oder sie wurden bewusst für eine Offensive bereitgestellt, etwa am Golf 1991.)
@Broensen
Zitat:Die Zeit der großen amphibischen Pötte dürfte so langsam vorbei sein...
Ja und Nein. Wenn wir uns begrenzte Seeräume anschauen, etwas das Mittelmer oder die Ostsee, wo wir entsprechende Absprungbasen im näheren Umfeld haben, dann kann man sicherlich mit kleineren Einheiten handlungsfähig sein. In größeren Seeräumen, etwa wie im Pazifik und auch teils im Atlantik, ist das jedoch nicht der Fall. Ich bin deswegen skeptisch, ob die Verkleinerungsabsichten, auch das USMC spielt da mit gewissen Ideen, wirklich zielführend sind.
Hinsichtlich des Mittelmeeres dürften die Europäer aber besser mit zwei leistungsstarken ARGs und entsprechender SAM-Begleitung aufgestellt sein (und Luftbasen in Spanien, Sizilien, Malta, Kreta, Zypern), als wie wenn man eine einsame Trägergruppe vor Kap Bon hin- und herfahren lässt.
Schneemann