Forum-Sicherheitspolitik

Normale Version: Untergang von Kulturen
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Seiten: 1 2
In der Menschheitsgeschichte sind schon sehr viele Kulturen, Staaten und Völker einfach untergegangen. Zum Teil ohne Nachfolger, zum Teil mit einem teilweisen Überleben von Fragmenten des Volkes oder der Kultur in anderen Völkern, zum Teil mit einem deutlichen Anteil an der Kultur nachfolgender Völker.

Besonders faszinieren mich isolierte Kulturen wie die Osterinsel, die Anasazi Indianer oder die Sumerer und alle Kulturen deren Zusammenbruch extrem war (in sehr kurzer Zeit und sehr zerstörerisch erfolgte) wie der der Indus Kultur.

Ich würde gerne die Gründe diskutieren aber meiner Ansicht nach zieht sich wie ein roter Faden durch alle Zusammenbrüche die

1 Übernutzung der Natur

2 Wirtschaftliche Probleme (die nicht immer mit 1 zusammen hingen !!)

Vor allem finde ich die Frage der Entwicklung der Vermögensverteilung und die Volkswirtschaftlichen Fragen interessant.

Viele Reiche sind meiner Ansicht nach wie das Römische Reich in der Spätantike vor allem an wirtschaftlichen Fragen gescheitert. Das Wirtschaftssystem scheiterte, in der Folge dessen ging dann die Nation unter.

Wie seht ihr das ? Was für Beispiele gäbe es die man diskutieren könnte ? Was für Gründe waren ausschlaggeben ?
Sagen wir mal so: Wenn du 20 Jahre warten würdest, schreibe ich meine Habil darüber 8) .

Das Thema ist weit und komplex. Ich denke, man kann nicht nur allein auf wirtschaftliche Gründe rekurrieren. Damit ein großes Imperium fällt, braucht es mehr nur als wirtschaftlichen Ruin, vor allem weil früher Wirtschaft ja primär auch Subsistenzwirtschaft und Landwirtschaft hieß. Da braucht es schon spezifische Gründe für einen fundamentalen wirtschaftlichen Riun und die liegen oft in der Sozialstruktur, in der Entwicklung der Politik. Da muss man auch gucken, welche Ressourcen wie aufgebraucht wurden, da kommt dein Stichwort Vermögensverteilung. Und vor allem auch Verwendung, also konsumiert Krieg und Verwüstung und oder eine nimmer satte Oberschicht zu viel der Produktion und inwiefern politische Strukturen zerfallen und so auch ländliche Gemeinden zerfallen.

Ich denke eher, dass Reiche, vor allem Imperien genauso wie Organismen Lebenszyklen haben. Manche sind eben Schildkröten und leben fast ewig und oder können sich ständig erneuern, manche dagegen eben sind nur Eintagsfliegen.
Es können zu viele Kriege geführt worden sein, die Bevölkerung war dann mal (beispielsweise weil verschiede Faktiren zusammenkamen: Krieg, schlechte Ernte...) die Unterdrückung leid, Böden gaben nicht mehr genug her, fremde Ethnien konnten nicht unterdrückt werden und integriert werden usw.

Ich denke, genaue Gründe muss man jeweils für das spezifische Reich angeben.
Aber wollen wir mit Rom anfangen??
Hier kommt dann auch das Stichwort imperiale Überdehnung.
Rom gefällt mir natürlich besonders gut. Konzentrieren wir uns also auf Rom.

Der Untergang des Römischen Reiches ist mir eigentlich rätselhaft.

Stichwort: Imperiale Überdehnung.

Meiner Meinung nach war das Römische Reich geographisch saturiert, es bestand innerhalb natürlicher Grenzen, war nicht überdehnt, und hatte als großen Vorteil das Mittelmeer in seiner Mitte so das per Schiff von Innen heraus das Reich ausreichend schnelle Transport und Kommunikationswege hatte. Man konnte damals schneller Post von sagen wir Südfrankreich nach Ägypten schicken als man dies heute kann.

Flüsse, Berge und Meere grenzten das Reich ein, in der Kaiserzeit wurden die Einwohner weitgehend sprachlich und kulturell assimiliert, schließlich wurde allen Einwohnern das Bürgerrecht gegeben. Die sprachliche Assimilation war sehr weitgehend, selbst in Gebieten außerhalb der Grenzen (Dakien - Rumänien)

Gebiete die eine Überdehnung dargestellt hätten, wurden sogar freiwillig wieder geräumt wie beispielsweise der heutige Irak der von Kaiser Trajan erobert worden war, und als Provinz Mesopotamien eine Zeitland römisches Gebiet war, diese Gebiete räumte man und zog sich wieder auf die natürlichen Linien zurück, das gleiche gilt für Dakien (nördlich der Donau) und kleine Gebiete zwischen Rhein und Donau.

Meiner Meinung nach war Rom nicht überdehnt sondern eine geographisch und von Raum und der Ausdehnung über verschiedene Völker hinweg perfekt gewachsenes Staatswesen. Von der reinen räumlichen Ordnung her war Rom meiner Ansicht nach besser aufgestellt als China.

Anderes Stichwort von mir:

Vermögensverteilung und Handel

Dazu als Stichwörter: Kolonnen Gesetze, Großgrundbesitzer, Sklavenwirtschaft, Höchstpreisedikte Diokletians und zunehmende Planwirtschaft, Zusammenbruch des vorher umfangreichen Handels, ökonomisches Ausbluten für Ausländische Luxusgüter (Seide), Verelendung der Landbevölkerung, Bagauden und Circumcellionen usw

Könnten das ausschlaggebende Gründe sein ?
Erst mal guten Tag,
Untergang von Kulturen, gutes Thema, allgemein muss man m.M.n. auch Klimatische Veränderungen mit in Betracht ziehen. so sind die Motche in Südamerika wohl einer Langanhaltenden Dürre zum Opfer gefallen.

Zu Rom
Rom hatte wohl vor allem Pech, aufgrund Klimatischer Veränderungen entstand an den Grenzen des Imperiums ein Starker Druck von Fremdvölkern. Dazu kommt dann noch der Umstand, dass gerade in dieser Phase das Imperium keine Starken Kaiser hatte. Das gab es schon in der Zeit davor häufiger, in den vorigen Zeiten folgte jedoch auch einen schwächeren ein starker Kaiser. Während der Zeit des Untergangs folgte jedoch ein Schwacher dem nächsten. Dies führte zu einem schwindenden einfluss der Zentralgewalt in den Provinzen.

Ebenfalls muss man erwähnen das die militärische Schlagkraft der Bevölkerung im Laufe der Zeit nachließ. Dies hatte Gründe im Steigenden Wohlstand und nicht zuletzt in der verbreitung des Christentums. Rom musste sich immer stärker auf Söldner stützen.

Ebenfalls wurde Rom von Gegnern bedrängt die mit der römischen Grundausrichtung der Schweren Infantrie als Kern einer Streitmacht nur schwer zu Besiegen waren.
für den "Untergang Roms" gibt es inzwischen hunderte von Erklärungsversuchen
= Germanen
== Germanische Hilfstruppen die sich "verselbständigten" (Föderaten)
== Völkerwanderung (Invasion der Barbaren)
== Legitimationsprobleme (Die Herrschaft der Soldatenkaiser)
= Niedergang der römischen Gesellschaft
= Bevölkerungsrückgang
= Soziale Unterschiede

Wobei man eigentlich feststellen muss, dass der Untergang Roms - d.h. eigentlich der Übergang von der Antike ins Mittelalter - über mehrere Generationen hin erfolgte. Ein eindeutige Ursache für den Zusammenbruch Roms ist daher wohl nicht zu finden. Es wird eine Mischung aus den unterschiedlichsten Gründen gewesen sein, die zu einer zunehmenden Schwächung des Imperiums geführt haben.

Einige einschneidende Ereignisse markieren die "letzten Atemzüge":
die Schwächung Westroms in der Abwehrschlacht gegen die Hunnen 451
die Ermordung des weströmischen Generals Flavius Aëtius 454
die Plünderung Roms durch die Vandalen 455

- ich denke, danach war (West-)Rom nur noch ein Schatten seiner vergangenen Größe, wie ja auch die Vita des Hl. Severin (auch wenn manches Legende sein mag) mit der "Evakuierung nördl. der Alpen" nahe legt.

Letztendlich gab es dann ein entscheidendes Datum, als am 28. August 476 der germanische König Odoaker den jungen römischen Kaiser Romulus Augustus absetzte,
a) also die Bedrohung aus dem Norden sowie
b) und aus dem Süden
quasi in einem "Zangenangriff" kombiniert.

Und wenn man jetzt wieder auf Severin zurück kommt:
letztlich zeigt dessen Geschichte, dass es Westrom schlicht an Geld fehlte, seine Soldaten (bzw. die germanischen Hilfsvölker, die diesen Dienst übernommen hatten) zu bezahlen - und die haben dann halt selbst die Macht übernommen.

Allerdings hat Ostrom noch bis ins 15. Jhdt. weiter bestanden
und Moskau wird als "Drittes Rom" bezeichnet
.... eine lange Zeit für ein "untergegangenes Imperium"
Die Eroberung Roms durch die Goten 410 hast du vergessen. Meiner Ansicht nach sehr einschneidend, auch was die Entwicklung der Kirchenlehre anging (Abrechnung mit dem polytheistischen Weltbild der Römer durch Augustinus).

Schneemann.
ich hab nur die letzten Jahrzehnte genommen - im Endeffekt begann der "Untergang Roms" mit einer Kette von einschneidenden Ereignissen, deren Beginn man immer weiter voran schieben könnte ...

die Entwicklung der Kirchenlehre betrachte ich dagegen nicht als so einschneidend,
ja, der Umsturz begünstigte das Christentum,
ja, mit dem jüdischen Geschichtsverständnis von aufeinander folgenden Reichen gab es gegenüber dem römischen Verständnis eine einschneidende Wandlung,
aber das waren nach meiner Überzeugung Auwirkungen, und nicht Ursachen
Schneemann schrieb:Die Eroberung Roms durch die Goten 410 hast du vergessen. Meiner Ansicht nach sehr einschneidend, auch was die Entwicklung der Kirchenlehre anging (Abrechnung mit dem polytheistischen Weltbild der Römer durch Augustinus).

Schneemann.

Ich denke auch das da ein Zusammenhang bestehen könnte.

Deshalb pack ich hier mal paar Zeitzahlen rein.

Chronologie
274 25.12. In Rom wird das heidnische Fest "Natalis Solis invicti" eingeführt
ca. 300 In Ägypten wird Weihnachtsgottesdienst gefeiert; aus Faijum ist ein Liedblatt erhalten, dass einen weihnachtlichen Wechselgesang von Chor und Gemeinde belegt
336 25.12. Weihnachtsfest wird in Rom gefeiert; Quelle: röm. Kalender (Filocalus)
354 25.12. Weihnachtsfest wird in Rom gefeiert; Quelle: röm. Kalender (Chronograph)
354 25.12. Erste (belegbare) Weihnachtspredigt in Rom durch Papst Liberius in S. Liberiana (dort wird eine - unechte - Reliquie der Krippe von Betlehem aufbewahrt)
ca. 360 In Nordafrika wird Weihnachten gefeiert
379 25.12. Gregor von Nyssa führt in Ostrom den 25.12. als Festtermin ein; für den alten Festtermin 6.1. verbleiben: Adoration der Magier, Taufe Jesu, erstes Wunder in Kana
380 25.12. In Spanien wird Weihnachten gefeiert
381 Konzil von Konstantinopel: Weihnachten wird am 25.12. gefeiert

--------------------
interessanter thread!
natürlich gibts auf die frage noch keine antwort, aber das heisst ja nur dass wir eine finden müssen Big Grin

Es wird von Militärhistorikern immer wieder gerne angeführt, die zunehmden Verweichlichung der Bevölkerung -> der rekrutierten Soldaten habe zu der mil. Schwäche geführt, die gerade in der Zeit der Völkerwanderung dann zur Katastrophe führte. Dazu haben bestimmt auch Autoren wie Livius und Tacitus ihres beigetragen. Natürlich ist das ziemlicher Quatsch. Der Fußsoldat, die Hauptstütze auch der späteren Armeen, kam zu der Zeit lange schon nicht mehr aus Rom. Bestes Beispiel der Historiker Marcellinus, Grieche aus Antiochia, der in der röm. Armee wohl ganz Europa bereiste...
Der Römer selbst ging nicht mehr in die Armee. Trotzdem wird dieses Argument immer wieder aufgeführt.

Ich gehe ganz anders davon aus, dass der Untergang Roms gar kein so einschneidendes Ereignis war und nicht übergewichtet werden darf. Faktisch wurde nach der Absetzung Romulus nur eine neue alte Herrschaftsform eeingeführt: Das Königtum. Dass der neue König Gothe war ist keinesfalls überraschend. "Ausländer" auf dem Thron waren keine Ausnahme. Im zivilen Sektor blieb alles weitgehend beim alten, die Senatoren gab es auch weiterhin. Nur die militärische Sicherung des nunmehr gotischen Reiches oblag nun den Goten. Die Bevölkerung war nach wie vor römisch. Der Übergang der folgte war alles in allem meiner meinung nach recht fließend. Nach abwechslenden Germanenreichen übernahm der fränkische König die Schutzherrschaft über Rom und vor allem das einflussreiche Episkopat. Der Rest ist Geschichte Big Grin

Der Vandaleneinfall ist auch nur eine Randnotiz. Der Stadtstaat Athen wäre gemessen an der Häufigkeit seiner Eroberungen schon hundertmal untergegangen.

Was wir hier sehen sind einfach große kulturpolitische Veränderungen, die Europa bis heute entscheidend prägen. Und die haben einfach Zeit gebraucht. Ein Untergang mit Pauken und Trompeten ist hier nicht zu sehen. Wir müssen uns nur eingestehen, dass wir aufgrund der schlechten Quellenlage im westl. Teil des Reiches leider nie genau erfahren werden, was im Detail geschehen ist.

Die Religion spielt auch eine entscheidende Rolle. Allerdings waren zu der Zeit die Germanenstämme bereits christianisiert. Deshalb auch die Schirmherrschaft der Franken über Rom, das sich, und hier sehe ich eine Entscheidende Wendung, nicht nach Osten (Kostantinopel/Byzantion) wandte, sondern nach einem (katholischen) Germanenreich.
Häufig war auch eine mangelnde innenpolitische Stabilität schuld am Untergang von Staaten.
Ist jemandem schon aufgefallen, wie rasch sich die letzten weströmischen Kaiser abgewechselt haben? Nach der Absetzung von Romulus Augustus erhob sogar noch ein anderer ehemaliger weströmischer Kaiser namens Glycerinus nominell Anspruch auf den Thron.
Übrigens sind auch die Reiche der Azteken und Inka an innenpolitischen Problemen zugrunde gegangen. Man erinnere sich daran, das Cortez sich eigentlich nur geschickt an die Spitze eines Aufstandes der Tlaxcalteken gegen ihre aztekischen Herren setzten. Ähnlich war es im Fall der Inka: Chachapoya, Kanarr und Wanka massakrierten die Inka schneller als die spanischen Conquistadores mit dem Zählen nachkamen. Zuvor hatte das Reich der Inka sich durch einen Thronfolgekrieg quasi selbst zerfleischt.
Zitat:Es wird von Militärhistorikern immer wieder gerne angeführt, die zunehmden Verweichlichung der Bevölkerung -> der rekrutierten Soldaten habe zu der mil. Schwäche geführt, die gerade in der Zeit der Völkerwanderung dann zur Katastrophe führte. Dazu haben bestimmt auch Autoren wie Livius und Tacitus ihres beigetragen. Natürlich ist das ziemlicher Quatsch. Der Fußsoldat, die Hauptstütze auch der späteren Armeen, kam zu der Zeit lange schon nicht mehr aus Rom. Bestes Beispiel der Historiker Marcellinus, Grieche aus Antiochia, der in der röm. Armee wohl ganz Europa bereiste...
Der Römer selbst ging nicht mehr in die Armee. Trotzdem wird dieses Argument immer wieder aufgeführt.

das ist kein Quatsch wenn man eben gezielt die RÖMISCHE Bevökerung betrachtet.
Der wichtigste Grund für den Untergang war die Degeneration Bürger Roms, der Rest, diese kulturpolitische Veränderung, war eine Folge dieses Prozesses.
Denn römisches Reich wurde durch Bürger Roms unter Waffen aufgebaut, durch die Bereitschaft dieser Bürger wenn nötig zu Tausenden auf dem Schlachtfeld abgeschlachtet zu werden.
@Kosmos
Zitat:Der wichtigste Grund für den Untergang war die Degeneration Bürger Roms
Wo siehst du diese Degeneration der Bürger Roms, und was meinst du eigentlich mit dem Begriff?

Zitat:der Rest, diese kulturpolitische Veränderung, war eine Folge dieses Prozesses.
Was meinst du mit den kulturpolitischen Veränderungen? Die Einsetzung des Christentums als Staatsreligion und Verfolgung anderer Kulte?

Zitat:Denn römisches Reich wurde durch Bürger Roms unter Waffen aufgebaut, durch die Bereitschaft dieser Bürger wenn nötig zu Tausenden auf dem Schlachtfeld abgeschlachtet zu werden.
Rom ist in seine Rolle als Grossmacht nach den punischen Kriegen quasi hineingerutscht. Karthago hat man erst nach drei Kriegen eliminiert, und mit Makedonien hat man sich auch Zeit gelassen. Am Seleukidenreich hielt man so lange fest, bis es nach einem Krieg mit Armenien und inneren Unruhen zerrüttet und nicht mehr tragbar war.
Übrigens kamen bereits ab Augustus die meisten römischen Legionäre nicht mehr aus Rom und seinem Umland selbst, sondern aus keltischen Gebieten, wie Gallien und Norditalien, oder Kleinasien.
Erich hat es schon angesprochen, aber es scheint mir in der Diskussion unterzugehen. Das Roemische Reich ist als solches erst im 15. Jhd untergegangen. Ostrom aka das Byzanthinische Reich bestand als effektives Gemeinwesen weitere tausend Jahre und ist erst nach der ersten Jahrtausendwende als die mit Abstand staerkste Grossmacht (ich moechte den Titel Supermacht nicht unbedingt anwenden) im europaeischen, afrikanischen und nahoestlichen Raum langsam durch die aufeinander folgenden islamischen Reiche zerrieben worden.

Es ist schon in diesem Kontext m.E. klar, dass einzelne Faktoren, ob Wirtschaft, oder Religion, oder Ueberdehnung etc. pp nicht fuer sich den Ausschlag gegeben haben koennen, denn viele dieser Charakteristika wurden von Ost- wie von Westrom getragen. Dennoch ist der eine Staat zerfallen (schon die Charakterisierung Untergang halte ich fuer fehlgeleitet), waehrend der andere im Gegenteil seine Einheit sogar staerken und seine Macht ausdehnen konnte. Man sollte sich also auch regionale Gegebenheiten ansehen sowie unvermeidlich gewisse Grossereignisse wie die Voelkerwanderung und deren Folgen.

Eins noch...ich weiss nicht, was hier verschiedentlich mit Degeneration etc. gemeint wird, eine Erklaerung waere hiflreich. Dass sich die Soldaten nicht "aus Rom" rekrutierten, sondern aus anderen Reichsteilen, erscheint mir kaum als Eingestaendnis der Schwaeche oder Problem in sich, schliesslich war Rom nun mal ueberall und gerade Griechenland war die laengste Zeit Kerngebiet des Roemischen Reiches und auf dem gleichen Rang wie Rom und die italischen Besitzungen. Nicht umsonst hat sich aus diesem Gebiet das Fundament des Ostroemischen Reiches gebildet. Die Griechen haben sich besonders in der Spaetzeit als roemische Buerger per definitionem verstanden. Oder um das ins Verhaeltnis zu setzen: in Byzanz gab es auch eine distinktive Persiode, in der die Grossbuerger des Kernlandes sich mehr oder weniger vom Militaerdienst verabschiedet haben und es in der Folge soziale Spannungen gab, weil Bauern, zumal aus entfernteren Reichsteilen, die Kriegslast zu tragen hatten. Nichtsdestotrotz war dies fuer das Byzantinische Reich eine der militaerisch staerksten und erfolgreichsten Perioden (Mitte 10. Jhd).

Die Antwort auf die Frage nach den Ursachen liegt daher in einer sehr sehr differenzierten Betrachtung und das ist bedauerlicherweise das maximale, was man, ohne auf das Niveau einer wissenschaftlichen Ausarbeitung abzugleiten, wie Thomas anmerkte, dazu sagen kann.
@Turin
Bezüglich des Unterganges des Römischen Reiches stimme ich dir zu. Es ist schon schwer zu sagen, wer der letzte römische Kaiser war. Mögliche Kandidaten wären nicht nur Romulus Augustulus und Glycerinus, sondern auch Phokas.
Gewiss, Phokas wird gerne als byzantinischer Kaiser gesehen, aber er war der letzte (ost)römische Herrscher, der auf dem Forum Romanum ein Bauwerk, die sogenannte Phokas-Säule, errichtete. Zudem wurde erst nachdem Phokas durch Herakleios gestürzt wurde das öströmische Reich griechisch geprägt, also zum byzantinischen Reich. So hat Phokas auch als letzter oströmischer Herrscher den Titel Imperator Augustus getragen, Herakleios und seine Nachfolger benutzten stattdessen den griechischen Titel Basileus.
Last not least war Phokas der letzte (ost)römische Herrscher, der aktiv in die Entwicklungen im ehemaligen weströmischen Reichsgebiet eingriff. Den Verlust großer Teile von Italien an das Langobardenreich konnte er dennoch nicht verhindern.
Im Endeffekt endete das römische Reich nicht, wenn man kulturell, verwaltungstechnisch und als Idee nimmt. Die Nachfolgestaaten verstanden sich oft als Rechtsnachfolger und versuchten die Idee des Reiches weiter aufrecht zu erhalten. Der Übergang war meistens fließend, und kein Abriß. Es gibt davon natürlich einige Ausnahmen wie beispielsweise das deutsche Voralpenland, aber ingesamt gab es keinen Abriß sondern eine organische fließende und langsame Veränderung.

Auch nach dem Ende des Kaisers im Westen und der Zentralverwaltung bestanden in den meisten Gebieten die römischen Verwaltungen einfach weiter und dienten dann ihren neuen Herren, am ausgeprägetesten im Bereich der Franken.

Warum aber ging die Zentralverwaltung und der Staat insgesamt verloren?

Der Grund sind meiner Ansicht nach primär Wirtschaftliche Gründe. Das Reich scheiterte aufgrund der Wirtschaft.

Auch wenn mich wie geschrieben Rom sehr interesseriert so muß man doch die Frage ob die Römische Kultur untergegangen ist eher verneinen. Noch heute prägt die römische Kultur über den Umweg der Angloamerikanischen Welt inzwischen die gesamte Menschheit. Insbesondere was die Frage der Rechtskultur angeht, unser gesamtes heutiges Recht und damit auch alles was darauf aufbaut (Rechtsstaat, Wirtschaft, Kapitalismus an sich) beruhen auf der römischen Kultur.

Wenn also für lange Zeit die Wirtschaftsordnung Roms scheiterte, unterging, und damit das Reich an sich, so läßt sich insbesondere daraus meiner Ansicht nach ableiten, das unsere heutige Weltordnung ebenfalls für eine bestimmte Zeit überraschend und schnell zusammen brechen kann. Und damit die damit zusammenhängenden Staaten, insbesondere die USA, aber auch inzwischen der Gros der Welt, da ja die Welt insgesamt schon in der Falle des Kapitalismus sitzt.
Alle Anzeichen die damals da waren, zeigen sich auch heute wieder.

Entwicklungen verlaufen in der Geschichte nicht Linear, vorhersehbar. Sie verfolgen oft in Sprüngen, plötzlich und unberechenbar.

Ich denke, daß dies die Hauptsache ist, die wir aus dem Untergang früherer Systeme lernen könnten. Warum aber ist das so?

Meiner Meinung nach gibt es wie damals für die Römer auch folgende primäre Gründe:

1 Strukturextrapolation, das heißt, man stellt sich kommende Sachverhalte so vor wie bereits bekannte und folgert daher aus geschehenem auf kommendes.

Der daraus resultierende Effekt wird in seiner negativen Wirkung unterschätzt. Die Menschen stellen sich die Zukunft zu sehr als eine Fortschreibung der Gegenwart vor. Daher können Systemzusammenbrüche oft nicht vorhergesehen werden.

Ich betone nochmal, daß es um Erkenntnisse der Gegenwart geht, der Mensch überbewertet bei der Vorhersage der Zukunft die Erfahrungen der Gegenwart.

2 Magisches Denken, daß heißt der Mensch ist in Wahrheit nicht in der Lage, wirklich nur mit dem Verstand logisch und nüchtern zu agieren. Er ist kein Computer im Gegenteil. Auch dieser Effekt wird drastisch unterschätzt. Tatsächlich wird dieses Denken heute in der Welt versteckt da es seit der Aufklärung scheinbar keine Grundlage mehr hat. Tatsächlich aber beherrscht es immer noch weite Teile der Menschheit. Ein Beispiel: es gibt tatsächlich selbst in großen Unternehmen immer noch Personalchefs die insgeheim neue Mitarbeiter auch bezüglich ihrer Sternzeichen überprüfen.

Mit magischem Denken meine ich aber nicht nur solche, völlig offenkundigen Vorgänge sondern alle Irrationalität, die Nicht - Existenz des Freien Willens und die Nicht - Existenz des Homo Ökonomikus.

Der Mensch handelt überwiegend aufgrund von Trieben und vorherbestimmten Mechanismen, er ist im höchsten Grade unfrei und vorher bestimmt, glaubt aber Freiheit zu haben. Dabei ist diese geistige Freiheit nur eine Illusion.

3 Dämpfung, darunter verstehe ich Mechanismen, Regelkreise die Abläufe dämpfen. Der Mensch an sich ist nicht ausreichend in der Lage solche Dämpfung zu erkennen, einzuschätzen, ausreichend zu berücksichtigen. Dazu ist unser Gehirn und Fühlen an sich ungeeignet. Daher werden die plötzlichen Umschwünge die beim Ausfall der Dämpfung entstehen in ihrem Umfang immer völlig unterschätzt.

4 Kompetenzillusion, das heißt insbesondere daß Menschen dazu neigen, ihr Können heillos zu überschätzen und an Lösungen zu glauben die Praktisch nicht umsetzbar sind. Der Mensch glaubt das es geht weil es ja theoretisch vom Verstand her tatsächlich geht. Noch darüber hinaus überschätzen Menschen die Folgen von Entscheidungen, sie überschätzen daher die Bedeutung der Entscheidung an sich gegenüber dem Prozeß.

5 Komplexität, damit meine ich, daß die gewachsene Struktur der Menschheit heute insgesamt zu komplex ist als das der Mensch sie gedanklich beherrschen könnte. Bedingt durch die Komplexität genügt es nicht, ein Ziel oder einige Ziele anzustreben, sondern eigentlich müsste man meistens viele Ziele gleichzeitig verfolgen. Dadurch entsteht das Problem Kontradiktischer Ziele, das bedeutet das das eine Ziel das andere behindert. Menschen sind in besonderem Maße ungeeignet kontradiktische Ziele zu verfolgen. Widersprüchliche Ziele sind aber die Regel, insbesondere in der Wirtschaft. Unübersichtlichkeit schafft aber wieder Unbestimmtheit und dadurch wird widerum magisches Denken befördert.

Wodurch die Wirtschaft trotz aller Pseudowissenschaftlichkeit überwiegend religiös begründet ist und ebenso agiert. Insbesondere gilt dies für die Vereinfachungen, die der Mensch immer vornimmt, er nützt um sich nicht in der Komplexität zu verlieren vereinfachende Annahmen, die meistens auf falschen Zuordnungen basieren. Zwei Dinge geschehen und hängen scheinbar miteinander zusammen, also hängen sie miteinander zusammen. Man spricht in der Verhaltenspsychologie von reduktiven Hypothesen. Diese finden nicht nur bei Mißerfolgen Anwendung und verhindern damit Lösungen und Vorbeugung, sondern ebenso im Erfolg und verstellen dabei den Blick auf systeminhärente Fehler die schon bald denselben zunichte machen werden.

Alle diese Probleme potenzieren sich am stärksten im Bereich der Wirtschaft. Dort treten sie am häufigsten auf, dort kumulieren sie sich, dort haben sie die meisten Wechselwirkungen in andere Systeme.

Daher ist der Grund für den Untergang der allermeisten Kulturen, Reiche und Völker fast immer wirtschaftlicher Natur. So weit meine Hypothese.
Seiten: 1 2